Titel: Ueber das Vorkommen von Salpetersäure oder einer stikstoffhaltigen Säure in der käuflichen Schwefelsäure, und ein Verfahren, wodurch man sie davon befreien kann; von Ernst Barruel.
Fundstelle: Band 64, Jahrgang 1837, Nr. XII., S. 55
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XII. Ueber das Vorkommen von Salpetersaͤure oder einer stikstoffhaltigen Saͤure in der kaͤuflichen Schwefelsaͤure, und ein Verfahren, wodurch man sie davon befreien kann; von Ernst Barruel. Aus dem Journal de Chimie médicale, 1836, No. 4. Barruel, Verfahren die Schwefelsaͤure zu reinigen. Ich bin seit einiger Zeit oͤfters von Faͤrbern befragt worden, weßwegen die Schwefelsaͤure von mehreren Fabrikanten, wenn man sie zum Aufloͤsen des Indigo's benuzt, an Statt eine Loͤsung von schoͤn blauer Farbe zu geben, nur eine gruͤnlich blaue liefert. Schon vor zwei Jahren hatte ich uͤberdieß gefunden, daß man mit mancher Schwefelsaͤure nicht im Stande ist reine Salzsaͤure zu bereiten, indem dieselbe stets chlorhaltig wird; und ich uͤberzeugte wich damals, daß dieß bloß von der Unreinheit der angewandten Schwefelsaͤure und nicht des von mir selbst bereiteten Kochsalzes herruͤhrte. Zuerst dachte ich, daß die Salpetersaͤure, welche sich waͤhrend der Schwefelsaͤurebereitung bildet, derselben durch die Concentration in bleiernen oder Platingefaͤßen nicht entzogen werden kann und daß diese Salpetersaͤure dann auf den Indigo und die Salzsaͤure wirkt; ich mußte aber diese Ansicht aufgeben, weil fruͤher wirklich vollkommen reine (englische) Schwefelsaͤure im Handel vorkam, welche dem schwefelsauren Eisenoxydul bloß sein Krystallwasser entzog, ohne es im Geringsten rosenroth zu faͤrben. Ich verschaffte mir, um diesen Zweifel aufzuklaͤren, Schwefelsaͤure von verschiedenen Fabriken und pruͤfte sie nach Desbassin's Verfahren auf einen Salpetersaͤuregehalt; dasselbe besteht darin: krystallisirten Eisenvitriol in gepulvertem Zustande in die Schwefelsaͤure zu werfen; je nach dem Salpetersaͤuregehalt derselben wild die Fluͤssigkeit dann schoͤn purpurroth oder weinroth. Alle Schwefelsaͤuren, welche ich untersuchte, zeigten merkliche Spuren von Salpetersaͤure; einige enthielten davon aber so viel, daß sie nicht wohl von der geringen Menge herruͤhren konnte, welche sich waͤhrend der Schwefelsaͤurebereitung bildet; ich erfuhr spaͤter, daß einige Schwefelsaͤure-Fabrikanten in die Bleikammern Salpetersaͤure schuͤtten, um den Proceß darin zu beschleunigen und eine groͤßere Ausbeute zu erhalten. Es ist in mancher Hinsicht von großer Wichtigkeit, mit Bestimmtheit ausmitteln zu koͤnnen, ob eine Schwefelsaͤure wirklich Salpetersaͤure oder uͤberhaupt eine stikstoffhaltige Saͤure enthaͤlt; denn wenn dieses der Fall ist, kann sie der Faͤrber nicht zum Aufloͤsen des Indigo's verwenden; die Platingefaͤße, worin eine solche Saͤure concentrirt wird, verlieren zum großen Schaden des Schwefelsaͤure-Fabrikanten schnell an Werth; der Chemiker endlich ist nicht im Stande mittelst einer solchen Saͤure sich reine Salzsaͤure zu bereiten, denn wenn er diese Schwefelsaͤure auch zuvor mit der gehoͤrigen Vorsicht destillirt, so bleibt sie doch salpetersaͤurehaltig. Ich will nun die Versuche mittheilen, die ich mit kaͤuflicher Schwefelsaͤure anstellte, welche Salpetersaͤure enthielt. Ich brachte in eine glaͤserne Retorte acht Unzen kaͤufliche Schwefelsaͤure (die Retorte enthielt Platinspaͤne, um das Kochen zu erleichtern) und schritt zur Destillation, indem ich von Zeit zu Zeit die Vorlage mit dem Destillat wegnahm und durch eine neue ersezte; das erste Destillat, welches zwei Unzen wog, enthielt nur sehr wenig Salpetersaͤure; das zweite, welches drei Unzen wog, enthielt mehr Salpetersaͤure als das vorhergehende und das dritte, welches zwei und eine halbe Unze wog, enthielt wieder mehr davon als das zweite. Ich bemerkte außerdem, daß die Platinspaͤne ihren Glanz verloren hatten; sie waren nun mattweiß und zerfressen und die in der Retorte zuruͤkgebliebene Fluͤssigkeit hatte eine gelbliche Farbe; ich uͤberzeugte mich, daß diese Fluͤssigkeit verhaͤltnißmaͤßig am meisten Salpetersaͤure enthielt und daß ihre gelbliche Farbe von aufgeloͤstem Platin herruͤhrte. Es war mir nun wahrscheinlich, daß die Salpetersaͤure der Schwefelsaͤure nicht bloß beigemischt, sondern chemisch mit ihr verbunden ist und ich wollte mich daher uͤberzeugen, ob eine solche Schwefelsaͤure wirklich Platin aufloͤst. Eine hinreichende Quantitaͤt davon wurde zu diesen Versuchen mit Glasstuͤken destillirt, um die Metallsalze, welche sie gewoͤhnlich enthaͤlt, abzusondern. Erster Versuch. Vier Unzen dieser Saͤure wurden in einer glaͤsernen Retorte mit 0,2 Platinspaͤnen destillirt. Das erste Product der Destillation, welches sieben Quentchen wog und eine Dichtigkeit von 59° Baumé hatte, wurde durch schwefelsaures Eisenoxydul kaum geroͤthet. Das zweite Product der Destillation, welches eine Unze und vier Quentchen wog und 65 1/2° Baumé zeigte, enthielt mehr Salpetersaͤure als das erste. Das dritte Destillat, welches eine Unze und ein halbes Quentchen wog, enthielt viel mehr Salpetersaͤure als das zweite. Das vierte Destillat endlich, welches zwei und ein halbes Quentchen wog und eine Dichtigkeit von 66° hatte, enthielt bedeutend viel Salpetersaͤure. In der Retorte blieben beilaͤufig zwei Quentchen einer stark gelb gefaͤrbten Fluͤssigkeit, welche offenbar am meisten Salpetersaͤure enthielt und die Eigenschaften einer Platinaufloͤsung besaß. Es ist sehr merkwuͤrdig, daß die Salpetersaͤure mit der Schwefelsaͤure bei einer Temperatur von + 310° C. (248° R.) in Verbindung bleibt und daß die Dichtigkeit der Schwefelsaͤure durch einen Gehalt von Salpetersaͤure nicht vermindert wird, denn wir haben gesehen, daß diejenige, welche am meisten Salpetersaͤure enthielt, auch die groͤßte Dichtigkeit besaß. Die in der Retorte befindlichen Platinstuͤke wurden gesammelt, gewaschen, getroknet und dann gewogen; das Platin hatte 0,218 Gramm an Gewicht verloren; 1000 Gr. kaͤuflicher Schwefelsaͤure koͤnnen folglich 0,16 Gr. Platin aufloͤsen. Es ist nun erwiesen, daß eine solche Saͤure wie Koͤnigswasser wirkt und man sieht daher wohl ein, daß die Platinapparate, deren man sich in den Schwefelsaͤurefabriken zur Concentration bedient, bei jahrelangem Gebrauch betraͤchtlich an Gewicht verlieren muͤssen. Die Schwefelsaͤure, welche zum ersten Versuch gedient hatte, enthielt noch Salpetersaͤure genug, um bei wiederholter Destillation uͤber Platin neuerdings davon aufloͤsen zu koͤnnen. Zweiter Versuch. Es handelte sich nun darum, ein Verfahren auszumitteln, wodurch der Schwefelsaͤure so viel Salpetersaͤure entzogen werden kann, als sie nur immer enthalten mag; durch Erhizen derselben mit Kohle ist man dieses nicht im Stande, weil diese Substanz schon bei einer so niedrigen Temperatur wirkt, daß sie die Verbindung der Schwefelsaͤure mit der Salpetersaͤure nicht zerstoͤren kann. Wenn man aber die unreine Schwefelsaͤure mit Schwefel bei einer Temperatur von 150 bis 200° C. (120 bis 160° R.) zwei oder drei Stunden lang digerirt, so erreicht man den Zwek vollstaͤndig. Bei dieser Operation kommt der Schwefel in Fluß, und die Fluͤssigkeit nimmt eine braͤunliche Farbe an; nach Verlauf der angegebenen Zeit riecht sie wieder sehr merklich nach schweflicher Saͤure; ich ließ nun die Fluͤssigkeit erkalten, wobei sie ihre braune Farbe behielt. Dann brachte ich sie mit einigen vorher gewogenen Platinstuͤken in eine glaͤserne Retorte und destillirte sie, indem ich die Vorlage von Zeit zu Zeit entfernte und durch eine neue ersezte. Weder die lezten Producte der Destillation noch der Ruͤkstand in der Retorte enthielten die geringste Spur Salpetersaͤure; denn sowohl die destillirte Saͤure als die in der Retorte zuruͤkgebliebene blieb auf Zusaz von schwefelsaurem Eisenoxydul vollkommen weiß. Ich wollte nun auch sehen, ob der Schwefel durch bloße Digestion mittelst der Waͤrme, die in der Schwefelsaͤure enthaltene Salpetersaͤure zersezt, ohne daß man noͤthig hat, die Schwefelsaͤure uͤberzudestilliren, was in den Fabriken nicht wohl angeht. Zwei Unzen Schwefelsaͤure, welche mit 3 Grammen (48 Gran) Schwefel zwei und eine halbe Stunde lang bei 150° bis 200° C. in Beruͤhrung waren, enthielten nach dem Erkalten nicht mehr die geringste Spur Salpetersaͤure. Die Schwefelsaͤurefabrikanten koͤnnen also ihre Saͤure leicht von Salpetersaͤure reinigen, indem sie dieselbe bei der angegebenen Temperatur mit einer geringen Menge Schwefel erhizen; es waͤre aber zu wuͤnschen, daß sie niemals Salpetersaͤure in das Kammerwasser gießen. Dritter Versuch. Nachdem ich die Schwefelsaͤure so gereinigt hatte, versuchte ich, ob man sie nicht neuerdings mit Salpetersaͤure verbinden kann. Ich brachte daher eine Unze reiner Schwefelsaͤure mit zwei Quentchen reiner und concentrirter Salpetersaͤure in eine Retorte, und nahm die Producte der Destillation zu verschiedenen Zeiten weg. Das erste Destillat enthielt viel Salpetersaͤure und Spuren von Schwefelsaͤure; es entbanden sich waͤhrend seines Uebergehens auch roͤthliche Daͤmpfe von Untersalpetersaͤure aus der Retorte. Bald zeigten sie sich aber nicht mehr und die Fluͤssigkeit verfluͤchtigte sich nun bloß noch bei + 310° C. (248° N.) Das zweite Product der Destillation enthielt sehr viel Schwefelsaͤure und Salpetersaͤure, welche durch ein wenig Untersalpetersaͤure gruͤn gefaͤrbt waren. Die in der Retorte gebliebene Fluͤssigkeit, worin sich Platinspaͤne befanden, war dunkelgelb gefaͤrbt; als man sie mit Wasser versezte, entwikelte sich daraus schnell Untersalpetersaͤure, und sie wurde gruͤnlich; bei einem neuen Zusaz von Wasser verschwand die gruͤnliche Farbe und die Fluͤssigkeit gab mit Schwefelwasserstoff einen schwaͤrzlichbraunen Niederschlag. Die Platinspaͤne, welche anfangs 0,2 Gr. wogen, hatten 0,04 an Gewicht verloren. Nach dem lezteren Versuche sollte man glauben, daß die Schwefelsaͤure nicht mit Salpetersaͤure, sondern vielmehr mit Untersalpetersaͤure verbunden ist, und daß diese Verbindung also derjenigen analog ist, welche Hr. Gautier de Claubry in seiner Abhandlung uͤber die Schwefelsaͤure (Polyt. Journal Bd. XL. S. 192) beschrieben hat. Ich hoffe durch zahlreichere Versuche diese eigenthuͤmliche Verbindung noch genauer kennen zu lernen.