Titel: Bemerkungen über das Probiren der Silberbarren auf nassem Wege; von Hrn. Gay-Lussac.
Fundstelle: Band 56, Jahrgang 1835, Nr. LXXVIII., S. 436
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LXXVIII. Bemerkungen uͤber das Probiren der Silberbarren auf nassem Wege; von Hrn. Gay-Lussac. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Februar 1835, S. 218. Gay-Lussac's Probiren der Silberbarren auf nassem Wege. Neulich wurde dem Bureau de garantie in Paris eine Silberbarre zum Probiren uͤbergeben, welche 3 Tausendtheile Gold enthielt und deren Feingehalt ein Probirer zu 990 und ein anderer zu 995 Tausendtheilen gefunden hatte. Hr. Besseyre, den ich mit der Probe beauftragte, fand bei zahlreichen Versuchen auf nassem WegeGay-Lussac's Verfahren das Silber auf nassem Wege zu probiren ist im Polyt. Journale Bd. XL. S. 455 und Bd. XLIX. S. 108 beschrieben. A. d. R., die er mit der groͤßten Sorgfalt anstellte, den Silbergehalt der Barre zu 996 1/2 Tausendtheilen. Dieser Gehalt gibt mit den 3 Tausendtheilen Gold, 999 1/2 Tausendtheile als die Summe der beiden feinen Metalle, so daß nur 1/2 Tausendtheil fuͤr das Kupfer uͤbrig bliebe, welches gewoͤhnlich mit diesen beiden Metallen legirt ist. Dieses Resultat erregte unsere Aufmerksamkeit; denn wir fanden das kaͤufliche Feinsilber nie so rein, daß es 997 bis 998 Tausendtheile uͤberschritt. Andererseits gab diese Barre, als man sie auf der Kapelle abtrieb, um ihren Goldgehalt zu bestimmen, nur 990 Tausendtheile Silber, an Statt 996 1/2, die man auf nassem Wege gefunden hatte. Diese Resultate stimmen mit denen der beiden Probirer uͤberein, von welchen, wie ich mich uͤberzeugt habe, der eine auf nassem Wege, der andere durch Kupelliren den Silbergehalt bestimmt hatte. Ich suchte nun die Ursache dieser bedeutenden Differenz auszumitteln, und fand bald, daß sie von einem Queksilbergehalt der Barre herruͤhren mußte. Ich versezte naͤmlich einen Gramm reinen Silbers mit 5 Milligramm Queksilber, und fand nach Aufloͤsung der Metalle in Salpetersaͤure und Faͤllung mit Kochsalz, daß der Silbergehalt sich um ungefaͤhr 4 Tausendtheile erhoͤhte. Durch diesen synthetischen Versuch belehrt, sezte ich 50 Gramm der Barre in einer kleinen Porcellanretorte einer sehr hohen Temperatur aus und erhielt dadurch kleine, mit unbewaffnetem Auge sichtbare Queksilberkuͤgelchen. Nachdem nun die Ursache des Unterschiedes im Gehalte, der sich nach beiden Probirmethoden ergibt, bekannt war, blieb mir noch uͤbrig sie zu beseitigen, um dem Probirverfahren auf nassem Wege wieder die volle Sicherheit zu verleihen, welche sie durch diesen unerwarteten Umstand verloren zu haben schien; denn obgleich im Handel nur sehr selten Silber vorkommt, welches Queksilber enthaͤlt, so ist doch die Moͤglichkeit dieses Falles schon hinreichend, Mißtrauen gegen das neue Probirverfahren zu erregen. Anfangs glaubte ich, das Queksilber waͤre nicht vollkommen oxydirt worden und sey dann mit dem Silber als unaufloͤsliches Chloruͤr niedergefallen; als ich aber eine Probe mit reinem Silber machte, dem ich 6 Tausendtheile Queksilber zusezte, welches in vollkommen oxydirtem Zustande in Salpetersaͤure aufgeloͤst war, ergab mir dieselbe 1005 Tausendtheile, da ich doch nur 1000 hatte erhalten sollen; ein Beweis, daß das Queksilber sich mit dem Silber niedergeschlagen hatte. Ich glaubte dann, daß das Queksilber, obgleich es sich auf dem Maximum der Oxydation befand, in dem Augenblike der Faͤllung durch die salpetrige Saͤure, welche sich waͤhrend der Aufloͤsung des Silbers in Salpetersaͤure bildete, auf Oxydul reducirt worden sey. Ich versezte also die Aufloͤsung von einem Gramm reinen Silbers und 6 Milligramm Queksilber mit Chamaͤleon oder mangansaurem Kali, so lange dieses noch entfaͤrbt wurde, und selbst in schwachem Ueberschuß; das Resultat fiel aber dessen ungeachtet nicht genuͤgender aus, denn der Silbergehalt fand sich um ungefaͤhr 5 Tausendtheile zu hoch. Es blieb mir nun nichts mehr uͤbrig als Eigenschaften aufzusuchen, durch welche sich die Gegenwart sehr geringer Mengen von Queksilber im Silber erkennen laͤßt. Ich war so gluͤklich, ein solches Kennzeichen in der Wirkungsart des Lichtes auf das Chlorsilber zu finden, welche ganz verschieden ist, je nachdem dasselbe rein oder mit Queksilber verunreinigt ist. Das Chlorsilber wird bekanntlich um so schneller blau, je intensiver das Licht ist, von dem es getroffen wird; es faͤrbt sich sogar sehr merklich und ziemlich schnell, wenn es in einem Zimmer dem zerstreuten Lichte ausgesezt wird. Enthaͤlt es aber 4 bis 5 Tausendtheile Queksilber, so wird es im zerstreuten Lichte nicht mehr blau, sondern bleibt matt weiß; bei 3 Tausendtheilen Queksilber findet noch keine sehr merkliche Faͤrbung Statt; bei 2 Tausendtheilen ist sie schwach; bei 1 Tausendtheil ist sie viel auffallender, aber doch nicht so stark wie bei reinem Chlorsilber. Bei 1/2 Tausendtheil Queksilber ist der Unterschied in der Faͤrbung nicht sehr merklich; er wird nur in einem sehr maͤßigen Lichte wahrgenommen. Wenn aber auch der Queksilbergehalt des Silbers so gering ist, daß man ihn durch einen Unterschied in der Faͤrbung des Chlorsilbers nicht mehr erkennen kann, so laͤßt sich doch durch ein sehr einfaches Verfahren das in der Aufloͤsung enthaltene Queksilber so concentriren, daß man es sehr leicht entdeken kann. Man loͤst 1 Gramm Silber, wovon wir annehmen, daß es 1/2 Tausendtheil Queksilber enthaͤlt, in Salpetersaure auf und schlaͤgt aus der Aufloͤsung nur 1/4 des Metalles nieder, indem man nur 1/4 der zur gaͤnzlichen Faͤllung erforderlichen Kochsalzaufloͤsung zusezt. Bei diesem Verfahren wird der 1/2 Tausendtheil Queksilber in einer vier Mal kleineren Menge Chlorsilber concentrirt; und der Fall ist also derselbe, als wenn man eine vier Mal so große Menge Queksilber, naͤmlich 2 Tausendtheile, aufgeloͤst und das Silber ganz ausgefaͤllt haͤtte. Nimmt man zwei Gramm Silber und schlaͤgt davon nur 1/4 mit Kochsalz nieder, so verhaͤlt sich der Niederschlag gerade so, als wenn er 4 Tausendtheile Queksilberchloruͤr enthielte. Durch dieses Verfahren, welches nicht uͤber 5 Minuten Zeit erheischt, weil man nicht genau zu waͤgen braucht, gelang es mir sogar, 1/10 Tausendtheil Queksilber im Silber zu entdeken. Fuͤr diejenigen, welche meine Versuche wiederholen wollen, bemerke ich noch, daß das genaueste Verfahren sehr geringe Quantitaͤten von Queksilber in die Silberaufloͤsung zu bringen, darin besteht, ein kleines Queksilberkuͤgelchen abzuwaͤgen, es in Salpetersaͤure aufzuloͤsen und die Aufloͤsung mit Wasser zu verduͤnnen, bis sie eben so viele Kubikcentimeter einnimmt, als das Queksilberkuͤgelchen Milligramm wog. Jeder Kubikcentimeter, den man mit der Saugroͤhre nimmt, wird dann 1 Milligramm Queksilber enthalten. Wenn es sich ergab, daß die zu probirende Silberbarre eine betraͤchtliche Menge Queksilber enthaͤlt, z.B. 1 Tausendtheil, so muß man fuͤr diesen Fall die Probe auf nassem Wege aufgeben oder wenigstens einen vergleichenden Versuch durch Kupelliren anstellen. Es ist dieses ohne Zweifel ein Uebelstand, was ich ohne Ruͤkhalt gestehe; die Quantitaͤten von Queksilber, welche bei diesem Verfahren dem Probirer entgehen koͤnnten, betragen aber noch bei weitem weniger als die Fehler, die beim Kupelliren unvermeidlich sind. Ich bin von dieser Wahrheit so uͤberzeugt, daß ich dessen ungeachtet fortfahren werde, mich des nassen Weges zu bedienen, als noch alle wuͤnschbare Genauigkeit darbietend. Wenn das Chlorsilber Queksilber enthaͤlt, so klaͤrt sich auch die Fluͤssigkeit durch Umruͤhren viel schwieriger; ich lege jedoch auf diesen Umstand kein großes Gewicht, weil er zu schwer zu beobachten ist, wenn das Silber nur 1 bis 2 Tausendtheile Queksilber enthaͤlt. Ich versuchte den Queksilbergehalt des Silbers dadurch zu bestimmen, daß ich einen Gramm davon unter der Muffel in einem kleinen Tiegel im Fluß erhielt, und zwar mit Kienruß versezt, um die Verdampfung des Silbers zu verhindern, wurde aber in meiner Erwartung sehr getaͤuscht; denn nach drei Viertelstunden hatte das Silber sehr merklich an Gewicht zugenommen. Bei einem Versuche betrug der Gewichtsuͤberschuß mehr als 30 Milligramm. Ich muß nun noch bemerken, daß außer dem Queksilber kein Metall bei der Probirmethode auf nassem Wege das Resultat abaͤndern kann. Ehe ich dieses Verfahren bekannt machte, hatte ich eine große Anzahl von Metallen, z.B. Eisen, Kupfer, Zink, Blei, Nikel, Kobalt, Wismuth etc. auf ihren allenfallsigen Einfluß gepruͤft, keineswegs aber das Queksilber, in der Meinung, daß dieses Metall in Silber, das geschmolzen wurde, nicht mehr vorkommen kann, abgesehen davon, daß es ein sehr leicht aufloͤsliches Chlorid bildet. Ich wuͤnsche mir gegenwaͤrtig dazu Gluͤk; denn diese Schwierigkeit wuͤrde mir damals, obgleich sie gegenwaͤrtig besiegt ist, vielleicht jene Ausdauer benommen haben, die in so hohem Grade noͤthig ist, um die geringste wissenschaftliche Entdekung den Beduͤrfnissen der Kuͤnste anzupassen.