Titel: Einiges über die Barker'sche Mühle und rotirende Maschine. Von William Gilman.
Fundstelle: Band 68, Jahrgang 1838, Nr. XXXVIII., S. 170
Download: XML
XXXVIII. Einiges uͤber die Barker'sche Muͤhle und rotirende Maschine. Von William Gilman. Aus dem London Journal of arts. Maͤrz 1838, S. 377. Mit einer Abbildung auf Tab. III. Gilman, uͤber Barker's Muͤhle. Die Theorie der Anwendung von Fluͤssigkeiten zum Maschinenbetriebe nach dem Principe der Barker'schen Muͤhle ist ihrer scheinbaren Einfachheit ungeachtet noch nicht genuͤgend erlaͤutert. Die gewoͤhnliche Ansicht ist, daß die rotirende Bewegung durch den Widerstand, den die atmosphaͤrische Luft der austretenden Fluͤssigkeit entgegensezt, hervorgebracht wird; daß die Luft, indem sie gleichsam eine Art von Stuͤzpunkt bildet, der fortschreitenden Bewegung der Fluͤssigkeit ein Hinderniß entgegensezt, wodurch diese im Stande ist, den im Kreise beweglichen Koͤrper zu treiben. Diese Ansicht scheint mir nun aber irrig und mit den Thatsachen nicht im Einklange zu stehen; ich werde vielmehr zu zeigen suchen, daß der Widerstand der Luft nichts zur Bewegung beitragt, wenigstens durchaus nicht auf die eben angedeutete Weise. Ich will vorlaͤufig als Grundsaz, den man mir wohl nicht bestreiten wird, aufstellen, daß der Verbrauch elastischer, frei in die atmosphaͤrische Luft entweichender Fluͤssigkeiten, eben so wie jener unelastischer Fluͤssigkeiten sich nach dem bekannten Geseze richtet: daß die Geschwindigkeiten sich verhalten wie die Quadratwurzeln des Drukes, und daß, wenn diese Geschwindigkeiten die groͤßten durch die Spannkraft erzeugbaren sind, die Theilchen sich nicht in der Projectionslinie ausbreiten koͤnnen. Hieraus folgt nun, daß die Fluͤssigkeit bis zu dem Augenblike, wo sie in die atmosphaͤrische Luft austritt, und wo ihr eine seitliche Ausdehnung gestattet wird, ihre Dichtheit und Spannkraft unvermindert beibehaͤlt, sie mag durch eine Roͤhre stroͤmen oder bei einer einfachen Oeffnung austreten. Ist dieß aber der Fall, so ist die Reaction der elastischen Fluͤssigkeiten eben so vollkommen wie jene der nicht elastischen und vortheilhafter, wie sogleich gezeigt werden soll. In der beigefuͤgten Zeichnung Fig. 27 sey A ein Arm, der sich um einen Punkt dreht, und der an die unter rechten Winkeln an ihm befestigte Roͤhre B Dampf leitet. Ich will nun (die atmosphaͤrische Luft und deren angebliche Wirkung fuͤr jezt ganz außer Betracht gelassen), annehmen, die Roͤhre B sey an beiden Enden geschlossen, so erhellt offenbar, daß der Dampf zuruͤkgehalten wird, und gleichmaͤßig auf die ganze innere Oberflaͤche der Roͤhre wirkt; und daß, indem jeder Theil dieser Oberflaͤche seinen Opponenten hat, und indem also der Druk des Dampfes im Gleichgewichte bleibt, moͤglicher Weise keine Bewegung entstehen kann. Wird hingegen das Ende 1 beseitigt, so besteht die dem Ende 2 entgegen wirkende Ober, staͤche nicht laͤnger, das Gleichgewicht ist also gestoͤrt, und an der Muͤndung erfolgt mit einer dem Druke entsprechenden Geschwindigkeit ein Ausfluß. Da aber der Druk, wie oben gezeigt wurde, bis zum Momente des Austrittes beibehalten bleibt, so bleibt das Ende 2 demselben Druk ausgesezt wie vor der Beseitigung des Endes 1, und da es in Folge dieser Beseitigung keine entgegenwirkende Oberflaͤche hat, die diesem Druke das Gleichgewicht halten koͤnnte, so folgt, daß der Arm A mit einer gleichbleibenden Kraft, z.B. von 40 Pfunden, wenn der Dampf diesen Druk per Zoll ausuͤbt und die Muͤndung einen Zoll Flaͤchenraum hat, in Bewegung gesezt wird. Dieß geschieht unabhaͤngig von allem Einflusse der atmosphaͤrischen Luft, und dieß wuͤrde auch der wirkliche Nuzeffect seyn, wenn sich der Arm in einem Vacuum bewegte. Es kommt nunmehr in Betracht zu ziehen, welchen Einfluß die Luft uͤben wuͤrde, wenn sich der Arm in diesem Medium bewegte. Nehmen wir zuerst an, die Kammer, in der der Arm umlaufe, sey mit Dampf von derselben Dichtheit, wie er aus dem Kessel in den Arm gelangt, erfuͤllt, so ist klar, daß kein Dampf aus der Muͤndung des Armes ausstroͤmen koͤnnte; daß der Arm nicht in Bewegung gerathen, und Alles im Gleichgewichte verbleiben wuͤrde. Wuͤrde man nun den Dampf austreten lassen, und ihn durch atmosphaͤrische Luft von gleicher Dichtheit ersezen, so wuͤrde das Resultat dasselbe seyn, und doch betrachtet man die Luft als den Stuͤzpunkt, der die Bewegung des Armes durch den Dampf moͤglich macht! Warum erfolgt aber keine Bewegung? Lediglich deßhalb, weil die Luft mit derselben Kraft gegen das Ende 2 druͤkt, mit der sie an der Muͤndung dem Dampfe widersteht. Es ist also klar, daß der Dampf allein die Bewegung erzeugt. Vermindert man aber den Druk der tust bis auf jenen der Atmosphaͤre, so ist der Erfolg hievon, was den Einfluß der Luft anbelangt, derselbe; d.h. sie wird einerseits eben so sehr dem Austritte des Dampfes als andererseits der Bewegung des Armes Widerstand leisten: vorausgesezt, daß die Geschwindigkeit und der Flaͤchenraum beider gleich groß ist. Da nun die Luft nicht beguͤnstigend mitwirkt, so wird sich die Maschine im Vacuum mit groͤßerer Geschwindigkeit bewegen, als in der Luft, vorausgesezt, daß der Druk des Dampfes in beiden Faͤllen gleich ist; denn die Geschwindigkeit wird jeder Zeit von dem Unterschiede zwischen dem Druk des Dampfes und jenem des Mediums, worin sich der Arm bewegt, abhaͤngen. So wird Dampf von 25 Pfd. Druk, wenn er in ein Vacuum austritt, eine eben so große Geschwindigkeit erzeugen, wie Dampf von 40 Pfd., der in die atmosphaͤrische Luft austritt. An Raketen und uͤberhaupt an allen Koͤrpern, die auf gleiche Weise in Bewegung gesezt werden, wird dasselbe gelten. Da, wie oben gezeigt wurde, die auf das Ende 2 ausgeuͤbte Triebkraft unter allen moͤglichen Umstaͤnden der aͤußersten Kraft des Dampfes gleichkommt, so wird jede aus einer Verschiedenheit der Geschwindigkeit entstehende Differenz zwischen dem Widerstande gegen das Austreten der Fluͤssigkeit und gegen das Ende des Armes, die gegen 2 ausgeuͤbte Kraft auch um keinen Gran erhoͤhen. Eben so wenig wird, wenn freier Austritt gestattet wird, irgend eine als Stuͤzpunkt entzwischen gebrachte Oberflaͤche die Kraft auch nur im Geringsten vermehren; denn in dem Augenblike, wo der Dampf bei der Muͤndung austritt, ist auch alle seine nuzbringende Wirkung auf den Arm voruͤber. Nicht ein Mal ein Kolben, wenn er sich ja anbringen ließe, wuͤrde die Kraft erhoͤhen, da seine Wirkung nur in einer Controlirung der Geschwindigkeit des Dampfes und in einer Verhuͤtung jenes Verlustes bestuͤnde, der erfolgen muͤßte, wenn die Geschwindigkeit des Dampfes groͤßer waͤre als jene des Armes. Aus Obigem laͤßt sich nun folgern: 1) daß die Luft oder irgend ein anderes Medium nur die Geschwindigkeit beeintraͤchtigt, keineswegs aber dadurch, daß sie zum Stuͤzpunkte wird, eine Beihuͤlfe leistet; und 2) daß die Glaͤnze der Geschwindigkeit, wenn ich so sagen darf, der wahre Stuͤzpunkt ist, der die Dichtheit des Dampfes bis zum Momente seines Austrittes erhaͤlt, und der also die aͤußerste Kraft, die der Dampf zum Behufs der Bewegung eines im Kreise beweglichen Koͤrpers auszuuͤben vermag, gibt. Dieß scheint mir die wahre Theorie der sogenannten Reaction zu seyn. Die Ersparniß, die aus dieser Anwendungsweise des Dampfes erwachsen soll, ist uͤbrigens bis jezt noch problematisch. Die unter dem Namen der Barker'schen Muͤhle bekannte, hoͤchst einfache und wohlfeile Maschine hat einen Fehler, dem die nach dem, selben Principe gebauten Dampfmaschinen nicht unterliegen, weil der Dampf ein im Vergleiche mit dem Wasser unwaͤgbarer Koͤrper ist. Da der Dampf vor seinem Austritte bei der Muͤndung waͤhrend seines Durchganges durch den Arm die Geschwindigkeit der Muͤndung annehmen muß, so kostet dieß, angenommen daß sich der Arm mit 2/5 der Geschwindigkeit der austretenden Fluͤssigkeit bewegt, 4/9 der angewendeten Kraft; denn nach einem bekannten Geseze sind 4/9 der Kraft erforderlich, um einem gleichen Volumen 2/3 irgend einer gegebenen Geschwindigkeit mitzutheilen. Es bleiben mithin nur 5/9 der Kraft uͤbrig, um zum Treiben der Maschine verwendet zu werden. Ich nehme hiebei von der Centrifugalkraft ganz Umgang, da diese die Frage nicht zu andern scheint; denn obschon diese Kraft die Kraft des Wassers an der Muͤndung erhoͤht, so erhoͤht sie doch zugleich auch den Verbrauch, und mithin auch die Quantitaͤt, welche innerhalb einer gegebenen Zeit durch den Arm stroͤmt, und welcher also auf Kosten der Kraft die Geschwindigkeit der Muͤndung gegeben werden muß. Ganz derselbe Fehler zeigte sich auch bei allen Versuchen, die man anstellte, um Fahrzeuge durch Austreiben von Wasser aus dem Hintertheile der Schiffe fortzutreiben: ein Gegenstand, womit ich mich laͤngere Zeit ernstlich befaßte. In diesem Falle kommt noch eine Schwierigkeit mehr hinzu; denn waͤhrend sich die Ruderraͤder, indem sie sich vorwaͤrts bewegen, das Material, auf welches sie zu wirken haben, ohne Kostenaufwand schaffen, wird das Einziehen des Wassers zum Behufe der Speisung der im Inneren des Fahrzeuges befindlichen Maschinerie eben so viel kosten, als die Austreibung eines gleichen Volumens: vorausgesezt, daß die Eintritts- und Austrittsmuͤndungen gleichen Flaͤchenraum haben. Da hienach also, 1) zur Speisung der Maschine eine zwei Mal so große Kraft erforderlich ist; und da 2) das Zuruͤkhalten des Wassers in dem Fahrzeuge waͤhrend der Operation 4/9 der reagirenden Kraft aufzehrt, so bleibt nur 1/4 Kraft uͤbrig, welche wirklich zum Treiben des Fahrzeuges dienen kann, vorausgesezt, daß die Mittel hiezu geeignet sind. Daß unter diesen Umstaͤnden die Aussichten fuͤr alle derlei Apparate und Maschinen nicht guͤnstig sind, ergibt sich von selbst.

Tafeln

Tafel Tab. III
Tab. III