Titel: Ueber eine neuerlich in den Fabriken der HH. Nicolas Köchlin und Comp. in Mülhausen eingeführte Methode die Bewegung mit Eisendrähten fortzupflanzen oder zu übertragen. Von Hrn. Josua Heilmann.
Fundstelle: Band 64, Jahrgang 1837, Nr. LVIII., S. 273
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LVIII. Ueber eine neuerlich in den Fabriken der HH. Nicolas Koͤchlin und Comp. in Muͤlhausen eingefuͤhrte Methode die Bewegung mit Eisendraͤhten fortzupflanzen oder zu uͤbertragen. Von Hrn. Josua Heilmann. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhausen, No. 48. S. 178. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Heilmann's Methode Bewegungen mit Eisendraͤhten fortzupflanzen. Hr. Whitacker, vom Hause der HH. Guérin und Comp., Kardenfabrikanten in Vidion bei Charleville, sprach mir bei seiner Ruͤkkehr von einer im Jahre 1833 nach England unternommenen Reise mit groͤßtem Eifer von einer Fortpflanzungs- oder Transmissionsmethode fuͤr Bewegung, die er in jenem Lande benuzt sah, und deren Anwendung, wie er glaubte, unter vielen Umstaͤnden sehr vortheilhaft werden duͤrfte. Ich notirte mir die Sache in der Ueberzeugung, daß sich fruͤher oder spaͤter Gelegenheit ergeben wuͤrde Nuzen aus ihr zu ziehen. Diese Gelegenheit ließ denn auch nicht lange auf sich warten, indem die HH. Nicolas Koͤchlin und Comp. in einem ihrer Gebaͤude, in welchem sich keine Triebkraft befand, in dessen Nachbarschaft jedoch eine Seidenspinnerei besteht, eine Maschinenweberei fuͤr Seidenstoffe zu errichten gesonnen waren. Es handelte sich darum, sogleich mit einem Sortimente Webestuͤhlen, zu deren Betrieb ein bis zwei Pferdekraͤfte noͤthig waren, und die nur im zweiten Stoke untergebracht werden konnten, einen Versuch anzustellen. Die Bewegung konnte nur in einer Entfernung von wenigstens 8 Fuß zwischen den beiden Gebaͤuden, die uͤberdieß einen Winkel von 120 bis 130 miteinander bildeten, genommen werden; und um das Maaß der Schwierigkeiten voll zu machen, befand sich die der neuen Pumpe angewiesene Stelle unmittelbar unter der fuͤr die provisorische Transmission geeignetsten Richtung, welche natuͤrlich die neuen Bauten nicht beeintraͤchtigen durfte. Allen diesen Bedingungen ward nun vermoͤge der Transmission mit Eisendraͤhten auf eine so vollkommene Weise Genuͤge geleistet, daß es mir zu wahrem Vergnuͤgen gereicht, der Gesellschaft eine Beschreibung und Abbildung dieser neuen Methode vorzulegen. Fig. 2 und 3 zeigen den Apparat, so wie ich ihn anfertigen ließ. a ist eine an beiden Seiten so im Knie gebogene Welle, daß sie zwei getrennte Kurbeln von 60° Oeffnung bildet. b eine an der Verlaͤngerung dieser Welle fixirte Scheibe, an welche der Zapfen c solcher Maßen geschraubt ist, daß er mit den uͤbrigen Kurbeln in gleicher Entfernung von dem Mittelpunkte drei excentrische Rotationspunkte bildet, und daß der Umfang dadurch in drei gleiche Theile, jeder zu 60° getheilt ist. d, d sind die Haͤlse der Welle a, die sich mit der Scheibe b in den in den Stuͤzpfosten e, e angebrachten Anwellen oder Zapfenlagern bewegt. f, f, f sind Kurbelstuͤke, welche an den drei Haͤlsen der Kurbeln angebracht und mit messingenen Zapfenlagern ausgestattet sind. g, g, g endlich sind Schnuͤre aus Eisendraht, von denen jede aus 7 Draͤhten von hoͤchstens 3/4 Linien im Durchmesser besteht, und welche durch einen darum gewikelten achten Draht zusammen gehalten werden. Die Spannung dieser Draͤhte kann mittelst einer Schraube regulirt werden. Fig. 7 und 8 geben eine Idee von der allgemeinen Anordnung des Apparates. Solcher Apparate sind, wie man sieht, zwei noͤthig: naͤmlich einer an dem Orte, von welchem die Triebkraft ausgeht, und einer an jenem Orte, an welchem sie ihre Wirkung hervorzubringen hat. Beide Apparate muͤssen in Hinsicht auf einander vollkommen parallel und symmetrisch angebracht seyn: die Scheibe des einen empfaͤngt von irgend einer Triebkraft her die Bewegung und die andere gibt sie wieder ab. Die drei Drahtschnuͤre ziehen nach einander die drei Kurbeln an, und pflanzen daher die rotirende Bewegung auf diese Weise fort, gerade als wenn drei Maͤnner gleichmaͤßig die Kurbeln eines Cylinders oder Muͤhlsteines zoͤgen. Was die Richtung der Draͤhte betrifft, so ist sie ziemlich gleichguͤltig; sie kann in Hinsicht auf die Stellung der Gebaͤude eine horizontale, eine senkrechte, eine schiefe oder eine auf irgend eine Weise divergirende seyn. Auch die Entfernung scheint mir einen sehr großen Spielraum zu gestatten, und gerade hierin duͤrfte eine der schoͤnsten Seiten dieser sinnreichen Communicationsmethode zu suchen seyn. In dem fraglichen Falle betraͤgt die Laͤnge 85 Fuß; ich wuͤrde jedoch keinen Augenblik anstehen sie auf das Doppelte zu erhoͤhen. Die Draͤhte treten unter einem Winkel von 20 bis 30° bei einem Fenster des einen Gebaͤudes aus, und nachdem sie den Zwischenraum in einer Hoͤhe von 20 Fuß uͤber dem Erdboden durchlaufen, bei einem Fenster des anderen Gebaͤudes unter rechten Winkeln ein. Der die Bewegung gebende Riemen hat 3 Zoll Breite und eine Geschwindigkeit von 278 Fuß in der Minute; er ist nicht uͤber eine mittlere Kraft hinaus gespannt, so daß seine Transmissionskraft nach der von Hrn. Laborde abgefaßten Tabelle hoͤchstens auf 1/2 oder 3/4 Pferdekraft angeschlagen werden kann. Es waͤre unnuͤz, wenn ich hier auf eine Berechnung der Staͤrke des anzuwendenden Eisendrahtes eingehen wollte; es genuͤgt daher der Rath, daß man immer uͤber die Dimensionen hinausgehen soll, welche die bekannten theoretischen Tabellen in dieser Hinsicht angeben; und daß man die Laͤnge des Radius, auf den er wirkt, beruͤksichtigen soll. Unter den Umstaͤnden, um welche es sich in dem hier gegebenen Falle handelt, vermoͤchte der angewendete Draht ohne allen Nachtheil eine Kraft von zwei Pferden zu uͤbertragen, wenn man die Breite der Riemen oder deren Geschwindigkeit in demselben Verhaͤltnisse erhoͤhte. Bedingungen des Gelingens dieses Systemes sind: 1) Die Draͤhte der Drahtschnuͤre muͤssen saͤmmtlich eine gleiche Spannung haben, weil sonst der am meisten gespannte Draht zuerst, dann der naͤchstfolgende, und so einer um den anderen nachgibt, waͤhrend bei gleichmaͤßiger Spannung alle Draͤhte zugleich arbeiten und keiner nachgibt. Gut ist es die Schnuͤre aus einem Stuͤk Draht zusammenzusezen, um auf diese Weise das Stuͤkeln zu verhuͤten. 2) Die Spannung der verschiedenen Drahtschnuͤre muß ebenfalls so gleichmaͤßig als moͤglich seyn. Auch muß sie stark genug seyn, ohne jedoch so weit zu gehen, daß sie die Zapfen erhizt und die Bewegung hart macht. 3) Die Kurbeln muͤssen ganz genau eine gleiche Entfernung von dem Mittelpunkte der Welle haben; besonders gilt dieß von jenen Kurbeln, die sich an den beiden Wellen gegenseitig entsprechen; denn waͤre dieß nicht der Fall, so wuͤrden die Draͤhte einer Gewalt ausgesezt werden, in Folge deren sie brechen koͤnnten. 4) In dem Momente, in welchem man die Eisendraͤhte anbringt, muͤssen die beiden Wellen auf irgend eine Weise solcher Maßen fixirt werden, daß jede Kurbel der einen genau eben so gestellt ist, wie die entsprechende Kurbel der anderen. Man braucht zu diesem Zwek an jeder Welle nur eine der Kurbeln zu beobachten und sich, wenn die Richtung eine horizontale ist, einer Wasser- oder Sezwaage; wenn die Richtung hingegen irgend eine Neigung gegen den Horizont hat, einer Wasserwaage mit entsprechendem Winkel zu bedienen. Verbesserungen, die sich anbringen ließen, duͤrften allenfalls folgende seyn. 1) Da die Regelmaͤßigkeit der gegenseitigen Stellung der Kurbeln eine der wesentlichsten Bedingungen ausmacht, so muß ich empfehlen, alle diese Punkte einer und derselben Welle gleich von Anfang an auf unwandelbare Weise zu bestimmen, und das Ganze aus einem Stuͤke zu schmieden; denn die Scheibe b und mit ihr also auch der Zapfen c koͤnnte aus irgend einer Veranlassung oder in Folge einer Ungeschiklichkeit von Seite des Arbeiters ihre Stellung veraͤndern, wodurch die Bewegung sehr unvollkommen werden wuͤrde. 2) Um durch Verminderung der anormalen Momente der Kurbeln an Kraft zu ersparen, waͤre es gut deren Zahl zu erhoͤhen, und ihrer z.B. 4 anstatt 3 anzuwenden. Eine solche Welle waͤre nur um so leichter zu verfertigen, indem deren Theile dann unter rechten Winkeln, welche auf dem Ambose leichter zu erzielen sind, miteinander correspondiren wuͤrden. Man koͤnnte in diesem Falle zwei der einander diametral entgegengesezten Kurbeln innerhalb zwischen den beiden Stuͤzen, und zwei außerhalb diesen anbringen. Was die beste Stellung fuͤr die Scheibe betrifft, so ist diese immer in der Naͤhe einer Stuͤze, und zwar entweder innerhalb oder außerhalb dieser. (Siehe Fig. 4.) 3) Anstatt der Riemen koͤnnte man leicht auch Zahnraͤder in Anwendung bringen. 4) Um groͤßere Einfachheit und Leichtigkeit der Adjustirung zu erzielen, ließen sich die Kurbelstuͤke f, f, f auf die aus Fig. 5 ersichtliche Art und Weise anfertigen. 5) Wenn die Bewegung eine sehr rasche seyn soll, so duͤrfte man die Eisendraͤhte nicht aus der Flaͤche, in welcher sie sich befinden, kommen lassen. Man koͤnnte die Kurbelstuͤke zu diesem Zweke verlaͤngern und mit Fuͤhrern in Verbindung bringen, wie dieß in Fig. 6 durch punktirte Linien angedeutet ist. In derselben Absicht koͤnnte man auch die beiden geknieten Wellen in einander entgegengesezten Richtungen laufen lassen, nachdem man sie vorher zwar nicht vollkommen gleich, wohl aber symmetrisch geschmiedet hat. Jeder Draht wird daher an dem einen Ende emporsteigen, waͤhrend er sich an dem entgegengesezten Ende nach Abwaͤrts bewegt und in der Mitte auf einer und derselben Hoͤhe bleibt. Diese Anordnung wuͤrde sich bei großen Entfernungen besser eignen als bei geringen. 6) Endlich waͤre, wie ich mich durch einen Versuch uͤberzeugte, eine wirkliche Verbesserung dadurch zu erzielen, daß an dem Ende der Transmission ein Flug- oder Schwungrad angebracht wuͤrde. Diesem Rade, welches sich entweder an der Welle der Kurbeln oder an einer eigenen, zur secundaͤren Transmission dienenden Welle befinden koͤnnte, muͤßte die Kraft gegeben werden, daß es zwei bis drei Mal so viel Kraft als uͤbertragen werden soll, ansammelte. Dieses Rad wuͤrde auch die Eigenschaft besizen, daß es die Draͤhte in gleichmaͤßigerer Spannung erhaͤlt: zum Beweise, daß die Transmission leichter von Statten geht. Man koͤnnte sogar glauben, daß unter diesen Umstaͤnden eine Ruͤkgabe der Kraft von der dieselbe empfangenden oder passiven an die sie mittheilende oder active Welle Statt findet, was um so vortheilhafter waͤre, da sich die Impulse bei jedem Umgange der Zahl nach verdoppeln wuͤrden, gleichsam als koͤnnten die Draͤhte ziehen und treiben, waͤhrend sie doch nur zu ziehen vermoͤgen. Ich habe nun nur noch einige der Umstaͤnde anzudeuten, unter denen eine solche Uebertragung sehr große Dienste leisten kann. Dieser Fall wird naͤmlich jedes Mal eintreten, wenn man ein Gebaͤude oder einen Saal benuzen will, welcher von der bestehenden Triebkraft sehr weit entfernt ist; oder wenn sich diese gar in einem anderen, durch einen Hofraum, einen Garten, eine Straße oder einen Fluß davon getrennten Gebaͤude befindet. Diese Uebertragungsmethode wird ferner in den Bergwerken wohl weit bessere Dienste leisten, als die langen hoͤlzernen Spindeln, deren man sich bedient, um die Pumpen in Bewegung zu sezen; es scheint mir sogar, daß man sich in England dieser Methode bereits zu diesem oder einem aͤhnlichen Zwek bedient. Weiter ließe sie sich sehr gut benuzen, wenn an Meereskuͤsten, in Festungen oder anderwaͤrts Terrassirungen und Ausgrabungen vorgenommen werden sollen; denn eine in Hinsicht auf die Arbeiten im Mittelpunkte befindliche Triebkraft koͤnnte in diesem Falle uͤber einen großen Flaͤchenraum bis auf betraͤchtliche Entfernungen wirken. Endlich werden sich gewiß auch fuͤr die Landwirthschaft zahlreiche Faͤlle ergeben, in welchen man aus diesem sinnreichen Apparate Nuzen ziehen koͤnnte.Hr. Pierre Thierry erstattete der Société industrielle in Muͤlhauser einen sehr guͤnstigen Bericht uͤber obige, von Hrn. Heilmann beschriebene und verbesserte Transmissionsmethode. Sie ist bereits in zwei Fabriken, welche sich in der Naͤhe jener gewerbfleißigen Stadt befinden, im vollen Gange.A. d. R.

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