Titel: Interessante Versuche mit Locomotiven auf der Hull-Selby-Eisenbahn.
Fundstelle: Band 79, Jahrgang 1841, Nr. LXVII., S. 338
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LXVII. Interessante Versuche mit Locomotiven auf der Hull-Selby-Eisenbahn. Aus dem Civil Engineer and Architects' Journal. Dec. 1840, S. 427. Versuche mit Locomotiven auf der Hull-Selby-Eisenbahn. Dienstag den 10. Nov. 1840 wurde aus nachstehender Veranlassung auf der genannten Eisenbahn eine Reihe von Versuchen mit Locomotiven begonnen. Im Anfang des Jahres 1840 waren für die Hull-Selby-Eisenbahn sechs Dampfwagen in den Maschinenfabriken der HHrn. Feuton, Murray und Jackson in Arbeit und bereits mehr oder minder weit gediehen, als die Hull- und Selby-Eisenbahn-Compagnie sechs andere Maschinen bauen zu lassen beschloß, und zwar mit wesentlich verbesserter Construction, wie diese, den vorangegangenen Leistungen auf verschiedenen Eisenbahnen zufolge, durch die Erfahrung an die Hand gegeben wurde. Vier Punkte wurden dabei hauptsächlich in die Augen gefaßt, nämlich Sicherheit, Einfachheit, Zugänglichkeit zu den verschiedenen Theilen und Oekonomie; das Ganze sollte in der Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit der Maschine sich vereinigen. Den ersten Zwek erreicht man dadurch, daß man dem Spiel der Federn, auf welchen das Gewicht der Maschine ruht, eine größere, d.h. ungefähr 6 1/2 Fuß breite und 11 Fuß lange Basis gibt, woraus eine bei weitem stetigere Bewegung bei 30 Meilen in der Stunde gewonnen wird. Man wird sich nicht wundern, daß vierrädrige, auf mehreren Eisenbahnen gehende Locomotiven dann und wann und zwar plözlich von den Schienen ablaufen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die größte Basis ihrer Federn, worauf die Maschine ruht, nur 3 3/4 Fuß breit und ungefähr 6 Fuß lang ist. Daher ihre schwankende, oscillirende und rükweise Bewegung, welche, lediglich in Folge einer geringen Geschwindigkeitsvermehrung, die Spurkränze der Räder buchstäblich über die Oberfläche der Bahnschienen erhebt, so daß binnen 3 oder 4 Secunden Locomotive sammt Train über den Haufen geworfen ist, wogegen durch eine auf die Vorder- und Hinterräder sich erstrekende Grundfläche die Stabilität der Maschine wesentlich gesichert wird. Zufolge einer neuen Anordnung hat man die Vorzüge vierrädriger Locomotiven dadurch vervollständigt, daß man die Last innerhalb der Räder unmittelbar auf der Kurbelachse ruhen läßt, wo sie den angestellten Versuchen gemäß am wenigsten nachtheilig auf die Achse wirken zu können schien. Durch dieses Verfahren sind daher jene beunruhigenden Ereignisse, welche so oft durch das brechen der Achse herbeigeführt wurden, wenn nämlich das Gewicht auf Lagern an der Außenseite der Räder lastete, beseitigt. Da der Mittelpunkt der Maschine eine Art neutraler Achse bildet, so findet sich in diesem Theile sehr wenig Gewalt über ihre Bewegung. Diesen Vortheil, indem man nämlich die Last innerhalb der Räder auf die Kurbel überträgt, erreicht man daher ohne ein Opfer von Seiten der Stabilität. Zweitens: zu der Sicherheit und Einfachheit der Methode, anstatt drei oder vier innerer Gestelle mit so vielen Lagern an der Kurbelwelle nur zwei derselben anzubringen, kommt der Umstand, daß der Raum unter dem Kessel in Folge einer neuen Steuerungsmethode von der Maschinerie weit mehr entblößt ist. Dadurch erreicht man eine freiere Oeffnung und eine Erleichterung des Zutritts zu den arbeitenden Maschinenteilen, welche zum Behuf der Untersuchung, Reinigung u.s.w. so wünschenswerth ist. Drittens: dadurch, daß der Dampf in Folge der oben bereits berührten Steuerungsmethode nach dem Expansionssystem thätig ist, wird eine große Brennmaterialersparniß erzielt, wovon man sich überzeugen wird, wenn man die Resultate der Versuche näher prüft; und da die außerordentliche Abnüzung der Locomotivdampfkessel von der intensiven Hize herrührt, welcher sie ausgesezt sind, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß dieser Schritt, die Ursache hinwegzuräumen, auch die Wirkung, nämlich die rasche Zerstörung des Kessels beseitigen wird. Das Spiel dieser Steuerung ist vollkommen sanft, indem es durch Excentrica von gleichfalls verbesserter Construction hervorgebracht wird. Ferner kann eine beliebige Quantität Dampfes von 25 bis 90 Proc. des Hubes unter leichter und vollständiger Controle in die Cylinder gelassen werden, die Maschine mag so schnell gehen, wie sie will. Tritt ein heftiger Wind oder eine schiefe Fläche dem Laufe der Maschine entgegen, so läßt man eine größere Quantität Dampfes zu; sind Wind und Gefälle günstig, so wird der Dampf mit voller Pressung in den Cylinder gelassen, aber früher abgesperrt, worauf er vermöge seiner Expansivkraft den Kolben den übrigen Theil des Hubes zu durchlaufen nöthigt, auf ähnliche Weise, wie eine Uhr durch die Abwiklung der Hauptfeder in Gang gesezt wird. Viertens: aus den besten Resultaten mehrerer in verschiedenen Gegenden im Betrieb befindlicher Dampfwagen von verschiedener Construction wurde eine Combination von Dimensionen und Verhältnissen zusammengetragen. Die Treibräder halten 6 Fuß im Durchmesser; die Größe des Hubes beträgt 2 Fuß; der Durchmesser der Cylinder 12 Zoll; die inneren Dimensionen des Feuerraums sind 2 Fuß Breite und 3 1/2 Fuß Länge; die Röhren, 94 an der Zahl, sind 9 1/2 Fuß lang und halten 2 Zoll im Durchmesser. Die Verkleinerung der Maschinenconstruction im Allgemeinen gewährte Raum für die Erweiterung der arbeitenden Haupttheile, und so steht denn die ganze Einrichtung mit der Sicherheit, Einfachheit, Zugänglichkeit und Oekonomie im engen Zusammenhang. Die Umstände führten es herbei, daß man diese Maschinen bei den HHrn. Shepherd und Todd bestellte. Die Hull- und Selby-Linie wurde mit den früher bestellten Maschinen eröffnet, allein das Publicum und die Compagnie fand sich durch glühende Kohlen, welche aus dem Schornstein hervorsprühten, alles, worauf sie fielen, versengten, und selbst die Rauchkammern schnell zerstörten, in hohem Grade belästigt. Drei dieser Maschinen wurden daher umgeändert, und in Folge dieser Umänderung gelangten sie zu einer bedeutenden Verminderung jener lästigen Nachtheile, und arbeiteten mit geringerer Brennmaterial-Consumtion. Diese Thatsache wurde indessen näher untersucht, zwei Maschinen verbesserter Construction in Bereitschaft gehalten und Hr. John Gray, Dampfwagenbauer und Patentträger der verbesserten Maschine zu einer scharfen und gleichzeitigen Untersuchung der verschiedenen Maschinen dringend aufgefordert. Durch unverdächtige Personen sollte für die Betheiligten in der Angelegenheit das nöthige Zeugniß abgelegt werden. Hr. J. Miller und Hr. T. Lindsley vertraten die HHrn. Fenton, Murray und Jackson; Hr. J. Craven und Hr. J. Barrons vertraten die HHrn. Shepherd und Todd, und die HHrn. E. Fletcher, W. B. Bray, J. G. Lynde jun., J. Farnell und J. Gray waren die Stellvertreter der Hull- und Selby-Eisenbahn-Compagnie. Für die Versuche war die Anordnung getroffen worden, daß die Gesammtlast Locomotive, Tender, Wagen und alles, was zum Train gehört, in sich begreifen solle. Der Dampf wurde in den betreffenden Maschinen bis zu einem Druk von 66 Pfd. auf den Quadratzoll gespannt. Das Brennmaterial wurde bei der Abfahrt des Morgens bis zu einer gewissen Höhe aufgegeben und nach Beendigung der lezten Fahrt am Abend auf dieselbe Höhe gefüllt. Der Dampfdruk belief sich bei der Abfahrt im Allgemeinen auf 66 Pfd. und äußerte am Ende jeder Fahrt ungefähr die Hälfte dieser Pressung. Im Ganzen wurden 50 Versuchsfahrten gemacht, darunter 24 mit dem Collingwood, Andrew Marvel und Wellington, den unabgeänderten Maschinen der HHrn. Fenton, Murray und Jackson. Ihre mittlere Bruttolast betrug 53,4 Tonnen, oder 1656 Tonnen eine Meile weit bewegt; Verbrauch an Kohks 1013 Pfd. oder 0,611 Pfd. auf die Tonne per Meile, an Wasser 6500 Pfd. oder 3,90 Pfd. auf die Tonne per Meile. Zehn Fahrten wurden mit drei anderen Maschinen der Hrn. Fenton, Murray und Jackson, welche in Hull umgeändert worden waren, gemacht, nämlich mit dem Erley, Kingston und Selby. Ihre durchschnittliche Bruttolast belief sich auf 49,16 Tonnen, oder 1524 Tonnen auf eine Meile; die Consumtion an Kohks betrug 635 Pfd. oder 0,416 Pfd. auf die Tonne per Meile, an Wasser 4264 Pfd. oder 2,79 Pfd. auf die Tonne per Meile. Die durch die HHrn. Shepherd und Todd gebauten Maschinen, der Stern und die Vesta, machten 16 Fahrten; ihre durchschnittliche Last betrug 55,4 Tonnen, oder 1718 Tonnen eine Meile weit; Verbrauch an Kohks 465 Pfd. oder 0,271 Pfd. auf die Tonne per Meile, an Wasser 2874 Pfd. oder 1,62 Pfd. auf die Tonne per Meile. Die durchschnittliche Bruttolast aller 50 Fahrten beläuft sich auf 53,2 Tonnen, oder 1649,4 Tonnen eine Meile weit bewegt. Nimmt man diese Last als fest an, so ist die Consumtion an Brennmaterial und Wasser unter vollkommen gleichen Leistungen durch folgende Tabelle dargestellt: Textabbildung Bd. 79, S. 341 Gattung der Maschine.; Gewichte in Tonnen, eine Meile weit bewegt.; Verbrauch an Elsecar Kohks in Pfunden auf die Fahrt von 31 Meil.; Verbrauch an Kohks per Meile in Pfunden.; Verbrauch an Kohks auf die Tonne p. Meil. in Pfunden.; Verbrauch an Wasser auf die Fahrt von 31 Meil. in Pfunden.; Verbrauch an Wasser p. Meilen in Pfunden.; Verbrauch an Wasser auf die Tonnen p. Meil. in Pfunden.; Patent; Abgeändert; Unabgeändert. Das financielle Jahresergebniß der drei Maschinengattungen an Ausgaben für Kohks und Dampfkessel dürfte sich daher bei einem Verkehr, wie er auf der Hull-Selby-Linie stattfindet, folgendermaßen gehalten: 4,500 Pfd. Sterl. fuͤr die unabgeaͤnderten Maschinen, 3,200   –    – abgeaͤnderten, und ungefaͤhr 2,000   –    – Patentmaschinen. Zum Beschluß muß bemerkt werden, daß alle Zeugnisse über die Art, wie die Versuche geleitet wurden, und über die Gewandtheit, mit welcher die Compagnie aus diesen Versuchen correcte Resultate zu ziehen wußte, sich mit großer Zufriedenheit aussprachen. Es sind wohl schwerlich je Versuche unter solchen Umständen veranstaltet worden, wo die Betheiligten eine größere Unparteilichkeit und liberalere Gesinnungen an den Tag gelegt hätten, als bei dieser Gelegenheit.