Titel: Ueber das Probiren des Quecksilber enthaltenden Silbers auf nassem Wege; von Hrn. Gay-Lussac.
Fundstelle: Band 101, Jahrgang 1846, Nr. VIII., S. 29
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VIII. Ueber das Probiren des Quecksilber enthaltenden Silbers auf nassem Wege; von Hrn. Gay-Lussac. Aus den Annales de Chimie et de Physique, Jun. 1846, S. 232. Gay-Lussac, über das Probiren des Silbers auf nassem Wege. Beim Probiren des Silbers auf nassem Wege im Bureau de garantie der Münze zu Paris hatte ich Gelegenheit mich zu überzeugen, daß wenn das Silber einige Tausendstel Quecksilber enthielt, der gefundene Gehalt ungenau ausfällt, nämlich zu hoch durch das Quecksilber, welches mit dem Silber im Augenblick der Fällung mittelst normaler Kochsalzauflösung präcipitirt wird, obgleich ein großer Ueberschuß von Salpetersäure vorhanden ist.Polytechn. Journal Bd. LVI S. 436. Hierauf fand ich, daß 4 bis 5 Tausendstel Quecksilber, welche im Silber vorhanden sind, das niedergeschlagene Chlorsilber verhindern am zerstreuten Licht blau zu werden, und daß der Einfluß dieses Metalls, obgleich er schnell abnimmt, sich doch noch bei dem Verhältniß von 1 Tausendstel und sogar 1/2 Tausendstel in einem sehr schwachen zerstreuten Licht fühlbar macht. Dadurch wurde also dem Probirer das Vorkommen des Quecksilbers in einer Silberbarre angezeigt; er blieb aber genöthigt, in diesem Fall die Kapellenprobe zu machen, bei welcher sich das Quecksilber meistens ganz oder größtentheils verflüchtigt. Wenn das Quecksilber häufiger im Silber vorkäme, so wäre dieser Umstand ein großer Uebelstand der Probe auf nassem Wege; glücklicherweise ist aber sein Vorkommen darin sehr selten. Hr. Levol hat nun dieser Probe, welche jetzt sehr verbreitet ist, einen wichtigen Dienst geleistet, indem er ihr die allgemeine Anwendbarkeit wieder verschaffte, welche sie durch das Vorkommen von Quecksilber im Silber verloren hatte.Polytechn. Journal Bd. C S. 283. Die Bemerkungen, welche ich nun mittheile, haben keinen andern Zweck, als an diesem Verfahren einige unbedeutende Abänderungen anzubringen. Hr. Levol, nachdem er annähernd das Silber aus der salpetersauren Auflösung mittelst der normalen Kochsalzauflösung niedergeschlagen hat, löst das Chlorsilber mit Ammoniak auf und schlägt es dann wieder nieder, indem er das Alkali mit Essigsäure sättigt. Durch dieses Verfahren ist das Quecksilber bei der Probe gänzlich unwirksam gemacht und man braucht dieselbe nur noch auf gewöhnliche Weise zu beendigen, nämlich durch successive Zusätze von salpetersaurem Silber oder von Kochsalz, je nachdem es die Operation erfordert. Der erhaltene Gehalt ist genau, weil er unabhängig vom Quecksilber geworden ist, welches gänzlich in der Flüssigkeit aufgelöst bleibt, und das niedergeschlagene Chlorsilber behält die Eigenschaft bei, am Licht bald blau zu werden. Nur ist zu bemerken, daß die durch das Chlorsilber getrübte Flüssigkeit sich beim Schütteln nicht so leicht klärt wie gewöhnlich; doch ist dieß in solchem Grad der Fall, daß man den Augenblick der Sättigung gewahr werden kann. In Bezug auf die Theorie seines Verfahrens vermuthet Hr. Levol, daß das Ammoniak mit dem Quecksilberoxyd das Doppelsalz hervorbringt, welches Thenard basisch-salpetersaures Quecksilberoxyd-Ammoniak nennt – eine Verbindung, welche die Eigenschaft hätte mehreren kräftigen Agentien und insbesondere dem Chlor in der Kochsalzauflösung zu widerstehen, so daß das vorhandene Quecksilber auf das Resultat der Probe keinen Einfluß mehr haben kann. Die Essigsäure, welche zum Sättigen des Ammoniaks angewandt wird, scheint Hrn. Levol auf keine andere Weise zu wirken, als daß sie dieses Alkali sättigt, und er glaubt, daß Salpetersäure und Schwefelsäure dieselbe ersetzen könnten, vorausgesetzt, daß diese Säuren so verdünnt angewandt werden, daß kein Quecksilber niederfallen kann; durch eine so große Verdünnung der Flüssigkeit wird jedoch die Operation sehr erschwert. Ich lasse nun meine eigenen Beobachtungen folgen. Nachdem ich mich durch mehrere Proben überzeugt hatte, daß das Verfahren des Hrn. Levol ganz genaue Resultate liefert, kam ich auf die Vermuthung, daß es sich vereinfachen ließe, indem man der salpetersauren Silberauflösung auf Einmal das Ammoniak und die Essigsäure zusetzt, und zwar mit einander verbunden, aber in hinreichender Menge, um alle Salpetersäure zu sättigen, sowohl die mit dem Silber verbundene als die frei zurückgebliebene. Es wurden deßhalb 10 Gramme essigsaures Ammoniak mit ein wenig Wasser dem in 5 Kubikcentimetern Salpetersäure von 32° Baumé aufgelösten Silber zugesetzt. Es entstand sogleich ein reichliches Magma von essigsaurem Silber, auf welches man ein Normalmaaß Kochsalz goß. Nach beendigter Probe fand sich der Gehalt, wie ihn die Synthese anzeigte, sehr genau wieder, obgleich man dem Silber 100 Tausendstel Quecksilber zugesetzt hatte. Um zu erfahren, ob das Ammoniak bei dem Verfahren wesentlich ist, ersetzte ich das essigsaure Ammoniak durch essigsaures Natron, welches ich im krystallisirten Zustande im Verhältniß von 10 Grammen anwandte. Der Gehalt an Silber wurde nun ebenfalls sehr genau gefunden; das Chlorsilber wurde am Licht eben so schnell blau wie sonst und das Quecksilber ließ sich in der überstehenden Flüssigkeit leicht nachweisen. Es geht folglich aus dieser Beobachtung hervor, daß die Theorie des Hrn. Levol, wonach sich basisch-salpetersaures Quecksilberoxyd-Ammoniak bildet, nicht richtig ist, weil das Natron das Ammoniak ersetzen kann: auch steht der Umstand damit im Widerspruch, daß die Salpetersäure zum Auflösen des Silbers ihrerseits durch concentrirte Schwefelsäure ersetzt werden kann und dennoch alles gleich bleibt. Endlich machte ich, um zu erfahren ob der Säureüberschuß nöthig ist, um das Quecksilber in Auflösung zu erhalten, zwei Proben mit normaler Kochsalzauflösung und löste bei jeder das Chlorsilber mit Ammoniak auf. Alsdann aber bewirkte ich die Sättigung des Alkalis bei der einen Probe mit Salpetersäure und bei der andern mit Essigsäure, so daß die Flüssigkeiten nur noch schwach sauer auf das blaue Lackmuspapier reagirten. Die Proben wurden hierauf fortgesetzt und diejenige, wobei man die Neutralisation mit Essigsäure gemacht hatte, ergab einen genauen Gehalt, während die andere, wobei man zur Neutralisation Salpetersäure benutzt hatte, auf 20 angewandten Quecksilbers 8 Tausendstel Silber mehr ergab. Es wurden folglich 12 Tausendstel Quecksilber in der Auflösung zurückgehalten, und vielleicht wären die 20 vollständig aufgelöst geblieben, wenn man die Neutralisation ganz genau bewerkstelligt hätte. Es fehlt mir an Zeit, um die wahre Theorie des Verfahrens auszumitteln, und ich begnüge mich in praktischer Beziehung zu bemerken, daß man keine freie Mineralsäure in der Silberauflösung lassen darf und daß dieselbe gänzlich durch essigsaures Natron gesättigt werden muß.