Titel: Ueber die Anwendung des Alkoholometers zur Bestimmung des specifischen Gewichtes, namentlich von Oel- und Fettsubstanzen; von Prof. Scharling.
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LII., S. 193
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LII. Ueber die Anwendung des Alkoholometers zur Bestimmung des specifischen Gewichtes, namentlich von Oel- und Fettsubstanzen; von Prof. Scharling. Aus dem Journal für praktische Chemie, 1845 Nr. 22. Scharling, über die Anwendung des Alkoholometers zur Bestimmung des specifischen Gewichts der Oele and Fette. In neuerer Zeit hat man vorgeschlagen das Alkoholometer zur Untersuchung des specifischen Gewichts auch von andern Substanzen zu benutzen, deren Gewicht geringer ist als das des Wassers, und besonders hat man sich dieses Instruments bedient zur Bestimmung der Güte der verschiedenen im Handel vorkommenden Sorten von Oelen und der Fettsubstanzen überhaupt. Es ist nämlich oftmals von Wichtigkeit, daß die Oele und Fettstoffe, ungeachtet die meisten viele Eigenschaften gemein haben, nicht zufällig oder absichtlich verwechselt oder gemischt werden. Es ist hier indessen nicht die Absicht, die verschiedenen Mittel anzuführen, welche die Wissenschaft zur Untersuchung der verschiedenen Oele und Fettsubstanzen darbietet, sondern es werden hier nur einige Resultate mitgetheilt über die Anwendung des Alkoholometers zur Untersuchung solcher Substanzen. Als ein Haupthinderniß bei der Anwendung des Alkoholometers zur Bestimmung des specifischen Gewichts der Fettsubstanzen betrachtet man namentlich den Umstand, daß die verhältnißmäßig bedeutende Dicke des Stieles nothwendig bewirkt, daß die auf dem Stiele angebrachten Abtheilungen ziemlich klein ausfallen; man hat deßwegen in Deutschland wie in Frankreich angefangen, eigene sogenannte Oelwagen einzuführen, welche vom Alkoholometer nur dadurch abweichen, daß der Stiel verhältnißmäßig weit dünner und zuweilen auch kürzer ist, z. B. bei dem von Fischer in Leipzig. Laurot's Oelwage unterscheidet sich von andern Flüssigkeitswagen namentlich dadurch, daß dieselbe bei 80° R. angewandt wird. Laurot nimmt nämlich an, daß das specifische Gewicht der Oele bei dieser Temperatur die größte Verschiedenheit zeigt. Obgleich wie man später sehen wird, diese Ansicht nicht richtig ist, so hat doch die hohe Temperatur den anerkannten Vorzug, daß die Oele bei derselben weit dünnflüssiger sind und deßwegen auch das Instrument um so freier in der Flüssigkeit sich bewegen läßt. Scharling hat eine Reihe von Untersuchungen vorgenommen zur Bestimmung des specifischen Gewichts verschiedener Fettsubstanzen, theils mittelst eines von Nissen verfertigten Alkoholometers mit doppelter Scala, theils mittelst einer eigenen Flüssigkeitswage. Die Instrumente wurden angewandt theils bei einer Temperatur von 9° R., zum Theil aber auch bei höheren Wärmegraden und namentlich nach Laurot's Vorschlag bei 80° R. Da Scharling keine ausführliche Beschreibung der Laurot'schen Methode und Apparate kannte, so ließ er sich eine Art von Wasserbad machen, welches aus zwei Cylindern von verzinntem Eisenblech bestand, von denen der innere 1″ im Durchmesser und 13″ Höhe, der äußere dagegen 2″ Durchmesser und 14″ Höhe hatte. Der Zwischenraum wurde mit Wasser angefüllt und dieses nach Belieben mittelst einer Spirituslampe erhitzt. Um bei 80″ R. gradiren zu können, muß man das Wasser 20–25 Minuten vollkommen kochend halten; denn eher erreicht die Fettmasse nicht die gehörige Wärme. Tabelle I. Textabbildung Bd. 099, S. 194 A. Name der Fettsubstanzen.; B. Alkoholometer von Nissen, mit doppelter Scala, angewandt bei 9° R.; C. Entsprechendes specifisches Gewicht bei 9° R.; D. Aeltere Angaben der specifischen Gewichte, gefunden durch directe Wägungen.;Grade nach Spend.; Grade nach Trall.; Rüböl (Winter-Raps), gelb; Rapsöl (S.-Raps), grünlich; Rüböl, raffinirt, gelb; Wildes Senföl (Phalaris canariensis); Hanföl (ganz frisch); Leinöl; Altes Mohnöl; Dorschleberthran; Meerkalbsthran; Heller Seehundsthran; Dunkler Seehundsthran; Südseethran; Faröischer Thran; Aechter Thran von Uranodon rostratus (Döglingstran); Derselbe (Handelswaare); Kepörkakthran (Balaena hoops Fabr.); Tunnolikthran (Balaena physalus L.), dick und sehr unklar; Rindertalg; Schweinefett; Elaïnsäure; Stearinsäure; Stearinsäure, woraus die sogenannten Margarinlichter bereitet werden; Spermaceti; Wachs; Mischung von Glaïnsäure und Stearinsäure, wie sie aus der Kalkseife in den Stearinkerzen-Fabriken ausgeschieden wird. Tabelle I. Textabbildung Bd. 099, S. 195 E. Alkoholometer von Nissen, mit doppelter Scala, angewandt bei 80° R.; F. Unterschied der Grade bei 9° R. und bei 80°R.; G. Fischer's Oelwage.; Grade nach Spendrup.; Grade nach Tralles.; Nach Spendrup.; Nach Tralles.; Fischer's Angaben.; Scharling's Angaben. Tabelle II. Textabbildung Bd. 099, S. 196 Eigenthümliche von Scharling construirte Flüssigkeitswage.; Name der Fettsubstanzen.; bei 25° R.; bei 29° R.; bei 80° R.; Unterschied der Grade bei 25 und 80° R.; Rüböl (Winter-Raps), gelb; Rüböl, raffinirt, gelb; Hanföl (ganz frisch); Heller Seehundsthran; Dunkler Seehundsthran. Da Scharling fand, daß die ungleiche Ausdehnung der Oele durch die Wärme den von Laurot angegebenen Vortheil zum Theil wieder aufhob, so entstand die Frage, ob nicht vielleicht der Grund zu der Verschiedenheit der von Scharling und von Laurot gefundenen Resultate in der Abweichung der Grade des Alkoholometers zu suchen sey. Scharling construirte deßwegen eine Oelwage mit einer Scala, worauf alle Abtheilungen gleich groß und von der Art waren, daß man in Folge der Dünnheit des Stiels selbst kleine Veränderungen sehr deutlich bemerken konnte. Die mit diesem Instrumente angestellten Beobachtungen sind in der Tabelle II angeführt. Es konnten nur wenige Oele mit diesem Instrumente untersucht werden, weil dasselbe bei vielen Fettsubstanzen sich als nicht anwendbar erwies. So sank es z. B. zu tief ein im erwärmten Thran von Uranodon rostratus (Döglingstran). Indessen sind die in der Tabelle angeführten Beobachtungen hinreichend, um die Richtigkeit des unter Nr. 3 angegebenen Resultats zu beweisen. Aus den oben angeführten Tabellen geht hervor: 1) Daß ungereinigtes Rüböl bei 9° R. ein größeres specifisches Gewicht besitzt als Südseethran und Döglingsthran. 2) Daß Fischer's Angabe hinsichtlich des sogenannten Südseethrans entweder unrichtig ist, oder wahrscheinlicher, daß Südseethran, als eine Mischung von mehreren Sorten Thran, von sehr ungleicher Beschaffenheit vorkommt. 3) Daß Laurot's Angabe, daß die Oele bei 80° R. meist verschiedene specifische Gewichte zeigten, unrichtig ist, da die ungleiche Ausdehnung der Oele durch die Wärme zuweilen den Unterschied geringer macht, anstatt ihn zu vergrößern. So dehnt sich Rüböl weniger aus als Hanföl, Leinöl, Mohnöl und mehrere Arten von Thran. Wenn man das Hanföl mit dem dunklen Seehundsthran vergleicht, so tritt sogar der Fall ein, daß das Hanföl bei 9° R. ein größeres specifisches Gewicht hat als der dunkle Seehundsthran, bei 80° R. aber ein geringeres. Das Hanföl dehnt sich nämlich um so viel mehr aus als der dunkle Seehundsthran, daß es bei einer Wärme, die etwas niedriger ist als der Kochpunkt des Wassers, dasselbe specifische Gewicht hat wie der Seehundsthran, und beim Kochpunkte des Wassers ein geringeres. 4) In einzelnen Fällen wird eine Vergleichung des specifischen Gewichts zweier Oele zuerst bei 9° und dann bei 80° ein neues Mittel darbieten zur Prüfung der Reinheit der Oele. 5) In vielen Fällen wird man mit dem Alkoholometer eben so wie mit den sogenannten Oelwagen entdecken können, ob Rüböl mit andern Fettsubstanzen vermischt ist, aber nicht in allen Fällen. 6) Die gewöhnlichen Alkoholometer, namentlich solche, deren Grade nicht zu klein sind, können zum Theil mit demselben Nutzen angewandt werden wie die sogenannten Oelwagen. Auf Fischer's Oelwage ist die Scala so kurz, daß man weder altes Mohnöl gradiren kann, weil dessen specifisches Gewicht zu groß ist, noch Döglingsthran, weil dessen specifisches Gewicht zu klein ist. Die mit einer Scala nach Tralles versehenen Alkoholometer gestatten in der Regel eine genauere Ablesung als die, deren Scala nach Spendrup eingetheilt ist. Noch besser sind solche Alkoholometer, bei welchen beide Scalen angebracht sind, da dann die eine als eine Art von Nonius für die andere dienen kann. Eine Hauptschwierigkeit bei Anwendung der Alkoholometer zur Gradirung der Oele ist die große Verschiedenheit in der Dicke der Röhre, an welcher man die Scala anbringt; denn da man fast nicht vermeiden kann, daß das Instrument im Anfang etwas zu tief in das Oel hineinsinkt, so hängt sich eine ungleiche Menge Oel dem Theil des Instruments an, welcher oberhalb der Flüssigkeit bleibt. Dadurch entsteht oft eine Ungleichheit in der Gradirung desselben Oeles mit zwei verschiedenen Alkoholometern, welche dadurch vergrößert wird, daß man nicht immer, wie beim Weingeist oder Branntwein, die Grade ablesen kann, indem man die Oberfläche der Flüssigkeit durch die Flüssigkeit selbst beobachtet. Daß das Alkoholometer trotz dieser Unvollkommenheiten in gewissen Fällen zur Gradirung der Oele mit Glück angewandt werden könne, hat Scharling unter andern dadurch gezeigt, daß gerade die ungleichen Angaben des Alkoholometers bei verschiedenen Sorten von Döglingsthran ihn zuerst darauf aufmerksam machten, daß der von den verschiedenen Kaufleuten verkaufte Döglingsthran den einen oder andern Zusatz erhalten habe; denn wie man aus der angeführten Tabelle ersieht, sinkt das Alkoholometer bis zu 13¾° Spendrup oder 74½° Tralles bei 9° R. in dem Döglingsthran, welcher von der königlichen faröischen Handlung ihm überlassen war, während der in der Stadt gekaufte Döglingsthran das Alkoholometer nur bis 10 1/46° Spendrup oder 58¾° Tralles bei 9° R. sinken ließ. Da der Döglingsthran für Lampen ein weit besseres Brennmaterial ist als ein anderer Thran und ziemlich leicht zu einem ganz oder beinahe geruchlosen Oele gereinigt werden kann, so ist es von Wichtigkeit, daß ein jeder sich leicht von der Reinheit desselben überzeugen könne. Noch wichtiger würde dieß seyn, wenn derselbe vielleicht bei näherer Untersuchung sich als Arzneimittel anwendbar zeigte. Scharling ist gegenwärtig beschäftigt mit einer chemischen Untersuchung dieser besondern Thransorte. Schließlich bemerkte Scharling, daß der Grund, weßwegen er es für wichtig hielte, recht genau das Verhalten der Oele gegen das Alkoholometer zu untersuchen, ungeachtet dieß Instrument in dieser Hinsicht vieles zu wünschen übrig ließe, der sey, daß das Alkoholometer sehr allgemein verbreitet und der Gebrauch desselben vielen Personen hinlänglich bekannt sey; wo hingegen eine eigne Oelwage oder vielleicht gar andere zusammengesetztere Apparate weniger angewandt werden möchten, weil ihre Anwendung theils längere Zeit, theils auch ausführlichere Methoden erforderte.