Titel: Ueber eine neue Hemmung für Pendeluhren. Von Hrn. Alexander Witherspoon, Uhrmacher in Tranent.
Fundstelle: Band 62, Jahrgang 1836, Nr. LIII., S. 284
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LIII. Ueber eine neue Hemmung fuͤr Pendeluhren. Von Hrn. Alexander Witherspoon, Uhrmacher in Tranent. Aus dem New Philosophical Journal, April 1836, S. 303. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Witherspoon's Hemmung fuͤr Pendeluhren. Bei der großen Anzahl von Hemmungen fuͤr Uhrwerke, die es bereits gibt, duͤrfte es beinahe unmoͤglich erscheinen eine auf ganz neue Principien begruͤndete derlei Vorrichtung zu ersinnen, und doch schmeichle ich mir, daß die von mir erfundene Hemmung an Einfachheit und Vollkommenheit alle bereits bekannten uͤbertreffen duͤrfte. Einige Worte, die ich uͤber die zum Messen der Zeit bestimmten Instrumente im Allgemeinen vorausschiken will, werden die Vortheile, welche ich von meiner Erfindung erwarte, offenkundiger machen. Sowohl an den Pendel- als an den Taschenuhren wird die Zeit durch die Schwingungen eines Koͤrpers gemessen, der von einer Kraft, welche mit dessen Entfernung von dem mittleren Ruhepunkt zunimmt, gegen einen Ruhepunkt getrieben wird. An den Taschenuhren steht diese Kraft, da sie durch die Biegung der Feder bedingt ist, genau mit der Distanz der Entwikelung im Verhaͤltnisse; an den Stokuhren hingegen, an denen sie das Resultat der kreisfoͤrmigen Bewegung des Pendels ist, ist dieß nur annaͤherungsweise der Fall. Die Schwingungen der Unruhe werden, wie ungleich auch deren Ausdehnung seyn mag, immer innerhalb einer und derselben Zeit zuruͤkgelegt; waͤhrend jene des Pendels etwas von dem vollkommenen Isochronismus abweichen. Die Unruhe und das Pendel allein dienen eigentlich zum Messen der Zeit; das Raͤderwerk dient bloß zum Zaͤhlen der Schwingungen und Zur Ausgleichung des geringen, mit jeder mechanischen Bewegung verbundenen Verlustes an Bewegungsmoment. Das Raͤderwerk muß demnach nothwendig mit der Bewegung des Pendels in Verbindung gebracht werden, und diese Verbindung ist durch die Hemmung, von der also die Genauigkeit der Uhr hauptsaͤchlich abhaͤngt, vermittelt. Die ersten Vorrichtungen dieser Art nannte man Ruͤklauf-Hemmungen (recoil escapements), weil waͤhrend eines Theils der Schwingung das ganze Raͤderwerk und mit ihm auch die zur Unterhaltung der Bewegung dienende Kraft durch das Bewegungsmoment des schwingenden Koͤrpers zuruͤkgetrieben wird. Waͤhrend der ganzen Schwingung steht das Raͤderwerk mit dem Pendel in Verbindung, wobei sich die zur Ertheilung des Impulses dienenden Zaͤhne an dem Ruͤken der Fluͤgel (pallets) reiben. Wenn die Uhr genau gehen soll, so muß das Moment des Pendels bloß durch die Wirkung der Schwere allein gradweise erzeugt und wieder aufgehoben werden, waͤhrend es bei dieser Art von Hemmung von der Reibung und von dem Widerstande der zur Unterhaltung der Bewegung dienenden Kraft beeintraͤchtigt wird. Die Veraͤnderungen, denen diese Kraft wegen des allmaͤhlichen Dikerwerdens des Oehles ausgesezt ist, muͤssen also nothwendig bedeutende Irrthuͤmer in der Bewegung erzeugen. Die erste Verbesserung, die man an dieser Art von Hemmung anbrachte, bestand darin, daß man den reibenden Theilen der Fluͤgel eine cylinderische Gestalt gab, so daß das Raͤderwerk dadurch lediglich zuruͤkgehalten wurde, ohne einen Ruͤklauf machen zu muͤssen. Auch hiebei blieb jedoch die Bewegung den Einfluͤssen der Veraͤnderungen in der Schluͤpfrigkeit des Oehles und in der Glaͤtte der sich reibenden Oberflaͤchen ausgesezt. Der große Fehler der ruhenden Hemmung (dead-beat escapement) ist, daß waͤhrend das Raͤderwerk keinen Impuls auf das Pendel ausuͤbt, dasselbe dennoch fortfaͤhrt durch den auf den Ruͤken des Fluͤgels Statt findenden Druk dessen Bewegung zu verspaͤten. Diesem Uebelstande wurde durch die Erfindung der Hemmungen mit Vorfall (detached escapements) beinahe gaͤnzlich abgeholfen; denn hier ist das Raͤderwerk durch eine Aushebung oder einen Vorfall (detent) verhindert irgend einen Theil des Pendels zu beruͤhren, waͤhrend in dem Augenblike, wo der Hebel einen Impuls erfordert, der Treibzahn frei wird, das Pendel trifft und ihm ein Moment gibt. Waͤhrend dieß geschieht, kehrt die Aushebung wieder an ihre Stelle zuruͤk, in Bereitschaft den naͤchsten Zahn anzuhalten. Auf diese Weise steht also das Raͤderwerk nur dann mit dem Pendel in Verbindung, wenn es ihm den Impuls zu geben hat; und die einzige stoͤrend auf die Bewegung wirkende Kraft ist der Widerstand, welcher gegen das Ablassen der Aushebung besteht: diese Kraft ist jedoch so gering, und in einer so geringen Distanz wirksam, daß sie gar nicht in Betracht gezogen zu werden braucht. So nahe die Hemmung mit Aushebung aber auch der Vollkommenheit kommen mag, so wird der Impuls dennoch wegen der Verdikung des Oehles allmaͤhlich geringer werden, und hiedurch wird der Schwingungsbogen allmaͤhlich kleiner werden, was nothwendig auf den Gang der Uhr zuruͤkwirken muß. Ueberdieß erzeugen die ploͤzlichen Stoͤße, welche das Pendel bekommt, durch dessen ganze Laͤnge eine Erschuͤtterung, in Folge deren die Achse der Bewegung, wenn das Pendel auf einer Messerschneide aufgehaͤngt ist, allmaͤhlich eine Ortsveraͤnderung erleiden wuͤrde; man war, um diesem Uebel zu steuern, gezwungen diese Schneide im Grunde einer Furche anzubringen, wodurch sie alle Eigenschaften einer sich reibenden Achse bekommt. Die von mir erfundene Hemmung ist nun darauf berechnet allen diesen Maͤngeln abzuhelfen und das Gehen der Uhr gewisser Maßen außer den Bereich der bei der Arbeit begangenen Fehler zu sezen. Die Beschreibung der auf Tab. IV. gegebenen Zeichnung wird dieselbe allgemein verstaͤndlich machen. In Fig. 39 ist A die Pendelstange, dargestellt als haͤtte sie ihre Schwingung nach Links beinahe vollendet, und als stuͤnde sie im Begriff mit der kleinen, an dem Arme C, D des Treibers oder Impulsgebers (impeller) befindlichen Reibungsrolle in Beruͤhrung zu kommen. Der obere Theil der Pendelstange ist weggebrochen, damit man die Achse B, um die sich der Treiber dreht, und welche mit der Bewegungsachse des Pendels selbst concentrisch ist, ersieht. Da die beiden Achsen in ihrer Richtung zusammenfallen, so koͤnnte auch dann, wenn sich bei D keine Reibungsrolle befaͤnde, keine Reibung Statt finden; sie ist aber dennoch angebracht, damit sie den nachtheiligen Einfluͤssen eines allenfallsigen kleinen Fehlers in der Adjustirung begegne. Wie die Zeichnung zeigt, ist das Gewicht des Treibers mittelst der duͤnnen Feder E, F von dem in der Naͤhe des Mittelpunktes des Hemmungsrades befindlichen Zapfen F unterstuͤzt. Dieses Rad selbst ist durch den Widerstand der Aushebung gegen den Zahn H gehindert sich vorwaͤrts zu bewegen. Das Ende der Feder E, F ist gabelartig geformt; der Zapfen F ruht im Grunde der Auskerbung, und haͤlt die Feder, um etwas mehr als der kleine Durchmesser des Zapfens betraͤgt, nach Aufwaͤrts gebogen. Die Schwingung des Pendels ist hier so weit vollendet, daß wenn sie ganz vollbracht ist, der Treiber B, C, D, E emporgehoben werden kann bis das Ende der Feder eben den Zapfen F verlaͤßt, und eine Stellung einnimmt, welche sich um eine geringe Streke links von der in der Zeichnung ersichtlichen befindet. In diesem Zustande druͤkt dann der Treiber mit seinem ganzen Gewicht auf das Pendel; so wie sich hingegen dieses wieder zuruͤkzuziehen beginnt, wird das Ende der Feder nicht laͤnger mehr von dem Zapfen F zuruͤkgehalten, sondern es wird sich, dicht an diesem lezteren voruͤbergehend, gegen den Zapfen G richten. Der Treiber faͤhrt fort hiebei auf die Pendelstange zu druͤken, und vermehrt dadurch deren Bewegungsmoment, bis der Arm B, E einen Zapfen, der bei L aus einem Arme der Aushebung H, K, L, hervorragt, erreicht, worauf das Pendel dann seine Schwingungen ununterbrochen fortsezt. Die Aushebung dreht sich bei K um eine Spindel, so daß durch den Druk des Treibers auf den Zapfen L die Aushebung emporgehoben und dem Zahne H gestattet wird, vorwaͤrts zu treten. Genau um dieselbe Zeit ist aber der zweite Zapfen L zwischen die Seiten- oder Gabelarme der Auskerbung am Ende der Feder E, F gelangt; die Bewegung des Rades hebt daher den Treiber wieder empor, und hiedurch wird bewirkt, daß die Aushebung auf den Aufhaͤlter N herabgelangen und die Ankunft des zweiten Zahnes I, dessen Stillstand durch einen merklichen Schlag angedeutet wird, abwarten kann. Die ganze Hemmung ist dann wieder in ihre fruͤhere Stellung zuruͤkgekehrt, und wartet in dieser die Annaͤherung des Pendels ab, um dessen Kraft abermals zu unterstuͤzen. Waͤhrend dieser ganzen Bewegung steht das Pendel nie mit dem Raͤderwerke in Verbindung; der einzige auf dasselbe wirkende Koͤrper ist der Treiber, und dieser theilt ihm den Impuls mit, der dadurch erzeugt wird, daß ein gleichbleibendes Gewicht sich durch eine bestimmte Streke herab bewegt. Wegen der großen Leichtigkeit der Theile ist weder an der Spindel B, noch an dem Zapfen F ein Einoͤhlen noͤthig, weßhalb mithin durch die Veraͤnderungen in der Consistenz, die das Oehl sonst gewoͤhnlich erleidet, keine Irrthuͤmer entstehen koͤnnen. Um den Impuls zu bewirken, hat das Pendel den Treiber durch einen von der Dike des Zapfens F bedingten Raum zu bewegen, und die Reibung der Feder an diesem Zapfen zu uͤberwinden. Der Durchmesser dieses Zapfens ist jedoch so gering, und die Biegung der Feder so leicht, daß die hieraus erwachsenden Irrthuͤmer hoͤchst klein seyn muͤssen, besonders wenn man in Erwaͤgung zieht, daß dieselben keinem Wechsel unterworfen sind. Das Losmachen der Aushebung H wird nicht durch das Pendel, sondern durch den Treiber bewerkstelligt; wie wandelbar daher die Kraft ist, so wird, wenn sie nur nie so klein, daß sie den Treiber nicht mehr emporzuheben vermag, und nie so groß ist, daß sie das Losmachen der Hemmung verhindert, der Gang der Uhr dennoch nicht im Geringsten dadurch beeintraͤchtigt werden. Wenn die Pendelstange die Reibungsrolle erreicht, so bewegt sie sich mit sehr geringer Geschwindigkeit, indem sie sich beinahe an dem aͤußersten Ende ihrer Schwingung befindet; es kann demnach nichts Statt finden, was dem Schlag der gewoͤhnlichen Hemmungen analog waͤre; ja selbst die ploͤzliche Entfernung des Drukes des Treibers, die eintritt, wenn der Arm den Zapfen L erreicht, kann kaum irgend ein Zittern in dem Pendel erzeugen. An beinahe allen empfindlichen Hemmungen ist, wenn die Uhr gut gehen soll, die hoͤchste Vollendung oder Glaͤtte jener Oberflaͤchen, die sich an einander reiben, und uͤberhaupt eine große Genauigkeit in der Arbeit unumgaͤnglich noͤthig; an meiner neuen Hemmung hingegen ist der hieraus erwachsende Vortheil keineswegs so groß. Die Verfertigung des Raͤderwerkes ist beinahe etwas ganz Gleichguͤltiges; und selbst wenn die Entfernungen der Sperrzaͤhne ungleich waͤren, wuͤrde der Irrthum bei jedem Umgange des Rades wiederkehren, und dessen Wirkung auf das Gehen der Uhr innerhalb einer und derselben Periode erzeugt und wieder aufgehoben werden, so daß dieß auf den taͤglichen oder stuͤndlichen Gang keinen Einfluß haͤtte. Die Bewegung des Raͤderwerkes gleicht jenem einer vollkommen ruhenden Hemmung (dead-beat), obschon die Hemmung uͤbrigens ganz die Natur der Ruͤklaufhemmung theilt, indem das Aushaken der Feder nur nach leichtem Emporsteigen des Treibers erfolgt. Der Stoß findet nur nach jeder zweiten Schwingung Statt, so daß um Secunden zu schlagen ein halbes Secundenpendel angewendet werden muß. An den Hemmungen, die bei jeder Schwingung stoßen, kann man nur mit vieler Muͤhe zwei auf einander folgende vollkommen gleiche Intervallen erlangen, indem der eine kuͤrzer und der andere um das laͤnger ist als eine Secunde; erfolgt der Stoß hingegen nur an der einen Seite, so kann keine solche Ungleichheit eintreten. Die Theile des Treibers sind allerdings der Ausdehnung in der Waͤrme ausgesezt; dem kann jedoch leicht dadurch abgeholfen werden, daß man an der anderen Seite der Spindel B einen Arm anbringt, welcher aus irgend einem sich ausdehnenden Metalle, wie z.B. aus Zink besteht, waͤhrend man die Arme, welche man in der Zeichnung ersieht, aus Glas verfertigt. An diesem Arme ließe sich auch ein Gewicht anhaͤngen, wodurch die Intensitaͤt des Impulses geregelt werden koͤnnte. Wenn die Feder den Zapfen F verlaͤßt, so geraͤth sie nicht gleich in Ruhestand, sondern sie faͤhrt noch einen Augenblik lang zu beiden Seiten in ihren Schwingungen fort. Um nicht Gefahr zu laufen, daß sie abermals in denselben Zapfen einfalle, habe ich zur Verminderung dieser Schwingungen einen Daͤmpfer angebracht, den ich jedoch in der Zeichnung wegließ, da ich ihn nicht durchaus noͤthig fand. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, daß man die Zahl der Lupfzapfen keineswegs gerade auf vier beschraͤnken muß.

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Tafel Tab.
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