Titel: Auszug aus dem Berichte des Hrn. Payen, über die Stearinkerzen des Hrn. de Milly.
Fundstelle: Band 62, Jahrgang 1836, Nr. XXII., S. 129
Download: XML
XXII. Auszug aus dem Berichte des Hrn. Payen, uͤber die Stearinkerzen des Hrn. de Milly. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. August 1836, S. 303. Payen's Bericht uͤber de Milly's Stearinkerzen. Die Stearinkerzen, in Paris unter dem Namen Bougies de l'Étoile bekannt, waren bereits fruͤher der Gegenstand eines der Gesellschaft erstatteten Berichtes, welcher so guͤnstig lautete, daß die Gesellschaft sich veranlaßt fand, damals den HH. Motard und de Milly, die sich mit der Fabrication dieser Kerzen beschaͤftigten, ihre silberne Medaille zuzuerkennen. Die Fabrik ist seither an Hrn. de Milly allein uͤbergegangen, und unter der Leitung dieses lezteren hat die Fabrication einen so hohen Grad von Vollkommenheit erreicht, daß die Bereitung von Kerzen aus Stearinsaͤure eine der schoͤnsten und vollendetsten Anwendungen der Wissenschaft auf die Kuͤnste genannt werden kann. Folgende Notizen moͤgen als Beweis hiefuͤr dienen. Der Rohstoff, der zu den fraglichen Kerzen verarbeitet wird, ist Rindertalg, so wie er aus den Talgschmelzereien kommt. Die erste Operation, welche er erleidet, ist eine Verseifung mit Kalk, welche durch die Einwirkung einer hohen Temperatur (140°) mit Huͤlfe eines entsprechenden Drukes, und durch eine geeignete Bewegung beguͤnstigt wird. Die Anwendung des Kalkes unter Umstaͤnden, welche dessen Verbindung mit drei Bestandtheilen des Talges bestimmen und beguͤnstigen, ist eben so neu als wichtig und nuͤzlich; sie laͤßt sich, so weit unser Wissen gegenwaͤrtig reicht, durch nichts ersezen, was eben so vortheilhaft waͤre. Hat man die Kalkseife durch ihre Unaufloͤslichkeit von der Glycerine geschieden erhalten, so wird sie in der Waͤrme mit verduͤnnter Schwefelsaͤure, die sich der Basen bemaͤchtigt und die fetten Saͤuren frei werden laͤßt, zersezt. Die ausgeschiedenen Saͤuren werden methodisch mit Wasser und Dampf ausgewaschen, worauf man sie in verzinnten Gefaͤßen krystallisiren laͤßt. Die hiedurch erzielten krystallinischen Massen werden mechanisch zerkleinert, worauf man die pulverartige Substanz in hydraulischen Pressen einem allmaͤhlich verstaͤrkten sehr starken Druk aussezt, um auf diese Weise kalt den groͤßten Theil der Oleinsaͤure zu beseitigen, wobei jedoch allerdings eine je nach der Temperatur wechselnde Quantitaͤt der festen Saͤuren mit lezterer abfließt. Zum Behufe einer noch vollkommeneren Abscheidung der Oleinsaͤure werden die kaltgepreßten Kuchen in anderen hydraulischen Pressen, welche nicht minder kraͤftig als die ersteren, aber horizontal eingerichtet sind, noch ein Mal und warm gepreßt. Die auf diese Weise behandelte Masse ist fest, weiß mit Perlmutterglanz, beinahe geruchlos. Ihre Reinigung ist jedoch noch nicht beendigt, sondern man schmilzt sie zum Behufe dieser in Wasser, welches mit Schwefelsaͤure gesaͤuert worden ist, um sie dann nach gehoͤrigem Auswaschen in Formen zu gießen, in denen sie zu krystallinischen Broden, aus denen die Stearinkerzen verfertigt werden, erstarrt. Beim Gießen dieser Masse in die cylindrischen oder vielmehr leicht kegelfoͤrmigen Kerzenmodel stieß man, wie es bei allen neuen Industriezweigen zu gehen pflegt, auf einige unvorhergesehene Schwierigkeiten, welche durch eine zu ausgesprochene Krystallisation bedingt waren. Das einzige Mittel dieser Einhalt zu thun, sie, wie man zu sagen pflegte, abzuschneiden, fand man anfangs in einem Zusaz von 25 bis 33 Proc. Wachs, der jedoch wegen des hohen Preises dieses lezteren sehr nachtheilig war. Spaͤter wußte man dasselbe durch Zusaz von arseniger Saͤure in Pulver, und zwar in solcher Menge, daß sie beilaͤufig den tausendsten Theil der fetten Saͤuren betrug, zu erreichen. Da dieses Verfahren jedoch zu ernstlichen nachtheiligen Folgen fuͤhren konnte, so forschte Hr. de Milly nach einer anderen Abhuͤlfe. Seit 18 Monaten wendet man auch wirklich keinen Arsenik mehr an, sondern man erreicht dasselbe durch einen Zusaz von 0,05 Wachs unter Befolgung des sogleich anzudeutenden Verfahrens. Man stoͤrt naͤmlich die Krystallisation d.h. man beschleunigt sie dadurch, daß man die Masse rasch aus dem fluͤssigen in den festen Zustand uͤbergehen macht, dergestalt, daß sie verworren und gleichfoͤrmig wird. Die Model werden in dieser Absicht durch momentanes Eintauchen in Wasser beinahe auf den Erstarrungspunkt der gereinigten fetten Saͤuren gebracht, worauf man dann die Masse, die nur wenig uͤber ihren Schmelzpunkt erhizt worden ist, sogleich eingießt. Die von Hrn. de Milly fabricirten Kerzen sind ausgezeichnet und besizen die in dem fruͤheren BerichteMan findet diesen fruͤheren Bericht im Polyt. Journal Bd. XLIX. S. 458 im Auszuge mitgetheilt. A. d. R. angedeuteten Eigenschaften nunmehr sogar in erhoͤhtem Grade. Die Fabrication stieg seit dem Jahre 1833 von 14,500 auf 108,793 Kilogr. jaͤhrlichen Erzeugnisses. Der Verkaufspreis im Großen fiel dabei von 2 Fr. 25 Cent. auf 1 Fr. 75 Cent.; jener im Detail von 2 1/2 auf 2 Fr. per halbes Kilogramm. Ein Dampfapparat liefert der Fabrik das Heizmittel und den groͤßten Theil der mechanischen Kraft, deren sie bedarf. Die Gesellschaft ertheilte Hrn. de Milly in Anerkennung seiner Leistungen ihre goldene Medaille.