Titel: Versuche mit verschiedenen im Handel vorkommenden Zukersorten. Von Prof. Zenneck in Tübingen.
Autor: Ludwig Heinrich Zenneck [GND]
Fundstelle: Band 65, Jahrgang 1837, Nr. LXXX., S. 351
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LXXX. Versuche mit verschiedenen im Handel vorkommenden Zukersorten. Von Prof. Zenneck in Tuͤbingen. Zenneck's Versuche mit verschiedenen Zukersorten. Ueber die im Handel vorkommenden krystallisirten Zukersorten, seyen sie aus Rohr- oder Runkelruͤbenzuker raffinirt, werden bekanntlich nicht bloß vom Publicum uͤberhaupt, sondern auch von Personen, denen die Chemie nicht ganz fremd ist, mehr oder weniger folgende Urtheile gefaͤllt: 1) je weißer und schoͤner ein Zuker ist, desto mehr Kalktheile enthaͤlt er noch, und dieser Beimischung verdankt er ohne Zweifel theils seine schoͤne weiße Farbe, theils seine mehr oder weniger große Haͤrte. 2) ein fein raffinirter weißer und harter Zuker ist immer weniger suͤß, als ein graulichtweißer und weicherer Zuker; mag daher dieser Unterschied auch nicht von einer Verschiedenheit in der beigemischten Kalkmenge herruͤhren, so muß doch der erste weniger Zukerstoff als der leztere enthalten. 3) ein feinerer Zuker loͤst sich in Wasser weniger gut auf als ein groͤberer, sey es, weil jener mehr Kalktheile enthaͤlt, oder weil ihm von dem in Wasser so leicht aufloͤsbaren, und im urspruͤnglichen Safte vorkommenden Schleimzuker weniger beigemischt ist, als dem grauen und groͤberen Zuker. Mit diesen Urtheilen haͤngt nun auch haͤufig eine Werthbestimmung der verschiedenen Zukersorten zusammen, die zum Theil mit den merkantilischen Preisbestimmungen in geradem Widerspruche steht, so daß sich billiger Weise fragen laͤßt, ob und in wie weit jene Werthbestimmung richtig ist, und auf welche Art irgend eine in den Handel kommende Zukersorte in Ruͤksicht auf ihren Gehalt gepruͤft werden kann. Um daher zur Beantwortung dieser doppelten Frage Einiges beizutragen, habe ich mit verschiedenen Zukersorten bestimmte Versuche vorgenommen, die theils zur Berichtigung der obigen Urtheile dienen, theils dem Fabrikanten und jedem Kaufmanne, welchem Chemie und Physik nicht ganz fremd sind, ein und das andere Pruͤfungsmittel von einer Zukersorte an die Hand geben duͤrften. A. Aeußere Beschaffenheit von 10 Zukersorten. Die Zukersorten, mit denen ich verschiedene Untersuchungen angestellt habe, waren nach der Reihe folgende 10 Sorten: No. I. Fein raffinirter preußischer Zuker: schoͤn weißZur Beurtheilung der weißen Farbe wurden die Sorten als Stuͤke auf schwarzes Papier neben einander gelegt., von feinem Korn und sehr hart. No. II. Ordinaͤrer preußischer Zuker: weißgraulich, etwas grobkoͤrnig und ziemlich weich. No. III. Ordinaͤrer hollaͤndischer Zuker: weiß, weniger graulich als No. II, und von feinerem Korn, und weich. No. IV. Rohrzuker einer inlaͤndischen Raffinerie: weniger weiß als No. III, jedoch von gleichem Korn und ziemlich weich. No. V. Feinster preußischer Zuker: am schoͤnsten weiß, vom feinsten Korn und ziemlich hart (weicher als No. I, und auch weniger durchscheinend). No. VI. Sogenannter Lumpenzuker (aus unbekannter Fabrik): sehr graugelblichweiß, grobkoͤrnig, sehr poroͤs und sehr leicht zerbroͤklich. No. VII. Staͤrkezuker (von mir bereitet): gelblich, feinkoͤrnig und zaͤhe. No. VIII. Ordinaͤrer hollaͤndischer Zuker (eine spaͤter erhaltene Sorte von einem anderen Handelshause): etwas weniger weiß als No. III, auch grobkoͤrniger und ziemlich weich. No. IX. Rohrzuker einer inlaͤndischen Raffinerie (derselben wie No. IV, nur spaͤter erhalten und wieder untersucht): schoͤn weiß, etwas grobkoͤrnig und ziemlich hart. No. X. Runkelruͤbenzuker einer inlaͤndischen Raffinerie: etwas weniger weiß als No. IX, ziemlich feinkoͤrnig und hart. Nach ihrem aͤußeren Aussehen geordnet folgten sich demnach diese 10 Sorten ungefaͤhr in folgender Ordnung: No. V. I. IX. X. III. IV. VIII. II. VI. VII. B. Versuche, den Kalkgehalt betreffend. Ungeachtet bei der Raffinirung des Zukers Kalk gebraucht wird, oder vielmehr Kalkwasser, so schlagen sich diese Theile theils in Verbindung mit dem Extractivstoffe des noch rohen Zukers, theils mit der Kohlensaͤure der Atmosphaͤre bei diesem Reinigungsproceß nieder und gehen bei dem Krystallisiren des Zukers nicht wohl in diesen uͤber, so daß im Voraus kein Kalk darin anzunehmen ist. Wenn aber auch ja ein solcher darin vorkommen sollte, so wuͤrde er bei Aufloͤsung des Zukers in reinem (destillirten oder Regen-) Wasser als kohlensaurer Kalk zuruͤkbleiben, wo nicht schon im Munde als unaufloͤsbarer Theil gefuͤhlt werden. Indessen habe ich doch noch die obigen Zukersorten sowohl mit kleesaurem No. VII reagirte allein und ziemlich stark darauf. Kali als mit dem noch feineren Reagens der Alizarintinctur auf Kalk gepruͤft, aber bei ihren Aufloͤsungen in reinem Wasser weder mit jenem eine weiße Truͤbung, noch mit dieser eine rosenrotheDie Aufloͤsung des Krappsublimats in Alkohol faͤrbt sich mit der geringsten Spur von Kalk in Wasseraufloͤsungen rosenroth und schlaͤgt sich dann als Krapplak nieder. Faͤrbung erhalten und daher in 9 Sorten auch nicht eine Spur von Kalk auffinden koͤnnen. Wenn uͤbrigens bei dem Kochen einer Zukerloͤsung auf dem Boden des Gefaͤßes ein Saz entsteht, so enthaͤlt dieser nur Schleim- und Extractivstofftheile, oder vielleicht einige schon verbrannte Theile, aber keinen Kalk, außer man habe zur Aufloͤsung des Zukers Brunnen- oder ein anderes kalkhaltiges Wasser genommen. C. Specifische Gewichte einiger Sorten im festen (a) und aufgeloͤsten (b) Zustande. Daß der weißere und schoͤner krystallisirte Zuker nicht so suͤß schmekt, als der graulichweiße und groͤbere Zuker, kann nach dem Vorhergehenden zwar nicht von seinem Kalkgehalte herkommen, aber entweder von seiner geringeren Menge suͤßerSuͤßigkeit und Zukerstoffgehalt sind nicht gleichgeltend, da bekanntlich noch manche andere Gegenstaͤnde, die kein Zuker sind, Suͤßigkeit zeigen, wie z.B. essigsaures Bleioxyd. Theile und also, wie es scheint, von seiner groͤßeren Menge Krystallisationswassers, oder von seiner langsameren Aufloͤslichkeit in Wasser. Ist nun das erste die Ursache seiner geringeren Suͤßigkeit; so wird eine Zukersorte sowohl in ihrem festen Zustande, als nach ihrer Aufloͤsung in Wasser gewogen, ein um so kleineres specifisches Gewicht zeigen, als sie weniger suͤße Theile und mehr KrystallisationswasserWird die Menge des Krystallisationswassers vermittelst Bleioxyds bestimmt, so laͤßt sich daraus indirect auf die Menge der suͤßen Bestandtheile schließen. Diese indirecte Bestimmungsweise ist aber schwieriger als die directe vermittelst der araͤometrischen Waͤgungen. enthaͤlt, da jene specifisch schwerer sind, als dieses. Ich habe daher einige von den genannten Sorten auf beiderlei Art gewogen und dabei folgende Resultate erhalten: a) Die Bestimmung des spec. Gewichtes der Zukersorten in ihrem festen krystallinischen Zustande geschah bei einer Temperatur von 12° R. Bei 2 Sorten theils nach der Homberg'schen Methode (vermittelst eines mit Alkohol von 36° Beck angefuͤllten Flaͤschchens), theils mit meinem PyknoskopS. Kastner's Archiv der Naturlehre Bd. XIV. H. 1., bei 4 anderen Sorten aber bloß mit dem lezteren, weil die Resultate bei den 2 ersten nach beiderlei Methoden miteinander uͤbereinstimmten, und die lezte MethodeBei dem Pyknoskop wird bloß Alkohol gebraucht, bei der Homberg'schen Methode muß zuerst das Wasser fuͤr sich, und dann Alkohol fuͤr sich in das Flaͤschchen gebracht werden, ehe der Zuker mit lezterem zusammen koͤmmt. einfacher ist. No. I zeigte ein specifisches Gewicht = 1,534. No. II       –   – = 1,610. No. III       –   – = 1,570. No. IV       –   – = 1,580. No. IX       –   – = 1,481. No. X       –   – = 1,538. b) Die Bestimmung des spec. Gewichts von den inreinem Wasser aufgeloͤsten Zukersorten wurde mit je 200 Gr. Zuker und 1200 Gr. Wasser bei 15° R. vermittelst Beck's Essigaraͤometers ausgefuͤhrt, und die Berechnung nach der Regel, daß das spec. Gewicht einer so gewogenen Fluͤssigkeit = 170/(170 – N°/10)S. Baumgartner's Zeitschrift fuͤr Physik etc. Bd. II. S. 249 (1833). (wobei N° = angezeigter Grad des Araͤometers) ist, gemacht. Die Aufloͤsung von No. I zeigte an 92° Grade = 1,0572 spec. Gewicht, No. II     – 94°   – = 1,0585   –     – No. III     – 95°   – = 1,05919   –     – No. IV     – 94,8°   – = 1,05905   –     – No. IX     – 94,4°   – = 1,0588   –     – No. X     – 91,7°   – = 1,0570   –     – Vergleicht man nun diese spec. GewichteDaß diese Versuche von C, so wie die bei D und E nicht mit allen 10 Zukersorten angestellt wurden, ruͤhrt daher, daß ich bei Anstellung jener Versuche die anderen Sorten nicht gerade beisammen hatte, noch sie wieder aus derselben Fabrik so, wie ich wuͤnschte, erhalten konnte., und zwar zuerst die der festen Zuker, mit der oben aufgefuͤhrten Ordnung nach dem aͤußeren Aussehen, so laufen die Reihen einander fast ganz parallel, indem die lezte (bei den 6 Sorten) No. I. IX. X. III. IV. II. und die erste von der leichtesten Sorte an gerechnet No. IX. I. X. III. IV. II. heißt, und es scheint daher die Verschiedenheit des aͤußeren Aussehens auf der Verschiedenheit des Krystallisationswassers (einer Menge nach) zu beruhen. Da aber die spec. Gewichte der Aufloͤsungen von der leichtesten an gerechnet sich anders, und zwar nach der Reihe, No. X. I. II. IX. IV. III. folgen; so koͤnnen die mit dem Krystallisationswasser verbundenen Theile nicht bloßDiese Annahme stimmt auch nicht mit den Gaͤhrungsversuchen (F.) uͤberein. reiner Zukerstoff seyn, sondern muͤssen noch mehr oder weniger andere Theile enthalten, welche bei der Mischung mit Wasser ein verschiedenes Volumen darstellen, und es kann folglich aus dem bloßen spec. Gewichte des festen Zukers nicht auf seinen wahren Zukergehalt geschlossen werden. Wenn daher auch unter gleichen Umstaͤnden der Grund von der groͤßeren oder geringeren Suͤßigkeit einer Zukersorte in der groͤßeren oder geringeren Menge ihres reinen Zukerstoffes liegen mag; so erklaͤrt sich jene doch nicht nothwendig aus ihrer kleineren oder groͤßeren Menge von Krystallisationswasser; vielmehr koͤnnte eine Zukersorte mit mehr Zukergehalt schon deßwegen weniger suͤß erscheinen, weil sie vermoͤge ihres Krystallisationszustandes im Wasser oder in dem Schleime des Geschmakorgans sich weniger schnell aufloͤst, als eine andere Zukersorte mit geringerem Zukergehalte. Denn die Staͤrke irgend einer sinnlichen Erscheinung haͤngt nicht bloß von der absoluten Menge des einwirkenden Stoffes ab, sondern auch von der Schnelligkeit, womit dieser Stoff auf das sinnliche Organ wirkt. Daß nun aber dieser Umstand wirklich bei der Einwirkung der verschiedenen Zukersorten auf das Geschmaksorgan von Einfluß ist, wird durch die folgenden Versuche in hohem Grade wahrscheinlich. D. Aufloͤsungsverhaͤltnisse verschiedener Zukersorten. Nach aͤlteren chemischen Schriften, wie z.B. nach Klaproth's chemischem Woͤrterbuche, soll sich der Zuker bei einer bestimmten Temperatur in einer bestimmten Wassermenge (bei 10° R. in 1,33 Wasser) aufloͤsen. Allein diese Angabe ist unrichtig, indem sich der Zuker (wie auch Berzelius in seinem Lehrbuche bemerkt hat) nach jedem Verhaͤltnisse im Wasser bei irgend einer Temperatur aufloͤst, so daß er bei einer Mischung mit sehr wenig Wasser (1/4, 1/3 etc.) zwar nur die Consistenz eines Syrups erhaͤlt, die Graͤnze aber, wo diese wirklich aufhoͤrt und die Mischung leichtfluͤssig erscheint, nicht angegeben werden kann; auch gibt die Durchsichtigkeit einer solchen Mischung mit Wasser bis zur Leichtfluͤssigkeit keinen Maaßstab an die Hand, da eine sehr feine Zukersorte bei wenig Wasser (bei 1/2, 3/4 etc.) schon eine durchsichtige Fluͤssigkeit darstellt, waͤhrend eine groͤbere Sorte bei noch so viel Wasserzusaz unklar und truͤb bleibt. Die verschiedenen Zukersorten lassen sich daher in Bezug auf die Wassermenge, die sie zu ihrer Aufloͤsung zu fordern scheinen, nicht vergleichen, und, wenn man auch glaubt, hierin einen Unterschied zu finden, so ist dieses eine TaͤuschungDiese Taͤuschung theilte ich selbst anfangs bei Versuchen mit mehreren Zukersorten, ehe ich dieselbe Zukersorte auf verschiedene Weise mit Wasser mischte., welche von der Verschiedenheit der mechanischen Zertheilung und Bewegung waͤhrend des Mischens mit dem Wasser, so wie der Temperatur und der Zeit, die man darauf verwendet, herruͤhrt. a) Verschiedene Schnelligkeit der Aufloͤsung. Anders verhaͤlt sich aber die Sache in Bezug auf die Schnelligkeit, womit sich die verschiedenen Zukersorten im Wasser aufloͤsen, oder vielmehr aus ihrem festen Zustande in den mehr oder weniger liquiden Zustand unter der Erscheinung des Zerfallens uͤbergehen, wie aus folgenden Versuchen hervorgeht, wobei gleichschwere Zukerstuͤke (als Parallelipipeda) in Wasser auf Uhrglaͤsern gebracht wurden. Erster Versuch. 12 Gr. von No. VI zerfielen in 16 Gr. Wasser nach 2 Minuten, waͤhrend die von No. X erst nach 8 Minuten zerfallen waren; auch wurden die zerfallenen Stuͤkchen von No. VI nach einer halben Stunde unsichtbar, waͤhrend die von No. X uͤber eine Stunde zum Verschwinden gebraucht hatten. Zweiter Versuch. Die beiden vorigen Zukersorten zeigten beim Einlegen in gleiche Quantitaͤten von Mundschleim (25 Gr.) die aͤhnlichen Verhaͤltnisse in der Schnelligkeit des Zerfallens. Dritter Versuch. 50 Gr. Zukerstuͤke (von 4 Sorten) in 25 Gr. Wasser gelegt, zerfielen innerhalb 5 Minuten bis 1 1/2 Stunde in folgender Ordnung: No. VIII (nach 5 Minuten). II. X. IX. Vierter Versuch. 22 Gr. Zukerstuͤke (von 5 Sorten) in 22 Gr. Wasser gelegt, zerfielen innerhalb 2 bis 15 Minuten in folgender Ordnung: No. VI. VIII. X. IX. V. Ihre gaͤnzliche Aufloͤsung befolgte aber innerhalb 2 Stunden folgende Ordnung: No. X. IX. V. VI. VIII. b) Aeußeres Ansehen der Aufloͤsungen. Die dem aͤußeren Ansehen nach groͤberen Sorten zerfielen also bei diesen 4 Versuchen immer schneller als die besseren, und wenn sie auf dem Geschmaksorgan suͤßer erscheinen, so kann dieses wohl von ihrer groͤßeren Schnelligkeit des Zerfallens herruͤhren; daß aber ihre gaͤnzliche Aufloͤsung nach dem lezten Versuche laͤnger gedauert hat, ruͤhrt ohne Zweifel von einer Beimischung schwerloͤslicher Theile her, da eben diese Sorten auch in bedeutend viel Wasser geloͤst immer mehr oder weniger truͤb erscheinen. Wenigstens zeigte sich diese Verschiedenheit ganz deutlich bei den fruͤheren (wegen Bestimmung des spec. Gewichts angestellten) Aufloͤsungen, indem No. I. IX. X. ganz wasserhell (und ebenso auch VDiese V. Sorte, die ich spaͤterhin aus derselben Handlung nur noch als Pulver erhalten konnte, gab merkwuͤrdiger Weise keine wasserhelle Aufloͤsung mehr, sondern eine milchweiße, die nur durch Mischung mit Alkohol, haͤufiges Schuͤtteln und Filtriren wieder in eine wasserhelle verwandelt werden konnte.) No. II. weniger hell und durchsichtig, No. III. und IV. (auch VIII. und VI.) truͤb erschienen. Um nun zu erfahren, ob diese fremdartigen Theile, welche diesen und jenen Zukersorten nicht bloß in ihrem aufgeloͤsten Zustande ein truͤbes Aussehen, sondern auch schon im festen Zustand eine mehr oder weniger graue Farbe ertheilen, nicht etwa gewisse gaͤhrungserregende Stoffe seyn koͤnnten, stellte ich nachfolgende Versuche an. Zu dieser Vermuthung hatte ich wenigstens schon durch eine fruͤher gemachte Erfahrung von einer mit reinem Wasser gemachten Zukeraufloͤsung, die im Verlauf von mehreren Wochen ganz sauer geworden war, hinreichend Veranlassung. E. Natuͤrliche Gaͤhrungsverhaͤltnisse einiger Zukersorten. Aufloͤsungen von 7 Zukersorten (100 G. in 1 Kubikzoll Wasser) wurden in ihren leichtbedekten Gefaͤßen der Stuben- oder Sonnenwaͤrme ausgesezt, ein Paar auch davon zugleich in fest verschlossenen Flaͤschchen. Die Aufloͤsungen in den lezten Gefaͤßen erlitten nun im Laufe von mehreren Wochen keine Veraͤnderung, außer, daß sie auf ihrem Boden einige Schleimtheile wahrnehmen ließen; die Aufloͤsungen der unvollkommen verschlossenen Gefaͤße hingegen zeigten fruͤher oder spaͤter, oder auch gar nicht, außer den Schleimfaͤden, theils rothe Reaction auf Lakmuspapier, theils einen staͤrkeren oder schwaͤcheren sauren Geschmak, welcher neben dem noch suͤßen, oder auch allein eintrat, also Veraͤnderungen, welche von einer sauren Gaͤhrung und folglich von einem gaͤhrungserregenden Stoff unter ihren Bestandtheilen herruͤhren mußten, da das zu den Aufloͤsungen genommene Wasser bei allen ganz reines (Schnee-) Wasser von vollkommener Durchsichtigkeit war und von Außen her zwar die Luft vermittelst ihres Sauerstoffs, aber nicht wohl durch irgend einen fremden gaͤhrungserregenden Stoff auf sie wirken konnte. Diese Veraͤnderungen waren auf folgende Weise verschieden: No. I. zeigte nach 8 Wochen keine Reaction auf Lakmuspapier. No. II. reagirte nach 2 Wochen deutlich darauf, schmekte nach 4 Wochen zwar noch suͤß, jedoch schon auch saͤuerlich, und nach 6 Wochen erschien die Aufloͤsung ganz sauer. No. III. zeigte weder nach 2, noch nach 4 Wochen Reaction. No. IV. reagirte noch nicht nach 2 Wochen, aber nach 4 Wochen trat Reaction und etwas Saͤure ein – und nach 6 Wochen zwar staͤrkerer saurer Geschmak, aber doch noch zugleich suͤßer. No. VI. Nach 4 Wochen noch keine Reaction, nach 8 Wochen aber einige schwache Reaction auf Lakmus. No. IX. Nach 2 Wochen rothe Reaction, nach 4 Wochen saurer Geschmak. No. X. ließ nach 4 Wochen weder sauren Geschmak, noch rothe Reaction wahrnehmen. Unter diesen 7 Zukersorten enthielten also die No. I., III., VI. und X. keinen gaͤhrungserregenden Stoff, oder wenigstens keinen merklichen, waͤhrend die No. II., IX. und IV. einen solchen beurkundeten. Nun waren allerdings die No. II. und IV. schon urspruͤnglich truͤbe Aufloͤsungen, aber No. III. und VI. waren auch truͤbe und erzeugten doch keine Saͤure, waͤhrend die klare Aufloͤsung von No. IX. sauer wurde. Die Ursache solcher unklaren Aufloͤsungen kam also wohl auch von Stoffen her, welche, wie z.B. der Pflanzenschleim, der Extractivstoff, keine saure Gaͤhrung veranlassen, und wenn daher diejenigen Zukersorten, deren Aufloͤsungen truͤb erscheinen, wie z.B. No. III. und VI. suͤßer zu schmeken scheinen, als andere mit hellerer Aufloͤsung, so koͤnnten eben diese Schleimtheile vermoͤge ihrer Adhaͤsion an dem Geschmaksorgan die Wirkung der eigentlichen Zukertheile verstaͤrken, wie diese, vermoͤge der Versuche uͤber die Aufloͤsungsverhaͤltnisse, durch die Schnelligkeit der Aufloͤsungen befoͤrdert zu werden scheint. Ob aber die groͤßere oder geringere Suͤßigkeit wirklich auch durch solche Nebenumstaͤnde und nicht durch den bloßen Gehalt an reinem Zukerstoff hervorgebracht werde, daruͤber koͤnnen nur solche Versuche entscheiden, welche von dem wahren Gehalt der verschiedenen Zukersorten an reinem Zukerstoff die noͤthige Auskunft geben. Um diesen aber zu bestimmen, ist ohne Zweifel die Untersuchung des Gaͤhrungsverhaͤltnisses eines Zukers bei Hefenzusaz jeder anderen Methode und namentlich der Ausscheidung des reinen Zukerstoffs vermittelst Weingeist von gewisser Staͤrke vorzuziehen. Ich habe mich daher zu dieser Bestimmung an jenes Princip gehalten, vermoͤge dessen eine Zukersorte um so mehr Kohlensaͤure liefern muß, je mehr sie reinen Zukerstoff enthaͤlt, und darnach folgende Versuche vorgenommen. F. Verhalten der 10 Zukersorten bei kuͤnstlicher Gaͤhrung. Die 10 Zukersorten wurden vermittelst meines SaccharometersS. Buchner's Repertor. d. Pharm. Bd. IX. 1837. auf folgende Weise in Bezug auf die Kohlensaͤuremenge, welche sie bei Behandlung mit Hefe liefern, untersucht. In je ein Flaͤschchen von den beiden auf das Gestell des Saccharometers zu bringenden Flaͤschchen wurden auf einer sehr genauen Waage (die wenigstens 1/20 Gr. anzeigt) 1) 50 Gr. gestoßener Zuker, 2) 20 Gr. reines Wasser und 3) 30 Gr. feuchte Hefe eingetragen und dann auf dem Apparat bei fortgehender gleichfoͤrmiger Erwaͤrmung ihrer Gaͤhrung uͤberlassen. Da sich aber in dem gegen 6 Kubikzoll haltenden Flaͤschchen die Hefe waͤhrend der Gaͤhrung an den Wandungen nach und nach so emporhob, daß sie auf die Zukerloͤsung nicht mehr wirken konnte, so wurde sie von Zeit zu Zeit durch Schuͤtteln der Flaͤschchen (ohne Aufhebung ihrer Verbindung mit dem oberen Kuͤhltrichter) wieder herabgetrieben und auf diese Art die unterbrochene Gaͤhrung wieder fortgesezt. Hatte nach Verfluß von ein Paar Tagen die Gaͤhrung aufgehoͤrt; so wurden die Flaͤschchen von dem Apparat abgenommen und gewogen. Um aber versichert zu seyn, daß aller Zuker in GaͤhrungDa diese Gaͤhrungsversuche zu verschiedenen Zeiten nach einander ausgefuͤhrt wurden und es von erster Wichtigkeit war, hiezu immer nur eine Hefe von erforderlicher Guͤte anzuwenden, so ging ihrem Gebrauch jedes Mal eine Pruͤfung mit dem Zymoskop (S. Buchn. Repert. Bd. IX. S. 204) voran. Bei den ersten Gaͤhrungsversuchen glaubte ich nun, daß der entstandene Alkohol die gaͤnzliche Gaͤhrung hemmen wuͤrde und dampfte daher immer die gegohrene Fluͤssigkeit nach ihrem Filtriren ab, um sie durch neuen Zusaz von Wasser und Hefe wieder in Gaͤhrung zu bringen (was auch dann meistens der Fall war). Als ich aber dieselbe Zukersorte nach ihrer ersten Gaͤhrung durch bloßes Schuͤtteln und Zusaz von etwas frischer Hefe eben so zur Nachgaͤhrung bringen konnte und dabei gleiche Gewichtsverluste erhielt, so unterließ ich bei den folgenden Versuchen das Filtriren und Abdampfen. Daß uͤbrigens bei beiden Verfahrungsarten die angewandte Hefenmenge hinreichend war, bewies mir das Wiedereintreten der Gaͤhrung, wann zu einer ganz ausgegohrenen Fluͤssigkeit 1 bis 2 Gr. Zuker gesezt wurde. uͤbergegangen war, so wurde zu jeder gegohrenen Fluͤssigkeit (bei Wiederholung der Versuche theils nach bloßem Schuͤtteln, theils nach Abdampfung des entstandenen Alkohols) noch etwas Hefe (10 Gr.) gebracht, gewogen, wieder auf den Gaͤhrungsapparat gesezt und der alsdann etwa eingetretene neue Gewichtsverlust durch abermalige Waͤgung bestimmt. Die Summe des ersten Hauptverlustes und des lezten kleineren (oft nur 1 bis 2 Gr. betragenden) aus den 2, 50 Gr. Zukersorten lieferte als Maaßstab ihres reinen Zukergehalts die Zahlen von folgender Tabelle: 100 Gr. von No. I. verloren bei der Gaͤhrung 51,8 Gr. Kohlensaͤure     –       – II.     –             –         – 49,0 –           –     –       – III.     –             –         – 50,0 –           –     –       – IV.     –             –         – 49,1 –           –     –       – V.     –             –         – 51,6 –           –     –       – VI.     –             –         – 49,0 –           –     –       – VII.     –             –         – 40,7 –           –     –       – VIII.     –             –         – 48,5 –           –     –       – IX.     –             –         – 49,0 –           –     –       – X.     –             –         – 51,5 –           – Wenn daher die Kohlensaͤuremenge, welche jede Zukersorte bei diesen Waͤhrungen lieferte, mit ihrem Gehalt an reinem Zukerstoff (wie nicht zu bezweifeln ist) in geradem Verhaͤltniß stand, so sind diese 10 Sorten in Bezug auf ihren Zukergehalt in folgender Progression zu sezen: No. VII. VIII. II. VI. IX. IV. III. X. V. I. Nimmt man nun (nach Liebigs Untersuchung) an, daß 100 Gr. krystallisirter RohrzukerWas fuͤr eine krystallisirte Zukersorte Berzelius und Liebig bei ihren Analysen angewandt haben, und ob die Zukersorte des ersten Analytikers dieselbe wie die des zweiten war, wissen wir zwar nicht; was aber auch der Fall gewesen seyn mag, so dienen ihre Angaben jedenfalls zur Grundlage einer Berechnung von dem comparativen Zukergehalt verschiedener Sorten. und daher 94,7 Gr. (nach Berz. L. d. Ch. III., S. 336) wasserfreier Zuker 51,298 Gr. (oder 51,3 Gr.) Kohlensaͤure bei der Gaͤhrung liefern, daß also aus 51,3 Gr. Kohlensaͤure auf 94,7 Gr. wasserfreien, d.h. reinen Zukerstoff geschlossen werden darf; so enthielten die 10 Zukersorten folgende Quantitaͤten reinen Zukerstoffs nach Procent. No. VII. enthielt nur 75,13 Proc.Vermoͤge der Proportion, 51,3 : 94,7 = 40,7 : 75,13. No. VIII.     – 89,53   – No. II. VI. u. IX. 90,45   – No. IV.     – 90,63   – No. III.     – 92,30   – No. X.     – 95,06   – No. V.     – 95,26   – No. I.     – 95,62   – und, wenn von der No. VII.Dieser Staͤrkezuker, der nur ein Mal filtrirt und getroknet worden war, reagirte noch stark auf kleesaures Kali und enthielt also noch Gyps von seiner Zubereitung; daher auch sein geringer Zukerstoffgehalt. (dem Staͤrkezuker) abstrahirt wird, so belief sich die Differenz der 9 uͤbrigen Sorten nach ihrem Procent-Zukergehalt auf 95,62 – 89,53 = 6,09, d.h. die gehaltreichste Zukersorte hat 6 Proc. mehr Zukerstoff als die schlechteste. Vergleicht man nun die Resultate dieser Untersuchung von dem Zukerstoffgehalt mit den Resultaten der anderweitigen Untersuchungen von denselben Zukersorten, so laͤuft die Reihe des Zukerstoffgehalts mit keiner anderen Reihe weder im geraden, noch im verkehrten Verhaͤltniß parallel, denn a) nach dem aͤußeren Aussehen heißt die Reihe (von der schoͤnsten Sorte an gerechnet) No. V. I. IX. X. III. IV. VIII. II. VI. und VII. b) nach dem Zukerstoffgehalt aber (von der gehaltreichsten Sorte an) No. I. V. X. III. IV. IX. VI. II. VIII. und VII. Jedoch ist nicht zu verkennen, daß die dem aͤußeren Ansehen nach besseren Sorten in der Reihe des Zukerstoffgehalts wenigstens im Allgemeinen die hoͤheren Stellen einnehmen und, wenn dabei die No. V. und I., IX. und X., so wie VI. und VIII. in den beiden Reihen verschiedene Stellen einnehmen, so erklaͤrt sich dieses vielleicht daraus, daß No. V. weniger hart und weniger durchscheinend als No. I. ist, daß No. X. im festen Zustand bedeutend schwerer ist als No. IX. und daß No. VI. feinkoͤrniger als No. VIII. ist. Jedenfalls aber sieht man aus dieser Zusammenstellung beider Reihen, daß bei einer Schaͤzung des Zukergehalts einer Sorte nach dem aͤußeren Aussehen die Schoͤnheit der weißen Farbe nicht allein in Anschlag zu nehmen ist, sondern auch die Haͤrte, die Durchscheinbarkeit und die Feinheit des Korns dabei auf die Waage zu legen sind. Resultate der Versuche mit den verschiedenen Zukersorten. 1) Ungeachtet bei der Zukerbereitung Kalk angewandt wird, so enthaͤlt der raffinirte Zuker (sey er Rohr- oder Ruͤbenzuker) doch keinen Kalk (nach B) und es ist ein bloßes falsches Vorurtheil, wenn man glaubt, daß ein Zuker um so mehr Kalk enthalte, je weißer er sey. 2) Die verschiedenen im Handel vorkommenden raffinirten Zukersorten enthalten aber außer dem reinen Zukerstoff nicht bloß mehr oder weniger Krystallisationswasser und anhaͤngende Feuchtigkeit, sondern auch mehr oder weniger andere, theils gaͤhrungserregende, theils schleimige und extractivstoffartige Theile (nach C, D, E). 3) Wie viel reinen Zukerstoff eine gewisse Sorte in Vergleichung mit einer anderen enthaͤlt, kann zwar nach dem bloßen aͤußeren Ansehen nicht bestimmt beurtheilt werden; jedoch ist im Allgemeinen anzunehmen, daß eine Sorte um so mehr Zukerstoff enthaͤlt, je weißer, je schoͤner krystallisirt und je haͤrter sie ist (nach F) und, wenn man eine weißere Sorte wegen ihrer scheinbaren geringeren Suͤßigkeit fuͤr eine geringhaltigere ansieht, so ist dieser Schluß ein ganz falscher. 4) Eine weißere und haͤrtere Zukersorte loͤst sich im Wasser (so wie im Schleim des Geschmakorgans) theils wegen ihrer geringeren Porositaͤt, theils wegen ihres groͤßeren Gehalts an Krystallisationswasser weniger schnell auf, als eine grauere und weichere Sorte (nach C und D a). Eben deßwegen und vielleicht auch (nach E) wegen ihres geringeren Gehalts an klebrigen Theilen erscheint sie dann auch weniger suͤß als die grauere Sorte. 5) Ob eine Zukersorte wirklich mehr Zukerstoff als eine andere enthalte, laͤßt sich weniger aus ihrem specifischen Gewicht (im festen oder aufgeloͤsten Zustand) als aus der Helligkeit der Aufloͤsung in reinem Wasser abnehmen, da die geringeren Sorten mehr oder weniger truͤbe Aufloͤsungen liefern (nach C und D b). 6) das sicherste Mittel, den Zukerstoffgehalt einer Sorte zu bestimmen, besteht aber in der Gaͤhrung derselben mit Hefe und in der genauen Waͤgung der dabei entwikelten Kohlensaͤure (nach F). 7) Da (nach E) manche Sorten gaͤhrungserregende Stoffe enthalten, welche ihre Aufloͤsungen in Wasser mit der Zeit sauer machen, so ist diese Beimischung sowohl bei chemischen als oͤkonomischen Anwendungen von Zukerloͤsungen wohl zu beachten.