Titel: Ueber die Verwahrung der Winterkleidung gegen den Mottenfraß.
Fundstelle: Band 90, Jahrgang 1843, Nr. LXXXV., S. 378
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LXXXV. Ueber die Verwahrung der Winterkleidung gegen den Mottenfraß. (Aus den Mittheilungen des Vereins zur Ermunt. des Gewerbgeistes in Boͤhmen, August 1843, S. 489.) Ueber die Verwahrung der Winterkleider gegen den Mottenfraß. In unserm Klima sind warme Winterkleider nicht nur Gegenstände des Luxus, sondern auch des Bedürfnisses. Kostbares Pelzwerk können freilich nur reiche Damen besizen, allein auch in diesen Artikeln gibt es so viele Abstufungen des Werthes, daß die minder Bemittelten darauf nicht zu verzichten brauchen. Die Industrie liefert aber auch warme Wollstoffe, aus denen Kleidungsstüke verfertigt werden, die nur in der strengen Jahrszeit in Gebrauch kommen. Kaum verbreitet die Frühlingssonne eine wärmere Temperatur, so werden sie gegen leichtere vertauscht, und sind von dieser Zeit an durch den ganzen Sommer hindurch eine Lokspeise für die Motten. Wie schwer es ist diese ungebetene Gäste von den Garderoben entfernt zu halten, weiß man in jeder Haushaltung, und bei dem fleißigsten Lüften und Klopfen entdekt man nicht selten an solchen kostbaren Kleidungsstüken Spuren des Schabenfraßes. Es ist ein äußerst unangenehmes Gefühl, an seinen Kleidern solche Beschädigungen wahrzunehmen. Das Vergnügen, was man daran gehabt, ist verleidet, und um den unangenehmen Eindruk, den der Anblik derselben verursacht, zu beseitigen, werden selbe gewöhnlich mit großem Verlust veräußert. Man war von jeher auf Mittel bedacht, die Motten von jenen Gegenständen entfernt zu halten, die ihren Verheerungen ausgesezt sind. Die Anzahl derselben ist sehr bedeutend, denn außer dem Pelzwerk und den Kleidern aus Wollstoffen nisten sie sich auch gerne in Möbeln ein, die mit Pferd- oder andern Haaren ausgepolstert sind, besonders wenn selbe in einem sogenannten Prunkzimmer stehen, das selten betreten wird; in Federbetten, Matrazen und Kutschen, die nie oder doch selten in Gebrauch kommen; ja selbst zu den kostbaren ausgestopften vierfüßigen Thieren und Vögelbälgen der Naturaliensammlungen, die in Glasschränken verwahrt werden, wissen sie durchzudringen, und verderben manche Exemplare, ungeachtet schon bei der Zubereitung derselben auf die Abhaltung der Motten Bedacht genommen wird. Wie wenig Vertrauen überhaupt die theils in größern naturgeschichtlichen Werken, theils in kleinen Drukschriften angegebenen Mittel verdienen, hat der Verfasser dieser Zeilen erfahren, als er mit den vorzüglichsten derselben praktische VersucheFinden sich in einer kleinen Schrift: nichtskostende verlaͤßliche Mottenvertilgung etc. Prag, bei Haase Soͤhne, ausfuͤhrlich beschrieben. in der Absicht vornahm, das verläßlichste und anwendbarste derselben auszumitteln. Die meisten dieser Mittel verbreiten einen starken unangenehmen Geruch, daher man sie in die Classe der Abhaltungsmittel versezen muß. Abhaltungsmittel können aber nur gegen Mottenschmetterlinge wirken, weil die Mottenraupen gegen diese Gerüche wenig empfindlich sind, und wenn sie es wären, die Gegenstände, auf welchen sie sich befinden, doch nicht verlassen würden, man müßte denn andere ihnen zusagende Stoffe in ihre unmittelbare Nähe bringen, auf welche sich die unangenehmen Gerüche nicht verbreitet hätten, was offenbar nicht möglich ist. Aber selbst wenn es möglich wäre, würde der Erfolg noch sehr zweifelhaft seyn, weil die Mottenraupen sehr träger Natur sind, und sich von dem Orte, wo sie aus dem Ei sich entwikelt haben, nicht weit entfernen. Nur wenn sie zur Verpuppung reif sind und ihren Appetit für immer verloren haben, entfernen sich einige Gattungen, um sich in der nächsten Umgebung einen Plaz zu dieser Verwandlung zu suchen. Allein auch gegen Mottenschmetterlinge ist die Wirkung stark riechender Kräuter und anderer Ingredienzien so ungewiß, daß man niemanden rathen kann, seine Garderobe u. dgl. dadurch vor den Motten gesichert zu halten. Man will durch solche Mittel erzweken, daß die Mottenschmetterlinge, die ihre Eier nur an solchen Gegenständen absezen, auf welchen die jungen Schaben ihre Nahrung finden, irre geleitet werden. Offenbar hat man vorausgesezt, daß die Geruchsorgane dieser Insecten auf dieselbe Weise afficirt werden, wie die des Menschen, was mir nicht erwiesen zu seyn scheint. Allein diese Analogie zugegeben, folgt daraus noch nicht, daß der Instinct der Mottenschmetterlinge durch sie allein geleitet werde, da im Gegentheil durch genaue Beobachtung ihre Empfindlichkeit gegen das Licht außer Zweifel gesezt, und wahrgenommen wird, daß die weiblichen Schmetterlinge die Stelle, wo sie ihre Eier zurüklassen wollen, mit den Füßen und mit dem Hinterleib nach verschiedenen Richtungen betasten. Man kann ihnen sonach weder den Seh- noch weniger den Tastsinn absprechen, daher sie sich auch ungeachtet eines fremdartigen Geruchs nach einigem Umherschwärmen stets auf den rechten Stoffen niederlassen, und nun durch die Berührung belehrt werden, daß ihre Nachkommenschaft hier Nahrung finden werde. Ich will aus meiner erwähnten Schrift nur ein Beispiel anführen, wie wenig ein übler Geruch zur Verscheuchung der Mottenschmetterlinge beiträgt. Drei mit Haaren gefüllte Kissen, auf deren jedem sich zwei Mottenschmetterlinge befanden (in dieser Lebensperiode findet man sie gewöhnlich paarweise beisammen) wurden auf einige eben vorher mit Terpenthinöhl reichlich besprengte Bögen Papier gestellt, und nur wenige Schritte davon befanden sich andere ganz geruchlose solche Kissen, auf welche sie sehr leicht gelangen konnten, allein sie waren am andern Tage noch alle auf den erstern, und schienen vom Terpenthingeruch wenig incommodirt worden zu seyn. Außer solchen stark riechenden Abhaltungsmitteln hat man besonders beim Pelzwerk Salz und Alaun als diejenigen Gerbestoffe empfohlen, durch welche die Motten abgehalten würden. Bei den Fellen vierfüßiger Thiere und bei den Vögelbälgen, welche für Naturaliensammlungen präparirt werden, hat man sogar starke Gifte, wie Arsenik und Queksilberpräcipitat, angewendet. Diese Mittel gehören offenbar in die Classe der Vertilgungsmittel, weil sie die Schmetterlinge nicht hindern ihre Eier daran abzusezen, sondern die jungen Schaben tödten sollen, sobald sie solche Felle und Bälge benagen. Ob der Erfolg aber ein ganz verläßlicher sey, muß ich aus nachstehenden Gründen bezweifeln. Es ist bekannt, daß alle farbigen Tücher und alle Wollstoffe dem Mottenfraß so gut ausgesezt sind, als ungefärbte. Manche Naturforscher wollen zwar die Bemerkung gemacht haben, daß die Motten hei melirten Tüchern in ihre Futterale mehr weiße als gefärbte Tuchfasern einweben. Gibt man aber Tuchstreifen von verschiedenen Farben und auch ungefärbte in ein Glas, und bringt einige Motten darauf, so wird man sich bald überzeugen, daß sie keinen dieser Streifen verschmähen, denn bei ihrer Durchsichtigkeit erkennt man gleich, auf welchem sie ihre Mahlzeit gehalten haben. Erwägt man nun die verschiedenen Beizen, denen die Tücher bei der Färbung unterworfen werden, und die Farbestoffe selbst, so muß man diesen Insecten jedenfalls die Fähigkeit zugestehen, ohne Nachtheil für ihr Leben mit den Haaren solche fremdartige oft äzende Stoffe in sich aufzunehmen. Wie weit diese Fähigkeit sich erstrekt, habe ich bei meinen Versuchen auf sehr auffallende Weise erfahren. Auf Tuchstreifen, die vorher in Salz oder Alaunwasser geweicht, oder mit diesen zwei Mineralien reichlich bestreut und eingerieben worden, kamen junge Motten ganz gut fort, und verwandelten sich zu Puppen und Schmetterlingen. Selbst weißes Queksilberpräcipitat, womit ebenfalls Tuchstreifen eingerieben oder mit einer Auflösung befeuchtet worden, brachte keine tödtliche Wirkung hervor. Ein Irrthum konnte dabei nicht statt haben, da die Versuche in Gläsern gemacht wurden, wo nur diese Tuchstreifen allein ihnen zu Gebote standen. Als ich nach 24 Stunden bemerkte, daß alle drei zu diesem Versuch verwendeten Motten sich gesättigt hatten, erwartete ich ihren Tod, allein sie lebten fort, überwinterten, und verwandelten sich im nächsten Frühjahr in Puppen und Schmetterlinge. Wie konnte aber bei solcher Unwirksamkeit dieser und ähnlicher Mittel dennoch eine günstige Meinung davon entstehen? Man braucht eben keine absichtliche Täuschung anzunehmen, um darüber eine wahrscheinliche Erklärung abzugeben. Pelzwaaren, wollene Stoffe und neue Kleidungsstüke werden gewöhnlich sorgfältig aufbewahrt, daher die Motten so leicht nicht dazu gelangen. Man mag also diesen Mitteln bisweilen die gute Erhaltung zugeschrieben haben, die man durch eine sorgfältige Verwahrung in den ersten Jahren in so weit erzielt hatte, daß wenigstens keine bedeutenden Beschädigungen vorkamen. Gelingt es aber einmal einem Schmetterling, was bei aller Vorsicht nicht zu vermeiden ist, seine Eier darauf abzusezen, so werden die gewöhnlichen Mittel ihrer Vermehrung sicher nicht Einhalt thun. Eben so wenig leistet von nun an die bisherige Aufbewahrungsart, die in mancher Hinsicht das Gedeihen dieser Insecten begünstigt. Von dem Grundsaze ausgehend, daß Wärme die Entwiklung organischer Wesen begünstige, Kühle sie aber verzögere, war man besonders darauf bedacht, Waarenlager und Garderoben an den kühlsten Orten zu unterbringen. Obwohl solche Localitäten wärmeren vorzuziehen sind, haben sie doch das Einnisten der Motten nicht im geringsten verhindert, weil selbe nur eine geringe Temperatur zu ihrem Gedeihen benöthigen. Diese Bemerkung mußte sich schon einer oberflächlichen Beobachtung aufdringen, und es daher befremden, daß man nicht untersucht hat, welchen Wärmegrad sie vertragen können. Denn die Wärme begünstigt die Lebensfunctionen der Thiere und Pflanzen nur in gewissen Graden, über welche sie, je nach den Gattungseigenschaften derselben, nicht steigen darf, wenn sie nicht schädlich, ja tödtlich wirken soll. So ist auch die Kälte manchen Gattungen unschädlich, ja selbst zuträglich. Und gerade die Mottenraupen im allgemeinen sowohl, als besonders die Kleidermotten gehören zu jenen Insecten, denen die Kälte durchaus unschädlich ist, die aber nach meinen vielfachen Versuchen von einem hohen Wärmegrade (30° R.) getödtet werden. Diesen Wärmegrad weisen freilich meteorologische Beobachtungen nur selten nach, weil sie in den höhern Luftschichten gemacht werden. Die Vertilgung der Motten nimmt man aber auf dem Boden vor, wo sich an warmen wolkenlosen Sommertagen die größte Wärme entwikelt, besonders wenn die Pläze von 9–4 Uhr den Sonnenstrahlen ausgesezt, gepflastert und gegen die Nord- und Ostseite durch Mauern geschüzt sind, wodurch die Sonnenstrahlen mehr concentrirt werden. Gewöhnlich stellen sich schon im Monate Mai einige Tage ein, wo das Reaumur'sche Thermometer in der Sonne auf 30° steigt. In den Monaten Junius, Julius und August ist die Zahl dieser Tage fortwährend im Zunehmen, und die Sonne macht das Queksilber oft bis auf den 40sten Grad steigen. Selbst im September sind solche Tage keine seltene Erscheinung, und man hat daher hinlänglich Zeit, jene Gegenstände, welche von den Motten angegriffen worden, zu reinigen. Man muß sich aber vorher durch ein Thermometer überzeugen, daß die Wärme wenigstens auf 30° R. stehe, weil das bloße Gefühl leicht täuschen könnte. Bei dieser Sonnenhize werden nicht allein die Mottenraupen getödtet, sondern auch die Eier dieser Insecten unfruchtbar gemacht, wie ich durch verläßliche Versuche ermittelt habe. Mir war an diesem leztern Theil meiner Entdekung um so mehr gelegen, weil mir die Anhänger an den alten Grundsaz, durch Kühle ihrer Vermehrung entgegen zu wirken, die Ein wendung gemacht hatten, daß zwar die lebenden Mottenraupen durch die Sonnenhize getödtet würden, dafür aber die Ausbrütung der Eier befördert werden könnte. Allerdings kriechen die jungen Schaben bei einer Temperatur von 20–24° R. früher, nämlich schon am siebenten Tage aus, allein sie kommen auch bei 11–12° in gleicher Anzahl zum Vorschein, nur daß sie zu ihrer Entwiklung 12–13 Tage länger brauchen. Diese niedrige Temperatur wird man aber in den Waarenmagazinen und Garderoben nur im Frühjahr erhalten, im Sommer aber nicht hindern können, daß eine Wärme von 13–14° eindringt. Da man überdieß die Fensterläden und andere Oeffnungen sorgfältig verschlossen halten muß, wenn sie nicht noch höher steigen soll, so wird diesen Insecten dadurch nicht nur ein angemessener Wärmegrad, sondern auch jene Dunkelheit zu Theil, die sie als Nachtfalter lieben, so wie ihnen auch die dadurch begünstigte Feuchte der Luft vorzüglich zusagt. Man kann daher von der bisherigen Art, Kleidungsstüke und Waaren nur in den kühlen Morgenstunden an die Luft zu bringen, sonst aber in dunklen Behältnissen zu verwahren, mit Recht behaupten, daß sie die Vermehrung der Motten mehr begünstigt als gehindert habe. Die Entdekung, daß in einer Wärme von 30° R. die Mottenraupen getödtet, die Eier aber unfruchtbar werden, gibt ein bequemes leicht anwendbares Vertilgungsmittel an die Hand, das mit keinen Kosten verbunden und von radicaler Wirkung ist. Nur darf man die Reinigung nicht zwischen Gebäuden, auf Gängen u. dgl. vornehmen, wo nur eine Seite die Sonne, die gegenüberliegende aber Schatten hat, und die Feuchte der Luft unterhält, wodurch die Wirkung der Sonnenwärme geschwächt wird. Die weitern Beobachtungen können in meiner angeführten Broschüre nachgelesen werden. Wenn die Wärme 34–35° R. beträgt, so ist eine Stunde zur Tödtung der Mottenraupen und Vertroknung der Motteneier hinreichend. In so kurzer Zeit dürften daher selbst farbige Stoffe keinen besondern Nachtheil erleiden; wäre aber die Farbe von der Art, daß sie schon im Verlauf einer Stunde abschießen könnte, so wäre die Ofenwärme anzuwenden, die bei gleicher Höhe dieselbe Wirkung hervorbringt, nur ist dabei eine Zugabe von Zeit rathsam. Noch muß ich eine merkwürdige Erscheinung anführen, die sich bei allen Versuchen gleich blieb, daß nämlich der Abgang von ein oder zwei Wärmegraden durch eine längere Zeitdauer nicht ausgeglichen wird. Bei 28° R. halten die Mottenraupen mehrere Stunden in der Sonne ohne Nachtheil aus, obwohl sie sehr unruhig werden, bei 30° höchstens eine Stunde, und so tödtet sie jeder höhere Wärmegrad in bedeutend kürzerer Zeit. Bei 35° bedarf es nur einige Minuten. Die Haare, unter welchen sie verstekt sind, schüzen sie eben so wenig, als ihre Futterale oder Hülsen, die Angst treibt sie heraus; aber auch jene, die unter den Haaren bleiben, kommen sicher um. Ist das Pelzwerk gut ausgearbeitet, so werden die Sonnenstrahlen keine bedeutende Veränderung hervorbringen, während jenes, das schlecht ausgefleischt und nur nothdürftig gar gemacht worden, zwar etwas steif und spröde wird, an den gewöhnlichen Verwahrungsorten aber den frühern Grad von Geschmeidigkeit bald wieder erlangt. Auf die Erhaltung der Haare ist die Einwirkung der Sonne eher nüzlich als schädlich. Das Ausfallen derselben muß ganz andern Ursachen zugeschrieben werden, die außerhalb des Bereichs dieses Aufsazes liegen. Prag, im Julius 1843. G. Wastel.