Titel: Ueber einen hydroelektrischen Apparat (einen Elektrisirdampfkessel) und einige mit demselben angestellte Versuche; von W. G. Armstrong. Ein Schreiben an Hrn. Faraday.
Fundstelle: Band 90, Jahrgang 1843, Nr. XLV., S. 175
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XLV. Ueber einen hydroelektrischen Apparat (einen Elektrisirdampfkessel) und einige mit demselben angestellte Versuche; von W. G. Armstrong. Ein Schreiben an Hrn. Faraday. Aus dem Philosophical Magazine, Sept. 1843, S. 194. Mit Abbildungen auf Tab. III. Armstrong, über einen hydroelektrischen Apparat. Folgenden Bericht über einen unter meiner Oberaufsicht vor Kurzem construirten elektrischen Dampfkessel und die damit angestellten Versuche schike ich Ihnen zu, nicht nur weil Sie vor Kurzem mit so gutem Erfolg Untersuchungen über die DampfelektricitätSie sind im polytechnischen Journal Bd. LXXXVIII S. 226 mitgetheilt. angestellt haben, sondern weil die Resultate meiner Versuche geeignet sind, einige Ihrer Ansichten hinsichtlich der Natur und der Identität der verschiedenen Arten der Elektricität näher zu erklären und zu bestätigen. Die mächtigen Wirkungen, welche ich im vergangenen Herbst von dem damals angewandten elektrischen DampfkesselMan vergl. polyt. Journal Bd. LXXXVII S. 459. erhielt, veranlaßten mich zu dem Antrage, daß ein großer derartiger von verbesserter Construction für das polyt. Institut in London angefertigt werden solle. Es wurde so beschlossen; der Apparat, welchen ich in Zukunft Ihrer Theorie zufolge hydroelektrische Maschine nennen werde, wurde vor Kurzem fertig und wird bald an den Ort seiner Bestimmung kommen, wo er, wie ich hoffe, bei geeigneten Vorrichtungen zur Fortschaffung des entladenen Dampfes eben so gut wirken wird, wie in freier Luft. Ich will nun eine allgemeine Idee von der Beschaffenheit des Apparats zu geben versuchen und dann seine Wirkungen besprechen. Der Dampfkessel ist ein Cylinder aus gewalztem Eisenblech von 3 Fuß 6 Zoll Durchmesser und 6 Fuß 6 Zoll Länge, den Rauchkasten abgerechnet, welcher eine Verlängerung des Cylinders bildet, womit seine Gesammtlänge 7 Fuß 6 Zoll beträgt. Der Feuerraum ist innerhalb des Kessels und die erhizte Luft wird mittelst Röhren durch das Wasser in diesen Rauchkasten geleitet, welcher mit einem Kamin in Verbindung steht. Der Apparat ruht 3 Fuß hoch vom Boden auf 6 starken Säulen von dunkelgrünem Glase, und ist dadurch gehörig isolirt; der Dampf wird durch 46 Mündungsstüke strahlenförmig ausgelassen, zu welchen allen er durch eine eiserne Condensationsröhre geleitet wird, worin sich durch die Kälte der äußern Luft die geeignete Menge mit dem Dampf auszustoßenden Wassers absezt. Fig. 17 stellt ein solches Mündungsstük vor. Es besteht aus einer messingenen Hülse, in welcher ein cylindrisches Stük Heisteriaholz stekt, durch welches ein ⅛ Zoll im Durchmesser weites, rundes Loch gebohrt ist, in das der Dampf durch eine Oeffnung eintritt, wie ich sie früher schon genau beschrieben habe (polytechnisches Journal Bd. LXXXVII S. 459). Die eigenthümliche Gestalt dieser Oeffnung scheint dadurch zu wirken, daß sie dem Dampfe das Bestreben mittheilt, sich beim Eintreten in die Holzröhre kelchförmig auszubreiten, wodurch die Wassertheilchen, welche er mit fortreißt, mit der reibenden Fläche des Holzes kräftig zusammentreffen. Diese Erklärung ist keine bloße Muthmaßung mehr, denn ich finde daß, wenn Wasser mit starkem Druk durch eine solche Oeffnung getrieben wird, es in der Gestalt wie Fig. 18 auseinander getrieben wird. Der Dampf strömt gegen eine Reihe mit dem Boden communicirender Metallspizen aus, durch welche seine Elektricität weggeleitet und ihr Zurüktreten in den Kessel verhindert wird. Diese Spizen werden sehr nahe an die Dampfstrahlen gebracht bei Versuchen, wo eine große Quantität Elektricität erforderlich ist, ohne daß die Funken sehr lang sind; beabsichtigt man aber hohe Spannung, so werden sie 3–4 Fuß weit von den den Dampf auslassenden Oeffnungen entfernt. Als Beispiel, mit welcher Kraft diese Maschine Flaschen ladet, diene, daß mein Freund, Capitän Ibbetson, einer der Directoren des polytechnischen Instituts zu London, eine große Leidner Flasche mitbrachte, welche bei Versuchen mit der kolossalen Scheibenmaschine des Instituts sich in der Minute fünfzigmal von selbst entlud, während sie an den Dampfkessel gebracht, in derselben Zeit 140 solche Entladungen gab. Die Funken, welche dieser Dampfkessel gibt, stehen, obschon sie manchmal 22 Zoll Laͤnge erreichen, doch durchaus in keinem Verhältniß zu seinen übrigen Wirkungen. Seine größte Kraft entwikelt er, wenn die Elektricität bloß als Strom ohne alle Nebenableitung von ihm abgeleitet wird; die Resultate welche ich auf diese Weise erhalten habe, werden Ihr Interesse in hohem Grade erregen. Die elektrochemische Zersezung des Wassers, bisher durch Reibungselektricität noch niemals unzweideutig erreicht, wurde mittelst dieser Maschine höchst deutlich und entschieden bewirkt. Ich will nun ein Experiment beschreiben, bei welchem diese interessante Erscheinung zugleich mit andern erhalten wurde. Zehn kleine Weingläser wurden, wie Fig. 19 zeigt, aufgestellt und in jedes ein gleiches Maaß einer der folgenden zehn Flüssigkeiten geschüttet. Nr. 1. Destillirtes Wasser. Nr. 2. Destillirtes Wasser. Nr. 3. Destillirtes Wasser, mit 1/6 seines Volums Schwefelsaͤure angesaͤuert. Nr. 4. Destillirtes Wasser, mit 1/6 seines Volums Schwefelsaͤure angesaͤuert. Nr. 5. Aufloͤsung von schwefelsaurem Natron, mit angesaͤuertem Lakmus geroͤthet. Nr. 6. Aufloͤsung von schwefelsaurem Natron, mit Lakmus geblaͤut. Nr. 7. Loͤsung von schwefelsaurer Bittererde, mit angesaͤuertem Lakmus geroͤthet. Nr. 8. Aufloͤsung von schwefelsaurer Bittererde, mit Lakmus geblaͤut. Nr. 9. Destillirtes Wasser, mit angesaͤuertem Lakmus geroͤthet. Nr. 10. Destillirtes Wasser, mit Lakmus geblaͤut. Eine Glasröhre, welche an einem Ende einen Platindraht umschloß, der ¼ Zoll tief in die Röhre hinabreichte, wurde in jedes Glas gestellt, nachdem eine Portion der in dasselbe gehörenden Flüssigkeit eingegossen worden war. Die Röhren waren alle von gleicher Größe, nämlich 3½ Zoll lang und innerlich 1/6 Zoll weit. Der Platindraht der ersten Röhre wurde mit dem Dampfkessel, der der lezten mit einer bleiernen Röhre verbunden, die in einen nahen Brunnen überging. Die Drähte der übrigen Röhren waren paarweis und abwechselnd zwei Gläser durch befeuchtete Baumwolle verbunden, wie dieß die Figur zeigt. Unter diesen Umständen mußten natürlich die Röhren in den Gläsern 1, 3, 7 und 9 negative und die übrigen positive Pole enthalten. Wurde der Apparat nun in Gang gesezt, so erhob sich sogleich ein Strom kleiner Blasen von allen Drähten und man wurde sogleich gewahr, daß das in den Röhren, welche die negativen Pole enthielten, angesammelte Gas genau zweimal so viel Raum einnahm, als das von den positiven Polen entwikelte. Nach Verlauf von 2 bis 3 Minuten wurde die rothe Flüssigkeit in Nr. 9 (Wasser mit geröthetem Lakmus) rings um den Draht in der Röhre blau, wahrend die blaue Flüssigkeit in Nr. 10, mit Lakmus gebläutes Wasser, in gleichem Grade geröthet worden war. Bei fortwährendem Processe erfolgte eine solche Veränderung auch in den Gläsern Nr. 5 und 6, welche die Glaubersalzlösungen, und in denjenigen Nr. 7 und 8, welche die Bittersalzlösungen enthielten; doch war der Uebergang von Blau zu Roth und von Roth zu Blau in diesen Gefäßen bei weitem nicht so rasch wie in 9 und 10, wo doch kein Salz zugegen war, welches durch seine Zersezung eine Säure am einen und ein Alkali am andern Pol abgibt. Sobald der Druk im Dampfkessel von 75 Pfd. auf 40 Pfd. per Quadratzoll vermindert war, wurde der Dampf abgesperrt, bis der frühere Druk wieder erreicht war, wo dann der Apparat wieder in Gang gesezt wurde; durch mehrmaliges Wiederholen dieser Operation erhielt ich in allen Röhren welche die negativen Drähte enthielten, so viel Gas, daß es beinahe einen Zoll ihres obern Theils einnahm, und halb so viel dem Raume nach in den die positiven Drähte enthaltenden Röhren. Als das Experiment beendet war, war die Umwandlung des Roth in Blau in Nr. 9 und des Blau in Roth in Nr. 10 vollkommen geschehen und hatte sich der ganzen Flüssigkeit sowohl in den Gläsern als in den darin befindlichen Röhren mitgetheilt. In den übrigen Glaubersalz- und Bittersalzlösungen enthaltenden Gläsern war die Farbenveränderung ebenfalls bedeutend, doch bei weitem nicht so stark wie in 9 und 10, obwohl beim Beginn des Experiments die Quantität der färbenden Substanz in allen Gläsern dieselbe war. Die Mengen, in welchen sich die Gase von den beiden Polen entwikelt hatten, waren allein schon hinreichend, um anzudeuten, daß sie einerseits Wasserstoff, andererseits Sauerstoff waren; es bedarf daher kaum der Erwähnung, daß sie sich bei der Prüfung als solche verhielten. Einen Unterschied in der Quantität desselben in verschiedenen Röhren aufgesammelten Gases konnte ich nicht bemerken und durch eine kleine Unterbrechung des Leitungsdrahtes, so daß die Elektricität in kurzen Funken, statt in gleichmäßigem Strom überging, schien die Zersezung weder beschleunigt noch aufgehalten zu werden. Die gesammte Zeit, während welcher der Apparat in Gang war und diese Wirkungen hervorbrachte, betrug etwa 1¼ Stunde; wenn ich mich aber sehr enger Röhren bediente und kleine Mengen Flüssigkeit anwandte, konnte ich eben so entscheidende Resultate in 8 bis 10 Minuten erhalten. Bei einem solchen Versuch beobachtete ich auch, daß wenn der elektrische Strom durch zwei Glasgefäße geleitet wurde, die reines Wasser enthielten und durch feuchte Baumwolle mit einander communicirten, das Wasser in dem den negativen Pol enthaltenden Gefäße über seine ursprüngliche Höhe stieg, in dem Glas mit dem positiven Pol aber sich unter dieselbe senkte, was die Ueberführung von Wasser in der Richtung eines vom positiven zum negativen Pole gehenden Stromes beweist. Die nähere Untersuchung dieser Erscheinung führte mich zu einem sehr unerwarteten und merkwürdigen Resultat. Zwei Weingläser N und P, Fig. 20, wurden beinahe bis zum Rand mit destillirtem Wasser angefüllt, etwa 4/10 Zoll aus einander gestellt und mit einander durch einen angefeuchteten Seidenfaden in Communication gesezt, welcher lang genug war, daß ein Theil desselben in jedem Glas noch mehrere Windungen machen konnte, wie die Figur zeigt. Der negative, oder mit dem Dampfkessel in Verbindung stehende Draht wurde in das Glas N (welches ich das negative Glas nenne) gestekt und der positive, mit dem Boden communicirende Draht in das Glas P (das positive) gebracht. Als nun der Apparat in Gang gesezt wurde, zeigten sich folgende sonderbare Erscheinungen. 1) Es bildete sich augenbliklich zwischen den zwei Gläsern eine, den Seidenfaden in ihrer Mitte einschließende, dünne Wassersäule und der Seidenfaden begann sich von dem negativen Pol gegen den positiven hin zu bewegen und war bald ganz übergezogen und in dem positiven Glas abgesezt. 2) Die Wassersäule erhielt sich hierauf noch ein paar Secunden zwischen den Gläsern schwebend wie zuvor, jedoch ohne den Faden als Stüze zu haben; als sie brach, ging die Elektricität in Funken über. 3) Wenn ein Ende des Seidenfadens am negativen Glas fest gemacht wurde, so verminderte sich das Wasser im positiven Glas und nahm im negativen zu — ein deutlicher Beweis, daß die Bewegung des Fadens, wenn sie frei war, in der dem Wasserstrom entgegengesezten Richtung statt fand. 4) Als ich einige Staubtheilchen auf die Wasserfläche streute, bemerkte ich bald durch ihre Bewegungen, daß zwei entgegengesezte und zwar concentrische Strömungen zwischen den Gläsern stattfanden; der innere Strom ging vom negativen zum positiven, und der äußere vom positiven zum negativen Pol. Der äußere Strom, oder das was ich als solchen betrachte, wurde manchmal nicht in das negative Glas hineingeleitet, sondern tropfte außen am positiven Glase herab; das Wasser, statt sich wie vorher im negativen Glase anzusammeln, verminderte sich in diesem Falle in lezterem sowohl als im positiven Glase. 5) Nach vielen fruchtlosen Versuchen gelang es mir endlich, das Wasser ohne Vermittlung des Fadens einige Minuten lang zwischen den beiden Gläsern überzuleiten; nach Verlauf dieser Zeit konnte ich nicht finden, daß eine wesentliche Veränderung in der Quantität des in jedem Glase enthaltenen Wassers stattgefunden habe. Die beiden Ströme schienen sonach beinahe oder ganz gleich zu seyn, wenn der innere nicht durch die Reibung mit dem Faden zurükgehalten wurde. Ich bemerke noch, daß zum Gelingen des Experiments das Wasser in den Gläsern nothwendig ganz rein seyn muß. Die geringste Verunreinigung machte das Wasser auf dem Faden kochen, statt in der beschriebenen Weise zwischen den Gläsern übergehen und sobald der Faden troken wurde, zerstörte ihn die durch den elektrischen Strom hervorgebrachte Hize. Um des Erfolges gewiß zu seyn, mußte ein aus gläsernen Gefäßen destillirtes Wasser angewandt werden. Unter mehreren andern elektrochemischen Wirkungen dieses Apparats verdient das Ueberziehen einer kleinen Silbermünze mit Kupfer Erwähnung; dieselbe wurde an einem, den negativen Pol in einer Auflösung von schwefelsaurem Kupfer bildenden Platindraht befestigt; jedoch war ein lang fortgeseztes Wirken des Apparats erforderlich, um dieß zu bewerkstelligen. Auch verdient die Zersezung von Jodkalium erwähnt zu werden, welche so stark war, daß ein Weinglas voll der Lösung bei Zusaz von Stärkmehl und ein paar Tropfen Salzsäure in kurzer Zeit tiefblau gefärbt wurde. Ohne Salzsäure wurde die Mischung in der Regel statt blau, bernsteingelb gefärbt. Eine Magnetnadel, welche zwischen den Windungen eines sechzehnmal gewundenen multiplicirenden Drahts an einem Seidenfaden aufgehangen und deren Erdmagnetismus auf gewöhnliche Weise durch eine zweite Nadel neutralisirt worden war, wurde, wenn man den Strom durch den Draht Passiren ließ, sogleich abgelenkt und zwischen Winkeln von 20 bis 30° in Oscillation erhalten. Wurde der Strom umgekehrt, so fand die Ablenkung in entgegengesezter Richtung statt, gerade so, wie es auch mit der Volta'schen Elektricität der Fall gewesen wäre. In einem Cylinder aus weichem Eisen von 9 Zoll Länge und 1 Zoll Durchmesser, welcher mit etwa 80 Fuß Kupferdraht umwikelt, mit Baumwolle überzogen und dik überfirnißt war, wurde hinreichend Magnetismus erregt, um auf eine in seine Nähe gebrachte Compaßnadel auffallend einzuwirken. Fig. 21 zeigt wie dieses Experiment angestellt wurde. A ist die Stange weichen Eisens mit dem darum gewundenen Kupferdraht und B die auf einer Spize sich drehende Compaßnadel, welche mit einem ihrer Pole 2 Zoll weit von dem nächsten Ende der Eisenstange entfernt angebracht war. Ließ man den Strom durch den Draht passiren, so bewegte sich die Nadel um 5° gegen die Stange hin, und wenn der Strom aufhörte, kehrte sie in ihre ursprüngliche Stellung zurük. Wurde hinwiederum die Richtung des Stroms umgekehrt, so wurde die Nadel um 3½° zurükgestoßen, was einen Abstand der beiden Endpunkte von 8½° ausmacht. Schließlich muß ich mich noch gegen die mir zugeschriebene Ansicht verwahren, als erzeuge sich die Elektricität durch den Uebergang des Wassers in den luftförmigen Zustand. Ich habe schon lange die Meinung festgehalten, daß das Ausstoßen einer gewissen Menge Wassers in Verbindung mit dem Dampf eine starke Entwikelung von Elektricität wesentlich bedingt, so wie auch, daß die Wirkung sehr von der Beschaffenheit und Gestalt der auslassenden Mündung abhängt; auf diesen Grundsäzen fußend, experimentirte ich über ein Jahr lang, was mich in den Stand sezte, meinen Apparat auf seinen jezigen Grad von Wirksamkeit zu bringen. Meine Ansichten hierüber finden sich in zwei Abhandlungen (polytechn. Journal Bd. LXXXIII S. 271 und Bd. LXXXVII S. 459) niedergelegt; in beiden Abhandlungen aber sprach ich meine Zweifel aus, als wäre Reibung die ausschließliche Ursache der Elektricitäts-Erregung. Diese sind jezt wenigstens in der Hauptsache durch Ihre meisterhafte Untersuchung dieses Gegenstandes gelöst.

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