Titel: Ueber die Fabrik lakirter Leder der HH. Nys und Comp. in Paris, rue de l'Orillon No. 27. Auszug aus dem Berichte des Hrn. Labarraque.
Fundstelle: Band 62, Jahrgang 1836, Nr. XXIV., S. 133
Download: XML
XXIV. Ueber die Fabrik lakirter Leder der HH. Nys und Comp. in Paris, rue de l'Orillon No. 27. Auszug aus dem Berichte des Hrn. Labarraque. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. August 1836, S. 312. Labarraque's Bericht uͤber lakirtes Leder. Die lakirten Leder bekommen einen um so hoͤheren Grad von Vollendung, je vollkommener die Haͤute die Behandlung des Rothgerbers und des Lederbereiters erlitten haben, und je besser die angewendeten Lake waren. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend haben es die HH. Nys und Comp. fuͤr noͤthig erachtet die Haͤute, die ihnen der Rothgerber liefert, einem nachtraͤglichen Gerbprocesse zu unterwerfen, wodurch sie nicht nur an Qualitaͤt gewinnen, sondern wodurch der Fabrikant auch Gewißheit erhaͤlt, daß der Gerbestoff saͤmmtliche Theile des Leders durchdrungen hat. Die gegerbten Haͤute werden zu diesem Behufe 14 bis 20 Tage lang in ungeheuren Bottichen, die eine mit Gerbestoff gesaͤttigte Fluͤssigkeit enthalten, eingeweicht; bevor dieß jedoch geschieht, werden sie, um sie geschmeidiger zu machen, auf dem Doppelhorn (bigorne) abgearbeitet, dann mit dem Ausfleischmesser (drayoire) behandelt, und endlich durch die in Frankreich sogenannte Querse von dem in das Zellgewebe eingedrungenen Kalke befreit, so daß die Bruͤhe (jusée) sogleich mit dem festesten Theile des Leders in Beruͤhrung kommt, und dessen Fasern auf die leichteste Weise durchdringen kann. Wenn das Leder nach dieser vorbereitenden Behandlung die uͤbrigen Operationen des Lederbereiters erlitten hat, gelangt es in die Haͤnde jener Arbeiter, die den sogenannten Appret auftragen. Dieser Appret besteht aus einer Composition, deren Basis ein trokenes, mit Farbstoff gesaͤttigtes Leinoͤhl bildet. Nach Auftragung des Appretes kommt das Leder in eine mit Dampf geheizte Trokenstube, die aus einem Viereke von 17 Meter Laͤnge auf 7 Meter Breite besteht, und welche in zwei Stokwerke von je 5 Meter Hoͤhe abgetheilt ist. In dem unteren Stokwerke ist an beiden Enden eine Thuͤre angebracht; bei der einen schafft man die appretirten Leder an Stoͤken aufgehaͤngt, welche in Haken eingesezt werden, in die Trokenstube. Die getrokneten Haͤute werden abermals appretirt, dann gebimst, und hierauf jenen Arbeitern uͤbergeben, welche die aus einer duͤnnfluͤssigeren Mischung bestehende Farbe mit einem Pinsel aufzutragen haben. Nachdem dieß geschehen, ist das Leder in die zweite Haͤlfte des unteren Stokwerkes zu bringen. In diesen beiden Abtheilungen des Trokenhauses wird die Temperatur stets auf 42° R. erhalten. Das Auftragen der Farbe geschieht in mehreren Schichten, und zwischen jeder derselben wird das Leder gebimst. Nach Vollendung aller dieser Vorbereitungen beginnt erst die Arbeit des eigentlichen Lakirers, welche im ersten Stokwerke in gleicher Hoͤhe mit dem oberen Stokwerke des Trokenhauses vorgenommen wird, damit die Leder sogleich und ohne dem Staub ausgesezt zu seyn, in dieses gebracht werden koͤnnen. In diesem Stokwerke des Trokenhauses wird eine Temperatur von 45° R. unterhalten; dieser hohen Temperatur ungeachtet erfolgt aber das Troknen des Appretes sowohl, als des Lakes nur dann vollkommen, wenn die Leder der Luft und der Sonne ausgesezt werden. Da sich dieses wohlthaͤtige Gestirn jedoch nicht taͤglich und auch nicht immer mit gleicher Intensitaͤt zeigt, so haben die HH. Nys und Comp. von Hrn. Chaussenot eine große Trokenstube mit warmem Luftzuge, welche im Winter die Sonne ersezt, erbauen lassen. Das lakirte Leder muß, wenn es auf Vollkommenheit Anspruch machen will, nicht nur einen schoͤnen Glanz haben, sondern es darf sich auch in keinem Falle abblaͤttern. Diese Eigenschaften besizen die Fabricate der HH. Nys und Comp. in hohem Grade; besonders ausgezeichnet trifft man sie an den weichen und elastischen Lederarten, die man unter rechten Winkeln zusammenbiegen, nach allen Richtungen zwischen den Haͤnden reiben, und wie gewoͤhnliches Leder ausziehen kann, ohne daß der Lak Spruͤnge bekommt oder sich gar abloͤst. Ihre Fabricate werden deßhalb auch den englischen und preußischen vorgezogen. Weitere Eigenschaften, die man von den lakirten Ledern fordert, sind die, daß sie nicht zusammenkleben, wenn man sie beim Verpaken aufeinander legt; daß sie in der Kaͤlte nicht bruͤchig werden, und daß sie ihren Glanz nicht verlieren. Jene der HH. Nys besizen auch diese Eigenschaften; sie vertragen den Transport nach England, Spanien etc. sehr gut, und werden auch wirklich in bedeutender Quantitaͤt versendet, indem die Fabrik in den vier ersten Monaten des Jahres 1836 allein mehr als 1500 Duzend lakirte Kalbfelle, die Kuhhaͤute etc. gar nicht gerechnet, in den Handel gebracht hat. Mehrere Mitglieder der Commission besizen Stiefel und Schuhe aus solchen lakirten Ledern, und sind sehr zufrieden damit, da sie sich durchaus nicht abblaͤttern, und weder ihre Geschwindigkeit, noch ihre Elasticitaͤt verlieren. Die Fabrik der HH. Nys und Comp. beschaͤftigt bereits 50 Arbeiter, die in strengster Ordnung gehalten werden, und in Betreff deren eine Einrichtung getroffen ist, welche allgemein in den Fabriken eingefuͤhrt werden sollte. Jeder Arbeiter erleidet naͤmlich am Ende der Woche 25 Cent. Abzug von seinem Lohne, und dieser wird in eine Casse geworfen, zu der die Fabrikherren selbst woͤchentlich 2 Fr. beitragen. Aus dieser Casse erhaͤlt jeder kranke Arbeiter waͤhrend der ganzen Dauer der Arbeitsunfaͤhigkeit taͤglich 2 Fr. – Die Kasse besizt dermalen 600 Fr., und da jeder Arbeiter gleichen Anspruch an sie hat: einen Anspruch, der verloren gehen wuͤrde, sobald er die Fabrik verließe, so ist dieß ein Grund mehr fuͤr ihn, seiner Fabrik anhaͤnglich zu bleiben und fuͤr deren Gedeihen zu arbeiten. Die Gesellschaft ertheilte den HH. Nys und Comp. in Betracht der Verdienste, die sie sich um die Fabrication der lakirten Leder erwarben, ihre goldene Medaille.