Titel: Ueber einen Luftballon aus gewalztem Kupfer; von Hrn. Marey-Monge.
Fundstelle: Band 92, Jahrgang 1844, Nr. XXXIX., S. 138
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XXXIX. Ueber einen Luftballon aus gewalztem Kupfer; von Hrn. Marey-Monge. Aus den Comptes rendus, Maͤrz 1844, Nr. 11. Marey-Monge, über einen Luftballon aus gewalztem Kupfer. Betrachtet man die Luftschifffahrt in ihrem weitesten Sinn, wonach sie dieselben Dienste leisten müßte wie die Marine, so stoßt man auf tausend Schwierigkeiten, welche nach der Theorie keineswegs als unüberwindlich zu betrachten sind. Es fragt sich vor allem: aus welchem Stoff muß ein Luftballon verfertigt werden, damit er wie unsere Schiffe dem Wechsel der Witterung in den verschiedenen Jahreszeiten während eines zehn- bis fünfzehnjährigen Aufenthalts in der Atmosphäre zu widerstehen vermag? Damit die Luftschifffahrt wirklich Nuzen gewähren kann, muß vor allem diese Schwierigkeit besiegt werden. Nun bieten aber die Seide, die Goldschlägerhäutchen, kurz alle Gewebe und Häute keineswegs hinreichenden Widerstand dar. Unter den Metallen scheint vermöge seiner Dichtigkeit, seiner Biegsamkeit im Zustand von Blech und seiner Zähigkeit, das Kupfer zu diesem Zwek am besten sich zu eignen. Ein Jesuit, der Pater Lana (1670) und Guyton-Morveau (1784) erklärten schon, daß es möglich sey, einen Luftballon aus Metall zu verfertigen; es handelt sich also darum, diese Idee zu realisiren und das Verhalten des Kupfers bei dieser Anwendung zu untersuchen. Zuerst wollen wir die Vortheile auseinandersezen, welche überhaupt ein Luftballon aus Metall gewährt: 1) Wenn man aus der unteren und oberen Oeffnung eines solchen Ballons Gas entweichen läßt, um ihn steigen und sinken zu lassen, so kann er sein Volum nicht ändern, ohne daß das Metall Schaden leiden würde: es ist also nöthig, bei einem solchen Ballon das Volum unveränderlich zu erhalten; 2) die Unveränderlichkeit des Volums läßt sich aber während des Steigens und Sinkens nur dadurch erzielen, daß man das Auslassen von Gas durch die untere und obere Oeffnung vermeidet; der Druk in seinem Innern darf folglich niemals 1 Atmosphäre überschreiten. Diese neue Art Luftschifffahrt nenne ich solche mit Niederdruk, wie man die Dampfmaschinen Niederdrukmaschinen nennt, wenn ihr Druk 2 Atmosphären nicht überschreitet. Luftschifffahrt mit Niederdruk. Für die Luftschifffahrt mit Niederdruk sind folgende drei Probleme zu lösen: 1) Welche Höhe kann ein Ballon von bestimmtem Inhalt und gegebener Metallstärke erreichen, ohne zu bersten? 2) Welche Stärke muß der metallene Ballon für eine bestimmte Höhe und einen bestimmten Inhalt haben? 3) Wenn diese Höhe bekannt ist, wie groß ist die Steigkraft des bloßen Ballons, d.h. das Gewicht, womit man ihn belasten kann? Ich habe in der ausführlichen Abhandlung, welche ich über diesen Gegenstand der Akademie der Wissenschaften einreichte, zwei aeronautische Formeln aufgestellt, woraus sich, wenn die Höhe des Ballons nach dem Thermometer, Barometer und Manometer im Augenblik wo er geschlossen wird, bekannt ist, die Steigkraft, der innere Druk und die Höhe, welche der Ballon in einem gegebenen Augenblik erreicht, berechnen lassen, nämlich nach der Höhe, welche das Thermometer und Barometer in diesem Augenblik anzeigen. Ich zeigte in jener Abhandlung, wie der Luftschiffer diese Formeln anzuwenden hat, welche Vortheile die Luftschifffahrt mit Niederdruk im Vergleich mit der gewöhnlichen darbietet, indem man den Luftballon mit Niederdruk lediglich durch die eintretenden Temperatur-Veränderungen steigen und sinken lassen kann. Ich gehe nun auf die Construction des Ballons über. Ich verfertige ein kugelförmiges Gerippe von 10 Meter Durchmesser, welches sich um seine horizontale Achse dreht; die Blechstreifen, welche nach einem Modell aus Gyps zugeschnitten sind, werden auf dem Gerippe aneinander gelöthet, in dem Maaße als es sich dreht; nach Vollendung des Ballons ziehe ich das Holz dieses Gerippes durch eine Oeffnung von 1 1/2 Meter heraus und treibe während dieser Operation mittelst eines Ventilators Luft in den Ballon, um ihn in gehörigem Zustande zu erhalten. Dann lasse ich den Ballon auf 2 Meter Entfernung von der Erde steigen und ihn hierauf in der Luft um ein Viertel sich umdrehen, so daß die horizontale Achse vertical wird; ich umgebe den mit Luft erfüllten Ballon dann mit einem kugelförmigen Nez, welches ich an den Wänden des Atelier wohl befestige und lasse ihn in demselben sinken und auffliegen. Einen solchen Ballon, womit Hr. Dupuis-Delcourt nächstens eine Luftfahrt machen soll, kann man gegenwärtig in meinem Atelier (zu Paris, impasse du Maine No. 10) in seinem Nez 2 Meter über der Erde schwebend sehen. Um ihn mit Gas zu füllen, werde ich das Verfahren von Guyton-Morveau anwenden, nämlich oben durch eine Röhre Wasserstoffgas hineinleiten und die austretende Luft in einem Meßballon auffangen, dessen Volum in einem bekannten Verhältniß mit ersterem steht. Wenn alle Luft ausgetreten ist, muß der Ballon mit Wasserstoffgas gefüllt und zum Aufsteigen bereit seyn. Ich habe diesen Versuch im Kleinen angestellt, indem ich einen Ballon aus Goldschlägerhäutchen von 1 Meter Durchmesser nach diesem Verfahren füllte; nachdem ich bestimmt hatte, wie viel er trug, entleerte ich ihn und füllte ihn neuerdings nach dem gewöhnlichen Verfahren, indem ich nämlich das Wasserstoffgas direct in den Ballon leitete; er trug in beiden Fällen genau dasselbe Gewicht; das in ihm enthaltene Gas ist folglich in beiden Fällen gleich rein. Der Ballon wiegt 400,00 Kil. Das Wasserstoffgas, welches er enthaͤlt (da der Inhalt des     Ballons 523,6 Kubikmeter ist und der Kubikmeter Gas     0,1 Kilogr. wiegt)   52,36  – ––––––––– Summe 452,36 Kil. Die 523,6 Kubikmeter Luft wiegen (der Kubikmeter 1,3 Kil) 680,68 Kil. Zieht man obige 452,36 Kil. ab 452,36  – –––––––– So bleibt als Differenz oder Steigkraft des bloßen      Ballons 223,32 Kil. Das Schiffchen, das Nez und der Aeronaut wiegen 130,00  – ––––––––– Es bleiben folglich netto fuͤr Steigkraft   98,32 Kil.