Titel: Ueber die Kartoffelkrankheit; von Payen.
Fundstelle: Band 98, Jahrgang 1845, Nr. CIX., S. 408
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CIX. Ueber die Kartoffelkrankheit; von Payen. Aus den Comptes rendus, Sept. 1845, Nr. 13. Payen, über die Kartoffelkrankheit. Vierter Artikel. Um meine frühern BeobachtungenMan vergl. S. 150 und 306 in diesem Bande des polytechn. Journals. über die schwierige Frage hinsichtlich der Kartoffelkrankheit einer nochmaligen Prüfung zu unterwerfen, beschloß ich, an einer und derselben Kartoffel die befallenen Theile mit ähnlich gelegenen, aber gesund gebliebenen Geweben zu vergleichen. Die hiezu günstigen Umstände boten sich mir bei einer großen weißen Kartoffel, von einer in der Regel nicht stärkmehlreichen Sorte dar, die frisch aus einem sehr feuchten Boden kam.Dieser ganze Knollen war einige Augenblike in Wasser getaucht worden, um die Verdunstung waͤhrend des Transports auszugleichen. Der ergriffene Rindentheil behufs des Versuchs 7 Millimeter dik ausgeschnitten, wog 5,670 Gramme; nach dem Austroknen wog er 1 Gramm. Ein gesunder Rindentheil, eben so dik ausgeschnitten, etwas breiter, wog 7,700 Gramme und reducirte sich auf 1,538 Gramme. Hiernach berechnen sich in Procenten: Befallener Theil. Gesundes Gewebe. Wasser 82,36 80,02 Trokne Substanz 17,64 19,98 was beim befallenen Gewebe eine Verminderung = 2,34 auf 19,98 oder ungefähr 12 Procent der troknen Substanz zeigt. Um den Gehalt an Stärkmehl zu vergleichen, behandelte ich die troknen Rükstände (welche vor dem Austroknen in Scheiben von gleicher Dike geschnitten worden waren) vergleichungsweise jeden mit 200 Kubikcentimeter Wasser, welches mit 1/100 Schwefelsäure angesäuert war und während 5stündigem Kochens einmal erneuert wurde. Diese beiden, gleich ausgewaschenen und getrokneten Rükstände wogen Der gesunde Theil, 53 Milligr., oder auf 1000 Theile im frischen Zustande 6,50 auf 1000 Theile im troknen Zustande 34,00. Das befallene Gewebe, 75 Milligr. oder auf 1000 Theile im frischen Zustande 13,23 auf 1000 Theile im troknen Zustande 75,00. Lezteres hatte seine Gestalt und die ihm anhängende Epidermis beibehalten, während der erstere zum Theil zerfallen und losgetrennt war von seiner Epidermis. Es geht ferner aus dieser ersten Vergleichung hervor, daß das befallene Gewebe zweimal so viel wiegt als das normale, was mit der Annahme der Entwiklung einer Schmarozerpflanze gut übereinstimmt, während die Einführung einer trägen stikstoffhaltigen Substanz, so wie die freiwilligen Gährungen die entgegengesezten Wirkungen hervorgebracht hätten. Um die Mengen des in beiden Geweben enthaltenen Stärkmehls zu vergleichen, brauchte nur von der troknen Substanz eines jeden das Gewicht des Gewebes, der mineralischen und der auflöslichen Bestandtheile abgezogen zu werden, was folgende Resultate gab: Gesundes Gewebe. Befallenes Gewebe. Trokne Substanz 19,98 17,64 Gewebe, Asche und aufloͤsliche Materie   4,90   5,56 –––––––––––––––––––––––– Gewicht des Staͤrkmehls 15,08 12,08 Sonach verlor ein Theil des Gewebes durch die eigenthümliche Veränderung von 15 Theilen Stärkmehls 3 Theile, oder 20 Proc. Ich wollte mich davon noch durch Vergleichung der äußerlichen Charaktere und des Gehalts an Fettsubstanzen, welche nach der Einwirkung des kochenden angesäuerten Wassers in den beiden Geweben zurükgeblieben waren, überzeugen. Von den 75 Milligr. des veränderten Gewebes wurden 65 nach dem Pulvern mit Aether behandelt und gaben eine fettige Substanz von fahlorangegelber Farbe, jener der speciellen Organismen ähnlich; sie wog 4 Milligr., was 6 Proc. gleich kömmt und ebenfalls mit der Zusammensezung der Pilze überhaupt zusammenstimmt. 50 Milligr. des gesund gebliebenen Gewebes, auf dieselbe Weise behandelt, lieferten eine grünlichgelbe Fettsubstanz die 2 Milligr. wog, oder 4 Proc. Also hatte die eigenthümliche Veränderung des befallenen Theils des Gewebes einen Widerstand leistenden organisirten Körper eingeführt, welcher eine fette Substanz enthielt und die Elementar-Zusammensezung der Pilze hat. Ein Zweifel blieb mir noch aufzuklären übrig. Wenn die offenbar in die Knollen eingeführte Substanz eine Verbindung waͤre, welche durch Zufall die Zusammensezung der mikroskopischen Kyptogamen hat; wenn ferner die stikstoffhaltige eiweißartige Substanz, indem sie in der Wärme gerinnt, das Festwerden des Gewebes hervorbrächte; — alles Hypothesen, die nicht wahrscheinlich sind, wegen der ungleichen Vertheilung dieser Substanz, welche die einzelnen Zellen befällt, deren Stärkmehl sie verchont, während sie die umgebende stärkmehlartige Substanz ganz absorbirt; — wenn an diesen Hypothesen doch etwas wäre, so müßten die nicht organisirten quaternären Substanzen, erweicht oder aufgelöst, unter günstigen Umständen die Gährung beschleunigen. Die Probe war leicht und entsprach ebenfalls vollkommen dem Sinne meiner obigen Schlüsse. Eine frisch herausgenommene Kartoffel, welche nur von einer Seite angefallen war, wurde entzwei geschnitten und 10 Tage lang in ihrem doppelten Gewichte lufthaltigen Seinewassers in offenem Gefäße liegen gelassen; die Temperatur wechselte in dieser Zeit zwischen 15 und 20° C.; die Fäulniß hatte rasche Fortschritte gemacht, was an dem übeln Geruch und dem Auseinandergehen der Gewebe leicht zu erkennen war; merkwürdigerweise aber hatten die befallenen Gewebe ihre feste Consistenz behalten, beschüzt ohne Zweifel durch diese lebende Schmarozervegetation, wie so viele andere Kryptogamen inmitten der in Zersezung begriffenen Organismen.