Titel: Anstellung der Indigo-Waidküpe mit Runkelrübenzukersyrup statt des Krapps; von B. Neumann in Görlitz.
Fundstelle: Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XXVIII., S. 159
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XXVIII. Anstellung der Indigo-Waidküpe mit Runkelrübenzukersyrup statt des Krapps; von B. Neumann in Görlitz. Aus den Verhandlungen des Vereins für Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1844, 3te Lieferung, S. 127. Neumann's Anstellung der Indigo-Waidküpe mit Runkelrübenzukersyrup statt des Krapps. Bekanntlich wird der Krapp, oder die Färberröthe, bei Führung der Indigo-Waidküpe in der Wollenfärberei als Zusaz zur Beförderung der Gährung, durch welche der Indigo in der Waidküpe aufgelöst wird, gebraucht. Statt des theuern Krapps kann Runkelrübensyrup mit gleicher Wirkung angewendet werden, und da der Runkelrübensyrup nach dem Verhältniß, in welchem er quantitativ statt des Krapps zuzusezen ist, bedeutend wohlfeiler zu stehen kommt, als lezterer, so gewährt die Anwendung desselben dem Färber eine wesentliche Ersparung an den Auslagen. Der Centner Krapp kostet nach jezigen Preisen 16 1/2 Thlr., der Centner Runkelrübensyrup 1 1/2 Thlr. Bei jeder Verwendung oder jedem Zusaz von 8 Pfd. Indigo sind bekanntlich 4 Pfd. Krapp (oder 6 Pfd. Röthe) erforderlich. Diese werden durch 8 Pfd. Runkelrübensyrup vollständig vertreten. Die Führung der Küpe geschieht wie gewöhnlich folgendermaßen: eine Küpe hat in der Regel 7 1/2 Fuß Tiefe und 6 Fuß Weite; diese wird mit Flußwasser gefüllt, derselben 100 Pfd. guter Waid, 12 Pfd. Potasche, 4 Pfd. Weizenkleie und 5 Pfd. zu troknem Pulver gelöschter Kalk hinzugethan, bis zu 30° R. unter mehrmaligem Umrühren mit einer Farbenkrüke, zum Zwek gleichmäßiger Erwärmung der Flüssigkeit, erhizt und ihr alsdann 8 Pfd. zart geriebener und geschlämmter Indigo nebst 10 Pfd. Runkelrübensyrup hinzugegeben, und die Temperatur bis zu 55 und 60° R. unter mehrmaligem Umrühren erhöht. Die Flotte (Küpenlauge) hat jezt ein blaues Ansehen, rohen Geruch, und wenn man mit einer Kelle daraus schöpft und die Flüssigkeit wieder in die Küpe laufen läßt, so wird sich der Schaum (Blume) mit einem zischenden Geräusch wieder auf der Oberfläche verlieren. Nun wird die Küpe zugedekt, man läßt sie 10–12 Stunden ruhig stehen und rührt sie alsdann wieder auf. Findet man, was gewöhnlich jezt der Fall ist, daß sich die vorher blaue Flotte in eine etwas olivengrüne verwandelt, der Geruch derselben süßlich, der früher weiße Schaum hellblau geworden ist, auch von der Oberfläche nicht mehr verschwindet, sondern stehen bleibt, so ist dieß ein sicheres Zeichen, daß der erste Grad der Gährung eingetreten und somit der Anfang der Auslösung des Indigo's begonnen hat. In diesem Falle wird nach einer Stunde mit einem Stahl (d.h. mit einem hineingehängten Stükchen Tuch, welches sich eine halbe Stunde in derselben befinden muß) untersucht, inwieweit die Gährung vorgeschritten ist. Hat dieser Stahl beim Herausnehmen eine grünliche Farbe, die sich in einer Minute in eine hellblaue verwandelt, so ist es Zeit, der Küpe unter Aufrühren eine Portion Kalt von etwa 4 Pfd. zuzusezen, und damit von 3 zu 3 Stunden so lange fortzufahren, bis der Stahl, der in jenen Zwischenräumen immer wieder gesezt worden ist, eine grasgrüne Farbe angenommen hat, die sich nach mehreren Minuten in ein schönes dunkles Kornblumenblau umwandelt. Die Farbe der Flotte hat sich nach und nach in eine gelbe verändert, der Geruch ist stechend und schärfer geworden, die Oberfläche derselben hat sich mit einer glänzenden kupferfarbigen Haut überzogen, auf welcher man dunkelblaue Blumen und unter derselben ein Gewebe von sich unter einander schlängelnden blauen Adern bemerkt. – Sollte es sich bei dem Sezen des Stahls zeigen, daß z.B. der vierte nur so dunkel oder gar noch heller als der dritte ist, so ist man mit dem Schärfen der Küpe durch Kalk etwas zu rasch vorgeschritten, die Gährung ist dadurch unterbrochen worden und man muß mit dem Schärfen so lange innehalten, bis dieselbe wieder vorgeschritten ist. Erfahrene Färber bedürfen in der Regel dieses Leitungsmittels (des Stahls) nicht und basiren die Ansezung und die Führung der Küpe auf die Klärung der Küpenlauge beim Hinzusezen des Kalks, auf den sich immer mehr und mehr entwikelnden ammoniakalischen Geruch, aus dem man beurtheilt, ob die Küpe noch mehr Speise (Kalk) bedarf, ferner auf das Grünen der Lauge, welches man ebenfalls sehr gut aus den zulezt ablaufenden Tropfen nach dem Schöpfen und Wiederausgießen der Küpenlauge aus einer Kelle wahrnimmt, endlich auf die glänzenden blauen Luftblasen (Blumen), die sich auf der Oberfläche der Flotte bilden. Hat nun die Küpe jene Merkmale gezeigt, welche, wie oben erwähnt, durch den lezten Stahl hervorgingen, so ist sie zum Färben geschikt, während dessen sie nach Bedürfniß mit Kalk gespeist werden muß. Nachdem so viele wollene Gegenstände aus dieser Küpe gefärbt worden sind, daß die färbende Kraft der Küpenflüssigkeit abgenommen hat, ist es nothwendig derselben neuen Indigo zuzusezen, welches nach Verhältniß der vorhandenen zu färbenden Gegenstände geschieht. Angenommen nun, daß für eine abgeblaute (bereits gebrauchte) Waidküpe für den folgenden Tag vollkommene Beschäftigung vorhanden sey, so müßten ihr am Abend vorher wenigstens 6–8 Pfd. Indigo zugesezt werden (welches man das Verwärmen nennt, indem sie dabei wieder bis auf 50° R. erwärmt werden muß). Zur Beförderung der Gährung, welche die Auflösung des Indigo's herbeiführt, werden noch 8 Pfd. Runkelrübensyrup (statt 4 Pfd. Krapp) zugegeben. Wenn nun, wie oben gedacht, bei jedem Verwärmen zu 8 Pfd. Indigo statt 4 Pfd. Krapp zu 4 1/2 Sgr. 18 Sgr. – Pf. 8 Pfd. Runkelrübensyrup zu 5 Pf.   3 – 4 – angewendet werden können, so geht daraus hervor, daß bei einem gleichmäßigen Geschäftsbetrieb in einem Jahr, 300 Arbeitstage hindurch täglich 14 Sgr. 8 Pf., 146 Thlr. 20 Sgr. für jede Küpe erspart werden. Es kann eine mit Krapp oder Röthe angestellte Waidküpe wohl 3 Monate geführt werden, ohne daß man nöthig hat sie auszuleeren, was aber beim Gebrauch des Krapps wenigstens nach dieser Frist geschehen muß, indem der tägliche Zusaz fester Ingredienzien, wie Krapp, beim Verwärmen die Menge des Bodensazes häuft. Bei Anwendung des Runkelrübensyrups, welcher der Flüssigkeit nur Schleimtheile zuführt, anstatt des Krapps, kann dagegen die Küpe bis 5 Monate geführt werden, ehe man sie neu anzusezen nöthig hat.