Titel: Ueber Beförderung des Verdampfens von Flüssigkeiten; von J. P. Wagner.
Fundstelle: Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LXXVI., S. 292
Download: XML
LXXVI. Ueber Befoͤrderung des Verdampfens von Fluͤssigkeiten; von J. P. Wagner. Vortrag in der Gesellschaft zur Beförderung nüzlicher Künste etc. zu Frankfurt a. M. Wagner, über Beförderung des Verdampfens von Flüssigkeiten. Als mir bei Gelegenheit des Eindampfens einer Salzauflösung in einer Abrauchschale die Zeit zu lange währte, ergriff ich einen in der Nähe liegenden, noch nicht einen Fuß langen und etwa 1 1/2 Zoll weiten Glascylinder und hielt ihn aufrecht dicht über die Flüssigkeit, um zu versuchen, ob die Zeit dadurch abgekürzt werden könnte, und ich fand in der That meine Erwartung bestätigt. Durch den Umstand, daß sich Dampf im Innern des Glascylinders zu Wasser verdichtete, welcher in Tropfen wieder in die Abrauchschale zurükfloß, sah ich mich veranlaßt, auf eine Einrichtung zu denken, bei welcher dieß verhindert werden könnte. Dieß läßt sich nun mit folgender Einrichtung nicht nur erreichen, sondern man kann auch gleichzeitig destillirtes Wasser gewinnen. Man bedekt die Abrauchschale mit einem hölzernen Dekel, welcher auf der unteren Seite, nach dem Centrum hin, cannelirt und in der Mitte mit einer Oeffnung von circa 2 Zoll Weite versehen ist. In diese Oeffnung fügt man ein kurzes Stük Glasrohr oben und unten etwa 1/2 Zoll über dem Dekel vorstehend. Auf der oberen Seite des Dekels wird 1/8 Zoll Abstand von dem Glase eine kreisrunde Rinne angebracht und diese mit einer nach dem Rande des Dekels hinziehenden Rinne versehen. Auf den Dekel in die Rinne wird alsdann ein hoher Cylinder, von dem Durchmesser der Rinne, aufgesezt. Es kann dieser von Glas, Holz oder Metall seyn, nur erhält man bei lezterem mehr Wasser, welches sich in der Rinne sammelt und abfließt. Die Verdampfung erfolgt um so schneller, je höher der Cylinder angewandt wird. Bevor ich dieses Princip zur Anwendung im Großen, in geeigneter Weise vorschlagen zu dürfen glaubte, wollte ich Hrn. Münzwardein Rößler veranlassen, dasselbe beim Abdampfen der Kupfervitriollosung zu versuchen und fand nun zu meinem Vergnügen dasselbe bereits angewandt und zwar in folgender Weise: Die Pfannen, welche die erhizte Kupfervitriollösung enthalten, berühren mit ihren hinteren Seiten die senkrechte Wand, an welcher für jede Pfanne ein Canal befestigt ist, welcher mit seinem oberen Ende in den nahen Schornstein und mit dem unteren Ende in die Pfanne mündet. Sind die Pfannen gefüllt, so werden sie mit Brettern überdekt, und das Verdampfen erfolgt sehr rasch. Das Verdampfen oder vielmehr Verdunsten müßte unstreitig noch rascher von Statten gehen, wenn der Canal nicht im Schornstein endigte, sondern durch ein Rohr aus Metall oder Thon bis über den Schornstein hinaus in demselben verlängert würde. Eine noch wirksamere Vorrichtung muß folgende seyn: Befindet sich in der Nähe eine Feuerungsanlage, etwa Kesselfeuerung etc., so führe man das Dunstrohr nicht in den Schornstein über dem Feuer, sondern unter dasselbe, nämlich unter den Rost. Hiebei ist nöthig, daß der Feuerraum gut verschlossen sey, damit nur durch den Canal, welcher von den Pfannen zu demselben führt, Luft eindringen kann, welche zur Unterhaltung des Feuers erforderlich ist. Um diese Vorrichtungen sowohl unter sich, als auch überhaupt richtig zu würdigen, halte ich für geeignet, das physikalische Princip näher zu beleuchten. Wird eine Flüssigkeit, wie Wasser, Weingeist etc. bis zu ihrem Siedepunkt, d.h. bis zu dem Punkt, wo ihre Temperatur nicht mehr gesteigert werden kann, erhizt, so verwandelt sie sich durch Aufnahme einer bestimmten Wärmemenge in Dampf, welcher von der Atmosphäre aufgenommen wird. Bei diesem Act wird die Dampfbildung durch absichtliche Zuführung von Wärme bewirkt und sie entsteht alsdann an den Zuführungsstellen. In diesem Falle nun sagt man von der Flüssigkeit, sie verdampfe. Wird dagegen eine Flüssigkeit von niedrigerer Temperatur, als ihr Siedepunkt, der Luft unter gewöhnlichem Druk ausgesezt, so verschwindet sie ebenfalls, doch weit langsamer, und zwar in dem Verhältniß schneller, als die Temperatur der Flüssigkeit jene der Luft übersteigt. Das Verschwinden der Flüssigkeit auf diese Weise bezeichnet man als Verdunstung. Da die Luft auch in diesem Fall das Wasser nur als Dampf, d.h. in Verbindung mit 650° C. freier und gebundener Wärme aufnehmen kann, so ist die Gesammt-Wärmemenge in dem einen wie in dem anderen Fall die nämliche, welche das Wasser zum Verdampfen oder Verdunsten nöthig hat, nur sind die Anlässe für lezteres verschieden. Der Anlaß zum Verdunsten des Wassers etc. liegt nämlich einzig und allein nur in der Begierde der Luft, sich mit Wasserdämpfen zu sättigen. Diese Begierde der Luft ist natürlich um so größer, je weniger Wasser in Dampfform schon darin aufgelöst ist und verhält sich in dieser Beziehung ganz wie Wasser zu festen, aber auflöslichen Körpern, z.B. Zuker. Die ersten Antheile werden schnell, die nachfolgenden immer langsamer aufgelöst werden, endlich wird ein Punkt eintreten, wo gar keine Auflösung mehr stattfindet, und in diesem Falle sagt man, das Wasser sey mit Zuker gesättigt. Diese Sättigung des Wassers mit Zuker etc. ist aber, je nach seiner Temperatur, verschieden und erfordert eine um so größere Menge Zuker, je höher seine Temperatur ist; immer aber entspricht eine gewisse Menge einer gewissen Temperatur. Ganz ähnlich verhält sich nun die Luft; eine gegebene Menge derselben kann bei einer bestimmten Temperatur ebenfalls nur eine bestimmte Menge Wasser in sich aufnehmen, und diese beträgt für eine Decimal-Kubikruthe Luftraum bei 20. 19. 18. 17. 16. 15. 14. 13. 12. 11. 10.   9. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 1,5. 1,6. 1,8. 1,9. 2. 2,1. 2,3. 2,4. 2,6. 2,7. 2,9. 3,1.   8.   7.   6. 5.   4.   3.   2.   1.   0° C. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 3,3. 3,5. 3,7. 4. 4,2. 4,5. 4,8. 5,1. 5,4 Kubikzoll Wasser, bei +   1.   2.   3.   4.   5.   6.   7.   8.   9.   10.   11.   12. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 5,7. 6,1. 6,5. 6,9. 7,3. 7,7. 8,2. 8,7. 9,2. 9,7. 10,3. 10,9.   13.   14.   15.   16.   17.   18.   19.   20.   21.   22. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 11,6. 12,2. 13. 13,7. 14,5. 15,3. 16,2. 17,1. 18,1. 19,1.   23.   24.   25.   26.   27.   28.   29.   30. 31.   32. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 20,2. 21,3. 22,5. 23,8. 25,1. 26,4. 27,9. 29,4. 31. 32,6.   33.   34.   35.   36° C. ––––––––––––––––––––––– 34,4. 36,2. 38,1. 40,2. Kubikzoll. Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß der Sättigungsgrad der Luft nicht proportional mit ihrer Temperaturerhöhung, sondern weit rascher zunimmt. So nimmt Luft von – 20° auf – 19° gekommen nur 0,1 Kubikzoll mehr Wasser auf; von 0° auf + 1° erwärmt schon 0,3 Kubikzoll; von + 20 auf 21° 1 Kubikzoll; von + 35 auf 36° 2 Kubikzoll Wasser mehr als Dampf in sich auf. Ferner ersieht man aus dieser Tabelle, wie sehr man die Begierde einer bei niederer Temperatur schon mit Wasser gesättigten Luft noch steigern kann, wenn man ihre Temperatur erhöht; denn eine bei – 5° gesättigte Luft wird durch Erhöhung ihrer Temperatur auf + 14° fähig, noch zweimal so viel Wasser in sich aufzunehmen. Man ersieht hieraus wie troknend, d.h. wie begierig nach Wasser, die Luft im Winter in geheizten Räumen gemacht wird und wie nöthig es ist Wasser in bewohnten Zimmern aufzustellen, wiewohl nicht unmittelbar auf den geheizten Ofen, weil durch die hier in sehr hoher Temperatur gesättigte Luft für die Mitteltemperatur des Zimmers übersättigt, d.h. in einen Zustand versezt wird, wo sie nicht mehr im Stande ist alles Wasser in sich aufgelöst zu erhalten, sondern es wieder abgeben muß, wodurch die unteren kälteren Luftschichten sich als naß zeigen, und folglich die unteren Theile des Körpers stark abkühlen. Der Regen hat in diesem Vorgange seinen wesentlichsten Grund. Durch diese Eigenschaft der Luft sind wir nun in den Stand gesezt, Körper zu troknen, d.h. ihnen Wasser zu entziehen, gleichzeitig aber auch ihre Temperatur zu erniedrigen. Wie bekannt, troknet Wäsche etc. bei mäßigem Winde weit schneller, als bei ruhiger Luft, weil hier die gesättigte Luft von der nachfolgenden verdrängt wird; so wie Zuker auch weit schneller aufgelöst wird, wenn man ihn, in einem Trichter eingefüllt, mit Wasser fortwährend übergießt, weil das unten gesättigte abfließt, als wenn man ihn in dieselbe Menge Wasser bloß hineinwirft und ruhig liegen läßt. Was nun hier durch den Wind ohne weiteres Zuthun von selbst stattfindet, nämlich Luftwechsel, muß in dessen Ermangelung auf andere Weise erzielt werden. Hierzu gibt es zwei Mittel, ein mechanisches und ein thermisches. Das mechanische besteht in der Anwendung einer geeigneten Maschine, und als am meisten hierzu entsprechend hat sich der Ventilator erwiesen. Es wird derselbe in der Weise angewandt, daß die mit Wasser gesättigte Luft hinweg gesogen wird und dafür ungesättigte zuströmen kann. Während man durch mechanische Mittel im Stande ist, die Bewegung der Luft in beliebiger Richtung zu bewirken, so kann dagegen das thermische Mittel nur eine aufsteigende Bewegung einleiten, indem solches von einer anderen Eigenschaft der Luft abhängig ist, nämlich von ihrer Ausdehnung durch die Wärme. Um die aufsteigende Bewegung der Luft unter Einfluß der Wärme anschaulicher zu machen, will ich statt ihrer zunächst ein sichtbares Mittel, nämlich Wasser, wählen. Füllt man eine in Heberform gebogene Glasröhre mit Wasser, so daß die beiden aufrecht stehenden Schenkel gefüllt sind, ohne daß ein Ueberlaufen stattfindet, und erhizt hierauf den einen Schenkel, so wird bei diesem Wasser überfließen, bei dem anderen dagegen dasselbe tiefer sinken; läßt man das wärmere Wasser wieder erkalten, so wird sich dieses senken, das im anderen Schenkel dagegen steigen. Fragen wir nun nach der Ursache dieser Erscheinung, so finden wir sie in der Ausdehnung des Wassers durch die Wärme. Denken wir uns das Wasser aus überaus kleinen, ganz gleich großen, in Kugelgestalt bestehenden Theilchen, so wird jeder Schenkel nur eine bestimmte Anzahl derselben zu fassen vermögen; wir wollen diese Anzahl für jeden Schenkel auf Tausend sezen. Diese Theilchen besizen nun die Fähigkeit, Wärme in sich aufzunehmen und dadurch ihren Umfang zu vermehren, ohne dabei schwerer zu werden, wodurch denn ganz natürlich in dem erwärmten Schenkel keine Tausend Theilchen mehr Raum finden, sondern im Verhältniß weniger, als sie diker, d.h. wärmer werden. Tausend Theile Wasser dehnen sich nun, von 0 bis 100° C. erhizt, um so viel aus, daß 46 1/2 Theilchen überfließen müssen. Der erhizte Schenkel enthält also nur noch 943 1/2 theilchen, welche aber nicht im Stande sind 1000 Theilchen im kalten Schenkel das Gleichgewicht zu halten, weßhalb diese sinken, jene steigen, also abermals eine Anzahl warme überfließen müssen. Würde nun im kälteren Schenkel immer kaltes Wasser nachgegossen, ohne ihn ganz zu füllen, so würde dennoch ein fortwährendes Ueberfließen am wärmeren Schenkel stattfinden müssen. Hierauf gründet sich die Warmwasserheizung in Treibhäusern etc. Denken wir uns nun dieselbe Glasröhre anstatt mit Wasser mit Luft gefüllt, welche sich viel stärker ausdehnt als ersteres, so wird der Schenkel von 0 bis 100° C. erwärmt nur noch 625 Theilchen fassen können und durch das Gewicht der 1000 Theilchen kalter Luft von 0° in eben so großem Raume des andern Schenkels entsprechend schnell gehoben werden; ein Nachfüllen findet hier von selbst statt, da die Röhre in der Luft steht, aus welchem Grunde denn auch der Schenkel für die kalte Luft nicht erforderlich ist, sondern eine gerade Röhre genügt, indem diese nur dazu dient, die seitliche Vermischung mit kalter Luft zu verhindern, wodurch natürlich in gleichem Verhältniß die steigende Bewegung verlangsamt würde. Auf diesem Princip beruht die Wirkung unserer Schornsteine, und man wird klar einsehen, daß die Weite derselben auf die Geschwindigkeit der Bewegung der Luft nur von geringem, dagegen die Höhe von bedeutendem Einfluß ist, weil die Differenz der Theilchen um so größer wird, als die senkrechte Röhre länger ist, wodurch auch in gleichem Verhältniß das Gewicht der kleineren Anzahl Theilchen in der Röhre kleiner seyn und rascher emporsteigen muß. Denselben Einfluß, welchen ein hoher Schornstein für die Verbrennung ausübt, übt eine lange Röhre für die Verdunstung einer erwärmten Flüssigkeit, und für beide wird außerdem die Schnelligkeit im Verhältniß zur Temperatur stehen, welche die aufsteigende Luft erlangt. Die Verdunstung wird aber durch die Abnahme ihrer Wärme weit langsamer erfolgen, und bei gleicher Temperatur mit der Atmosphäre fast ganz aufhören. Bei der Einrichtung des Hrn. Rößler ist dieß nicht ganz der Fall, weil der Zug im Schornstein immer noch Bewegung der Luft über die Flüssigkeit unterhält. Die von mir vorgeschlagene Einrichtung würde die Bewegung der Luft in dem Maaße unterhalten, als der Zug im Schornstein durch die Feuerung verstärkt würde und so nach Art eines Ventilators wirken. Nebenbei würde noch Wärme der Flüssigkeit zur Erwärmung der Luft für die Feuerung gewonnen werden. Diese Vorrichtung dürfte sich noch besonders zur Anwendung auf Kühlschiffe, namentlich in der wärmeren Jahreszeit, empfehlen, weil durch die fortdauernde Verdunstung die Abkühlung beschleunigt und die Flüssigkeit bei trokener Atmosphäre wohl unter die Lufttemperatur gebracht werden könnte.