Titel: Unterscheidung der Wolle und Seide durch die Lösung des Bleioxyds in äzenden Alkalien; von J. L. Lassaigne.
Fundstelle: Band 90, Jahrgang 1843, Nr. LXIV., S. 295
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LXIV. Unterscheidung der Wolle und Seide durch die Loͤsung des Bleioxyds in aͤzenden Alkalien; von J. L. Lassaigne. Aus dem Journal de Chimie médicale. Okt. 1843, S. 562. Lassaigne, über Unterscheidung der Wolle und Seide. Man weiß schon lange, daß mehrere ihrer chemischen Natur nach den Bart- und Haupthaaren und hornartigen Excretionen entsprechende, epidermatische Gebilde sich in Berührung mit Lösungen von Bleioxyd in Kalk, Kali oder Natron mehr oder weniger dunkel braun färben. Diese durch Bildung von Schwefelblei auf Kosten des in diesen animalischen Substanzen enthaltenen Schwefels entstehende Färbung wurde zur Darstellung gewisser weicher oder flüssiger cosmetischer Präparate angewandt, deren man sich zum Schwärzen der Haare, Schnurr- und Bakenbärte bedient. Bei Untersuchung der Einwirkung des bleisauren Natrons (der Auflösung des Bleioxyds in Aeznatron) auf mehrere stikstoffhaltige organische Substanzen und Gewebe fand ich, daß einige derselben Schwefel enthalten und folglich durch besagte Flüssigkeit ebenfalls braun oder schwarz gefärbt wurden. Die stikstoffhaltigen thierischen Gebilde zerfallen hienach in zwei Reihen; es werden nämlich durch das bleisaure Natron bei gewöhnlicher Temperatur braun gefaͤrbt: nicht braun gefaͤrbt: Fibrin (Faserstoff, vorzuͤglich des Bluts) Harnstoff Albumin (Eiweißstoff) Seide Casein (Kaͤsestoff) Harnsaͤure Gluten (Klebr) Epidermis (Oberhaut) der menschlichen Haut Allantoïssaͤure Knochenparenchym Naͤgel Fischleim Horn Blaͤttrige Gallerte Hornhaut Elfenbein Schleimhaut Knochen Faser-(Muskel-)Haut Entomadermis oder Huͤllensubstanz der Insecten. Wolle Pferdehaare Blonde und rothe Haare Barthaare (Koͤrperhaare) Federn. Das Nichtgefärbtwerden der rohen oder gesponnenen Seide durch das bleisaure Natron veranlaßte mich, dieses Reagens zur Erkennung und Unterscheidung der Seide in weißen und selbst auch in gefärbten Wollenzeugen zu benüzen. Den gefärbten Wollenzeugen muß jedoch vorher ihre Farbe durch aufeinander folgendes Eintauchen in alkalische und saure Flüssigkeiten größtentheils entzogen werden. Benezt man ein aus Wolle und Seide gemischtes Gewebe mit obiger Flüssigkeit, so werden die Wollenfäden schon bei 12° R. immer mehr braun; nach einer halben Stunde, oder auch in kürzerer Zeit, wenn der befeuchtete Zeug der Sonne ausgesezt wurde, ist die Wirkung schon sichtbar und alle Wollenfäden sind chocoladebraun gefärbt; die weiß gebliebenen Seidenfäden, welche oft den Einschlag des Zeuges bilden, können dann leicht unterschieden und gezählt werden. Man kann auch ein vorher schon mit Salpetersäure geprüftes und dadurch gelbgefärbtes Gewebe noch auf diese Weise prüfen; in diesem Falle behält nur die Seide ihre gelbe Farbe bei, welche ins Orangegelbe übergeht, während die gelbgefärbte Wolle nach und nach braun wird, wie die weiße. Bei der Anwendung des bleisauren Natrons darf man jedoch nicht auf die Gegenwart von Seide schließen, ohne einen zweiten Versuch mit demselben Zeuge anzustellen, um zu sehen, ob die vom bleisauren Natron nicht gefärbten Faden von Salpetersäure gelb gefärbt werden, was sie von Baumwoll- und Leinenfäden unterscheidet, welche durch beide Reagentien keine Veränderung erleiden. Die Darstellung des bleisauren Natrons ist leicht. Man läßt 10 Gewichtstheile feingeriebener Bleiglätte eine halbe Stunde in 100 Theilen Aeznatronlösung von 15° Baumé kochen, ersezt hierauf das verdampfte Wasser durch destillirtes Wasser und filtrirt die Flüssigkeit von der überschüssig angewandten Bleiglätte ab. Diese farblose Flüssigkeit wird, um den Zutritt der zersezend darauf einwirkenden Luft abzuhalten, wohlverstopft aufbewahrt.