Titel: Ueber hydraulischen Kalk; von Vicat, Héricart de Thury und Poncelet.
Fundstelle: Band 80, Jahrgang 1841, Nr. LVI., S. 224
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LVI. Ueber hydraulischen Kalk; von Vicat, Héricart de Thury und Poncelet. Aus den Comptes rendus, 1841, No. 7 und 8. Ueber hydraulischen Kalk. In Bezug auf den über Hrn. Deny de Curis' Bereitung des hydraulischen Mörtels erstatteten Bericht (polytechn. Journal Bd. LXXIX. S. 463) verwahrt sich Hr. Vicat gegen die Meinung, welche aus demselben gezogen werden könnte, 1) als räume er die Möglichkeit ein, es könne aus bloßem fetten Kalk und Sand, nach einem gewissen Verfahren beim Löschen, ein guter Mörtel bereitet werden; 2) als habe er angerathen, unvollkommen gebrannten Kalk zum Mörtel zu nehmen. Nun habe er aber in allem, was er seit 20 Jahren hierüber geschrieben, stets ausdrüklich bemerkt, daß ihm kein Löschungsverfahren und sonst kein besonderer Handgriff bekannt sey, welches den schwachen Zusammenhang des aus fettem Kalk und Quarzsand bereiteten Mörtels beträchtlich vermehre; in seiner lezten Abhandlung habe er ferner die unvollkommen gebrannten Kalksteine zu verwerfen anempfohlen (polytechn. Journal Bd. LXXIX. S. 367) und den Grund dafür angegeben. – Was die in jener Abhandlung zuerst erwähnten Gränzkalke betrifft, so haben dieselben nichts mit dem fetten Kalk gemein. Wäre die Behauptung des Hrn. Deny wahr, daß durch ein gewisses Verfahren der Löschung mit jedem fetten Kalk und Sand ein guter Mörtel bereitet werden könne, so müsse dieses Verfahren, und wenn das Geheimniß um eine Million Fr. erkauft werden müßte, möglichst bekannt gemacht werden, indem dieses Opfer durch die große Ersparniß, welche die ausschließliche Anwendung des fetten Kalks wegen seiner Eigenschaft aufzuquellen, in Zukunft bei allen öffentlichen Bauten herbeiführen müßte, hundertfach ersezt würde. Leider aber haben sich die verschiedenen Löscharten, welche vor 60 Jahren von Loriot und Lafaye so angepriesen wurden, und von denen die Deny'sche Methode nur eine Nachahmung ist, durch eine lange Erfahrung als unzulänglich bewiesen. Wäre der fette Kalk des vorgelegten Musters, wie jener Bericht sagt, gut gelöscht worden, so hätte es auch gut gebrannt seyn und daher bei der Anwendung wenig oder keine Kohlensäure enthalten müssen. Das starke Brausen des Musters mit einer Säure kann nur von der seit 29 Jahren seines Alters angezogenen Kohlensäure herrühren. Nun wurde zwar von Niemand je geläugnet, daß die Verwandlung des fetten Kalks in kohlensauren den gewöhnlichen Mörtel nicht sehr gut mache; was aber mit Recht, aus Gründen der Erfahrung, bestritten wurde, das ist die Möglichkeit dieser Verwandlung vor dem Verlauf von zwei- bis dreihundert Jahren bei Mauern von gewisser Dike. Bei Versuchen im Kleinen bedarf es dazu weder 100, noch 29 Jahre. John bewies, daß in 6 Monaten die Härte des Steines erzielt werden kann, wenn der Ort beständig feucht und von Kohlensäure gesättigt erhalten wird; aber dieß sind künstliche, im Laboratorium hervorgerufene Wirkungen, welche im Großen nie ausführbar sind. Napoleon bedauerte, daß so enorme Summen für die Mauern der Festungswerke ausgegeben wurden (Mémorial de Sainte-Hélène), und zwar nicht ohne Grund, denn eine in Bruchsteinen mit Mörtel von fettem Kalk aufgeführte Böschungsmauer leistet nach 20 Jahren nicht mehr Widerstand, als nach 6 Monaten. Wenn die zur Vertheidigung von Paris bestimmte basteiförmige Ringmauer nur mit solchem Mörtel aufgeführt werden sollte, hätte der Feind leichtes Spiel, ohne sogar Geschüz von großem Kaliber zu bedürfen; wenn aber, wie zu vermuthen, die ausschließliche Anwendung von hydraulischem Kalk Bedingung des Bauanschlages ist, und eine thätige und einsichtsvolle Aufsicht jeden Betrug in der Qualität des Materials verhindert, ist darauf zu rechnen, daß, um in irgend einen Theil dieser Mauer Bresche zu schießen, man nicht nach 20 Jahren, sondern nach höchstens drei Jahren eben so viele Kugeln darauf schießen müßte, als Steine da wären. H. Héricart de Thury spricht – übrigens in voller Anerkennung der von Hrn. Vicat angegebenen Bedingungen zur Darstellung eines guten Mörtels mit magerem oder hydraulischem Kalk – im Namen der Commission deren Beharren aus bei ihrem die Güte des von Hrn. Deny aus fettem Kalk bereiteten Mörtels betreffenden Ausspruch. Derselbe, sagt er, stimmt mit allen Erfahrungen vollkommen überein, indem man in Paris, so wie in vielen Ländern lange gar keinen anderen als fetten Kalk hatte, und der Gebrauch des hydraulischen Kalks erst seit wenigen Jahren eingeführt wurde, wie dieses eine Menge alter Gebäude und öffentlicher Denkmale aus verschiedenen Zeitaltern beweisen, deren mit fettem Kalk bereiteter Mörtel den höchsten Ansprüchen entspricht, wovon eine Reihe von Beispielen aus Paris selbst angeführt wird. * * * In Bezug auf oben erwähnte Aeußerung Napoleon's über die Festungswerke und was Hr. Vicat derselben Bekräftigendes zusezt, widersprach in der nächst darauf folgenden Sizung der Akademie Hr. Poncelet dasjenige, was in der speciellen Anwendung auf militärische Bauwerke zu absolut ausgesprochen ist. Er erklärt, sich auf das Zeugniß des Hrn. Piobert stüzend, daß die Anwendung hydraulischen Kalks, welcher die Kosten beträchtlich Vermehren würde, durch sich selbst den Festungswerken gar keine wesentliche defensive Verbesserung verleihen würde. Die in Metz im Jahre 1834 angestellten Versuche im Brescheschießen gegen eine von Vauban mit dem besten natürlichen hydraulischen Kalk, den man kennt, aufgeführte feste Mauer haben gezeigt, daß dieser Kalk den von Hrn. Vicat ihm beigelegten Vorzug im Widerstand gegen die Beschießung nicht verdiene. Dieser Widerstand ist vielmehr von der Härte, der Dichtigkeit, der Größe, der Anordnung, und so zu sagen, von der Continuität des festen Materials, als von der Quantität des ein Viertheil, höchstens ein Drittheil der ganzen Masse ausmachenden Mörtels abhängig. Die von Hrn. Héricart de Thury in derselben Sizung angeführten Analysen von sieben Mörtelmustern mehrerer Baudenkmale aus verschiedenen Zeiten, bis zur römischen zurük, beweisen, daß jene Mörtel alle mit fettem Kalk bereitet waren, welcher nur mit mehr oder weniger Kiesel- und Thonerde, jedoch in einem von dem Cement aus magerem oder hydraulischem Kalk ganz verschiedenen Verhältnisse gemischt war.