Titel: Resultate einiger Versuche über Unverbrennlichmachung von Zeugen; von Karmarsch.
Fundstelle: Band 93, Jahrgang 1844, Nr. XCVIII., S. 383
Download: XML
XCVIII. Resultate einiger Versuche uͤber Unverbrennlichmachung von Zeugen; von Karmarsch. Aus den Mittheilungen des Gewerbe-Vereins für Hannover, 1844, S. 524. Karmarsch's Versuche über Unverbrennlichmachung von Zeugen. Diese Versuche gewähren dadurch ein besonderes Interesse, daß sie vor 5 1/2 Jahren angestellt wurden und daher bei der jezt wiederholten Untersuchung der Proben auch Gelegenheit gaben, den Einfluß der angewendeten Mittel auf die Gewebe selbst zu beurtheilen. Die der Zubereitung unterworfenen Stoffe waren folgende: a) ganz grobe ungebleichte Leinwand; b) grobe gebleichte Leinwand; c) die beiden vorstehenden Leinwandsorten mit Kleister auf einander geklebt; d) mittelfeine weiße Leinwand; e) Kattun, sowohl weiß als gedrukt; f) weißer Musselin; g) gewöhnliches Conceptpapier; h) weißes und hellblaues (aus blauen Lumpen fabricirtes) Pakpapier; i) weißes Drukpapier. Die zur Zubereitung angewendeten Flüssigkeiten betreffend, muß vor Allem bemerkt werden, daß die Versuche größtentheils darauf ausgingen, einen feinen Niederschlag von schwefelsaurem Kalk mit den Stoffen zu verbinden oder in ihren Poren abzulagern, weil das Resultat der chemischen Prüfung französischer Proben auf diesen Weg zu weisen schien. Mit Rüksicht auf jenen Zwek war demnach in der Regel die Anwendung zweier Flüssigkeiten nothwendig. Der Stoff wurde zuerst in der einen Flüssigkeit einige Stunden lang eingeweicht, dann schwach ausgerungen und nun für kurze Zeit in die zweite Flüssigkeit gebracht, endlich wieder schwach ausgerungen und getroknet. – Die eine der Flüssigkeiten bestand in der Regel aus salzsaurem Kalk (einer starken Auflösung von Chlorcalcium), zuweilen auch aus Kreide- oder Kalkmilch (in Wasser zu einer Milch aufgeschlämmtem Kreidepulver oder gebranntem Kalk); die andere bestand aus verdünnter Schwefelsäure (aus 60 Th. Wasser und 1 Th. engl. Schwefelsäure gemischt) oder aus einer starken Auflösung eines schwefelsauren Salzes, nämlich Alaun, schwefelsaurem Eisenoxyd, Glaubersalz. – Im Besondern wurden folgende Zubereitungen versucht: 1) Salzsaurer Kalk, dann Glaubersalz. – Sämmtliche Stoffe brannten unverändert mit Flamme, als ob sie gar keine Zubereitung erlitten hätten. 2) Salzsaurer Kalk, dann schwefelsaures Eisen. – Eben so wirkungslos. 3) Salzsaurer Kalk, dann Alaun. – Eben so. 4) Kreidemilch, dann verdünnte Schwefelsäure. – Gleichfalls ohne allen Erfolg. 5) Verdünnte Schwefelsäure, dann Kreide- oder Kalkmilch. – Eben so. 6) Glaubersalz, dann salzsaurer Kalk. – Die grobe weiße Leinwand (b) vergrößert zwar die Lichtflamme, in welche sie gehalten wird, ein wenig, brennt aber dann, aus der Flamme gezogen, nicht fort, sondern verkohlt nur unter theilweisem, dunklem, jedoch lange anhaltendem Glimmen, welches nicht über die angebrannte Stelle hinaus fortschreitet. Ein größeres Stük, in ein Holzfeuer gelegt, verhält sich anfangs völlig eben so, bricht aber zulezt in etwas stärkere Flammen aus, die jedoch bei der Entfernung aus dem Feuer in wenigen Augenbliken verloschen. – Kattun (e) verhält sich in der Kerzenflamme und im Holzfeuer wesentlich der Leinwand gleich, flammt nur etwas mehr, glimmt dagegen nach dem Herausziehen weniger lange fort. Die Farben des gedrukten Kattuns sind durch die Zubereitung stark beschädigt. – Musselin (f) zeigt, so lange er in das Licht gehalten wird oder im Feuer liegt, einige Flamme, Hort aber beim Herausziehen fast augenbliklich nicht nur zu brennen, sondern sogar zu glimmen auf. Umhüllt man die Kerzenflamme mit einem beutelartig darüber gestülpten Stük Musselin, so dringt keine Spur der Flamme durch, und der Stoff verkohlt nur, ohne zu glimmen. 7) Schwefelsaures Eisenoxyd, dann salzsaurer Kalk. Die grobe Leinwand (a und b) vergrößert die Kerzenflamme, zeigt aber – daraus entfernt – sogleich nur mehr ein (ziemlich lebhaftes) Glimmen. Im Holzfeuer entflammt sie und brennt dann auch außerhalb desselben noch eine Weile fort, worauf ihre fernere Zerstörung sich auf das Glimmen beschränkt. Doch ist das flammende Brennen weit geringer, als bei unzubereiteter Leinwand. – Die doppelte Leinwand (c) verhält sich ähnlich wie die einfache, abgesehen von der geringern Brennbarkeit, welche eine natürliche Folge der größern Dike ist. – Die feinere Leinwand (d) vergrößert die Lichtflamme, zeigt aber alsdann außerhalb derselben kein Brennen, sondern nur mehr ein schnell vergehendes, nicht fortschreitendes Glimmen. Im Holzfeuer liegend flammt sie zwar, allein nach dem Herausziehen hört die Flamme augenbliklich und sehr bald auch das Glimmen auf. – Ziemlich eben so verhält sich der Kattun (e), nur daß er, aus dem Feuer gezogen, zuweilen noch ein paar Augenblike fortfährt zu flammen. Die Farben des gedrukten Stükes haben durch die Zubereitung sehr stark gelitten. – Der Musselin (f) verhält sich in allen Beziehungen jenem gleich, welcher die unter Nr. 6 angeführte Zubereitung empfangen hat. – Sämmtliche Stoffe sind durch die Zubereitung und Aufbewahrung in erheblichem Grade mürbe geworden. 8) Alaun, dann salzsaurer Kalk. – Mittelfeine Leinwand (d), Kattun (e) und Musselin (f), auf diese Weise zubereitet, zeigen dieselbe Verminderung der Brennbarkeit, wie unter Nr. 6 und 7 angegeben wurde, sind aber sämmtlich sehr mürbe geworden, so wie die Farben des gedrukten Kattuns bedeutend Schaden gelitten haben. – Das Drukpapier (i) verhält sich dem Musselin ähnlich; man kann damit die Kerzenflamme umhüllen, ohne daß diese durchdringt oder das Papier entglimmt. Eine bedeutende Schwächung des Papiers offenbart sich aber nicht. 9) Verdünnte Schwefelsäure, dann salzsaurer Kalk. – Die grobe ungebleichte Leinwand (a) vergrößert die Kerzenflamme, hört aber beim Entfernen aus derselben schnell auf zu flammen, und glimmt zwar eine Weile fort, jedoch nicht über die angebrannte Stelle hinaus. Im Holzfeuer entzündet und herausgezogen, fährt sie eine kurze Zeit fort Flamme zu zeigen, dann aber tritt bloßes Glimmen ein, welches ebenfalls nicht weiter um sich greift. – Kattun (e) und Musselin (f) bieten dieselben Erscheinungen dar, welche schon unter Nr. 7 beschrieben wurden. Die Farben der gedrukten Proben sind zum Theil fast zerstört. – Das Pakpapier (h) brennt mit Flamme, so lange es in das Licht gehalten wird; beim herausziehen erlischt die Flamme fast sogleich, und das kurzdauernde Glimmen greift nicht um sich. Das Holzfeuer bringt ein größeres Papierstük zum starken Flammen, welches auch noch nach dem Herausziehen eine Weile fortwährt, aber doch nicht leicht die unangebrannten Theile ergreift. – Sowohl die Zeuge als auch das Papier sind sehr mürbe geworben. 10) Verdünnte Schwefelsäure, dann ein Gemisch von salzsaurem Kalk und Kalkmilch. – Kattun (e) und Musselin (f) vergrößern die Kerzenflamme wenig, und flammen, aus derselben entfernt, gar nicht mehr, hören sogar fast augenbliklich auf zu glimmen. Musselin, um die Lichtflamme gehüllt, verhält sich wie unter Nr. 6 beschrieben. – Die Festigkeit der Stoffe hat nicht bemerkenswerth gelitten. 11) Verdünnte Schwefelsäure allein. – Die Tränkung damit, selbst durch 18 Stunden fortgesezt, vermindert die Brennbarkeit der Stoffe gar nicht. 12) Saurer phosphorsaurer Kalk. Zur Bereitung desselben wurden 15 Pfd. Wasser mit 1 1/2 Pfd. Knochenasche angerührt und mit 1 1/4 Pfd. engl. Schwefelsäure versezt; das Gemenge blieb 24 Stunden unter öfterem Umrühren stehen; endlich wurde die klare Flüssigkeit vom Bodensaze abgezogen und lezterer noch ausgepreßt. – Die grobe ungebleichte Leinwand (a) vergrößerte die Lichtflamme wenig und zeigte schon im Augenblike nach dem Herausziehen aus derselben weder Flamme noch Glimmen, sondern erschien nur angekohlt. Ein größeres Stük ins Holzfeuer gelegt, flammte stärker, und auch nach dem Herausnehmen spielte darauf noch einige Secunden lang eine schwache grünliche Flamme herum; aber ein Glimmen zeigte sich hier eben so wenig. – Kattun (e) und Musselin (f) verhielten sich auf gleiche Weise; nicht minder die drei Papiergattungen (g, h, i). Aber alle diese zubereiteten Fabricate wurden im äußersten Grade mürbe, fast alles Zusammenhangs beraubt gefunden. Als Endresultat aus dem Angeführten möchte sich ergeben: 1) daß die Imprägnirung der Stoffe mit schwefelsaurem Kalk, welcher in ihnen selbst als äußerst feiner Niederschlag erzeugt wird, allerdings die Entzündlichkeit und Verbrennlichkeit in sehr bedeutendem Grade verringert; 2) daß dieser Erfolg jedoch nur dann erreicht wird, wenn man die Tränkung mit verdünnter Schwefelsäure oder einem schwefelsauren Salze vorausgehen und das Einlegen in ein Kalisalz folgen läßt; nicht beim umgekehrten Verfahren; 3) daß diese Zubereitungen im Allgemeinen mehr oder weniger eine Schwächung der Stoffe, namentlich bei längerer Aufbewahrung, zur Folge haben; 4) daß verdünnte Schwefelsäure für sich allein die Verbrennlichkeit nicht vermindert; 5) daß saurer phosphorsaurer Kalk zwar eine ganz vorzügliche Wirkung in Betreff der erzeugten Unverbrennlichkeit hat, aber die Festigkeit der Stoffe gänzlich zerstört 6) daß alle angeführten Zubereitungen nicht auf gefärbte und gedrukte Waare anwendbar sind, mit Ausnahme einiger wenigen, ganz ächten Farben.