Titel: Ueber galvanoplastische Dendriten; von Gustav Preuß, Ingenieur des Locomotivenbaues in Köln.
Fundstelle: Band 82, Jahrgang 1841, Nr. LIII., S. 231
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LIII. Ueber galvanoplastische Dendriten; von Gustav Preuß, Ingenieur des Locomotivenbaues in Koͤln. Preuß, über galvanoplastische Dendriten. Wenn man einen amalgamirten Zinkcylinder (die meinigen sind 13 Zoll lang auf 1 1/2'' Durchmesser) in ein nicht ganz anschließendes Futteral (Schlauch) von neuem, weißem, mittelfeinem, dichtgewebtem Kattun oder Calico (franz. percale) stekt, und diesen Schlauch über dem Cylinderkopfe mittelst einer Schnirre anspannt und zubindet, so bildet sich am Cylinder entlang eine gewisse Anzahl straffgezogener Längefalten. Hängt man nun diesen so bekleideten Zinkcylinder in ein Kupfergefäß, welches mit schwefelsaurer, bei der Lufttemperatur gesättigter und mittelst Schwefelsäure etwas angesäuerter Kupferauflösung gefüllt ist, und schließt die galvanische Kette, so wird man nach etwa einer Stunde den Grund der gedachten Falten des Kattuns mit einem kupfrigen Anfluge bekleidet finden, und zwar am stärksten und dichtesten in der Tiefe, wo das Zeug den amalgamirten Zinkcylinder unmittelbar berührt. Zieht man nun den bekleideten Zinkcylinder aus dem Gefäße und läßt ihn ungestört in seinem Futteral in verticaler Richtung suspendirt abtropfen, so bemerkt man bald, wie von der Tiefe der Falten aus, nach den bauschigeren Stellen des Schlauches hin, und zwar in der Richtung der Peripherie des Cylinders, dendritische Figuren in Grau sich auf den Kattun zeichnen, welche wie fein gefiederte, einen Zoll lange Moose oder Lichenen vom Hauptstamme auswachsend, um diesen sich borstweise gruppiren, und durch höchst gefällige und freie Mannichfaltigkeit ihrer Gruppirung, wie durch freie scharfe Zeichnung ihrer Blätter, die steife Monotonie der Künstlerhand gleichsam verspotten, welche bei unseren Kattundruken bisher unvermeidlich blieb; sie erinnern vielmehr an die feinen Eisblumen unserer Stubenfenster, an Metallmoor, an den Arbor Dianae und manche Krystallisationen oder an seltene kaleidoskopische Figuren. Wäscht man die Futterale, bald nachdem die Zeichnungen spontan hervorgetreten, in Regenwasser aus, so verschwinden zwar die Figuren; läßt man aber die Cylinder in ihrer Bekleidung 24 oder 48 Stunden lang hängen und wäscht sie dann erst aus, so widerstehen die Blumen selbst dem kalten Seifenwasser und zeigen sich braun, gelb und grau schattirt. Hängt man hingegen die Cylinder, nachdem die Zeichnung hervorgetreten, wieder in die Kupfervitriollösung und schließt aufs Neue die Kette, so werden die Blätter mit kupfrigem, schön metallisch mattem Anfluge bekleidet, der fest am Zeuggrunde haftet, und um so dichter und reicher wird, je länger die Kette geschlossen bleibt, je gesättigter die Lösung ist, und je näher der Cylinder an der Kupferwand hängt. Ob Industrie und Mode Gelegenheit finden werden, diese Entdekung mit Gewinn auf einige Zeit auszubeuten, sey es zum Figuriren von Geldbeuteln, Leibbändern, Halsbinden, Westen, Hosenträgern, Handschuhen, Glokenzügen, Sonnenschirmen, Pantoffeln, oder ganzer Stüke Kattuns oder andern Stoffs, in denen man etwa Zink- und Kupferdrähte oder variirt ausgehauene Bleche und Platten unter galvanischem Schlusse vertheilt, muß ich dahin gestellt seyn lassen, und begnüge mich, solches Verfahren nur oberflächlich anzudeuten, da es außer meiner Tendenz liegt, der Sache weiter zu folgen, um selbst Nuzen daraus zu ziehen; sey dem aber wie ihm wolle, so bleibt sie, wenn auch nur als bloßes Phänomen betrachtet, in wissenschaftlicher Hinsicht nichtsdestoweniger interessant. (Poggendorff's Annalen Bd. LIII. S. 625.)