Titel: Der Wollenhandel in England.
Fundstelle: Band 57, Jahrgang 1835, Nr. XLV., S. 223
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XLV. Der Wollenhandel in England. Aus dem Tagebuche eines deutschen Reisenden. Ueber den Wollenhandel in England. Die Wolle bildet das Material fuͤr den zweitwichtigsten Zweig der Stuhlwaarenmanufacturen in England, welcher, wenn er auch den dermaligen staunenswuͤrdigen Umfang der Baumwollenmanufacturen kaum zu einem Drittheile erreicht, doch immer kolossal genug bleibt, um die Aufmerksamkeit aller Wolle producirenden Laͤnder Europa's auf sich zu ziehen und seit einer Reihe von Jahren, besonders aber in der neuesten Zeit in stetem Aufschwunge begriffen ist. Als Belege des Gesagten moͤge hier nur im Vorbeigehen bemerkt werden, daß die declarirten Ausfuhrwerthe an Wollenwaaren (also außer dem Bedarfs der innern Consumtion, welche bei dem einer Prohibition nahe stehenden Einfuhrzolle von 20 Proc. auf auslaͤndische Wollenwaaren ebenfalls von der innern Fabrikation ausschließend gedekt wird) im Jahre 1832 6,278,000 Pfd. Sterl., im Jahre 1833 6,788,000 Pfd. Sterl. und im Jahre 1834 7,891,000 Pfd. Sterl., mit Einschluß der Wollengarne, betragen haben. Es ist allgemein bekannt, daß die eigene Wollenproduction des vereinigten Koͤnigreiches den Beduͤrfnissen dieser ungeheuren Fabrikation weder in Ansehung der Menge, noch der Beschaffenheit genuͤgt. Was die leztere betrifft, so hat auch in England die Anwendung aller jener Mittel nicht gefehlt, wodurch die Schafzucht in andern Laͤndern so große Fortschritte erlangte. Insbesondere wurde die spanische Race schon vor 50 Jahren daselbst eingefuͤhrt und die Sorgfalt, mit welcher dort alle landwirthschaftlichen Unternehmungen betrieben und z.B. die trefflichsten Pferde- und Rindviehracen gezogen werden, laͤßt von selbst erwarten, daß auch der Wollenveredlung, welche noch uͤbrigens auf einen der wichtigsten Industriezweige des Landes direct influirt, gleiche Aufmerksamkeit gewidmet worden sey. Dessen ungeachtet war der bisherige Erfolg nicht ganz guͤnstig, und selbst die Kriegsjahre, welche die Zufuhr auslaͤndischer Wollen erschwerten, vermochten keine namhafte Verbesserung hervorzubringen. Die ausfuͤhrliche, hieruͤber im Jahre 1828 von einer Parlamentscommittee gepflogene Untersuchung, deren Bericht einen starken Folioband ausmacht, stellte außer einigen untergeordneten und nicht allgemein anerkannten Ursachen, als Mangel an paffender Weide, Feuchtigkeit des Klima's u.s.w. den entscheidenden Grund dieser Erscheinung dahin fest, daß die Hauptnuzung der englischen Schafzucht nicht sowohl auf die Feinheit der Wolle, als auf die Menge und zugleich auch auf das Fleisch und die Maͤstung gerichtet sey; die Veredlung des Fließes aber mit der Koͤrperentwiklung und dem Fleischertraͤgnisse gewisser Maßen in umgekehrtem Verhaͤltnisse zu stehen scheine. Das englische Nationalschaf ist kolossal im Vergleiche des spanischen; sein Fließ besizt ein Durchschnittsgewicht von 4 – 5 Pfund (welches haͤufig auch 6–7 Pfund erreicht), sein Fleisch ist von ganz anderer, weit vorzuͤglicherer Beschaffenheit, als jenes anderer Schafracen des Continents, es wird meistens dem besten Ochsenfleische vorgezogen und bildet eines der Hauptnahrungsmittel. (Auf dem bekannten Viehmarkte Smithfield in London werden jaͤhrlich uͤber eine Million gemaͤstete Hammel verkauft und zwischen vier und fuͤnf Millionen jaͤhrlich in ganz England geschlachtet.) Die englische Schafwolle wird in kurze und lange (sogenannte Kammwolle) eingetheilt. Seit den bedeutenden Verbesserungen der Kammwollenspinnereien, wodurch auch kurze Wollen zu diesen Garnarten (worsted Yarn, von dem kleinen Orte Worstead in der Grafschaft Suffolk, wo dasselbe zuerst erzeugt worden seyn soll; der Hauptfabrikort hiefuͤr ist gegenwaͤrtig Bradford in Yorkshire mit Umgebungen) versponnen werden, hat die lange Wolle etwas an Wichtigkeit und Preis verloren. In den Grafschaften Lincoln, Kent und Leicester findet sich die beste langwollige Schafzucht. Ihre Wollen werden im Handel in 7 bis 9 Sorten getheilt, (prime-second wethers-middle-w.-supper-w. Low Hogs-Middle-H.-Super-H.-Lender H. down H. and half bred H.,) welche im Preise unter sich zwischen 1 und 3 Pfd. Sterl. per pack (240 Pfd.) differiren. Die Mittelpreise auf dem Londoner Markte fuͤr Lincolnshirewolle betrugen im Jahre 1833 je nach den angegebenen Sorten von 12–16 Pfd. Sterl. per pack oder 1 Schill. bis 1 Schill. 3 Pence per Pfd., und 1834 von 22–24 Pfd. Sterl. per pack oder 1 Schill. 10 Pence bis 2 Schill. per Pfd. Es ist uͤbrigens ein bemerkenswerter Umstand, daß gleichwie die Abnahme der Qualitaͤt der englischen Wolle gegen fruͤhere Jahre schon durch die Mehrzahl der im Jahre 1828 vor der Parlamentscommittee vernommenen Sachverstaͤndigen constatirt worden, dasselbe Ergebniß auch fuͤr die neueste Zeit durch den sichersten Anhaltspunkt in dieser Beziehung, naͤmlich die Zollbehandlung bestaͤtigt wird. Nach dem bezahlten Ausfuhrzoll, wovon sogleich naͤher die Rede seyn wird, betrug naͤmlich der Werth der ausgefuͤhrten inlaͤndischen Wolle in den Jahre 1824–27 einen und uͤber einen Schilling per Pfd., waͤhrend die Ausfuhr der Jahre 1828–31 unter diesem Werthe zuruͤk blieb und den geringeren Ausfuhrzoll bezahlte. Dagegen entrichteten von den eingefuͤhrten fremden Wollen in dem naͤmlichen Zeitraͤume 29/30 Theile den hoͤheren und nur 1/30, den geringeren Ausfuhrzoll. Da nach den englischen Zollgesezen die Zollbehoͤrde das Recht hat, jede zur Behandlung kommende Waare um den declarirten Werth, mit Verguͤtung von 10 Proc. zu behalten, und die Pruͤfungen in der Regel mit Genauigkeit und Sachkenntniß vollzogen werden, so gewaͤhren die Declarationen eine hinreichende Sicherheit zur Werthsbeurtheilung. Die innere Wollenproduction des Koͤnigreichs wurde durch die erwaͤhnte Parlamentscommittee im Jahre 1828 fuͤr England allein auf 263,800 packs lange oder Kammwolle und zu 120,600 packs kurze Wolle ermittelt. Dieß Erzeugsquantum gilt auch fuͤr die Gegenwart, da eine betraͤchtliche Vermehrung der Schafzucht seit jenem Zeitpunkte nicht angenommen wird, als ein durchschnittsmaͤßiges; rechnet man hiezu ungefaͤhr 35,000 packs fuͤr Schottland und 27,000 packs fuͤr Irland, so belaͤuft sich das ganze Erzeugsquantum des vereinigten Koͤnigreiches auf 446,400 packs (zu 240 Pfund schweres [Avoir dupois] Gewicht) oder auf ungefaͤhr 1,070,000 Centner in runder Zahl. Außer diesen so eben in der Kuͤrze betrachteten inneren Productionsverhaͤltnissen der Wolle haben die darauf bezuͤglichen Regierungsmaßregeln, die Regulirungen der Ein- und Ausfuhr, das naͤchste Interesse fuͤr den auswaͤrtigen Verkehr dahin. Es ist begreiflich, daß die Aufmerksamkeit der Leiter der oͤffentlichen Angelegenheiten in England auf diesen wichtigen Zweig der dortigen Manufacturbeduͤrfnisse seit alten Zeiten gerichtet war, zumal der Bezug des Rohmaterials vom Auslande von jeher unentbehrlich schien; Beguͤnstigungen auf der einen, und Erschwerungen, Prohibitionen und Monopole auf der andern Seite folgten sich daher in ununterbrochener Reihe. Zum Verstaͤndniß der Behandlungsweise der Ein- und Ausfuhrzoͤlle auf Wolle und Wollenwaaren in England duͤrfte eine allgemeine Bemerkung uͤber das, seit Jahrhunderten in jenem Lande befolgte System der auswaͤrtigen Handelspolitik den Weg bahnen. Dasselbe laͤßt sich vollstaͤndig in wenigen Worten ausdruͤken: es begreift naͤmlich zweierlei Einwirkungen auf den Verkehr, Ermunterungen oder Erschwerungen, erstens der Einfuhr, zweitens der Ausfuhr. Die Erschwerungen der Einfuhr erstreken sich auf solche auslaͤndische Artikel, welche a) entweder im Lande eben so gut erzeugt werden koͤnnen, oder b) gegen die Einfuhr aus Laͤndern insbesondere, mit denen man in unguͤnstiger Handelsbilanz zu stehen vermeint. Die Ermunterungen der Ausfuhr bestehen 1) in Ruͤkzoͤllen (drawbacks), welche gegeben werden als Ruͤkverguͤtung a) innerer auf gewissen einheimischen Artikeln liegender Steuern, bei der Ausfuhr oder b) der hohen von fremden Artikeln erhobenen Eingangszoͤlle bei der Wiederausfuhr; 2) in Praͤmien (bounties) fuͤr die Ausfuhr gewisser besonders beguͤnstigter Manufacturartikel; 3) endlich in Einfuhrbeguͤnstigungen nach fremden Laͤndern durch Handelsvertraͤge. Indem man einerseits das Manufacturinteresse durch directe Eingangsverbote oder hohe Zoͤlle auf fremde Waaren zu befoͤrdern trachtete, suchte man andererseits die Einfuhr der Rohmaterialien, besonders der fuͤr die Fabriken unentbehrlichen, zu beguͤnstigen, theils durch Praͤmien, theils durch voͤllige Befreiung vom Eingangszoll. Leztere Maxime hat inzwischen in neuerer Zeit dadurch eine Modification erlitten, daß man sich durch die stets wachsenden Regierungsbeduͤrfnisse genoͤthigt sah, auch solche Artikel von Rohmaterialien mit einem niederen Eingangszolle zu belegen, welche fruͤher in Ruͤksicht auf das eigene Fabrikinteresse nie dergleichen bezahlt hatten. Dasselbe ist nun auch bei der Wolleneinfuhr der Fall. Die englischen Wollenmanufacturen waren durch sehr alte Statuten schon vor den Wirkungen fremder Einfuhr geschuͤzt. Ein Statut Eduards III., welches auch in spaͤteren Zeiten oft erneuert wurde, verbot das Einbringen fremder Wollenwaaren bei Strafe der Confiscation und unbestimmter Einkerkerung der Einbringer. Hoͤchst barbarisch waren die Ausfuhrverbote der Wolle. Enthauptung und Abhauen der Glieder, dann Confiscation alles Eigenthums waren die Strafen, welche unter Eduard III. auf deren Uebertretung gesezt waren. Unter Elisabeths Regierung wurde die Ausfuhr lebender Schafe als Verbrechen (felony) erklaͤrt, und das erste Mal mit Verlust der linken Hand und einjaͤhrigem Gefaͤngnisse, das zweite Mal aber mit dem Tode bestraft. Aehnliche Geseze wiederholten sich unter Carl II. Unter Wilhelm III. wurden zwar die Criminalstrafen aufgehoben, aber die Verbote blieben und wurden mit Strenge gehandhabt. Dasselbe war der Fall unter Georg III. durch eine ausfuͤhrliche Parlamentsacte vom Jahre 1788. Dieselbe verbietet die Ausfuhr der lebenden Schafe und der Wolle bei Strafe der Confiscation der Waare und des Fahrzeuges, dann 3 Pfd. Sterl. fuͤr jedes Schaf oder jedes Pfund Wolle und dreimonatlicher Einsperrung; im Wiederholungsfalle aber unter verdoppelten Strafen. Dasselbe Verbot erstrekte sich auch aus die Ausfuhr von Wollengarn, welche bloß auf eine jaͤhrliche Quantitaͤt von 5000 Pfund (spaͤter von 20,000 Pfund) fuͤr Canada beschraͤnkt war. Selbst der Verkehr mit roher Wolle und Wollengarn im Inneren war zu besserer Handhabung des Ausfuhrverbotes mit einer Menge der laͤstigsten Beschraͤnkungen verbunden, welche fuͤr ein Land, wo die politischen Rechte mit so großer Eifersucht bewacht werden, wirklich staunenswuͤrdig sind. Aller besseren staatswirthschaftlichen Theorien ungeachtet, welche durch ausgezeichnete Schriftsteller, von Humé und Smith angefangen, so wie durch aufgeklaͤrte Staatsmaͤnner verbreitet wurden, blieben diese den wahren Productions- und Handelsinteressen geradezu entgegenstrebenden Ausfuhrverbote, deren nachtheilige Folgen man schon unter dem Kaiserreiche in Frankreich wahrzunehmen Gelegenheit gehabt hatte, bis zum Jahre 1824 unveraͤndert; nur fuͤr die Ausfuhr nach den uͤberseeischen brittischen Besizungen waren schon vor diesem Zeitpunkte Bewilligungen erfolgt. Durch eine Parlamentsacte vom 10. Sept. 1824 (5 Georg IV., Cap. 27) wurde endlich die brittische Wollenausfuhr freigegeben gegen einen Ausfuhrzoll von einem Pence fuͤr das Pfund Wolle von 1 Schill. und aufwaͤrts im Werthe, und von 1/2 Pence fuͤr Wolle unter 1 Schill. Werth. (Nach den neuesten Zollbestimmungen betraͤgt der Ausfuhrzoll nur 1 Schill. auf den Centner.) Von diesem Zeitpunkte an bis gegenwaͤrtig stieg die Wollenausfuhr alljaͤhrlich, wie man aus der sogleich folgenden Uebersicht der Ein- und Ausfuhr der lezten 15 Jahre ersehen wird. Die Wolleneinfuhr blieb bis zum Jahre 1819 ganz zollfrei. Vom 10. Oktbr. des eben genannten Jahres an bis zum 5. Jan. 1823 wurde von jedem Pfund Wolle aus brittischen Besizungen 1 Pence und von fremder Wolle 6 Pence per Pfd. bei der Einfuhr erhoben; an lezterwaͤhntem Tage erhoͤhte man den Einfuhrzoll fuͤr Wolle aus brittischen Besizungen auf 3 Pence das Pfd., hob denselben jedoch am 5. Jul. 1825 wieder auf und befreite die Wolleneinfuhr aus saͤmmtlichen brittischen uͤberseeischen Besizungen von allem Eingangszolle, jene aus anderen Laͤndern ohne Unterschied aber belegte man mit einem Einfuhrzoll von 1 Pence fuͤr das Pfund Wolle zu 1 Schill. Werth und daruͤber und von 1/2 Pence per Pfund unter 1 Schill. Werth, bei welcher Bestimmung es bis gegenwaͤrtig geblieben ist. Bei der Einfuhr der spanischen Wolle werden außerdem 10 Pfund auf den Centner fuͤr Taraverguͤtung freigelassen. Wollenfabrikate aller Art zahlen bei der Einfuhr 20 Proc. des Werthes. Lebende Schafe sind bezuͤglich auf die Einfuhr in das allgemeine Einfuhrverbot des lebenden Viehes in das vereinigte Koͤnigreich (3 und 4 Wilh. IV., Cap. 52) eingeschlossen; ihre Ausfuhr ist frei. Es werden jaͤhrlich mit Inbegriff Irlands (woselbst Waterford den Hauptmarke fuͤr Schafe bildet) gegen 15,000 Stuͤk Schafe ausgefuͤhrt. Die Ergebnisse des auswaͤrtigen Wollenverkehrs in England seit den leztverflossenen fuͤnfzehn Jahren sind aus nachstehender Uebersicht nach den officiellen Erhebungen und statistischen Darstellungen des Board of trade zu entnehmen: Textabbildung Bd. 57, S. 227 Ausfuhr; Einfuhr Hienach betrug die jaͤhrliche Wollenausfuhr, vom Jahre 1825 angefangen, in welchem dieselbe auch nach anderen Gegenden als den brittischen Besizungen gestattet worden, bis zum Ende des verflossenen Jahres durchschnittlich 22,600 Centner. Die jaͤhrliche Wolleneinfuhr aber, welche wie man sieht, bisher in beinahe ununterbrochenem Steigen begriffen war, berechnet sich in fuͤnfzehnjaͤhrigem Durchschnitte auf 265,638 Centner, und in so fern nur der Durchschnitt der lezten fuͤnf Jahre, binnen welchen die Wollenmanufacturen ihren staͤrksten Aufschwung gewonnen haben, betrachtet werden will, auf 340,711 Centner. Die Zolleinahme endlich fuͤr die, seit dem Jahre 1825 als dem Anfange der neuen Zollbelegung eingefuͤhrte Wolle betraͤgt per Pfund des ganzen Einfuhrquantums 12/13 Pence, woraus daher zu entnehmen, daß nur ein sehr kleiner Theil der eingefuͤhrten Wolle unter einem Schilling Werth per Pfund declarirt war. Zur Darstellung des Details der brittischen Wolleneinfuhren neuester Zeit benuzen wir einige periodische Anzeigen bedeutender Haͤuser in diesem Artikel, insbesondere die von Gooch und Cousens in London (126 London wall) fuͤr die lezten drei Jahre hergestellten Tabellen und geben nachstehende Uebersicht, deren Annaͤherung an die vorerwaͤhnten officiellen Erhebungen ein guͤnstiges Zeugniß fuͤr ihre Richtigkeit ablegt. Uebersicht der Wolleneinfuhr nach England in den Jahren 1832, 1833 und 1834 aus nachbenannten Laͤndern. Englische Centner schweres (Avoirdupois) Gewicht. Textabbildung Bd. 57, S. 228 Ort der Einfuhr; Aus Deutschland; Spanien; Portugal; Neusüdwales und Vandiemensland; Cap der guten Hoffnung; Süd-Amerika; Italien, Toscana; Rußland; Dänemark; Barbarei und Türkei; Sonstige Bezüge; London; Liverpool; Hull; Goole; Gloucester; Bristol Was zuerst die Handelsplaͤze fuͤr fremde Wolle in England betrifft, so zeigt sich auf den ersten Blik in vorstehende Tabelle, daß der Hauptmarkt auch fuͤr diesen Artikel (gleichwie fuͤr alle uͤbrigen Hauptartikel des englischen Handels mit Ausnahme der Baumwolle) London ist. Die Zufuhren nach Liverpool und Bristol sind unbedeutend und zufaͤllig, als bloße Ruͤkfrachten. Um so wichtiger fuͤr den englischen Wollenhandel sind die Haͤfen Hull und Goole in Yorkshire, und werden es immer mehr werden. Der westliche Theil der Grafschaft York (westriding) und hierin die Stadt Leeds mir Umgebungen ist der Hauptdistrict fuͤr die englischen Wollenmanufacturen und umfaßt nach der jenem Lande ganz eigenthuͤmlichen Abgraͤnzung der großen Manufacturzweige, welche die Baumwollenmanufacturen nach Manchester und Umgebungen, die Eisen- und Stahlfabriken nach Sheffield, und die uͤbrigen Metallfabriken nach Birmingham verwiesen hat, die Tuchfabrikation fast ausschließend. Was Liverpool bei der Lieferung der Baumwolle fuͤr Manchester, wird fuͤr Leeds in naͤchster Zeit der in großem Aufschwunge begriffene und hoͤchst guͤnstig gelegene Seehafen Hull werden. Gleichwie eine doppelte Canalverbindung und eine Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester, so besteht zwischen Leeds und Hull eine Verbindung durch Canal- und Flußschifffahrt auf den Fluͤssen Aire und Ouse, wozu sich in der neuesten Zeit noch eine vortrefflich angelegte Eisenbahn gesellt, welche bereits zur Haͤlfte (bis Selby) vollendet und im Gange ist. Eben so hat sich der kleine Ort Goole (nur 2300 Einwohner zaͤhlend), ein Hafen nahe am Anfange der tiefen Meerenge, welche den Ausfluß des Humber bildet, bereits sehr emporgeschwungen und eines Theiles des deutschen Wollenhandels bemaͤchtigt. Betrachtet man ferner den in der Tabelle bezeichneten Ursprung der in den lezten drei Jahren nach England eingefuͤhrten Wolle, so ergibt sich, daß die Einfuhr spanischer Wolle, welche fruͤherhin im englischen Wollenhandel die erste Rolle spielte, in neuester Zeit auf ungemein geringe Quantitaͤten herabsank, und die deutsche Wolle an deren Stelle trat. Diese Veraͤnderung ist sehr neuen Ursprunges und wird erst seit der Mitte des verflossenen Jahrzehents wahrgenommen, indem waͤhrend der lezten dreißig Jahre ruͤkwaͤrts vom Jahre 1826 an nach den offiziellen Einfuhrlisten der Import spanischer Wolle durchschnittlich nicht unter 50,000 Cntr. jaͤhrlich, in einzelnen Jahren aber fast das doppelte Quantum betragen hatte. Der zunehmende Verfall der spanischen Industrie einer- und die großen Fortschritte der deutschen Schafzucht andererseits, der hoͤchst vorteilhafte Ruf der deutschen Wolle in England, verbunden mit der Handelsbetriebsamkeit einiger norddeutschen Staͤdte, welche besonders durch ihren ausgedehnten Colonialwaarenhandel den englischen Schiffen vorteilhafte Ruͤkfrachten in Wolle gewaͤhren, duͤrsten die Hauptursachen dieser fuͤr die deutschen Agriculturinteressen so vorteilhaften Wendung seyn. In den leztverflossenen fuͤnfzehn Jahren wurden nachstehende Quantitaͤten deutsche Wolle nach England eingebracht: Textabbildung Bd. 57, S. 229 Cntr. in engl. schwerem Gewichte Textabbildung Bd. 57, S. 230 Cntr. in engl. schwerem Gewichte Besondere Aufmerksamkeit verdienen ferner die in obiger Tabelle angezeigten Wollensendungen aus Neuholland, welche auch fuͤr den deutschen Wollenhandel wegen der drohenden neuen Concurrenz von hoher Wichtigkeit sind. Es ist bekannt, daß auf Vandiemensland und Neusuͤdwallis mit Unterstuͤzung englischer Capitalien große Schafheerden unterhalten werden, deren Wollenertrag bloß fuͤr England bestimmt seyn kann. Das Gedeihen und die großen Fortschritte der Schafzucht in jenen Colonien ist außer Zweifel. Sie ist durch die besten spanischen Racen veredelt und die Wollenmuster von verschiedenen Punkten jener Colonien mehrerer Jahrgaͤnge, welche in den Sammlungen der beruͤhmten Society of arts and manufactures in London hinterlegt sind, beurkunden die ausgezeichneten Fortschritte in der Wollenveredlung. Auch ist die Wolleneinfuhr von daher in neuester Zeit in stetem Fortschreiten begriffen. Dieselbe begann zuerst mit Quantitaͤten, welche einige tausend Centner uͤbersteigen, im Jahre 1826, und stieg seitdem in folgendem Verhaͤltnisse: Australische Wolleneinfuhr 1826     11,063 Cntr.       –       – 1827        3158   –       –       – 1828     15,741   –       –       – 1829     18,364   –       –       – 1830     20,007   –       –       – 1831     25,412   –       –       – 1832     25,158   –       –       – 1833     35,875   –       –       – 1834     39,069   – Es ist nach dem Urtheile Sachkundiger mit aller Bestimmtheit zu erwarten, daß die Wollenproduction jener Colonien, durch ungemeine oͤrtliche Vorzuͤge beguͤnstigt, in naͤchster Zeit einen hohen Aufschwung nehmen und den gefaͤhrlichsten Concurrenten fuͤr die deutsche Wolle auf den englischen Maͤrkten abgeben werde, wenn gleich die große Entfernung und der Mangel an Versendungen oder Ruͤkfrachten dahin der bisherigen groͤßeren Importation entgegenstand. Daß dieselbe uͤberdieß die Eingangszollbefreiung in England genießt, ist schon oben erwaͤhnt worden. Der Werth der australischen Wolle steht dermalen in England von 1–3 Schill. per Pfund; sie koͤmmt nicht assortirt, wie jene von Deutschland und anderwaͤrts, wohl aber reinigt man sie etwas und wirft die Fließe nach oberflaͤchlicher gleicher Beschaffenheit zusammen. Sie ist durchaus sehr beliebt, und wird als vorzuͤglich geeignet zur Garnspinnerei erachtet, was schon ihr langes haltbares Haar andeutet. Zur Verfertigung von Tuͤchern wurde sie noch zur Zeit selten verwendet, doch wird dieß ohne Zweifel der Fall seyn, wenn sie in groͤßerer Menge eingebracht wird. Man versendet sie in stark zusammengepreßten Ballen von beilaͤufig 200 Pfd. nach Art der amerikanischen Baumwollenballen, allein die Wolle leidet durchaus nicht darunter, wie man fruͤher, aus Veranlassung einiger durch andere Zufaͤlle verdorbener Sendungen, verbreitet hatte. Ihre Bezugsweise geschah bisher meist nur als Retouren fuͤr dahin gesandte Waaren und noch zur Zeit selten fuͤr Rechnung der Producenten; nur die Familie Mac-Arthur, welche große Laͤndereien auf Neuholland besizt, sendet ihre Wolle direct nach England zum Verkaufe. Die uͤbrigen von daher importirten Partien sind von Privaten gekauft, welche dort Landwirthschaft treiben, jedoch nicht von der (seit 1825) bestehenden Australian-agricultural-Society, von deren Wirken bisher noch wenig verlautete. – Folgende sind die mittleren Preise der eingefuͤhrten fremden Wolle auf englischen Maͤrkten, einschluͤssig des bezahlten Eingangszolles in den leztverflossenen fuͤnf Jahren: Das Pfund (Avoirdupois-Gew.) 1830 1831 1832 1833 1834 Der geringeren Sorten    der schlesischen    Wolle, auch aus    Oesterreich u.s.w. 4 Sch. 10 P. 1 Sch. 11 P. 2 Sch. 1 P. 2 Sch. 6 P. 2 Sch. 6 P. Der Mittelsorten 2  –   4 – 2  –   4 – 2  – 7 – 3   – 3   – 6 – Der Wollenwerth steht dermalen (Maͤrz 1835) so wie er das ganze Jahr 1832 hindurch stand, aber um etwas niedriger als in der ersten Haͤlfte des verflossenen Jahres. Die starken Zufuhren des lezten Jahres sind Ursache dieses Fallens, und wenn gleich der Verbrauch so stark ist und staͤrker als je zuvor, so ist doch als wahrscheinlich anzunehmen, daß die Wolle im laufenden Jahre 1835 sich nicht bedeutend uͤber ihren dermaligen Stand erheben werde, indem alle Aussicht gegeben ist, daß in diesem Jahre die Wollenproduction in- und außerhalb Europa eine reiche Ernte liefern werde. – Wir schließen diese Bemerkungen mit einigen merkantilischen Notizen uͤber den deutschen Wollenhandel nach England insbesondere. Es ist durchaus nicht anzurathen, ordinaͤre deutsche Wolle nach England zu senden; sie wuͤrde dort gegenwaͤrtig nur 7–8 Pence per Pfund werth seyn und kostet in Deutschland stets mehr. Fellwolle (von todten Schafen) ist abzusezen und ziemlich currant; der Werth ist beilaͤufig 1 Sch. per Pfund. Gemischte deutsche Wollen gehen haͤufig direct nach Leeds, wo sie sortirt werden; zur Sendung nach London aber wuͤrden immerhin die sorgfaͤltig sortirten (ungemischten) Sorten anzurathen seyn. Die unsortirte deutsche Wolle steht dermalen von 1 Sch. 10 P. bis 2 Sch. 9 P. per Pfund nach Qualitaͤt im Werthe. Aus England reisen jaͤhrlich im Fruͤhlinge viele Wollenhaͤndler und Wollenfabrikanten nach Deutschland und bringen auf den Wollenmaͤrkten große Quantitaͤten Wolle an sich je nach Bedarf oder Aussicht auf vorteilhafte Verarbeitung oder Wiederabsaz. Ein sehr großer Theil der jaͤhrlichen Versendungen deutscher Wolle nach England geht auf diese Weist dahin. Von den in Deutschland uͤbrigen Vorraͤthen, welche nicht im Lande verbraucht oder an flandrische, franzoͤsische etc. Haͤndler abgesezt werden, gelangen haͤufig betraͤchtliche Sendungen im Herbste nach England, meist nach London in Consignation zum Verkaufe an Commissionaͤre. Der Verkauf macht sich dann zu guten Preisen in den Faͤllen, wenn auf die erst genannte Weise nicht Wolle genug nach England gelangt, oder im Herbste der Begehr nach Tuͤchern groͤßer ist, als man fruͤher erwartet hatte. Findet das Gegentheil Statt, so ist der Absaz schwierig und kann nur zu niedrigeren Preisen geschehen, als jene, um welche der englische Haͤndler im vorhergehenden Sommer in Deutschland gekauft hatte. Leztere Faͤlle sind wohl haͤufiger als erstere, und auch mehr in der Natur der Sache gegruͤndet, denn Jeder kauft meist seinen vollen Bedarf und auch wenn er schoͤne Auswahl findet, etwas mehr fruͤhzeitig und sucht Einkaͤufe im Herbste zu vermeiden, da er die Auswahl, welche sich ihm dann darbietet, nicht vorherzusehen vermag. Der Londner Commissionaͤr nimmt 2 Proc. fuͤr seine Commission; 2 Proc. fuͤr Garantie (del credo): denn die Wolle wird auf 9–12 Monate Zeit verkauft; ferner ist 1/2 Proc. Maklercourtage, dann außer dem dem Verkaͤufer zur Last fallenden Eingangszoll 1–2 Proc. fuͤr andere Kosten zu tragen; endlich die Fracht von Hamburg und die Assecuranz; erstere betraͤgt ungefaͤhr 5 bis 6 Sch. per Ballen, leztere 12, bis 1 1/2 Proc. vom Werthe je nach der Jahreszeit. Unter diesen Verhaͤltnissen erscheint es fuͤr den deutschen Producenten vortheilhafter, sein Product im Lande selbst, oder auf den Hauptwollmaͤrkten in Deutschland abzusezen; diese Art des Verkaufs wird sich nach dem Durchschnittsergebnisse mehrerer Jahre als die vorteilhaftere bewaͤhren, und zumal da, wo mehr geringe als mittlere und feine Sorten producirt werden. Allerdings ergaben sich in den leztverflossenen Jahren mehrere Chancen eines vortheilhafteren Wollenabsazes auf dem Londner Markte im Winter als im vorhergegangenen Sommer; allein solche Conjuncturen sind das Ergebniß zufaͤlliger Ereignisse und nie vorherzusehen; inzwischen wirkt jede einiger Maßen bedeutende Veraͤnderung der Wollenpreise in England schnell und unfehlbar nach Deutschland zuruͤk, so daß auch der deutsche Producent von einer unvorhergesehenen Erhoͤhung an Ort und Stelle einigen Nuzen zu ziehen vermag, wenn er sein Product nicht vorher verkauft hat.