Titel: Ueber die Luftmenge, deren ein Pferd zum Athmen bedarf und die hienach den Pferdeställen zu gebende Capacität; von Hrn. Chevreul.
Fundstelle: Band 77, Jahrgang 1840, Nr. CXIV., S. 461
Download: XML
CXIV. Ueber die Luftmenge, deren ein Pferd zum Athmen bedarf und die hienach den Pferdestaͤllen zu gebende Capacitaͤt; von Hrn. Chevreul. Aus den Comptes rendus, 1840, 2me Sem., No. 6. Chevreul, uͤber den Hohlraum, welcher den Pferdestaͤllen gegeben werden soll. Der Kriegsminister hat der französischen Akademie der Wissenschaften die Frage vorgelegt, „wie viel Luft braucht ein Pferd in 24 Stunden, wenn man sowohl diejenige berüksichtigt, welche in derselben Zeit durch die Ausleerungen und die Streu verdorben werden kann, als auch diejenige, welche durch die Ventilation des Pferdestalles erneuert wird,“ um danach „die Capacität bestimmen zu können, welche man dem Stalle für eine bestimmte Anzahl von Pferden geben muß, die mit ihrem Streu 24 Stunden darin bleiben sollen, ohne durch Luftmangel und sogenannte Miasmen zu leiden.“ Leider konnte die Commission der Akademie nicht die directen und zahlreichen Versuche anstellen, welche zur definitiven Lösung dieser Frage in ihrer ganzen Ausdehnung nöthig gewesen wären, sondern mußte sich damit begnügen, sie nach den bis jezt bekannt gewordenen Beobachtungen, welche Zutrauen verdienen, zu beantworten. Die Luftmenge, deren ein Pferd in 24 Stunden bedarf, ist nicht direct bestimmt worden, sondern nach dem Verhältnisse zwischen der Capacität der Pferdebrust zur Menschenbrust; man hat dieses Verhältniß = 2,5 : 1 und = 3 : 1 festgesezt. Dabei nahm man auch an, daß das Pferd ebenso oft wie der Mensch ein- und ausathmet, ferner, daß die ausgeathmete Luft beiläufig 6 Proc. ihres Volums kohlensaures Gas enthält. Auf diese Art folgerte Vogeli, daß, weil ein Mensch in 24 Stunden 16 bis 20 Kubikmeter Luft verzehrt, ein Pferd 50 Kubikmeter braucht, und eine von dem früheren Kriegsminister ernannte Commission rechnete daher auch bei ihrem als Muster vorgeschlagenen Pferdestall 50 Kubikmeter Luft auf ein Pferd. Zugegeben, daß die ausgeathmete Luft, wie man allgemein annimmt, 6 Proc. ihres Volums kohlensaures Gas enthält, so ist die Menge der Kohlensäure, welche ein Mensch in 24 Stunden erzeugt, wie Berzelius richtig bemerkt, jedenfalls übertrieben worden, was die Vergleichung des ausgeathmeten Kohlenstoffs mit dem in den eingenommene Nahrungsmitteln enthaltenen ergibt. Jedenfalls findet man nach den angeführten Daten, daß ein Pferd, um die in 24 Stunden ihm nöthige Luftmenge bloß einmal einzuathmen, höchstens 42 Kubikmeter Luft braucht. Berechnet man das Luftquantum nach den Daten von Dumas, nämlich in der Voraussezung, 1) daß ein Mensch in 24 Stunden 7632 Liter Luft braucht; 2) daß 267 Liter Kohlensäure erzeugt werden, und 3) daß die ausgeathmete Luft in 100 Volumen nur 3,5 Vol. Kohlensäure enthält, so findet man für das Verhältniß der Pferdebrust zur Menschenbrust = 3 : 1, daß ein Pferd nur 23 Kubikmeter Luft braucht. Nun ist aber kein Pferdestall bei geschlossenen Thüren und Fenstern luftdicht, sondern es findet schon wegen der Beschaffenheit der Baumaterialien in jedem eine Ventilation statt, und zwar um so mehr, weil die von den Pferden ausgeathmete und auch die sie berührende Luft heißer als die umgebende Atmospäre ist, folglich in die Höhe steigt und durch die Zwischenräume der Stalldeke entweicht, während die äußere Luft durch die Zwischenräume im unteren Theile des Stalles eindringt. Es ist daher klar, daß von der für ein Pferd erforderlichen Luftmenge, man mag sie nach den Daten von Menzies zu 42 Kubikm. oder nach denjenigen von Dumas zu 23 KM. berechnen, diejenige Quantität Luft abgezogen werden muß, welche während der 24 Stunden durch die Ventilation erneuert werden kann. Mit diesen Folgerungen stimmt auch die Erfahrung überein; Hr. Boussingault untersuchte nämlich nach dem Wunsche der Commission die Luft eines Pferdestalles von 480 Kubikm. Hohlraum, worin 16 Pferde 12 Stunden lang eingesperrt waren und fand, daß sie nur 0,0023 ihres Volums kohlensaures Gas enthielt, und zwar nur siebenmal mehr als die äußere Luft auf dem Felde zu derselben Zeit. Die Stallluft war folglich bei weitem noch nicht verdorben, denn sie bestand in 100 Volumen aus Stikstoff   79,00 Sauerstoff   20,77 Kohlensäure     0,23 –––––– 100,00. Hr. Boussingault fand auch, daß mit den festen und flüssigen Excrementen eines Pferdes vermengte Streu, welche bei 11° C. in einem gut verschlossenen kleinen Pferdestalle, dessen Thüren und Fenster sorgfältig mit Lehm verstrichen worden waren, sich überlassen blieb, nach 24 Stunden der sie umgebenden Luft nur 2 Liter kohlensaures Gas mitgetheilt hatte, ein Beweis, daß durch die Streu die Luft der Pferdeställe nicht bedeutend verdorben werden kann. Nach dem Vorhergehenden glauben wir, daß in einem Stall, wo die Luft sich durch die Thüren und Fenster gehörig erneuert (und um so mehr, wo dieses durch eine künstliche Ventilation bewirkt wird), ein Pferd niemals Mangel an atmosphärischem Sauerstoff leiden kann, wenn 25 oder 30 Kubikm. Luft auf dasselbe gerechnet sind.