Titel: Neuer Wasserhebapparat, erfunden von Hrn. G. Schiele, technischem Director der Gasfabrik in Frankfurt a. M. Mitgetheilt von Dr. Adolph Poppe jun.
Fundstelle: Band 87, Jahrgang 1843, Nr. XLVII., S. 171
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XLVII. Neuer Wasserhebapparat, erfunden von Hrn. G. Schiele, technischem Director der Gasfabrik in Frankfurt a. M. Mitgetheilt von Dr. Adolph Poppe jun. Mit einer Abbildung auf Tab. V. Poppe, uͤber Schiele's neuem Wasserhebapparat. Vor einigen Wochen zeigte Hr. F. A. Fischer aus Badenhausen am Harz, Ingenieur-Mechaniker in der Fries'schen Eisengießerei und Maschinenfabrik dahier, in der Versammlung des Gewerbvereins das Modell eines von ihm erfundenen Apparates vor, bei welchem das Princip des Hebers auf eine sinnreiche Weise in Anwendung gebracht ist, um irgend eine disponible Wasserkraft an einer höheren als dem natürlichen Gefälle entsprechenden Stelle in Wirksamkeit treten zu lassen. Man stelle sich eine Röhre vor, die von einem am Abhang eines Berges befindlichen Bassin nach einer höher gelegenen Stelle geht, deren senkrechter Abstand von dem Niveau des Bassins die Höhe einer dem Barometerstand entsprechenden Wassersäule, also 30 bis 32 Fuß auf keinen Fall übersteigen darf, und sich oben in einen luftdicht verschließbaren Behälter einmündet. Von dem Boden dieses Behälters erstrekt sich abwärts eine zweite Röhre bis zu einem unter dem Niveau des erwähnten Bassins gelegenen Punkt. Angenommen, der Behälter sey zum Theil mit Wasser, zum Theil mit Luft von gewöhnlicher Dichtigkeit gefüllt, und es werde der an der Ausflußröhre befindliche Hahn geöffnet, so wird das Wasser durch diese Röhre ausfließen, zugleich aber die Luft über dem sinkenden Niveau des Wassers eine Verdünnung erleiden, in deren Folge das Wasser aus dem offenen Bassin auf eine dieser Verdünnung entsprechende Höhe steigen wird. Erreicht nun die Steig- oder Saugröhre selbst diese Höhe nicht ganz, so wird sich das Wasser in den luftverdünnten oder auch nach Umständen luftleeren Raum des oberen Behälters ergießen, und da der Zufluß in dem Behälter in demselben Maaße wie der Abfluß aus demselben erfolgen muß, so wird auch das Niveau des Wassers von dem Augenblik an, wo das Wasser aus der Saugröhre in den Behälter einfließt, sich gleich bleiben. Der Leser wird in dieser Anwendung das Princip des unterbrochenen Hebers, im Großen angewendet, erkennen. In den oberen Behälter nun sezt Hr. Fischer ein Wasserrad, dessen Welle durch eine Stopfbüchse mit Brahma'scher Liederung aus dem Behälter tritt, leitet auf dieses Wasserrad das durch den atmosphärischen Druk in die Höhe gehobene Wasser und sezt es dadurch in Umdrehung. Da Hr. Fischer seinen Apparat demnächst in den Blättern des Frankfurter Gewerbvereins selbst näher beschreiben wird, so enthalte ich mich einer näheren Beleuchtung seines Princips, dem sich ohne Zweifel für gewisse locale Verhältnisse eine praktische Seite abgewinnen läßt. Diese kurze Notiz aber glaubte ich voranschiken zu müssen, da Hrn. Fischer's Apparat es ist, dem Hr. Schiele zunächst die Anregung zu der seiner Erfindung zu Grunde liegenden Idee verdankt. Denke man sich an dem Abhange eines Hügels einen Heberschenkel von 15–20–32 Fuß senkrechten Falles, verbunden mit dem saugenden Heberschenkel, der sich bis zu einer beliebigen Tiefe, nehmen wir 90 Fuß an, aus welcher Wasser gehoben werden soll, erstreken mag, so wird der ausfließende Heber so lange auf den in der Tiefe saugenden wirken, bis die Wassersäule im saugenden Schenkel eben so hoch stehen wird, wie die in dem ausfließenden, alsdann werden beide still stehen. Wenn nun aber auf der Höhe dieses Stillstandes der saugende Schenkel zu einem eigentlichen Reservoir erweitert wäre, so würde sich dieses gefüllt haben, und es wäre am oberen Schenkel eben so viel Wasser und von gleicher Höhe abgeflossen, als hier gehoben wurde. Wird nun der Rükfall des Wassers aus diesem Reservoir verhindert, dasselbe einerseits mit dem Druk der atmosphärischen Luft, andererseits mit dem saugenden Schenkel in Verbindung gesezt, so kann man mit gleichem Ausfluß das Wasser abermals auf eine der Ausflußröhre entsprechende Höhe heben. Auf diese Weise ist man im Stande, das Wasser von Reservoir zu Reservoir auf eine beliebige Höhe zu heben, vorausgesezt, daß die nöthige Wassermenge zum Betriebe des Apparates vorhanden ist. Um die Wirkungsweise des Apparates noch anschaulicher zu machen, nehme ich die Skizze Fig. 52 zu Hülfe. A stelle einen geräumigen, luftdicht verschließbaren Behälter vor, der über der Mündung des Schachtes, aus dem das Wasser zu Tage gefördert werden soll, aufgestellt seyn mag. Dieser Behälter muß zur Erzeugung eines luftleeren oder luftverdünnten Raumes abwechselnd mit Wasser gefüllt und entleert werden, oder es müssen sonstige Mittel vorhanden seyn, um ein Vacuum zu erzeugen. B sey das untere Bassin, aus welchem das Wasser gehoben werden soll; C, D kleinere, in Abständen von etwa 25 zu 25 Fuß über einander angeordnete Behälter; n das Ausflußrohr oder der obere Heberschenkel von etwa 32 Fuß Fall; m, m die in die Tiefe des Schachtes hinabreichende Saugrohre oder der Saugschenkel des Hebers, welcher sich oben in einer am Behälter A angebrachten Kuppel endigt. Jeder der Behälter C, D steht mit der Saugröhre m durch zwei Seitenröhren in Verbindung, von denen sich die oberen beziehungsweise durch die Hähne h, d, die unteren durch die Hähne f, b, absperren lassen; auch läßt sich das Innere eines jeden Behälters vermittelst der Hähne g, c mit der atmosphärischen Luft in Verbindung sezen. Unterhalb der unteren Seitenröhren sind an der Saugröhre die Hähne a, e angeordnet. Angenommen nun, der Apparat soll in Thätigkeit gesezt werden, der Behälter A sey ganz mit Wasser gefüllt, die Lufthähne g und c und die Hähne f und h geschlossen; dagegen die Hähne a, b, d, e offen und der Hahn k werde nun geöffnet, so fließt das Wasser durch die Röhre n ab; es entsteht in A und der Röhre m ein bis in die Tiefe hinab sich erstrekender luftverdünnter Raum und alsbald wird aus dem unteren Bassin das Wasser in die Höhe zu steigen anfangen und durch die Seitenröhre b in das erste, 25 Fuß höher gelegene Reservoir treten. Sobald sich das leztere angefüllt hat, wird, um das Zurükfließen des Wassers aus demselben zu verhindern, der Hahn a geschlossen, der Lufthahn c dagegen geöffnet; offen müssen ferner seyn die Hähne b, c, e, f, h; geschlossen a, d, g. Da die Luftverdünnung fortdauert, so treibt der atmosphärische Druk, welcher jezt durch g gegen die Oberfläche des Wassers in D gerichtet ist, dasselbe in die Höhe, so daß es in dem Reservoir A zum Ausfluß kommt, um selbst als ein Theil der Triebkraft benuzt zu werden. Wenn man ein zweites Rohr als Luftrohr anbringt und dasselbe mit den über einander stationirten Behältern in geeignete Verbindung sezt, so kann der Apparat an allen Behältern zugleich arbeiten, so daß wenn einer entleert ist, dessen Füllung sogleich wieder beginnen kann. Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, daß der Apparat durch alle Mittel, welche das Gleichgewicht der Luftsäule in dem Sinne des Hebers aufheben, in Thätigkeit gesezt werden kann, wohin Pumpen, Condensation des Dampfes etc. gehören. Bei Ausführung eines solchen Heberwerks im Großen können die Hähne durch Ventile ersezt und durch einen selbststeuernden Mechanismus im Gang erhalten werden. Die Vortheile bestehen, nach Angabe des Hrn. Erfinders, in Ersparung der bei mechanischen Hülfsmitteln sehr bedeutenden Kraft, welche auf Friction verwendet wird, in Umgehung aller derjenigen Nachtheile, welche sehr große, durch keine Zwischensäze unterbrochene Wassersäulen mit sich führen, und in größerer Wohlfeilheit der Anlage, die Luftverdünnung mag durch Heber oder durch Pumpen oder Dampfcondensation geschehen. Frankfurt a. M., den 10. Jan. 1843.

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