Titel: Ueber die Theorie des Hrn. Leplay hinsichtlich der Reduction der Metalloxyde durch die Kohle; von Hrn. Gay-Lussac.
Fundstelle: Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XXIX., S. 122
Download: XML
XXIX. Ueber die Theorie des Hrn. Leplay hinsichtlich der Reduction der Metalloxyde durch die Kohle; von Hrn. Gay-Lussac. Aus den Annales de Chimie et de Physique, Jun. 1846, S. 221. Gay-Lussac, über die Theorie des Hrn. Leplay hinsichtlich der Reduction der Mettaloxyde durch die Kohle. Man verdankt Hrn. Leplay eine neue Theorie der Reduction der Metalloxyde durch Kohle.Polytechn. Journal Bd. LXIII S. 282. Dieselbe läuft darauf hinaus, daß dem Kohlenstoff als festem Körper alle directe Wirkung auf die Oxyde abgesprochen und deren Reduction durch das Kohlenoxydgas erklärt wird, welches sich in allen Oefen bildet, worin man die Erze behandelt. Man hatte früher allgemein angenommen, daß die Reduction der Oxyde entweder direct durch die Kohle bewerkstelligt wird, nämlich im Fall ihrer Vermengung damit, oder durch Cementation bis ins Innere der Massen, wenn keine hinreichende Berührung stattfindet. Da nun die Cementation nach Hrn. Leplay eine unerklärte, geheimnißvolle Operation ist, so hielt er den Kohlenstoff für einen anormalen Körper und gerade dieß lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Reduction der Metalloxyde. Als er die Zinkhütten im nördlichen Deutschland besuchte, wo man das Zink durch Erhitzen eines Gemenges von Zinkoxyd und Kohle gewinnt, bemerkte er mit Erstaunen, daß man die mehr oder weniger große Innigkeit des Gemenges als einen für das Gelingen der Operation sehr gleichgültigen Umstand betrachtet und dieß brachte ihn auf den Gedanken, daß die Reduction der Oxyde nicht durch Kohle, sondern durch Kohlenoxyd hervorgebracht wird. Diese Operation wird allerdings sehr leicht begreiflich mittelst der Dazwischenkunft des Kohlenoxyds, wenn sich solches erzeugen kann; dieses Gas würde eine Atmosphäre um die mineralischen Massen bilden und muß sie, indem es in ihre kleinsten Zwischenräume eindringt, viel schneller reduciren, als die Kohle, womit ihre Berührung weniger innig ist. Man muß folglich das Kohlenoxyd als das reducirende Agens und das Mittel betrachten, welches den Sauerstoff des Metalloxyds auf die Kohle überträgt. Seine Wirkung pflanzt sich in der Art fort, daß wenn man sich zwei Massen von Kohle und einem Oxyd vorstellt – welche sich in Entfernung von einander in einem geschlossenen Gehäuse befinden, aus dem jedoch die Gase austreten können – sie dennoch auf einander wirken werden, vorausgesetzt, daß das Gehäuse anfänglich mit Kohlenoxyd oder Kohlensäure oder bloß mit atmosphärischer Luft gefüllt war, und die Temperatur so hoch ist, daß sich die Kohlensäure im Augenblick ihrer Berührung mit der Kohle in Kohlenoxyd verwandeln kann. Hr. Leplay hat sich auf zahlreichen metallurgischen Reisen überzeugt, daß in allen Oefen mit gepreßtem Luftstrom, worin man die Oxyde des Eisens, Bleies, Kupfers und Zinns reducirt, keine bemerkliche Berührung zwischen den Erzen und der Kohle stattfindet; daß die Operation sogar mißlingt, wenn die Vermengung derselben so vollkommen als möglich ist und daß im Gegentheil der Gang der Oefen um so vollkommner ist, je unbedeutender die Berührung ist. Hieraus zog er den Schluß, daß die Behandlung der Oxyde und der Metalle mit Kohle sowohl auf dem Wege der Vermengung, als durch Cementation, in allen Fällen bloß ein einfaches und wohlfeiles Mittel ist, sie der Wirkung des Kohlenoxyds zu unterziehen, und er stellte als Grundsatz auf, daß das Kohlenoxyd alle Verbindungen reducirt und alle Metalle mit Kohlenstoff verbindet, welche durch Cementation reducirt und mit Kohlenstoff verbunden werden können. Bei dieser Theorie bietet der Kohlenstoff nichts anormales mehr bar, weil sich seine Wirkung durch diejenige des Kohlenoxyds und der Kohlensäure erklärt, welche ihm bei den meisten Erscheinungen im Großen, wobei er intervenirt, als Vehikel dienen. Obgleich die angegebene Theorie sich auf eine große Anzahl metallurgischer Beobachtungen gründete, wollte sie Hr. Leplay doch noch durch Versuche im Kleinen auf die Probe stellen und verband sich zu diesem Zweck mit Hrn. Laurent. Die Abhandlung, welche diese zwei ausgezeichneten Gelehrten veröffentlichten,Polytechn. Journal Bd. LXVIII S. 49. führt den Titel: Theorie der Cementation, mit dem Denkspruch: Corpora non agunt nisi soluta.“ Ich will zuerst auf den Sinn dieses Denkspruchs aufmerksam machen, durch welchen die Ansicht der HHrn. Leplay und Laurent sich eigentlich erst recht klar herausstellt; die Körper wirken nur im aufgelösten Zustand und können folglich, so lange sie im festen Zustand bleiben, unter den Umständen, worin sie sich befinden, nicht wirken. Wir wollen nun zu den erwähnten Versuchen über gehen. Die HHrn. Leplay und Laurent haben verschiedene Oxyde und Salze einem Strom Kohlenoxydgas in einer Porzellanröhre ausgesetzt, welche auf 25 oder 30 Grade Wedgwood erhitzt war und dabei folgende Resultate erhalten. Ein Stück faseriger Rotheisenstein und ein Krystall von Oligonspath wurden vollkommen reducirt. Als man sie gegen die Mitte der Operation herausnahm, fand man sie in sehr compactes Oxydul-Oxyd verwandelt, welches mit einem Häutchen weichen Eisens überzogen war. Die Oxyde von Kobalt, Nickel und Zinn wurden zu Metall reducirt. Die Wolframsäure wurde in Wolfram verwandelt. Die Oxyde von Cerium, Chrom und Titan hingegen erlitten keine Veränderung. Krystalle von schwefelsaurem Baryt und schwefelsaurem Kalk wurden vollkommen in Schwefelmetalle verwandelt. Um zu beweisen, daß das Kohlenoxyd das reducirende Agens in den (mit Kohle) gefütterten Tiegeln ist, haben die HHrn. Leplay und Laurent in eine auf 30 bis 35 Grade Wedgwood erhitzte Porzellanröhre einen Krystall von rothem Eisenoxyd und ein Stück Holzkohle gebracht, wovon sich jedes besonders in einer kleinen Platinschale befand. Während der ganzen Dauer der Operation entwickelte sich ein Gemisch von Kohlenoxyd und Kohlensäure, wovon ersteres gegen letztere immer im Ueberschuß war. Nach beendigter Operation fand sich das Oxyd vollkommen zu Metall reducirt. Bei diesem Versuch beginnt die chemische Wirkung durch die Erzeugung von Kohlenoxyd mittelst des Sauerstoffs der im Apparat enthaltenen Luft: wenn dieses Gas nun mit dem Eisenoxyd in Berührung kommt, so reducirt es dasselbe und verwandelt sich dadurch in Kohlensäure, welche sich ihrerseits an die Kohle begibt und neuerdings Kohlenoxyd bildet. Auf diese Art wird das Oxyd nach und nach vollständig reducirt. Was in der Porzellanröhre zwischen einer Masse Oxyd und einer Masse Kohle, welche von einander getrennt sind, vorgeht, muß nach den HHrn. Leplay und Laurent auch in den gefütterten Tiegeln stattfinden; nach ihrer Meinung liefert dieser Versuch den evidentesten Beweis, daß der Contact nicht nöthig ist. „Man hat uns eingewandt, sagen sie, unser Versuch beweise nicht, daß der Contact gar keinen Einfluß in den gefütterten Tiegeln habe und daß das Oxyd nicht gleichzeitig sowohl durch das Kohlenoxydgas als durch Cementation reducirt werde. Was versteht man aber unter Cementation? Dieses Wort wurde erfunden, um eine unbekannte Ursache, eine unerklärliche Wirkung, eine Anomalie anzuzeigen. Wir haben gezeigt, daß diese Anomalie nur eine scheinbare ist; warum will man also noch ferner eine geheimnißvolle Wirkung annehmen, nachdem sich eine einfache Erklärung darbietet, welche mit den allgemeinen chemischen Gesetzen vereinbar ist und darin besteht, z.B. hinsichtlich der Verwandlung des Eisens in Stahl zu sagen, daß er keineswegs durch Berührung der Kohle selbst mit dem Eisen, sondern vielmehr durch das Kohlenoxydgas erzeugt wird?“ Die HHrn. Leplay und Laurent haben zwar diese Theorie der Kohlenstoffaufnahme selbst umgestürzt, indem sie später anerkannten, daß das Eisen das Kohlenoxyd nicht zersetzt; neuere Versuche aber, welche von Hrn. Laurent angestellt wurden, führten ihn auf die Annahme, daß sich der Kohlenstoff bei einer sehr hohen Temperatur in Dampf verwandelt und daß die Kohlenstoffung des Eisens diesem Dampf zuzuschreiben ist, während der Kohlenstoff, so lange er im festen Zustand bleibt, sie nicht bewirken kann. Dieß ist also die neue Theorie der HHrn. Leplay und Laurent hinsichtlich der Reduction der Metalloxyde durch die Kohle und der Kohlenstoffung durch Cementation. Diese zwei Operationen werden beide entweder durch das Kohlenoxyd oder den Kohlenstoffdampf bewerkstelligt; und da sie durch Dazwischenkunft dieser zwei elastischen Flüssigkeiten ganz klar und begreiflich werden, auch mit dem Princip der alten Chemiker Corpora non agunt nisi soluta Harmoniren, so muß die Wirkung des Kohlenstoffs als fester Körper Null seyn, weil man sie nicht begreift, weil sie geheimnißvoll ist. Wie viele Erscheinungen sind jedoch für uns in das tiefste Geheimniß gehüllt! Wenn man sie läugnet, werden sie dadurch erklärt? Die HHrn. Leplay und Laurent, obgleich sie bewiesen, daß das Oxyd und der Dampf des Kohlenstoffs Oxyde reduciren und Metalle mit Kohlenstoff verbinden können, hätten doch auch beweisen sollen, daß der Kohlenstoff als fester Körper unfähig ist dieselben Wirkungen hervorzubringen; die Erklärungen, welche so leicht zu finden sind, wären nachgekommen. Ihre Theorie ist also eine unvollständige, vielleicht in gewisser Hinsicht ungenaue, was ich durch einige kurze Bemerkungen nachweisen werde. Ist es wahr, daß der Kohlenstoff als fester Körper, weder die Metalloxyde reduciren, noch die Metalle in Kohlenstoffmetalle verwandeln kann? Wenn man mit stark calcinirtem Lampenschwarz ein leicht reducirbares Metalloxyd, wie die Oxyde von Silber,Wenn das Silberoxyd mäßig mit Lampenschwarz in einer Glasröhre erhitzt wird, reducirt es sich rasch mit einer sehr starken Explosion. Quecksilber, Kupfer, Blei, Wismuth etc. erhitzt, so erfolgt die Reduction vor der Rothglühhitze und weit unter der Temperatur, wobei der Kohlenstoff die Kohlensäure in Kohlenoxyd verwandeln kann, und es entwickelt sich nur vollkommen reine Kohlensäure. Bei allen diesen Oxyden wird also die Reduction direct durch den Kohlenstoff bewerkstelligt und kann nicht dem Kohlenoxyd beigemessen werden, welches gar nicht vorhanden ist. Ohne Zweifel würde das Kohlenoxyd diese Metalloxyde bei einer geeigneten Temperatur ebenfalls sehr gut reduciren und gewiß schneller als der Kohlenstoff; darum handelt es sich aber nicht; es genügt mir zu zeigen oder vielmehr daran zu erinnern, daß der Kohlenstoff allein und bei einer sehr mäßigen Temperatur die Metalloxyde ohne alle Dazwischenkunft von Kohlenoxyd oder irgend einer andern elastischen Flüssigkeit reducirt. Aber abgesehen von den Oxyden, welche der Kohlenstoff direct reducirt, bei einer niedrigem Temperatur als diejenige ist, wobei er die Kohlensäure zersetzen könnte – gibt es noch viele andere Oxyde, welche dem Kohlenoxyd sogar bei einer sehr hohem Temperatur widerstehen, hingegen durch den Kohlenstoff reducirbar sind. Solche sind die Oxyde von Mangan, Chrom, Cerium, Titan, Kalium etc. Da nun der Kohlenstoff sowohl diejenigen Oxyde reducirt, welche nur eine mäßige Hitze erheischen, als auch diejenigen, welche eine sehr hohe erfordern, während unter diesen Umständen das Kohlenoxyd unwirksam bleibt, so ist es klar, daß er auch die Oxyde wird reduciren können, welche eine dazwischenliegende Hitze erfordern, bei welcher das Kohlenoxyd seine Wirkung äußern könnte; indem ich aber bemerke, daß der Kohlenstoff in diesem Fall gemeinschaftlich mit dem Kohlenoxyd die Reduction der Oxyde bewerkstelligen würde, will ich bloß die Thatsache hinstellen, indem ich übrigens überzeugt bin, daß das Kohlenoxydgas wegen seiner viel innigern Berührung mit dem Erz die Reduction viel schneller als die Kohle bewirken muß. Man wird ohne Zweifel sagen, daß wenn ein Oxyd zu seiner Reduction durch Kohle eine sehr hohe Temperatur erfordert, nicht die Kohle, sondern der Kohlenstoffdampf das reducirende Agens ist. Dagegen läßt sich einwenden, daß die Dazwischenkunft des Kohlenstoffdampfs bei der Reduction der Oxyde und sogar dessen Existenz noch sehr problematisch ist; aber abgesehen hievon, warum soll man dem Kohlenstoff die Eigenschaft absprechen, bei einer hohen Temperatur die Oxyde unmittelbar (etwa durch Cementation) reduciren und die Metalle mit Kohlenstoff verbinden zu können, während es unbestreitbar ist, daß er unter den ungünstigsten Umständen, bei einer wenig hohen Temperatur direct eine große Anzahl von Metalloxyden reducirt? Wir müssen also nach directen Versuchen und den stärksten Analogien zugeben, daß der Kohlenstoff im festen Zustande auf andere ebenfalls feste Körper wirken kann, obgleich seine Wirkung unter gleich günstigen Umständen langsamer seyn muß, als die des Kohlenoxyds. Die HHrn. Leplay und Laurent nehmen, um die Cementation und Kohlenstoffung durch einfache Berührung zu erklären, Operationen welche für sie dunkle und geheimnißvolle sind, ihre Zuflucht zum dampfförmigen Zustand, welchen der Kohlenstoff annehmen kann und glauben damit alle Schwierigkeiten gelöst zu haben; aber die Cementation oder die Fortpflanzung einer chemischen Wirkung durch die Masse eines festen Körpers erfolgt eben so gut durch Hinzuthun von Substanz als durch Entziehen solcher; und wenn im letztern Fall die entzogene Substanz, z.B. der Sauerstoff eines Oxyds, wirklich Poren hinterläßt, welche einem elastischen Fluidum wie dem Wasserstoff oder Kohlenoxyd zugänglich sind, so ist dieß doch keineswegs bei der Cementation mittelst Zugabe von Substanz der Fall, z.B. bei der Vereinigung des Eisens mit Kohlenstoff, wobei das Metall seine ganze Undurchdringlichkeit beibehält. Wenn man also auch annimmt, daß der Kohlenstoffdampf anfangs eine Schicht Kohlenstoff auf der Oberfläche des Eisens abgelagert und daselbst eine Verbindung stattgefunden hat, wie soll sich diese Kohlenstoffung in das Innere der Masse fortpflanzen, welche dem Kohlenstoffdampf unzugänglich ist, und worin wird sie sich von derjenigen unterscheiden, welche sich durch die bloße Berührung der Kohle bewerkstelligt? Inwiefern wird sie endlich weniger geheimnißvoll seyn? Allerdings ist die Cementation in ihrer Allgemeinheit genommen, noch nicht hinreichend erklärt, aber man kann behaupten, daß sie gänzlich unabhängig ist von dem Flüssigwerden des cementirenden Körpers; denn sobald man annimmt, daß die Flüssigkeit in die Poren des festen Körpers eindringen und darin ihre Wirkung ausüben kann, findet eigentlich keine Cementation oder Fortpflanzung einer chemischen Wirkung durch seine Masse mehr statt, sondern bloß eine Wirkung vermittelst der Berührung oder Vermischung. Dem Kohlenoxyd wird Niemand die Eigenschaft bestreiten, daß es als reducirendes Agens wirken kann; dieß weiß man schon lange; dafür zeugt seine große Verwandtschaft zum Sauerstoff genügend, und letztere wird durch die große Hitze bewiesen, die es während seiner Verbrennung hervorbringt; aber Hr. Leplay hat das Verdienst, auf die Wichtigkeit dieses Umstandes in der Metallurgie zuerst aufmerksam gemacht zu haben. Ich wollte auch mit diesen Bemerkungen nur den von ihm aufgestellten Grundsatz bestreiten, daß feste Körper nicht aufeinander wirken können, wenn nicht wenigstens einer von ihnen flüssig ist. Hr. Leplay täuschte sich dadurch, daß er auf den Hütten die Oxyde im großen Maßstab scheinbar durch die bloße Beihülfe des Kohlenoxyds reduciren sah und daß er folgerte, die Wirkung des Kohlenstoffs sey Null, weil sie ihm unbedeutend schien. Der Unterschied in der Wirkung des Kohlenoxyds und Kohlenstoffs, wenn diese Körper mit einem Oxyd zusammenkommen, welches sie beide zu reduciren vermögen, ist ohne Zweifel sehr groß; er beruht jedoch auf rein mechanischen Ursachen, derentwegen man die chemische Wirkung nicht vernachlässigen darf, welche jeder von ihnen, je nach den Umständen worin sie sich befinden, ausüben kann. Wir wollen nicht bestreiten, daß die Cementation eine dunkle und geheimnißvolle Operation ist, wie die HHrn. Leplay und Laurent glauben; wir wollen aber auch nicht zugeben, daß dieß in so hohem Grad der Fall ist, daß man, um sie zu erklären, die evidentesten chemischen Sähe vergessen müßte. Die Cementation läßt sich begreifen, wenn die vorhandenen Körper in unbestimmten Proportionen wirken, wie der Kohlenstoff bezüglich des Eisens; wenn die Körper aber einmal im Zustand der Verbindung von Atom mit Atom sind, so ist die Mittheilung der einen Schichte an die andere sehr schwierig zu erklären. Indessen gestatten die merkwürdigen Versuche des Hrn. Berthier über die Cementation nicht zu zweifeln, daß sie hinsichtlich der stöchiometrischen Verhältnisse auch sprungweise erfolgt. Er fand nämlich, daß eine Masse rothen Eisenoxyds sich in einem gefütterten Tiegel gänzlich in magnetisches Oxyd verwandelt, bevor sich noch metallisches Eisen bildet; dann pflanzt sich die Reduction von der Oberfläche gegen den Mittelpunkt fort und zwar so, daß in dem Maaße als metallisches Eisen auf der Oberfläche entsteht, sich Hammerschlag im Innern und bis zum Mittelpunkt bildet, aber in abnehmenden Verhältnissen von der Oberfläche gegen diesen Punkt. Endlich wenn die Cementation sehr vorgerückt ist, besteht die Oberfläche des Königs bis auf eine beträchtliche Dicke aus stahlartigem Eisen. (Berthier. Essais par la voie sèche, Tom. II pag. 186.) Die HHrn. Leplay und Laurent haben auch gefunden, daß ein Stück faserigen Rotheisensteins und ein Krystall von Oligonspath durch Einwirkung des Kohlenoxyds vollkommen reducirt werden können, daß sie aber gegen die Mitte der Operation herausgenommen, in sehr compactes Oxyd-Oxydul verwandelt waren, welches mit einer Schicht weichen Eisens überzogen war. Dieses Resultat scheint zu beweisen, daß die Reduction sogar mit dem Kohlenoxyd (obgleich dasselbe in die durch die Entziehung von Sauerstoff freigelassenen Poren eindringen kann) durch bloße Cementation wie mit dem Kohlenstoff bewirkt wurde, nämlich durch successive Uebertragungen von der Oberfläche gegen den Mittelpunkt. Es ist sogar möglich, hievon eine genügende Erklärung zu geben. Man muß sich erinnern, daß das Kohlenoxyd das Eisenoxyd reducirt und daß das metallische Eisen seinerseits die Kohlensäure zersetzt. Wir wollen nun annehmen, daß das Kohlenoxyd gerade so stark reducirend wirke, als die Kohlensäure oxydirend. Es würde daraus folgen, daß ein Gemenge von einem Molekül Kohlenoxyd und einem Molekül Kohlensäure in Gegenwart eines Moleküls Eisenoxyd oder eines Moleküls metallischen Eisens, weder ersteres reduciren noch letzteres oxydiren könne. Es muß, damit eine Wirkung stattfinden kann, eines der beiden Gase im Verhältniß zum andern im Ueberschuß vorhanden seyn, und sie wird stets im Sinne des vorwaltenden Gases erfolgen. Wenn wir uns also vorstellen, es sey eine molekulare Pore durch die Entziehung des Sauerstoffmoleküls, welches sie ausfüllte, frei geworden, und es habe sich ein Molekül Kohlenoxyd in sie gelagert, so ist kein Grund vorhanden, daß dasselbe auf ein Molekül umgebenden Oxyds wirken sollte; denn wenn die Reduction stattfinden könnte, hätte man ein Molekül Eisen und ein Molekül Kohlensäure nebeneinander, welche durch ihre gegenseitige Wirkung eben so gut Eisenoxyd und Kohlenoxyd reproduciren könnten. Unter der Voraussetzung, welche wir uns gestellt haben, wäre die Reduction nur möglich, wenn in die moleculare Pore mehrere Moleküle Kohlenoxyd gelangen könnten, was begreiflicherweise nicht stattfinden kann. Es könnte also in dem gewählten Beispiel und vielen andern ähnlichen Fällen das Kohlenoxyd nicht in das Innere der Massen durchdringen und darin die Reduction bewirken. Wenn es also, wie wir glauben, wirklich das Hauptagens bei der Reduction der Eisenerze ist, so ist der Grund davon keineswegs, daß sich in denselben molekulare Poren befinden, sondern unzählige Spalten, welche seinen Zutritt in Masse zu jedem Molekül Eisen erleichtern. Wenn die Reduction auf diese Weise nicht vollständig erfolgte, weil die Massen von dem Kohlenoxyd nicht hinreichend durchdringbar sind, so gestattet das Schmelzen der Gangart diesem Gase sie vollends zu bewerkstelligen. Dieses Beispiel zeigt, daß das Kohlenoxyd selbst unter solchen Umständen nicht ausreicht, wo seine Kraft zur Reduction hinreicht, und daß seine Wirkung weder so einfach noch so allgemein ist, wie die HHrn. Leplay und Laurent glaubten. Wenn ich nun auch keineswegs die Ansicht dieser Herren theile, daß die Cementation eine ganz geheimnißvolle Operation ist, so gestehe ich doch zu, daß sie besser studirt werden muß, als es bisher geschah und ich bin überzeugt, daß die Bemühungen in dieser Hinsicht nicht fruchtlos bleiben werden. Wir dürfen nicht mehr blind an den Grundsatz der alten Chemiker glauben: Corpora non agunt nisi soluta,“ im Gegentheil wirken alle Körper, feste, flüssige und gasförmige auf einander, nur ist von diesen drei Zuständen der Körper der feste Zustand für die Ausübung ihrer Verwandtschaft der ungünstigste.