Titel: Einiges über die Explosionen der Dampfkessel. Auszug aus einer Abhandlung des Hrn. Voizot.
Fundstelle: Band 70, Jahrgang 1838, Nr. I., S. 1
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I. Einiges uͤber die Explosionen der Dampfkessel. Auszug aus einer Abhandlung des Hrn. Voizot. Aus dem Echo du monde savant 1838, No. 32. Ueber die Explosionen der Dampfkessel. Die Folgerungen, mit denen Hr. Baron Séguier den Vortrag schloß, den er am 13. Junius l. J. vor der Akademie zu Paris uͤber die Explosionen der Dampfkessel hielt,Siehe Polyt. Journal Bd. LXX. S. 246. stimmen beinahe in allen Punkten mit dem uͤberein, was Hr. Voizot in einer Abhandlung, die er vor einiger Zeit derselben Akademie vorlegte, aufgestellt hatte. Gleich jenem sagt naͤmlich Hr. Voizot, daß die die Explosionen der Dampfkessel betreffende Frage von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden muͤsse, indem es sich darum handle: 1stens die Ursachen der Explosionen unmoͤglich oder so selten als moͤglich zu machen; und 2tens im Falle des ungluͤklichen Eintrittes einer Explosion, deren Wirkungen moͤglichst zu beschraͤnken. Der Hr. Verf. hat fuͤr jeden dieser beiden Theile verschiedene Loͤsungen in Vorschlag gebracht, weßhalb wir denn bei der Wichtigkeit des Gegenstandes den Inhalt seiner Abhandlung in Kuͤrze zu durchgehen versuchen wollen. Der erste Theil derselben ist den Versuchen gewidmet, die er anstellte, um zur Loͤsung der Frage zu gelangen: welcher Ursache die Groͤße und das Ploͤzliche der Wirkungen einer Explosion zuzuschreiben sey? Der Verf. folgerte aus seinen in diesen Beziehungen unternommenen Versuchen den Saz: „Wenn eine Wassermasse, deren Temperatur uͤber 100° C. betraͤgt, ploͤzlich mit der atmosphaͤrischen Luft in Beruͤhrung gesezt wird, so erzeugt aller der Waͤrmestoff, welcher die uͤber 100° betragende Temperatur bedingt, augenbliklich Dampf.“ Dieser Saz in die Algebra uͤbersezt, gibt ihm folgende Proportion: „Die constante Zahl 550 verhaͤlt sich zu der uͤber 100° betragenden Temperatur des Wassers, wie sich das Gesammtgewicht des Wassers zu dem Gewichte des augenbliklich verdampften Wassers verhaͤlt.“ Ein Kessel, welcher 4000 Kil. Wasser mit einer Temperatur von 145° enthaͤlt, wuͤrde hienach bei einer Explosion 327 Kil. Dampf entbinden. Die ploͤzliche Erzeugung einer solchen Dampfmasse erklaͤrt die fuͤrchterlichen Wirkungen, die man bei den Explosionen beobachtete, zur Genuͤge. Zum Unterschiede des in der Fluͤssigkeit gebunden oder verborgen enthaltenen Dampfes von dem in der Dampfkammer befindlichen Dampfe nennt Hr. Voizot ersteren den latenten Dampf. Bei den Explosionen selbst nimmt der Verfasser folgende drei Hauptphasen an: 1stens Erzeugung einer großen Austrittsoͤffnung fuͤr den Dampf, sey es durch Bersten der Waͤnde des Apparates oder durch irgend eine andere Veranlassung; 2tens ploͤzliches Entweichen von Dampf und dadurch merkliche Verminderung des Drukes auf die Wasserflaͤche im Kessel. 3tens augenblikliche Entwiklung des latenten Dampfes, oder was dasselbe ist: die Explosion des Kessels. Im zweiten Theile seiner Abhandlung beschaͤftigt sich der Verf. mit der Loͤsung der gleich im Eingange aufgestellten zwei Fragen oder Aufgaben. I. Erste Aufgabe, welche darin liegt, die Ursachen der Explosionen unmoͤglich oder wenigstens so selten als moͤglich zu machen. Der Verf. erkennt hauptsaͤchlich drei Veranlassungen zu Explosionen: naͤmlich 1stens Mangel an Verbrauch oder Unmoͤglichkeit des gehoͤrigen Entweichens des erzeugten Dampfes. 2tens Schwaͤchung der Kesselwaͤnde. 3tens ploͤzliches Entweichen des Dampfes. 1. Mangelhafter Verbrauch des erzeugten Dampfes. Die Ueberlastung des Sicherheitsventiles und das Abkuͤhlen der schmelzbaren Scheiben als abweichlich erzeugte Fehler bei Seite lassend, gibt der Verf. an, wie er das durch die Oxydation bedingte Anbaken der Ventile verhuͤten will. An den Kesseln von mittlerem Druke soll naͤmlich seinem Rathe gemaͤß, wenn der Dampf die dem Emporsteigen des Ventiles entsprechende Spannung hat, eine Roͤhre, die an dem oberen Ende der Speisungsroͤhre entspringt, das aus dem Kessel zuruͤkgedraͤngte Wasser auf einen Hebelarm des Ventiles leiten. Der Druk dieses Wassers, welcher ein willkuͤrlicher ist, in Verbindung mit dem inneren Druke des Dampfes reicht hin zur Ueberwaͤltigung der Adhaͤrenz des Ventiles und zum Emporheben desselben. An den Hochdrukkesseln soll das Ventil durch einen Schwimmer gehoben werden, der mittelst des Queksilbers eines Luftmanometers von Unten nach Aufwaͤrts getrieben wird. 2. Schwaͤchung der Kesselwaͤnde. Diese ist entweder eine Folge der Abnuͤzung des Kessels, oder sie entsteht durch Ueberhizung der Waͤnde, wenn das Wasser unter das Niveau sank. Nur die zweite dieser Ursachen kann in Betracht kommen. Zur Verhuͤtung des Sinkens des Wasserstandes bringt der Verf. zwei Mittel in Vorschlag. Dem ersteren gemaͤß soll man laͤngs der Seitenwaͤnde eines Kessels von niederem Druke und in dessen Innerem von dem Kessel isolirte und gegen 12 Centimeter von ihm entfernte Faͤcher anbringen, die wenigstens so weit hinauf reichen, als die Flammen im aͤußersten Falle hinauf schlagen koͤnnen. Diese Faͤcher waͤren mittelst Roͤhren, die von der Speisungsroͤhre aus entspringen, immer mit Wasser gefuͤllt zu erhalten, wie hoch auch das Wasser im Kessel stehen moͤchte. Das zweite, dem ersteren aͤhnliche Mittel unterscheidet sich von diesem nur dadurch, daß die Faͤcher an ihrem unteren Theile mit dem Kessel communiciren, und daß ihre innere, mit Scharniergewinden befestigte Wand waͤhrend des Reinigens auf den Boden des Kessels zuruͤkgeschlagen werden kann. Die Speisung der Faͤcher erfolgt hier in Folge des Unterschiedes in der Dichtheit, welcher zwischen dem im Inneren des Kessels befindlichen Wasser, und dem in den Faͤchern circulirenden viel gasreicheren Wasser Statt findet. Nach den Versuchen des Verfassers waͤren die Faͤcher selbst dann noch gefuͤllt, wenn das Niveau des Wassers im Kessel um 2/3 gefallen waͤre. Aehnliche Mittel lassen sich auch an den Hochdrukkesseln in Anwendung bringen. 3. Ploͤzliches Entweichen von Dampf. Unter den Ursachen eines solchen Entweichens zaͤhlt Hr. Voizot folgende auf: Schmelzung einer Scheibe, Wegschleuderung einer duͤnnen Platte, Bersten einer Explosionskugel, Communication mit der Atmosphaͤre eines Kessels, der bei der Explosion eines anderen, zu demselben Motor gehoͤrigen Kessels unbeschaͤdigt geblieben, Explosion eines Kolbenstiefels oder einer Dampfleitungsroͤhre. Gegen alle diese Faͤlle, die er einzeln pruͤft, schlaͤgt er Ventile vor, die jedes ploͤzliche Entweichen von Dampf verhuͤten sollen. II. Zweite Aufgabe, oder moͤglichste Beschraͤnkung der Wirkungen, im Falle dennoch eine Explosion erfolgt. Wesentliche Bedingung einer jeden Explosion ist, wie der Verf. zeigt, ploͤzliche Entbindung der Kraft, denn ohne diese tritt keine Gefahr ein. Da nun die Kraft aus der Fluͤssigkeit entbunden wird, so handelt es sich hier um Verhuͤtung der ploͤzlichen Entwiklung des latenten Dampfes oder mit anderen Worten um Theilung der Wirkung. Die Versuche, die der Verf. auch in dieser Hinsicht angestellt, ergaben ihm folgendes allgemein anzuwendende Verfahren. Man soll naͤmlich in jenem Theile des Kessels, der von dem Wasser eingenommen wird, mehrere aus einem Stuͤke bestehende Gefaͤße anbringen, von denen jedes, je nachdem es sich um einen Kessel von hohem oder von niederem Druk handelt, 30 oder 80 Kilogr. Wasser faßt, und in denen sich an der oberen Basis eine Muͤndung von 12 bis 40 Millimeter im Durchmesser, an der unteren Basis dagegen eine Muͤndung von um die Haͤlfte kleinerem Durchmesser befindet. Die untere Muͤndung dient zur Herstellung der Communication des Wassers; die obere dagegen ist bestimmt, die Communication mit der Dampfkammer zu vermitteln und dem Wasser die Ruͤkkehr in die Gefaͤße zu gestatten. Die Gefaͤße sollen eine solche Anordnung besizen, daß sie die Reinigung des Kessels nicht beeintraͤchtigen. Dieses Verfahren gewaͤhrt den Vortheil, daß es auch das zweite Schuzmittel, welches der Verf. gegen das Gluͤhendwerden der Kesselwaͤnde in Vorschlag bringt, in sich schließt. Wuͤrde der Kessel aus irgend einer Ursache zum Bersten kommen, so wuͤrde das Wasser, welches in einem gewoͤhnlichen Kessel in unmittelbare Beruͤhrung mit der Atmosphaͤre kaͤme und welches also in einem Momente allen seinen latenten Dampf entbinden wuͤrde, hier in diesem Falle in kleinen Stroͤmchen aus den oberen Muͤndungen der Gefaͤße austreten, so daß der Kessel anstatt zu zerspringen nur einen einfachen Riß bekame. Hr. Voizot zeigt, wie sich dieses Verfahren auf die verschiedenen, dermalen gebraͤuchlichen Arten von Kesseln anwenden laͤßt. Wir verweisen in dieser Hinsicht auf die Abhandlung selbst, die demnaͤchst im Druke erscheinen wird.