Titel: Ueber das neue Gerbeverfahren des Hrn. Vauquelin; ein der Société d'Encouragement von Hrn. Dumas erstatteter Bericht.
Fundstelle: Band 83, Jahrgang 1842, Nr. XLII., S. 208
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XLII. Ueber das neue Gerbeverfahren des Hrn. Vauquelin; ein der Société d'Encouragement von Hrn. Dumas erstatteter Bericht. Aus dem Moniteur industriel 1841, No. 567. Ueber Vauquelin's Gerbeverfahren. Die Kunst, Häute und Felle zu gerben, macht einen Industriezweig aus, dessen Wichtigkeit jedermann kennt und zu schäzen weiß, dessen Verfahrungsweisen aber bis heutzutage beinahe dieselben geblieben sind, wie sie vor Jahren schon waren. Die gereinigten Häute kommen in Kalkmilch, welche das Ausgehen der Haare befördert, und werden dann in Kufen der Einwirkung mehr oder weniger säuerlicher Gerbestofflösungen unterworfen. Der hiemit beginnende Gerbeproceß wird in Gruben fortgesezt, wo die Häute Monate, ja ganze Jahre lang der langsamen Einwirkung des Gerbestoffs ausgesezt werden, welchen rohe Eichenrinde abgibt, die mit den Häuten in abwechselnden Schichten liegt. — Das Gerben ist mithin eine sehr langwierige Operation, erfordert große Capitalien und sezt unangenehmen Wechselfällen aus, weil man nicht wohl voraus wissen kann, zu welchem Preise man das Product verkaufen wird, wenn man dasselbe schon zwei Jahre vor seiner Verkäuflichkeit einthun muß. Das Gerbegeschäft gehört also mehr dem Handel als der Industrie an; es erheischt von Seite desjenigen, der es betreibt, alle Eigenschaften des Handelsmannes, während ihm die des Industriellen weniger nöthig sind, indem der Aufwand an Brennmaterial oder Triebkraft, welcher bei den meisten Industriezweigen eine so große Rolle spielt, hier von dem Aufwand an Geld und Zeit vertreten ist. Bei der lezten Industrieausstellung bemerkte ich unter den verschiedenen, nach den Verfahrungsarten der Schnellgerberei behandelten Häuten auch eine von Hrn. Vauquelin Die Société d'Encouragement hierauf aufmerksam gemacht, unterstüzte Hrn. V., welcher sonst seine Versuche kaum hätte fortsezen können. Hr. V. war nun in den Stand gesezt, mit einer solchen Masse Häute zu operiren, daß das Comité der Gesellschaft sowohl, als Gerber und Lederhändler ein Urtheil über seine Methode abgeben können. Was sich Hr. V. zur Aufgabe gemacht, geht rein und entschieden darauf hin, an die Stelle des durch die Langsamkeit des Processes herbeigeführten Verlustes den Aufwand der irgend einem Motor erborgten Kraft zu sezen, also mit Hülfe eines Motors schnell, statt, die Häute sich selbst überlassend, langsam zu gerben. Die Gerbereien werden, wenn Hr. V. reussirt, wie die Papierfabriken, aus den Städten ziehen, die Flüsse aufsuchen und die natürlichen, wohlfeilen Motoren in der Nähe von Waldungen benuzen, welche die Eichenrinde liefern, oder doch sich an Stellen niederlassen, welche durch wohlfeile Wasserstraßen mit ihnen in Verbindung stehen. Bei einer Neuerung, so wie diese, welche das ganze Wesen eines so bedeutenden Industriezweiges umzugestalten droht, muß mit sehr vieler Vor- und Umsicht zu Werke gegangen werden; der Gegenstand verdient also, von dieser Seite betrachtet, die aufmerksamste Erwägung. Die Meinung des Comité's spricht sehr zu Gunsten des Verfahrens und der durch dasselbe gewonnenen Producte. Die von Hrn. V. erfundenen oder verbesserten Vorrichtungen sind folgende: 1) Eine Art Walkmühle, deren Kasten sich hin und her bewegt und nacheinander alle Häute unter die Hämmer bringt; die Stöße können nicht mehrmal hintereinander denselben Theil der Haut treffen, wodurch sie erhizt und verdorben würde. Die Hämmer der Walkmühle sind mit hölzernen Nägeln mit abgerundeten Köpfen versehen, wodurch die Häute tüchtig durchgearbeitet werden. 2) Eine große Kufe, durch welche eine mit langen Armen versehene Achse geht. Die Kufe steht fest und die Achse hebt mittelst ihrer Arme alle in der Kufe befindlichen Häute in die Höhe, erneuert ihre Berührung mit der Flüssigkeit und befördert hiemit das Eindringen und die Einwirkung der aufgelösten Agentien. Diese Kufe dient, um die Häute zum Enthaaren vorzubereiten, indem sie die hiezu gebräuchlichen Dampfkästen ersezt; ferner zum Gerben der Häute, welche man in ihr der Einwirkung der concentrirten Lohbrühe aussezt. 3) Eine besondere, der Tuchschermaschine ähnliche Maschine, welche der Haut alle wegzunehmenden Theile benimmt, was sonst immer von Hand mittelst des Schabeisens geschieht; diese Maschine dient vorzüglich zum Zurichten des gegerbten Leders. Ohne das Verfahren des Hrn. V. für durchaus neu geltend machen zu wollen, hat das Comité das Ganze doch mit lebhaftem Interesse gesehen. Dasselbe weiß sehr wohl, daß die HHrn. Oyereau und Sterlingue, jeder für sich, hinsichtlich der Beschleunigung des Gerbens sehr interessante Resultate erhielten, und verwahrt denselben ihre Rechte. Drei Hauptthatsachen aber begründen die Meinung des Comité's hinsichtlich des Verfahrens des Hrn. Vauquelin: 1) Ein im Jahre 1839 in der Ausstellung gewesenes und auf einem Speicher im Luftzug aufbewahrtes Fell, welches beinahe zwei Jahre lang von dem Berichterstatter der Sonne ausgesezt wurde, hat keine merkliche Veränderung erlitten und konnte, zugerichtet, den Vergleich mit frischen Fellen aushalten. 2) Unter den Augen des Comité's bereitete und den Stadtsergenten zum Gebrauch überlassene Felle bewährten sich als trefflich. 3) Eine ziemlich bedeutende Partie Felle von der afrikanischen Küste, deren Zustand die Bearbeitung weder vom Gerber, noch sonst auf eine Weise zuließ, wurde mit der größten Leichtigkeit und zum großen Erstaunen aller Gerber von Paris gegerbt. Auch im Uebrigen hat dieses Verfahren immer die besten Resultate gegeben. Die Möglichkeit der Einführung dieses mechanischen Verfahrens in der Gerberei ist als entschieden zu betrachten; nach diesem Verfahren läßt sich auch sicherlich gut, schnell und mit Ersparung an Lohe arbeiten. Jedoch läßt das Comité den Kostenpunkt im Allgemeinen noch unentschieden, weil die nöthige Erfahrung noch fehlt, um zu beurtheilen, ob die Kosten dieses Verfahrens mehr oder weniger als der Zinsverlust bei der bisherigen Methode betragen. Jedenfalls wird wegen des Fleißes und der Umsicht des Hrn. Vauquelin der Antrag gestellt, daß die Gesellschaft ihm ihre höchste Belohnung zuerkenne. (Sie bestimmte ihm in ihrer Generalversammlung am 11. Aug. 1841 die goldene Medaille.)