Titel: Ueber das Pressen bleierner Röhren; von Karmarsch.
Fundstelle: Band 82, Jahrgang 1841, Nr. XLVI., S. 186
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XLVI. Ueber das Pressen bleierner Roͤhren; von Karmarsch. Aus den Mittheilungen des hannover'schen Gewerbevereins, 1841, Nr. 24. Karmarsch, üner das Pressen bleierner Röhren. Bekanntlich ist in neuester Zeit die Fabrication bleierner Röhren dadurch wesentlich verbessert worden, daß man das Pressen dieser Röhren statt des früher allgemein gebräuchlichen Ziehens derselben einführte. Ein hohler, gegossener dikwandiger Bleicylinder wird auf einen stählernen Dorn und sammt diesem in einen passenden gußeisernen Cylinder gestekt. Die Höhlung des lezteren endigt mittelst eines hineingesezten stählernen Ringes trichterartig in ein rundes Loch, dessen Durchmesser gleich dem äußeren Durchmesser der zu erzeugenden Röhre ist, während die Dike des Dorns (und folglich die Weite des Bleicylinders) mit dem inneren Durchmesser der Röhre übereinstimmt. Durch eine äußerst kraftvolle hydraulische Presse wird sodann das Blei durch den ringförmigen offenen Raum zwischen dem Dorn und dem inneren Umkreise des erwähnten Stahlringes herausgepreßt, wobei es die Gestalt einer Röhre annimmt, welche durch diese einzige Behandlung völlig vollendet ist. In England und Frankreich scheinen mehrere Fabriken gepreßter Bleiröhren zu bestehen; in Deutschland sind nur zwei vorhanden, eine ältere in Kottingbrunn unweit Wien und eine jüngere in Köln; beide liefern ausgezeichnete Waare. Nach einer Skizze der Kottingbrunner Preßmaschine hat der Mechaniker Klindworth in Hannover eine solche Maschine in kleinem Maaßstabe angefertigt, welche vortrefflich arbeitet und in der Modellsammlung der höheren Gewerbsschule aufgestellt ist. Mittelst dieser Maschine, welche darauf eingerichtet ist, von einem Menschen mit Leichtigkeit in Betrieb gesezt zu werden, habe ich die zum Pressen der Bleiröhren erforderliche Kraft annähernd in Erfahrung zu bringen gesucht, da hierüber durchaus nichts bekannt ist. Mit 60 Zügen der Pumpe in einer Minute (wobei ohne erhebliche Anstrengung anhaltend gearbeitet werden kann) verfertigt dieses Modell 4 1/6 engl. Zoll Rohr von 0,37 engl. Zoll innerem und 0,5 Zoll äußerem Durchmesser. Der Bleicylinder, woraus das Rohr entsteht, hat inwendig 0,37 Zoll, auswendig 1,33 Zoll Durchmesser, und es wird davon, wenn die Arbeit einmal im Gange ist, ein 0,29 Zoll langes Stük verbraucht, um jene 4 1/6 Zoll Rohr zu bilden. Das Rohr erhält also die 14 1/3fache Länge des (durch den ungeheuren Druk bereits zusammengepreßten oder gestauchten) Cylinders, und eine von 0,48 Zoll auf 0,065 Zoll verminderte Wanddike. Die Querschnittsfläche des Cylinders beträgt 3,1416 × (1,33² – 0,37²)/4, d. i. 1,2827 Quadratzoll, jene des Rohres hingegen 3,1416 × (0,5² – 0,37²)/4 oder 0,0888 Quadratzoll, also in dem Verhältnisse von 14,4 zu 1 weniger, was der oben gedachten Ausdehnung in der Länge entspricht. Der körperliche Inhalt der in einer Minute Verarbeiteten Bleimasse wäre hienach 0,29 × 1,2827 = 0,3719 Kubikzoll, jener des daraus entstandenen Rohrstükes aber 4 1/6 × 0,0888 = 0,3700 Kubikzoll. Daß beide Zahlen nicht völlig mit einander übereinstimmen, hat in den unvermeidlichen kleinen Fehlern der Maaßbestimmungen seinen Grund. Wie schon gesagt, muß das Maaß des Bleicylinders auf den Zustand bezogen werden, in welchem er sich befindet, nachdem die Maschine bereits im Gange, das Blei also durch den Druk zusammengepreßt und verdichtet ist. Daher läßt sich aus den vorstehenden Daten die Größe der stattfindenden Verdichtung nicht entnehmen, wie sie wohl überhaupt durch Abmessung nicht mit zufriedenstellender Genauigkeit zu ermitteln seyn würde. Sie ergibt sich aber aus dem specifischen Gewichte. Bei der hierüber vorgenommenen Untersuchung zeigte ein gegossenes rohes (noch völlig ungepreßtes) Cylinderstük 11,3465 und ein Stük gepreßten Rohres 11,3615 als specifisches Gewicht, woraus man schließen kann, daß die Maschine das Blei etwa um den 757sten Theil seines Volumens zusammendrükt.Hr. Klindworth stellte eine Wägung mit anderen Probestüken an und fand das spec. Gew. des Rohres = 11,3595, des durch Wiedereinschmelzen daraus erhaltenen Gußbleies = 11,3436. Beide Zahlen stimmen mit den meinigen sehr gut und geben eine Verdichtung von 1/714. Das Umschmelzen war unter Kohlenpulver geschehen, um Oxydation zu vermeiden. Die Belastung, welche auf das Sicherheitsventil der hydraulischen Presse wirken muß, um die Hebung desselben zu verhindern, beträgt nahe 183 Pfd. Die Ventilöffnung hat 1/4 Zoll im Durchmesser, wonach der in der Presse hervorgebrachte Druk 3727 Pfd. oder in runder Zahl 3700 Pfd. (Köln. Gewicht) auf 1 Quadratzoll engl. beträgt. Der Preßkolben hat im Durchmesser 4 Zoll, in der Querschnittsfläche also 12,566 Quadratzoll, und erleidet demnach einen Druk von 12,566 × 3700, d. i. 46,494 Pfd., welchen er auf die Bleimasse überträgt. Die ringförmige Basis dieser lezteren, auf welche der Druk unmittelbar ausgeübt wird, enthält (laut Obigem) 1,2827 Quadratzoll, wonach der Druk auf 1 Quadratzoll 36,247 Pfd. beträgt. Welcher Antheil hievon auf die (gewiß sehr große) Reibung an der Wandung des eisernen Preßcylinders, und welcher Antheil auf den inneren Widerstand des Bleies zu rechnen sey, wird nicht leicht auszumitteln seyn. Eben so ist klar, daß die eben gefundene Zahl nur als eine der Wahrheit angenäherte Bestimmung und einzig in dem Falle gilt, wo alle zuvor angeführten Dimensionen vorhanden sind, und daß besondere Versuche lehren müßten, nach welchen Gesezen der Berechnung die Anwendung hievon auf größere Maschinen gemacht werden kann, wo der Bleicylinder viel diker ist und eine viel bedeutendere Reduction seiner Wanddike durch das Pressen erleidet. Die Größe der im vorliegenden Falle von der arbeitenden Person hervorgebrachten mechanischen Wirkung ergibt sich auf folgende Weise: unter dem Druke von 46494 Pfd. rükt der Bleicylinder in einer Minute um 0,29 Zoll fort, was eben so viel gilt, als wenn eine Last von 46494 Pfd. in einer Minute durch 0,29 Zoll bewegt würde. Dieß gibt 1123 Pfd. Kölnisch durch 1 Fuß engl. bewegt für die Minute, oder nahe 19 Pfd. durch 1 Fuß für 1 Secunde. Da nach der gewöhnlichen Annahme das mechanische Moment der Menschenkraft, für fortgesezte Arbeit, zu 60 bis 70 Pfd. (durch 1 Fuß in 1 Secunde bewegt) bestimmt werden kann, so sieht man, daß die Leistung eines Mannes an der Röhrenpresse viel größer als bei dem Modelle seyn könnte, ohne zu anstrengend zu werden.