Titel: Ueber Seifenbereitung und Seifenprüfung; von Professor Dr. J. A. Stöckhardt in Chemnitz.
Fundstelle: Band 98, Jahrgang 1845, Nr. CV., S. 386
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CV. Ueber Seifenbereitung und Seifenpruͤfung; von Professor Dr. J. A. Stoͤckhardt in Chemnitz. Aus den polytechn. Mittheilungen von Volz und Karmarsch, 1845 Hef 1 u. 2. (Beschluß von S. 299 des vorigen Heftes.) Stöckhardt, über Seifenbereitung und Seifenprüfung. Analytische Prüfung von mehreren harten Hausseifen. Die zur Untersuchung verwendeten Seifensorten waren zum Theil Kernseifen (nach dem ältern Verfahren mit Unterlaugeabscheidung bereitet), zum Theil amorphe SeifenMan verzeihe mir die Bildung eines neuen technischen Namens; die Einfuͤhrung eines solchen erschien aber hier unerlaͤßlich, um weitlaͤufigere Umschreibungen zu vermeiden. (nach dem neueren Verfahren ohne Entfernung der Unterlauge dargestellt) und wurden aus verschiedenen Seifensiedereien und Seifenhandlungen Sachsens entnommen, deren nähere Bezeichnung hier um deßwillen übergangen werden kann, weil nur die chemische Zusammensezung der Seifen und die durch die Darstellungsmethode veranlaßte Verschiedenheit in denselben dargethan werden soll, zu welchem Behuf es als gleichgültig angesehen werden kann, in welchem Ort die Seife dargestellt wurde. Der Gang der Untersuchung bestand in Folgendem: 1) 1000 Gran der frischen Seife wurden fein geschabt und im Wasserbad vollständig ausgetroknet: aus dem Verlust ergab sich der Wassergehalt derselben (Rubrik D). 2) 250 Gran frischer feingeschabter Seife wurden der Luft so lange ausgesezt, bis das freie Alkali derselben zu kohlensaurem geworden, sodann getroknet und in absolutem Weingeist gelöst; a) in dem dabei verbleibenden Rükstand fand man aa) durch Wägung den Gesammtgehalt der Seifen an freiem Alkali (in kohlensaurem Zustande) und an fremden Salzen (Rubrik K), bb) durch Neutralisation mittelst einer Probesäure (oder auch durch den Fresenius-Will'schen Apparat zur Bestimmung der Kohlensäure) das Quantum der freien Alkalien (Rubrik H)Die meisten amorphen Seifen enthielten neben dem Natron auch etwas Kali, aber in so geringer Menge, daß es, ohne erhebliche Fehler zu veranlassen, als Natron berechnet werden konnte., cc) durch Subtraction der lezteren die Menge der fremden Salze (Rubrik F) In diesem Ruͤkstand fanden sich bei allen Seifensorten auch kleine Quantitaͤten von Kalkerde und Thonerde, deren naͤhere Bestimmung aber uͤberfluͤssig erschien, da in keinem einzigen Fall die Vermuthung einer absichtlichem Beimengung dieser Stoffe zu den Seifen Plaz greifen konnte.. b) Die bei 2) erhaltene alkoholische Lösung wurde bis zur Syrupsconsistenz abgedampft, mit Wasser versezt und durch Salzsäure zerlegt, die erhaltene Fettsäure aber nach hinlänglichem Auswaschen bis zur Entfernung aller Wassertheile im Wasserbad erhizt (Rubrik E). c) Die wässerige Flüssigkeit von b hinterließ nach behutsamer Abdampfung und hinlänglicher Ausglühung des Rükstands die an Fettsäure gebundenen Alkalien in der Form von Chlormetallen; diese wurden als Chlornatrium betrachtet und daraus das Natron durch Rechnung gefunden (Rubrik G). 3) 500 Gran frischer Seife wurden in heißem Wasser gelöst und wie bei 2 b und c, auf ihren Gehalt an Fettsäure, Alkalien und Salzen geprüft (Rubrik E und L). 4) Aus thermometrischen Messungen ergab sich der Erstarrungspunkt der Fettsäuren. 5) 100 Gran frischer Seifen wurde in Wasser gelöst und zu der Lösung unter Anwendung von Siedhize so lange saures weinsteinsaures Kali vorsichtig zugesezt, bis sich eine Trübung von ausgeschiedener Fettsäure zeigte. Da hiebei die in der Seife vorhandenen ungebundenen Aez- und kohlensauren Alkalien sich zuvor mit der freien Säure des Weinsteins verbinden, ehe die leztere zersezend auf die Seife wirkt, so wird sich aus der Menge des verbrauchten Weinsteins ein annähernder Schluß auf die Alkalinität einer Seife ziehen lassen und ich glaube daher dieses einfache und für die Praxis hinlänglich genaue Verfahren für die Fälle empfehlen zu dürfen, in welchen eine vergleichende Untersuchung der Seifen auf freie Alkalien wünschenswerth erscheint, z. B. für Kattundrukereien, Färbereien etc. (Rubrik M). 6) Um die wasseranziehende Kraft der verschiedenen Seifen zu ermitteln, wurden die getrokneten und gewogenen Seifen eine Woche lang in ein Gewölbe gestellt und sodann die Gewichtszunahme notirt (Rubrik O). Außer den genannten Prüfungen wurden noch die mehr empirischen Proben versucht, welche die Seifensieder oder auch andere Gewerbtreibende anzuwenden pflegen, um die relative Wirksamkeit der Seifen bei irgend einer im praktischen Leben vorkommenden Anwendung zu ermitteln. 7) Ausscheidung der Seife aus ihrer Lösung durch Aussalzen. Zu dem Ende wurde die frische Seife (1000 Gr.) mit Salzwasser gekocht und die erhaltene reine Seife nach vorherigem Abspülen mit Wasser getroknet. Die Resultate dieser Prüfungsmethode, welche ihrer Einfachheit und Sicherheit halber dem Publicum sehr empfohlen zu werden verdient, sind in der Rubrik R enthalten und stimmen ziemlich genau mit den in der Rubrik S aufgeführten überein, welche durch Addition der einzeln ausgeschiedenen wirksamen Bestandtheile erhalten wurden. 8) Die sogenannte Löffelprobe. Diese ist auf die Beobachtung gegründet, daß wasserreiche Seifen in einem Löffel erhizt ohne Zersezung schmelzen, während die trokenen Seifen sich nur aufblähen und sogleich brenzlich werden. Sie gewährt nur sehr ungenaue Ergebnisse. 9) Gelatinirung der Seife. Zu 100 Gran heißen Weingeistes sezte man nach und nach so viel Seife, bis die Lösung beim Erkalten eine Gallerte darstellte. Diese Probe kann natürlich nur bei aus gleichem Material dargestellten Seifen angewendet werden und gibt auch da nur einen ungefähren Maaßstab für den Fettsäuregehalt derselben (Rubrik N). 10) Seifenverbrauch beim Reinigen der Wäsche. Obgleich bei dieser Prüfung alle Mühe auf die Erreichung möglichst gleicher Verhältnisse verwendet wurde, so variirten doch die Ergebnisse derselben, oft bei Anwendung einer und derselben Seifensorte, so außerordentlich, daß ich Bedenken trage, irgend einen Werth auf dieselben zu legen. Darin nur herrschte Einstimmigkeit, daß die amorphen Seifen stärker schäumten, sich aber schneller verwuschen, als die Kernseifen. 11) Aehnlich verhielt es sich mit den Proben, welche angestellt wurden, um in Krapp ausgefärbte baumwollene Stoffe mit Seife zu schönen. Da hier die Reaction der Seife nur durch die entstehende Farbennüance erkannt werden kann, diese an und für sich schwierig zu bestimmende Einwirkung aber auch durch den größeren oder geringeren Alkaligehalt der Seifen alterirt wird, so konnte es nicht Wunder nehmen, daß auch diese Prüfungen zu keinen scharfen, in Zahlen ausdrükbaren Resultaten führten: Textabbildung Bd. 98, S. 390/391 A.; Benennung der Seifen.; B.; Aeußere Beschaffenheit derselben.; C.; Verhalten beim Austroknen.; D.; Gehalt an Wasser.; E.; Gehalt an Fettsaͤuren.; F.; Erstarrungspunkt der Fettsaͤuren.; G.; Gebundenes Natron.; H.; Freies Natron (in kohlensaurem Zustand).; I.; Fremde Salze.; K.; Ruͤkstand beim Aufloͤsen in Weingeist.; L.; Chlornatrium erhalten durch Zerlegung der Seife mit Salzsaͤure.; M.; 100 Seife loͤsten auf Weinstein; N.; 100 Weingeist brauchten zum Gelatin. Seife; O.; 100 trokene Seife zogen Wasser an; P.; Summa der bestimmbaren Bestandtheile.; Q.; Verlust an Oehlsuͤß u. and loͤsl. org. Stoffen.; R.; 100 Seife gaben nach dem Aussalzen trok. S.; S.; Gesammtgehalt an wirks. Bestandtheilen.; T.; 100 Pfd. Wirksame Bestandtheile berechnen sich auf; Kernseifen.; 1) Weiße Talgseife.; hart, gelblichweiß,Gefuͤge krystallinisch; sehr geringer Beschlag von kohlensaur. Natron; 26 Rthlr. 2) Marmorirte Talgseife; noch haͤrter, graugestreift; nicht beschlagen; 3) Palmoͤhlseife (gebleicht); gelblich grau, weniger hart; starker Beschlag von kohlensaurem Natron; 21 Rthlr.; 4) Palmoͤhlseife (ungebleicht); dunkler von Farbe, und unreiner; deßgleichen; Durchschnitts-Betrag; 5) Frisch gesottene weiße Talgseife; wie Nr. 1, nur weniger hart; wenig beschlagen; 6) Frisch gesottene marmor. Talgseife; wie Nr. 2, nur weniger hart; kaum beschlagen; II.; Amorphe seifen.; 7) Weiße Talgseife.; hart und weiß, schliffig, Masse aleichfoͤrmia; geringer Beschlag von Kochsalz; Amorphe Seifen.; 7) Weiße Talgseife.; hart und weiß, schliffig, Masse gleichfoͤrmig; geringer Beschlag von Kochsalz; 8) Marmor. Talgseife; eben so, roth gestreift; nicht beschlagen, durch die ganze Seifenmasse zeigten sich feine Punkte von Kochsalz; 27–29 Rthlr. 9) Graue Talgseife.; grau, hart, schliffig; die Seife uͤberzog sich mit einem dichten filzigen Ueberzug von Kochsalz; 10) Palmseife; gelb, Haͤrte gering, schliffig; wenig beschlagen; 21–23 Rthlr. 11) Kokosseife; sehr weiß, hart und sproͤde; nicht beschlagen; Durchschnitts-Betrag; 12) Frisch gesottene weiße Seife, A.; ziemlich hart und weiß schliffig; kaum beschlagen; 13) Frisch gesottene weiße Seife, B.; eben so, nur etwas weniger weiß; wenig beschlagen; Mehrere andere Seifensorten wurden nur durch Austroknen und Aussalzen geprüft, und gaben nachstehende Resultate: I. Kernseifen. Wassergehalt. Durch Aussalzen erhaltene ausgetroknete Seife. 100 Pfd. wirk same Bestandth. berechnen sich auf a)b)c) Talgseife weißDeßgl., marmorirtDeßgl. Grau 26,025,527,2 696868 — 23,5 Rthlr. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– im Durchschnitt 26,2 68,3 d)e)f) Talg-Palmseife weißDeßgl. Gelblich —— marmorirt 24,020,018,3 707574 — 22 Rthlr. g)h) Palmseife gebl.Deßgl. ungebl. 20,717,4 7678 — 18,5 Rthlr. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– im Durchschnitt 20,2 74,6 II. Amorphe Seifen. Talgseife weißDeßgl. Marmorirt— grau 36,836,935,5 565655 — 26 Rthlr. Palms. gebl.— ungebl. 39,238,4 5353 — 21 Rthlr. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– im Durchschnitt 37,3 54,6 Bemerkungen und Folgerungen. 1) Wassergehalt der Seifen. a) Die Kernseifen enthielten von 14,8 Proc. bis 27,2 Proc. Wasser, durchschnittlich 21,9 Proc. b) Die amorphen Seifen enthielten 33,2 Proc. bis 39,2 Proc. Wasser, durchschnittlich 36,6 Proc. –––––––––– der Wassergehalt der lezteren ist daher durchschnittl. um 14,7 Procent größer als der der Kernseifen. Der Wassergehalt der Seifen muß als einer der wichtigsten Factoren bei der Werthbestimmung derselben angesehen werden, und es läßt sich aus demselben allein, vorausgesezt, daß die Seife nicht außerordentliche Mengen von fremdartigen nicht flüchtigen Stoffen enthalte, der Werth einer Seife annaͤhernd und in den meisten Fällen so sicher bestimmen, daß es zu wünschen waͤre, das Publicum machte häufiger Gebrauch von diesem einfachen Prüfungsverfahren, um sich gegen Uebervortheilung sicher zu stellen. Leider existirt weder eine gesezliche noch conventionelle Norm in Betreff des Maximums dieses Wassergehalts, und es kann daher nicht Wunder nehmen, daß derselbe bei den im Handel vorkommenden Seifen außerordentlich variirt. Vergleicht man die in der technischen Literatur vorhandenen Seifen-Analysen, so ergibt sich, daß die harten Baumöhlseifen von 21 bis 60 Proc. Wasser enthalten können, die harten Talg-, Palm- oder Kokos-Seifen sogar von 14 bis 73 Proc. — Quantitäten, welche den Werth einer Seife bis zur Hälfte, ja noch darunter, herabzusezen vermögen. Selbst bei der Kernseife, die man allgemein als eine ziemlich feste Verbindung von Seife mit Wasser ansieht, wechselt der Gehalt des lezteren von 14–27 Proc., wie aus den vorstehenden Angaben zu ersehen ist. Steht der Preis der Seifen in richtigem Verhaͤltniß zu dem Wassergehalt derselben, so daß der Consument in dem Maaße mehr Seifenmasse erhält, als diese schwaͤcher oder wasserreicher ist, so würde, selbst bei der wasserreichsten Seife nicht wohl von einer Täuschung des Publicums die Rede seyn können, da es in dem Ermessen desselben steht, ob es das geringhaltigere, aber im Verhältniß billigere Fabricat dem stärkeren aber theureren vorziehen will oder nicht. Aehnliche Verhältnisse bietet das Leben in unzähliger Menge dar; ich erinnere in dieser Beziehung nur an die verschiedenen Wassermengen, die in den Bieren, Branntweinen, Essigen, Syrupen etc. vorkommen. Anders ist es aber, wenn das schwächere Product dem Publicum unter der Firma des stärkeren und zu demselben oder doch zu einem Preis übergeben wird, welcher den reellen Werth desselben übersteigt; in diesem Fall würde eine derartige Handlungsweise allerdings in die Kategorie der absichtlichen Täuschungen und Betrügereien gehören; zur Zeit freilich nur unter die von Jahr zu Jahr sich mehrende Abtheilung derselben, welche, dem Gesez unerreichbar, vor dem Richterstuhl der Moral mit dem Namen „industrielle Licenz“ beschönigt zu werden pflegt. Gewiß sind Manchem die hieher gehörigen wohlfeilen Seifen noch in theurem Andenken, mit welchen vor einigen Jahren einige Hamburger und Magdeburger Fabriken Deutschland überschwemmten. Eine Sorte davon, welche hier à Centner 8½ Thlr. verkauft wurde, enthielt 64 Proc. Wasser und gab nach dem Aussalzen nur 21 Proc. trokne Seife. In welchem Verhältniß der Wassergehalt der in Untersuchung genommenen Seifensorten zu dem Preise derselben stehe, wird sich aus den späteren Berechnungen ergeben. 2) Gehalt der Seifen an Fettsaͤuren. a) Die Kernseifen enthielten von 61 bis 72,3 Proc. Fettsäuren, durchschnittlich 64,9 Proc. b) die amorphen Seifen von 42,8 bis 49,6 Proc. Fettsäuren, durchschnittlich 46,6 Proc. –––––––––– Der Fettsaͤuregehalt der lezteren ist daher durchschnittl. um 18,3 Proc. geringer als der der Kernseifen. Allgemein sieht man in dem Fettsäuregehalt einer Seife ein directes Aequivalent der Güte und des Werths derselben und diese Annahme erhält auch durch die Betrachtung des beim Reinigen irgend eines Stoffes mit Seife stattfindenden Vorgangs volle Bestätigung. Dieser Vorgang besteht bekanntlich vorzugsweise darin, daß die Seifen sich beim Waschen in saures fettsaures Alkali und freies Alkali zerlegen, welches leztere fettige etc. Stoffe aufzulösen vermag, ohne die Zeuge selbst anzugreifen oder spröde zu machen, wie es der Fall seyn würde, wenn man äzendes Alkali allein anwenden wollte. Es sind die Fettsäuren daher als Einhüllungsmittel und Träger der Alkalien anzusehen, wie zugleich als Schuzmittel gegen den Uebergang der Alkalien in den kohlensauren Zustand, und sie können gewissermaßen einem Schwamm verglichen werden, der größere Mengen Wasser aufnimmt, sie aber nur successive wieder abgibt. Hienach wird allerdings die größere oder geringere Wirksamkeit und Güte einer Seife direct zu bemessen seyn nach dem Quantum von Fettsäure, welches in ihr enthalten ist. 3) Erstarrungspunkt der Fettsaͤuren. Die aus den amorphen Seifen ausgeschiedenen Fettsäuren besaßen durchgehends einen niedrigeren Schmelzpunkt als die aus den entsprechenden Kernseifen erhaltenen Fettsäuren — eine Verschiedenheit, die nicht befremden kann, wenn man berüksichtigt, daß zur Darstellung der ersteren außer dem Talg- und Palmöhl auch Kokosöhl verwendet wurde. Im gewöhnlichen Leben wird zwar die aus reinem Talg bereitete Seife für die beste gehalten; dieser Vorzug gründet sich aber wohl mehr auf die Geruchlosigkeit dieser Seife, gegenüber der aus Kokosöhl oder Palmöhl bereiteten, als auf eine größere reinigende Kraft der ersteren. Es sind durchaus keine Versuche bekannt, aus welchen sich der Vorzug der einen Fettsäure vor der anderen beim gewöhnlichen Waschen mit Bestimmtheit folgern ließe, und es muß daher, abgesehen von der Farbe oder dem Geruch, welche allerdings in den Augen des Publicums nicht ohne Einfluß auf die Werthbestimmung einer Seife sind, die Qualität der Fettarten oder Fettsäuren in den Seifen, in Bezug auf die Wirksamkeit derselben, als gleichgültig angesehen werden. Um aber zu einer wenn auch nicht absolut genauen, doch annähernden Kenntniß über die Mengenverhältnisse der verschiedenen Fettarten in den untersuchten Seifen zu gelangen, wurden thermometrische Versuche angestellt, welche, wie eigens gemachte Gegenversuche zeigten, in dem vorliegenden Fall, wo es sich nur um die drei festen Fettarten Talg, Palmöhl und Kokosöhl handelte, hinlänglich richtige Ergebnisse lieferten. Aus denselben ging hervor daß erstarrende Fettsäuren anzeigen bei 44–45° C. — reines Talg (Seife Nr. 1 u. 2, 5 u. 6) bei 38–39° C. — Palmöhl. (S. Nr. 3 u. 4) bei 32–33° C. 1 Talg und ⅓ Kokosöhl (S. Nr. 8 u. 12) bei 29–30° C. 1 Talg und ½ Kokosöhl (S. Nr. 7) bei 27–28° C. 1 Talg und 1 Kokosöhl (S. Nr. 9) oder 1 Palmöhl und ½ Kokosöhl (S. Nr. 10) bei 23–24° C. reines Kokosöhl (S. Nr. 11). 4) Alkaligehalt der Seifen. 1) Chemisch gebundenes Alkali. a) In den Kernseifen kommen auf 100 Fettsäuren 12,6 gebundenes Alkali, b) in den amorphen Seifen kommen auf 100 Fettsäuren 14 gebundenes Alkali. Der Theorie nach erfordern zur Neutralisation: 100 reine Margarinsäure 11,73 Natron 100 Stearinsäure 11,98 100 Oehlsäure 9,17 100 Cocinsäure 14,6 100 Palmitinsäure 12,5 Da aber die im Handel vorkommenden Fette variirende Gemenge sind von Margarin, Stearin, Olein, Cocin, Palmitin etc., und also auch bei der Verseifung gemengte Fettsäuren geben, so können jene auf reine Fettsäuren berechneten Verhältnisse keinen genauen Anhalt geben. Um in dieser Beziehung eine sicherere Basis zu erlangen, wurden aus möglichst reinem Talg, Kokos- und Palmöhl Seifen dargestellt und die in denselben stattfindenden Verhältnisse der Fettsäuren zum Natron ermittelt. Den hiebei erlangten Mittelzahlen zufolge, welche aber begreiflicherweise nur eine approximative Geltung beanspruchen können, dürfte bei technischen Untersuchungen von Seifen anzunehmen seyn, daß 100 Fettsäuren aus Talg zu binden vermögen 12 Natron, 100 Palmöhl 13 100 Kokosöhl 15 Die für das Natron festgestellten Zahlen erscheinen zwar etwas höher, als sie nach den chemischen Aequivalenten der reinen Fettsäuren berechnet erscheinen sollten; nach dem hier befolgten Prüfungsverfahren aber traten dieselben so constant auf, daß ich Bedenken trug, sie in vorliegendem Fall, wo sie nur einer vergleichenden technischen Prüfung als Basis dienen sollten, abzuändern. Aus diesem Verhalten der Fettsäuren zu den Alkalien wird es leicht erklärlich, warum die amorphen mit Kokosöhl bereiteten Seifen immer mehr gebundenes Alkali enthalten müssen, als die aus reinem Talg bereiteten. 2) Freies Alkali. a) In der Kernseife kommen auf 100 Fettsäure 2,3 kohlensaures Natron, entsprechend 1,3 Aeznatron b) in der amorphen Seife kommen auf 100 Fettsäure 4,7 kohlensaures Natron, entsprechend 2,7 Aeznatron. In Betreff des freien Alkali's ist es mißlich, eine Gränze anzugeben, über welche hinaus eine Seife zu einer fehlerhaften werde, da die Anforderungen, welche von den verschiedenen Gewerbtreibenden an eine Seife gemacht werden, so überaus verschieden sind. Der Druker und Faͤrber z. B. verlangt eine möglichst neutrale Seife, und bezahlt für eine solche, selbst bei bedeutenderem Wassergehalt, oft mehr als für eine an wirklicher Seift reichere aber alkalische; der Wollspinner, Bleicher, Tuchmacher dagegen zieht eine alkalische vor und wendet oft eine Seift an, welche auf 100 Fettsäure 4 bis 6 ja noch mehr per Centner freies Aezkali enthält. In der Mitte zwischen diesen beiden stehen die gewöhnlichen Hausseifen, und ich glaube, daß man nicht groß irren würde, wenn man als Maximum des freien Natrons in einer guten Hausseife 2–3 Proc. auf 100 Fettsäuren festsezte. Im Allgemeinen läßt sich zwar nicht verneinen, daß die möglichst neutrale Seift als die vollkommenste anzusehen sey, da man eine solche eben so gut für bunte als weiße Zeuge anwenden kann; da ferner derselben, wenn sie, wie man zu sagen Pflegt, schärfer greifen soll, leicht freie äzende oder kohlensaure Alkalien zugesezt werden können, während die alkalischen Seifen in dem Maaße unanwendbarer für bunte Zeuge werden, als sie größere Mengen von freiem Alkali enthalten. Dessenungeachtet aber wird man eine gewisse Quantität von lezterem als Zulässig erklären müssen, da alle Hausseifen wechselnde Mengen davon enthalten. Nach dieser allerdings nur willkürlichen Annahme würden die meisten der untersuchten amorphen Seifen, deren einige über 4 Proc. freies Natron auf 100 Fettsäuren enthalten, den Fehler zu großer Alkalinität besizen, die Kernseifen aber, bei denen nur 2,1 Proc. freies Natron auf 100 Fettsaͤure als Maximum auftreten, als hinlänglich neutral anzusehen seyn. 5) Gehalt der Seifen an indifferenten (wirkungslosen) Stoffen. Zu den wirkungslosen Stoffen gehören, außer dem bereits früher näher bestimmten Wasser, Kochsalz und andere aus der Lauge verbliebene Salze, Oehlsüß etc. Da dieselben die Wirksamkeit der Seife in keiner Weise hemmen, so können sie an und für sich als ein gleichgültiger Ballast angesehen werden, den wir in vielen Seifen antreffen, z. B. in der medicinischen und in allen weichen Seifen; bei der Werthbestimmung der Seifen dagegen wird zu ermitteln seyn, in welcher Menge sie vorhanden sind, und ob sie dem Publicum beim Verkauf der Seife als wirkliche Seife mit angerechnet werden. a) Die Kernseifen enthielten durchschn. 1,6 Proc. fremde Salze, und nur Spuren von Oehlsüß; b) die amorphen Seifen enthielten durchschn. 3,2 Proc. fremde Salze und circa 2,5 Proc. Oehlsüß. Der Gehalt an Oehlsüß ergibt sich annähernd aus der Differenz, wenn man die Summe der bestimmbaren Bestandtheile der amorphen Seife mit der der Kernseifen vergleicht. Wollte man die Angabe Chevreul's, welcher im Talg beinahe 8 Proc. Oehlsüß fand, für alle Fettarten gelten lassen und hienach den Gehalt jener Seifen an Oehlsüß berechnen, so würde ungefähr 1 Proc. mehr herauskommen. Nach Vorstehendem enthalten demnach die amorphen Seifen außer dem Wasser mindestens 4 Proc. wirkungslose Stoffe mehr als die Kernseifen, was nicht Wunder nehmen kann, wenn man die Darstellungsweise derselben im Auge behält. 6) Zusammenstellung der wirksamen und unwirksamen Bestandtheile. Aus vorstehenden Untersuchungen ergibt sich, daß durchschnittlich enthalten sind in 100 Gewichtstheilen der Kernseifen: in 100 Gewichtsth. der amorphen Seifen: α) wirksame Best. β) unwirksame α) wirksame Best. β) unwirksame Wasser 21,9 36,6 Fettsaͤuren 64,9 46,6 geb. Alkalien 8,2 6,6 freie Alkalien (in kohlens. Zustande) 1,5 2,4 fremdart. Salze 1,6 3,2 Oehlsuͤß 2,5 –––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––– 74,6 23,5 55,6 42,3 Die wirksamen Bestandtheile der Kernseifen verhalten sich also zu denen der amorphen Seifen wie 74,6 : 55,6, oder wenn man die freien Alkalien weglassen und nur die neutralen Seifen mit einander vergleichen will, wie 73,1 : 53,2. 100 Pfund Kernseife würden hienach denselben Effect hervorbringen als 137,4 Pfd. amorphe Seife. 7) Werthbestimmung der untersuchten Seifen. Die reellen Werthe der untersuchten Seifen lassen sich zwar einfach auffinden, wenn man den Verkaufspreis jeder einzelnen Sorte mit dem resp. Gehalte derselben an wirksamen Theilen in Parallele stellt, eine übersichtliche und zu Vergleichungen geeignetere Zusammenstellung gewinnt man aber dadurch, daß man die verschiedenen Preise auf eine gemeinschaftliche Einheit bezieht; z. B. auf 100 wirksame Seifentheile. Wie theuer diese in den einzelnen Seifen bezahlt werden, findet sich oben schon angegeben, und es zeigen diese Angaben daß, da 100 Pfd. wirksamer Seifentheile in den Kerntalgseifen auf 23,5–26 Rthlr., in den Kernpalmseifen auf 18,5–21 Rthlr., dagegen in den amorphen Talgseifen auf 26–29 Rthlr., in den amorphen Palmseifen auf 21–23 Rthlr. zu stehen kommen, die leztgedachten Talgseifen um 3–5½ Rthlr., die Palmseifen aber um 2–1½ Rthlr. theurer bezahlt werden, als die entsprechenden Kernseifen, obgleich der absolute Handelspreis derselben oft um einige Thaler niedriger ist als der der lezteren. Die Gesammtergebnisse der durch diese vergleichende Untersuchung gewonnenen Einzelresultate lassen sich in Folgendem zusammenfassen: 1) die amorphen in einem Sude und ohne Abscheidung von Unterlauge dargestellten harten Hausseifen enthalten so viel Wasser und so wenig Fettsäuren, daß sie in die Reihe der sogenannten „gefüllten Seifen“ gestellt werden müssen; 2) sie sind weniger rein und weniger neutral als die Kernseifen und verhalten sich daher zu den lezteren wie sich ein schwächeres und unraffinirtes Fabricat zu einem stärkeren und raffinirten verhält; 3) sie werden zwar billiger verkauft als die Kernseifen, dessenungeachtet aber stehen die gegenwärtigen Verkaufspreise derselben in einem ungünstigeren Verhältniß zu ihrem qualitativen Werth als bei den Kernseifen. Es dürfte wohl nicht ganz ohne Interesse seyn, schließlich noch einen Blik auf die Ursachen zu werfen, welchen zufolge die gedachten Fabricate troz ihrer Geringhaltigkeit und ihres relativ höheren Preises so schnell und so allgemein in Aufnahme gekommen sind. Die größere Billigkeit derselben darf wohl als der Haupthebel angesehen werden, durch welchen die Aufmerksamkeit des Publicums diesen Seifen zuerst zugewendet wurde, und es kann nicht Wunder nehmen, daß ein solches Reizmittel besonders stark wirken mußte in einer Zeit, welche auf eine so vorherrschende Weise dem Wohlfeilheitsprincip huldigt. Daß diese Billigkeit nur eine scheinbare sey, vermag das größere Publicum aus dem Grund weniger zu beurtheilen, weil die Geringhaltigkeit dieser Seifen sich nicht durch das äußere Ansehen manifestirt, da sie in Folge ihres Gehalts an Kokosöhl äußerlich eben so troken und hart erscheinen als die Innungsseifen. Selbst bei längerer Aufbewahrung ist der durchs Verdunsten des Wassers eintretende Gewichtsverlust weniger leicht bemerklich als bei den gewöhnlichen gefüllten Seifen von gleichem Wassergehalt, weil einerseits der Gehalt an Oehlsüß, andererseits aber der Umstand, daß sich um die amorphen Seifen bei längerem Liegen eine oberflächliche Rinde von trokner Seife bildet, dem schnellen Austroknen derselben hindernd entgegentreten. Manchen Käufer mag auch wohl die angenehme schliffige und gleichförmige Beschaffenheit dieser Seifen, welche ihnen das vornehme Ansehen der Toiletten- und Kokosseifen verleiht, bestechen und mehr anziehen als die krystallinisch-körnige Beschaffenheit und die minder weiße Farbe der Kernseifen. Nicht selten dürfte ihnen auch das durch den Kokosöhlzusaz bewirkte stärkere Schäumen als ein Vorzug vor den reinen Talg- oder Palmseifen angerechnet werden, und diese Eigenschaft mag selbst dazu beitragen, das schnellere Verwaschen derselben zu verhindern, da das waschende Publicum häufig genug die Schaumbildung als ein Merkmal ansieht, welches ihm angibt, ob Seife genug auf ein Stük Wäsche gerieben sey oder nicht, und leicht von einer weniger schäumenden Seife mehr verreibt, als eigentlich nöthig ist, und als von einer stärker schäumenden Seife verbraucht seyn würde. Daß endlich die fabrikmäßige Darstellung und der kaufmännische Vertrieb, die gerade bei diesen Seifensorten häufig stattfinden, ungleich mehr geeignet seyn müssen, einen lebhaften und weitverzweigten Absaz herbeizuführen, als der die Fortschritte der Technik und Wissenschaft und die Anforderungen der Consumenten selten genugsam berüksichtigende innungsmäßige Geschäftsbetrieb, das wird Niemand in Zweifel ziehen, der die industriellen und gewerblichen Geschäftsbewegungen des lezten Jahrzehnts mit aufmerksamem Blik verfolgte. Die Erfahrung zeigt zur Genüge, daß alle Innungen, welche, lediglich dem Bollwerke ihrer Gerechtsame vertrauend, den günstigen Moment versäumten, um durch Vereinigung ihrer Kräfte mit der Fabrikindustrie in eine wirksame Concurrenz zu treten, sich von der lezteren überflügelt sehen mußten. Aus dem Complex der genannten ursaͤchlichen Momente dürfte sich, meiner unmaßgeblichen Meinung nach, die große Verbreitung leicht und genügend erklären, welche die neuen amorphen Seifen sich in der neuesten Zeit zu Verschaffen gewußt haben.