Titel: Bericht von Seguier über die flachen Uhren von Rédier.
Fundstelle: Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XX., S. 95
Download: XML
XX. Bericht von Seguier über die flachen Uhren von Rédier. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Dec. 1845, S. 571. Mit Abbildungen auf Tab. II. Ueber Rédier's flache Uhren. Die außerordentliche Flachheit, welche bei den neueren Taschenuhren verlangt wird, war der Grund, warum man von der früheren Construction derselben abgehen mußte; die Uhrmacher mußten auf Mittel sinnen, um die Triebfedern wenigstens so breit machen zu können als es die Dicke der Uhr gestattet. Unter den verschiedenen Lösungen dieses Problems scheint diejenige von Rédier eine der besten zu seyn. Um die Vortheile seiner neuen Anordnung gehörig schätzen zu können, wird es das beste seyn, einen Vergleich zwischen dem neuen Federhause und Gesperre von Rédier (Uhrmacher in Paris, place du Châtelet No. 2) und den früher gebräuchlichen anzustellen. Die gewöhnlichen Federhäuser mit dem Gesperre bestehen aus dem eigentlichen Gehäuse mit einem gezahnten Rande, aus einer stählernen Achse mit dem Sperrrade und aus einem Stege, in welchen das Sperrrad auf der stählernen Achse eingelassen ist. Während die Uhr im Gang ist, bleibt die Achse stehen. Das Federhaus dreht sich dabei um die Achse, und zwar liegt dasselbe bloß mit seinen zwei dünnen Böden an der Achse an. Die Achse selbst hat eine unsichere Lage, und diese wird durch die Biegsamkeit des Steges, in welchem ihr eines Ende liegt und der oft nur durch eine einzige Schraube auf der Bodenplatte befestigt ist, noch vermehrt. Der gezahnte Rand an dem Federhause, welcher das erste Triebrad bildet, ist wie gesagt, nur durch die dünnen Böden des Federhauses mit der Achse in Berührung. Die Feder selbst kann nur sehr nieder oder schmal seyn, weil die beiden Böden Platz wegnehmen, und außerdem über dem Federhause und unter dem Zifferblatte noch das Sperrrad mit dem Stege und der Schlüsselstift angebracht seyn muß, abgesehen von den Stellsternen auf der entgegengesetzten Seite. Die Erfindung von Rédier bezieht sich vorzüglich auf eine Abänderung dieser Anordnungen. Sein Federhaus bleibt, während die Uhr im Gang ist, stehen, und auf der Mitte seiner Höhe ist das Sperrrad, welches einen vorspringenden Rand bildet, angebracht. Dieser ist in die Bodenplatte der Uhr eingelassen, und die Reibung des Federhauses in der Bodenplatte läßt sich durch einen Stellring mit vier Schrauben ganz gleichmäßig und sanft machen. Die Federhausachse ist fest mit dem Boden des Federhauses verbunden. Das erste Triebrad dreht sich um diese Achse und dient zugleich als oberer Boden für das Federhaus, während die Triebfeder an seine Nabe angehängt ist. Die Feder kann nun wirklich so breit gemacht werden, als die Uhr zwischen dem Gehäuse und dem Zifferblatt dick ist, nur geht von dieser Breite die Bodendicke des Federhauses und die Dicke des ersten Rades ab. Die Vortheile der Anordnung von Rédier sind demnach: 1) eine größere Federbreite, was eine Hauptsache ist. Denn nur wenn die Feder Kraft genug hat, um eine schwere Unruhe in großen Schwingungen zu bewegen, und dabei die Zähigkeit des Oehles zu überwältigen, kann eine Uhr gut regulirt werden; 2) Stabilität des Federhauses, weil dasselbe mit seinem Umfang in einer Höhlung der Bodenplatte anliegt, statt auf einer lockeren Achse zu stecken, deren Ende durch einen mehr oder weniger biegsamen Bügel nicht stabil genug gehalten wird; 3) gute Erhaltung der Büchse in dem ersten Rade, weil sie eine große Oberfläche hat, indem das Rad mit einer langen Nabe versehen ist, an der die Feder eingehängt ist; 4) Länge des Schlüsselstiftes zum Aufziehen, den man so lang machen kann als die halbe Uhr dick ist, weil er, statt eine Verlängerung der Federhausachse zu seyn, eine besondere Achse bildet, die ein Sperrrad trägt, das in die Bodenplatte eingelassen und mit dem Sperrrad auf dem Federhause im Eingriff ist; 5) endlich Festigkeit der Schraube, welche dem Stellsterne als Achse dient, da sie in die Nabe des ersten Rades eindringt, statt bloß durch einen dünnen Boden des Federhauses zu gehen. Die praktische Ausführung, welcher Hr. Rédier vollkommen gewachsen ist, wird zeigen, inwiefern sich seine Neuerungen bewähren, und es ist zu wünschen, daß man seine Abänderungen allgemein annehmen kann. Beschreibung der Abbildungen. Fig. 46 stellt die Bodenplatte der Uhr und das Federhaus im Grundriß dar, und zwar von der Zifferblattseite aus gesehen. Fig. 47 Grundriß der Bodenplatte, des Federhauses und des mittleren oder großen Bodenrades von der Seite der Unruhe aus gesehen. Fig. 48 verticaler Durchschnitt nach der Linie AB, Fig. 47. Fig. 49 Durchschnitt nach der Linie CD, und Detail des Federhauses. Fig. 50 Durchschnitt der Bodenplatte ohne Federhaus und Gesperr. Fig. 51 Durchschnitt des Federhauses und Gesperres allein; Fig. 52 dasselbe im Grundriß. Fig. 53 das Federhausrad von unten und oben gesehen; Fig. 54Fig. ist auf bezeichneter Tafel nicht vorhanden. verticaler Durchschnitt desselben und seines Mittels oder seiner Nabe. Die Zeichnung ist in doppelt so großem Durchmesser ausgeführt, als gewöhnlich die Uhr, um die einzelnen Theile deutlicher daraus ersehen zu können. Die Dicke der Gegenstände ist in den Abbildungen dreimal so groß, als die Dicke der ausgeführten Gegenstände. a, b Bodenplatte der Uhr, welche bei c, d ganz durchgedreht ist. e, f ist eine andere cylindrische Höhlung, deren Tiefe die halbe Dicke der ganzen Platte beträgt. g kleines Sperrrad, das in diese Höhlung eingelegt ist und dessen Zapfen sich einerseits in dem Loche h der Bodenplatte, andererseits in dem Stege i dreht. j, k Durchschnitt eines stählernen Federhauses, dessen Zähne l, ungefähr auf die Mitte seiner Höhe, Sperrzähne sind, die in das Sperrrad g eingreifen. Das Federhaus wird in der Bodenplatte durch einen flachen Ring mit vier Schrauben an seiner Stelle erhalten, und so gestellt, daß es mit dem Sperrrad g im Eingriff ist, und sich, ohne Spielraum zu haben, sanft drehen läßt. n Federhaken in dem Federhause. o Achse des Federhauses, welche mit drei oder vier Schräubchen auf den Boden desselben aufgeschraubt ist. p Rad auf dem Federhause, dessen Zähne q, r, Fig. 47, mit dem mittleren oder großen Bodenrad, das wie gewöhnlich angebracht ist, im Eingriff sind. Das Federhausrad ist mit der Oeffnung s auf die Achse o aufgesteckt. t Federhaken, in welchen das innere Ende der Triebfeder eingehängt wird. u Loch mit einem Gewinde, in welches das sternförmige Stellrad eingeschraubt wird. v, x gewöhnliche Stellsterne. y Stift, der durch die Achse des Federhauses geht, um den Stellstift zu befestigen. z viereckiger Schlüsselstift. a', Fig. 46, Sperrfeder mit einem Haken, der in die Sperrzähne des Federhauses einfällt. Die Uhr wird an dem Schlüsselstifte z nach links aufgezogen. Das kleine Sperrad g, welches mit dem Schlüsselstifte z fest verbunden ist, greift in das Sperrrad l des Federhauses und wickelt die Feder um die Nabe b' des Rades p, an welche sie mit dem Haken t eingehängt ist. Während dieses Aufwickelns um die Nabe b' wirkt die Elasticität der Feder auf das Rad p, und dreht dasselbe also auch während des Aufziehens der Uhr fort. Die Zähne q, r, welche mit dem großen Bodenradgetriebe in Eingriff sind, setzen das Räderwerk der Uhr in Bewegung. Die Stellsterne wirken gerade wie bei den gewöhnlichen Federhäusern.

Tafeln

Tafel Tab.
                                    II
Tab. II