Titel: Vorschlag zur Verhütung des Nachdrukes der Bücher. Von Hrn. A. Chevallier.
Fundstelle: Band 65, Jahrgang 1837, Nr. XXII., S. 71
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XXII. Vorschlag zur Verhuͤtung des Nachdrukes der Buͤcher. Von Hrn. A. Chevallier. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Chevallier's Vorschlag zur Verhuͤtung des Nachdruks. Ich finde in einem von Luͤttich aus datirten Schreiben uͤber die belgische Industrie folgende Stelle. „Zu den groͤßeren Fabricationszweigen Belgiens gehoͤrt der Nachdruk der im franzoͤsischen Buchhandel erschienenen Werke; ja dieß ist das Hauptgeschaͤft, welches in Bruͤssel betrieben wird. Die Hauptstadt Belgiens ist wie jene Frankreichs eine Litteraturstadt; mit dem Unterschiede jedoch, daß sie nichts schafft, sondern nur copirt. Wenn dieser Industriezweig auch den Saͤkel der Gelehrten benachtheiligt, so erhoͤht er dafuͤr ihren literarischen Ruf; denn der wohlfeile Preis der belgischen Nachdruke vermehrt die Zahl der Leser ganz außerordentlich. Es gibt viele in Paris verlegte Werke, welche kaum 1500 Abnehmer zaͤhlen, waͤhrend von dem Nachdruke eine 5 und 6 Mal groͤßere Anzahl von Exemplaren abgesezt wird. Im Plagiate beruht die ganze Litteratur Belgiens; auf dieses beschraͤnken sich alle die Anstrengungen, die man in neuerer Zeit daselbst macht, um das weite Feld des Wissens und des Geschmaks auszubeuten.“ Diese nur zu wahren Aeußerungen erinnerten mich an das, was im Interesse Frankreichs bereits geleistet wurde, um unser Land von dem Tribute zu befreien, den Belgien durch seine Nachdruͤke von ihm erhebt. Wie groß und bedeutend dieser Tribut ist, ergibt sich, wenn man bedenkt, daß er nicht bloß die Gelehrten und Autoren trifft, sondern daß er außerdem 1) auf dem Druker und seinen Arbeitern lastet, weil die Auflagen in Frankreich des Nachdrukes wegen kleiner gemacht werden muͤssen, und weil neue Auflagen entweder gar nicht oder nur viel spaͤter zu Stande kommen; 2) auf den Papierfabriken und den in ihnen beschaͤftigten Arbeitern; 3) auf den Zusammenlegern, Brochirern, Satinirern und Buchbindern; 4) endlich auf den Schriftgießern. Nach vollkommen glaubwuͤrdigen Angaben hat eine einzige Buchhandlung in Bruͤssel vom Jahre 1825 bis zum Julius 1828 nicht weniger als 318,615 Baͤnde von Werken publicirt, die zur Zeit noch Privateigenthum sind. Rechnet man, daß jeder dieser Baͤnde dem Verfasser nur 50 Cent. eingetragen haben wuͤrde, so ergibt sich fuͤr die Verfasser ein Gesammtverlust von 159,307 Fr. 50 Cent.; und rechnet man den von den Drukern, Papierfabrikanten etc. erlittenen Verlust auf das Dreifache, so gibt dieß fuͤr Frankreich einen Verlust von mehr dann 600,000 Fr., wobei noch der Verlust der Buchhandlung und der Arbeitslohn nicht eingerechnet ist! Wenn schon eine einzige Buchhandlung in Bruͤssel dem franzoͤsischen Buchhandel einen so ungeheuren Schaden zufuͤgt, so mag man abnehmen, wie hoch sich der Gesammtverlust belaufen muß. Ich habe oft daruͤber nachgedacht, auf welche Weise sich dem Nachdruke steuern ließe. Man muͤßte, um zu einer Loͤsung dieser Frage zu gelangen, der Beihuͤlfe der Betheiligten und Sachverstaͤndigen versichert seyn; allein, wer wird es glauben, von allen jenen, an welche ich mich um Aufschluͤsse uͤber diesen Gegenstand wendete, hat wich auch nicht ein einziger einer Antwort gewuͤrdigt, und so blieb die Sache unerledigt, obschon ich glaube, daß eine solche Erledigung im Interesse des Buchhandels moͤglich ist. Im Jahre 1833, wo ich als Mitglied des Comité der Chemie von Seite der Société d'encouragement in Paris beauftragt war, uͤber die lithographischen Uebertragungen, welche von Hrn. Theodor Delarue, Lithographen in Paris, rue Notre-Dame des Victoires No. 16, vorgelegt worden waren, zu berichten, erkannte ich alsbald, welche ausgedehnte Anwendung das von diesem Mann befolgte Verfahren finden koͤnnte. Ich bat daher mich der Erstattung dieses Berichtes zu entheben und verstaͤndigte mich mit Hrn. Delarue uͤber eine Anwendung seines Verfahrens (welches in der Benuzung einer aus einem Theile Wachs, zwei Theilen lithographischer Tinte, zwei Theilen Talg und einem Theile Firniß bestehenden Tinte und in der Anwendung von chinesischem oder ungeleimtem gewoͤhnlichen Papiere, welches mit zwei Schichten eines leichten Kleisters uͤberzogen worden war, bestand) auf die Uebertragung von Letterndruk. Die von uns angestellten Versuche hatten die guͤnstigsten Resultate, und schon nach kurzer Zeit konnten wir der Gesellschaft ein Tableau vorlegen, dessen Gegenstand der unsterbliche Vauquelin war, und welches 1) Rahmen. Linien und Dessins, die mit der Feder gezeichnet worden; 2) uͤbertragene Autographie; 3) das Portraͤt Vauquelin's, welches wir mittelst einer von Buchhaͤndler Thomine entlehnten Kupferplatte uͤbertrugen; 4) Letterndruk, der von Hrn. Loquin mit beweglichen Typen gesezt worden; 5) ein Facsimile der Schrift Vauquelin's: und 6) eine Zeichnung mit Kreide enthielt. Das Gelingen dieses Tableau's lieferte einen positiven Beweis, daß man es bei einigem Studium und einiger Uebung mit Leichtigkeit dahin bringen kann, typographische Compositionen auf Papier zu uͤbertragen, um sie zum Behufe des Abziehens auf Stein zu versezen. Nachdem dieß hergestellt ist, wollen wir sehen, welcher Nuzen sich daraus zur Verhuͤtung des Nachdrukes ziehen ließe. Die Pariser Buchhandlung koͤnnte naͤmlich in Bruͤssel leicht eine Anstalt haben, in der sie die bei ihr erschienenen Werke uͤbertragen ließe. Sie koͤnnte dieser Anstalt von jedem fertig gewordenen Bogen zwei oder drei Exemplare, die mit Hrn. Delarue's Tinte auf geeignetes Papier abgedrukt worden sind, uͤbersenden; damit sie daselbst mit den gewoͤhnlichen Mitteln auf Stein uͤbergetragen werden, und damit man, nachdem die Steine gesaͤuert worden, mit diesen 500 bis 1000 Exemplare und daruͤber davon abzoͤge. Das durch Uebertragung erzeugte Werk wird ein vollkommenes Facsimile der Pariser Ausgabe seyn, wobei alle Kosten des Sezens sowohl, als der Correcturen wegfallen; so daß die ganzen Kosten lediglich auf die Uebertragung der Abdruͤke, auf deren Uebertragung auf die Steine und auf den Preis des Papieres und des Abziehens beschraͤnkt sind. Enthielte das Werk Abbildungen oder Kupfertafeln, so koͤnnten auch diese uͤbergetragen und die Uebertragungen dann in Bruͤssel auf Stein gebracht und abgezogen werden. Das von Hrn. Delarue gegebene Beispiel fand bereits Nachahmer; denn ein Lithograph in Paris publicirte juͤngst ein botanisches Werk, dessen Text den Figuren gegenuͤber durch Uebertragung von Letterndruk erzeugt wurde. Ich hoffe, daß, indem ich diese kurze Notiz der Oeffentlichkeit uͤbergebe, weitere Versuche mit diesem Verfahren angestellt werden: Versuche, die gewiß zu guͤnstigen Resultaten fuͤhren und dem Nachdruke Schranken sezen duͤrften.