Titel: Ueber eine einfache Methode Baumwollfäden in Leinengeweben nachzuweisen; von Dr. Rud. Böttger.
Fundstelle: Band 90, Jahrgang 1843, Nr. LXXX., S. 362
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LXXX. Ueber eine einfache Methode Baumwollfaͤden in Leinengeweben nachzuweisen; von Dr. Rud. Boͤttger. Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie. Septbr. 1843, S. 329. Böttger, über eine einfache Methode Baumwollfäden in Leinengeweben nachzuweisen. In Bezug auf die leichte Erkennung und Nachweisung der Baumwollfäden in Leinengeweben hat man in der neuesten Zeit vielfache Versuche angestellt; allein alle zur Zeit bekannt gewordenen Methoden tragen zu sehr den Stempel der Unvollkommenheit an sich, als daß sie verdienten empfohlen zu werden, ja die meisten sind so mangelhaft und unpraktisch, dabei der Gegenstand von solcher Wichtigkeit, daß man sich sogar von Seiten größerer technischer Vereine veranlaßt gesehen, Preise für die Beantwortung der Frage: „gibt es ein wirklich untrügliches Mittel, Baumwollfäden in Leinengeweben zu erkennen und mit Leichtigkeit nachzuweisen?“ auszusezen. Da ich nun selbst schon mehrfach, sowohl von Privatpersonen wie von Handlungshäusern ersucht worden bin, diesem Gegenstand meine Aufmerksamkeit ebenfalls zuzuwenden und mir es auch schon im eigenen Interesse bei etwaigem Ankauf von Leinwand von Wichtigkeit schien, ein einfaches Mittel kennen zu lernen, um ächte Leinwand von unächter, d. h. von absichtlich mit Baumwolle versezter zu unterscheiden, so habe ich mir es angelegen seyn lassen, hierauf bezügliche Versuche anzustellen, die endlich nach lange vergeblichem Suchen und Probiren zu einem ganz erwünschten Resultate geführt haben. Ich werde nämlich sogleich nachweisen, daß man in der That die Leinenfaser von der Baumwollfaser, obgleich beide ihrer chemischen Constitution nach ganz identisch sind, unter Mitanwendung eines einfachen chemischen Mittels durch den bloßen Augenschein zu unterscheiden im Stande ist. Die bisher vorzugsweise in den technischen und chemischen Journalen angepriesenen und empfohlenen Mittel zur Erreichung des hier in Rede stehenden Zwekes bestanden in folgenden: man solle das zu prüfende Gewebe mit einer sehr gesättigten Auflösung von Zuker und Kochsalz tränken, es troken werden lassen und alsdann die bloßgelegten sogenannten Einschuß- und Kettenfäden anbrennen. Diejenigen Fäden, die nach dieser Procedur mit einer grauen Farbe verkohlten, seyen Leinenfäden, diejenigen aber, die mit einer schwarzen Farbe verkohlten, Baumwollfäden. Ich habe diese Angabe einer sehr sorgfältigen Prüfung unterworfen und dabei die empfohlenen Mittel in den mannichfaltigsten Mischungsverhältnissen in Anwendung gebracht, aber nie ein unzweideutiges Resultat hervorgehen sehen; die Probe stellte sich als so überaus mangelhaft und unsicher heraus, daß das Verfahren gänzlich zu verwerfen ist. Ein anderes nicht minder angerühmtes und wie verlautet von dem Karlsruher Gewerbvereine mit einem Preise gekröntes Mittel zur Erkennung einer Baumwollenmischung in Leinengeweben soll folgendes seyn: man schneide von dem zu prüfenden Gewebe ein kleines vierekiges Stükchen ab, streife an den Kanten auf der Ketten- und Einschußseite einige Fäden aus und suche die darin enthaltene Appretur durch Brühen mit siedendem Wasser, mit Seifenwasser oder alkalischer Lauge zu beseitigen. Hierauf bringe man das so vorgerichtete, mit einem Tuche hinlänglich getroknete Stükchen Zeug in eine ungefähr ½ Zoll weite Glasröhre, welche man langsam durch Umdrehen über einer Weingeistlampe so lange erhizt, bis der zu prüfende Gegenstand stark strohgelb erscheint. Weil die Körper durch die Wärme ausgedehnt werden, so sollen sich beim Einflüsse derselben die durch das Spinnen etwas verdrehten Fasern des Flachses und Hanfes streken und ihre natürliche und gerade Richtung wieder einnehmen, sie sollen sich fester aneinander legen, wodurch zugleich der Faden dünner erscheine und sein Glanz vermehrt werde; die Fasern der Baumwolle dagegen, die ungleichmäßig zusammengedrükt und vielfach hin- und hergewunden seyen, verdrehten sich bei besagter Erwärmung noch mehr, so daß dieselben, besonders so weit sie aus dem Gewebe hervorständen, merklich diker und wolliger würden. — Auch dieses Verfahren habe ich bei sorgfältiger und genauer Prüfung keineswegs als zwekdienlich erkannt und mit mir gewiß Alle, die nach diesen Angaben gearbeitet haben. Selbst eine auf mikroskopischem Wege angestellte Analyse befriedigt in dieser Beziehung keineswegs, wie man bisher allgemein anzunehmen geneigt war, denn abgesehen davon, daß es selbst für den, der mit mikroskopischen Untersuchungen wohl umzugehen weiß, in der That schwer hält, mit völliger Gewißheit einen Unterschied zwischen der Leinenfaser und der Baumwollfaser anzugeben und zu constatiren, so sezt ein Versuch der Art immer eine so große Vertrautheit mit jenem etwas complicirten Apparat und dabei einen Scharfblik des Experimentators voraus, daß billigerweise ein größeres Publicum davon wohl zu dispensiren seyn dürfte. Mit Erkennung der Thierfaser auf mikroskopischem Wege verhält es sich dagegen ganz anders; diese weicht nämlich in ihrer ganzen Structur zu auffallend von der Pflanzenfaser ab, als daß sie nicht sogleich, selbst von in mikroskopischen Untersuchungen weniger Geübten mittelst jenes Apparats sollte erkannt werden. Aber auch auf chemischem Wege läßt sich dieser Unterschied bekanntlich sehr leicht, besonders durch Anwendung von Salpetersäure, recht augenfällig nachweisen, indem Thierwolle, wie überhaupt fast alle Thierstoffe, durch Einwirkung von Salpetersäure mehr oder weniger stark dauernd gelb gefärbt werden, während Baumwolle, selbst bei längerer Einwirkung, von dieser Säure wenig oder gar nicht gelb gefärbt wird. Erhizt man nämlich ein kleines Stük mit Baumwolle verseztes Wollengewebe nur einige wenige Minuten mit Salpetersäure, spült dasselbe mit Wasser ab, troknet es zwischen Fließpapier aus, so erkennt man ganz deutlich die Baumwollfäden an der weißen, die Wollfäden an der gelben Farbe. Eine ähnliche Reaction suchte ich nun auch bei einem Gemisch von Baumwolle und Leinen zuwege zu bringen. Salpetersäure war hier natürlich nicht an ihrem Orte; Aezkalilösung von gewöhnlicher Concentration (d. h. 1 Theil Kalihydrat auf 6 bis 8 Theile Wasser), deßgleichen hundert andere von mir in Anwendung gebrachte Salzlösungen und Säuren gaben ebenfalls nie ein völlig genügendes Resultat, obwohl ich bei diesen Versuchen vorläufig schon erkannte, daß das Aezkali vor allen geeignet seyn möchte, dem gesuchten Ziele nahe zu kommen, denn es schien mir bisweilen, als ob die Holzfaser der Baumwolle unter gewissen Bedingungen ein etwas anderes Verhalten zum Kali zeige, als die Holzfaser des Leinen. Nach einem solchen vorläufigen Anhaltpunkte richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Concentrationsgrade der Kalilauge, und fand endlich, daß eine aus gleichen Gewichtstheilen Kalihydrat und Wasser bestehende Lösung in der Siedhize die Leinenfaser ziemlich stark gelb färbt, während die Baumwolle fast ungefärbt bleibt, oder doch nur so wenig gelb gefärbt erscheint, daß man ohne die mindeste Täuschung schon mit unbewaffnetem Auge beide recht wohl zu unterscheiden im Stande ist, so zwar, daß man von jedem einzelnen Faden in dem zu prüfenden Gewebe genau Rechenschaft zu geben vermag. Zu dem Ende bringe man ein etwa 1 Quadratzoll großes Stük von der zu prüfenden Leinwand in eine bereits im heftigsten Sieben befindliche Mischung von gleichen Gewichtstheilen Kalihydrat und Wasser, lasse es hier zwei Minuten lang liegen, nehme es hierauf mit einem Glasstäbchen aus der Silber- oder Porzellanschale heraus, drüke es oberflächlich, ohne es zuvor mit Wasser auszuwaschen, leicht zwischen doppelt zusammengelegtem weißem Fließpapier aus, und zupfe nun sowohl auf der Ketten- als Einschußseite ungefähr 6 bis 10 Fäden nach und nach aus. Hier erkennt man dann auf der Stelle, welche Fäden aus Baumwolle und welche aus Leinen bestehen; die dunkelgelben sind nämlich die Leinen-, die weißen oder hellgelben die Baumwollfäden. Es versteht sich von selbst, daß diese (nie fehlschlagende) von einem Jeden überaus leicht auszuführende Probe nur anwendbar ist für weiße Gewebe, nicht aber für farbige.