Titel: Elektromagnetisches Glockengeläut; von C. A. Grüel.
Fundstelle: Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XLVIII., S. 228
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XLVIII. Elektromagnetisches Glockengeläut; von C. A. Grüel. Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1846, Nr. 6. Grüel's elektromagnetisches Glockengeläut. Wenn die Reibungselektricität durch den Erfolg der Anziehung und Abstoßung ungleichartig oder gleichartig elektrisirter Körper Veranlassung gegeben hat zu einer Anzahl lange bekannter Vorrichtungen, die das einfache Gesetz, nach welchem sie wirken, zum Theil auf eine belustigende Weise veranschaulichen, so scheint es, als ob das später entdeckte Gebiet der elektro-magnetischen Wirkungen eine neue, vielleicht noch ergiebigere Quelle derartiger physikalischer Ergötzlichkeiten darbiete; nur mit dem Unterschied, daß innerhalb desselben die Aufsuchung neuer Formen und Combinationen oft zu interessanten Aufschlüssen über die Wirkungsweise der elektro-magnetischen Maschinen und über den Werth dieser oder jener Anordnung ihrer einzelnen Theile führt. Meine der Beschreibung des oben genannten Gegenstandes angefügten Bemerkungen dürften den Dilettanten nicht ganz unwillkommen seyn, die mit überschwänglichen Hoffnungen, ohne genügende Vertrautheit mit der Sache, theure und fehlschlagende Versuche anstellen möchten. Sachverständige finden es vielleicht der Mühe nicht unwerth, meine Ansicht zu prüfen und die Frage zu entscheiden, ob wohl die Ausführung größerer elektro-magnetischer Maschinen bisher nach dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse geschehen, und inwiefern eine weitere Vervollkommung derselben möglich erscheint. –––––––––– Auf einem Brett, zwischen zwei durch ein kleines Gesims verbundenen Ständern, steht ein elektro-magnetisches Hufeisen aufrecht mit seinen Polen. Darüber ist der Anker beweglich so angebracht, daß er stets in naher Berührung mit dem einen Pol bleibt, und nur beim anderen Pol durch Auf- und Niederklappen sich hebt und senkt. An diesem Ende ist eine Schnur befestigt, die oben unter dem Gesims um eine bewegliche Welle geht, an deren Mittelpunkt die Glocke hängt. Wird der Magnet erregt, so bewegt der angezogne Anker die Glocke, denn sie macht jetzt eine halbe Schwingung, nach deren Beendigung der Magnet den Anker loslassen muß, da es sonst bei dieser halben Schwingung verbleiben würde. Es wäre freilich die Rotation eines Rades und die Verwandlung seiner Bewegung in eine hin- und hergehende ein leichtes Mittel, das Gewünschte zu erreichen. Es erschien mir indessen ansprechender, den ungemein einfachen, nur aus vier wesentlichen Stücken zusammengefügten Apparat durch den noch einfacheren Commutator unmittelbar in Gang zu bringen. Bei allen sonstigen elektro-magnetischen Maschinen kehrt bei einer bestimmten Lage des beweglichen Theils auch die nämliche Stellung und Wirkung des Commutators zurück. Die Glocke durchläuft während einer ganzen Schwingung zweimal dieselben Punkte ihrer Bahn, der Commutator muß aber den Strom das einemal leiten, das anderemal unterbrechen. Dieß zu erreichen, besteht derselbe aus einem Stückchen Kupferplatte (1 Zoll lang, 1/2 Zoll breit), auf der Rückseite mit Holz fournirt; er ist unterhalb am Gesims befestigt. Auf der Welle ist ein kleines Stück Uhrfeder aufrechtstehend befestigt. Die Ebene in welcher die Uhrfeder sich bewegt, ist dieselbe, in welcher die Flächen der Platte sich befinden. Wird die Glocke bewegt, so streift die Feder stets an einer jener Flächen vorbei. – Man hat die gesammte Stromleitung so einzurichten, daß Feder und Platte einen wesentlichen Theil dieser Leitung ausmachen. Denkt man sich nun die Ebene der Platte ein wenig verstellt, so daß sie einen geringen Winkel bildet mit jener Ebene, in welcher die Stahlfeder schwingt, so tritt sogleich das Läuten der Glocke ein, sobald der Strom einer einfachen Grove'schen Kette hinzutritt. Da die Stahlfeder, nachdem sie eine der Flächen passirt hat, vermöge ihrer Elasticität abgleitet, die gerade Stellung einnimmt und nun die andere Seite der Platte bestreicht, so daß sie abwechselnd auf Metall und Holz schleift, so entsteht die richtige Commutator-Wirkung. Die Sicherheit, mit welcher der kleine Apparat arbeitet, ist erfreulich; er möchte nach der früher von mir gefertigten Hammervorrichtung als die möglich einfachste elektro-magnetische Maschine anzusehen seyn. Seit einer Reihe von Jahren mit Herstellung dergleichen Apparate für den Zweck des Unterrichts und physikalischer Vorträge beschäftigt, leuchtete mir sehr bald ein, daß es eine bedeutend verschiedene Aufgabe sey, Rotationsapparate mannichfacher Form mit einigem Kraftüberschuß, oder aber Maschinen herzustellen, mit dem geringsten Aufwand an Material erbaut, die eine vorgeschriebene Kraftäußerung und dabei den größten ökonomischen Effect gewähren sollen. Letztere Aufgabe bedingt die Kenntniß und Berücksichtigung aller in dem Zeitraum von zwei Decennien gewonnenen Resultate werthvoller Untersuchungen, wie sie in der Ohm'schen Theorie, in den Ergebnissen der Lenz und Jacobi'schen Versuche über das Gesetz der Elektromagnete, ferner in der Vervollkommnung galvanischer Ketten und der Erzielung höchst kräftiger Magnete u.s.w. gegeben sind. Der mit allen diesen Dingen vertraute Techniker bedarf jedoch zur glücklichen Lösung jener Aufgabe auch noch ein mechanisches Talent, eine Combinationsgabe, die ihn auf diesem Felde eine Strecke weiter führen werden, da, wo die angegebenen Punkte nicht ausschließlich als Führer dienen können. – Seit dem Erscheinen des Jacobi'schen Mem. s. l'appl. etc. ist mancher Versuch gemacht worden, ohne eine sichere Entscheidung der Frage herbeigeführt zu haben, ob es glücken werde, den Magnetismus dereinst in die Reihe nutzbarer Triebkräfte eintreten zu sehen. Noch jetzt sieht man nicht selten solche nach ganz schwankenden Principien verfertigte Modelle entstehen, deren Kraft den gehegten Erwartungen keineswegs entspricht. Mühevoll herumschleichend klingt es komisch, wenn solches Modell den Namen einer Locomotive erhält. Auch ich fand mich einst (es sind jetzt fast neun Jahre darüber vergangen), als mir die ersten kleinen Versuche geglückt waren, durch den Wunsch, ein dreifüßiges Rad durch Magnetismus zu treiben, zu der übereilten Construction einer Maschine verleitet, an welcher acht große Magnete von 3 Zoll dicken Schenkeln mit dickem Draht bewickelt, vergeudet waren, denn es gewann nur eine kümmerliche Rotation. Dasselbe Rad treibe ich jetzt mit einem großen Magnet, von den Dimensionen des im Yale-College befindlichen, seinem Anker, einem Commutator, welcher den Magnet nur während der halben Umdrehung des Rades erregt, und einer Grove'schen Kette von 14 Quadratzoll Platinfläche, dergestalt, daß ich mittelst eines Laufbandes das kleine Modell einer Dampfmaschine gleichzeitig dadurch in Bewegung versetze. Diese kurze Beschreibung zeigt, wie es hiebei auf die vortheilhafteste Construction nicht einmal abgesehen seyn konnte. Ich führe nun einige Punkte an, auf welche Rücksicht genommen werden muß, um unwirksame Maschinen zu vermeiden. a) Auf die unvermeidliche Schwächung der Magnete durch eine lange Drahtleitung, wenn der Hauptfactor magnetischer Erregung, die Stromstärke, nicht gleichzeitig vergrößert worden ist. b) Auf die Gestalt der Pole. Die Stärke der magnetischen Anziehung verhält sich umgekehrt wie das Quadrat der Entfernung. Die größte Attraction tritt demnach ein, wenn die Achse der freundschaftlichen Pole in einer Linie liegt. In diesem Augenblick muß aber der Commutator oder Gyrotrop seinen Dienst verrichten. Damit aber durch so leicht mögliche Ungenauigkeit desselben kein Kraftverlust entstehe, verbreitete man die Endflächen der magnetischen Pole. Es ist leicht einzusehen, daß hiebei nach dem angeführten Gesetz nur Vortheil seyn kann, da die Anziehung ohne Verringerung ihres mittleren Werthes schon etwas früher als sonst beginnt. Die Pole müssen einander so nahe kommen, als es ohne Berührung möglich ist. c) Auf die Vermeidung zu schneller Stromwechslung. Der Nachtheil derselben ist ein doppelter. Die Zeit zur Erregung des Maximums elektro-magnetischer Tragkraft ist nicht als unendlich klein anzunehmen. Sind daher zu viel Magnete angebracht, so wird dieser Nachtheil eben so fühlbar, als eine präcisere Wirkung des Commutators nothwendig. d) Der remanente Magnetismus im weichen Eisen ist namentlich bei der wirksamsten Form der Elektromagnete oft sehr bedeutend; er muß getilgt werden, da, wo er nach der getroffenen Anordnung Abbruch thun könnte. Man erreicht dieß mittelst eines ungemein schwachen Gegenstroms. e) Schlesisches Rund- und rothbrüchiges Eisen sind mir zur Verwendung zu Elektromagneten vortheilhaft erschienen. f) Für die innige metallische Verbindung einzelner Theile, die den Strom zu leiten haben, ist Löthung, wo sie zulässig, und Amalgamation, wo die Verbindungsstellen beweglich auf einander bleiben müssen, das beste Mittel. Kupfer und Stahl mit recht metallischen Flächen und reichlichen Berührungspunkten leiten nächstdem gut, wo sie, der öfter nothwendigen Erneuerung der Amalgamation wegen, der letzteren vorgezogen werden möchten. Platin wirkt schlecht, und durch den Leitungswiderstand die Stromstärke vermindernd. g) Ersparung der Umwicklung mit Seide bei den Leitungsdrähten ist zulässig, wenn die Ströme keine große Intensität besitzen. Dieser Fall findet in der Regel statt, wenn starke Drähte angewandt werden; dann ist die Umwindung und Isolirung mittelst Baumwolle hinreichend. – Lange dünne Drähte, welche mehrelementige Ketten bedingen, müssen mit Seide besponnen seyn, eben so, wenn sie zu kräftigen Inductionsapparaten dienen sollen. h) Ich halte die von Joule angegebene Form, der Elektromagnete für eine vortheilhafte, weil sie in kleinem Raum Außerordentliches leistet. Es kommt zwar bei ihnen, wie bei allen anderen Magneten, von der Tragkraft, welche leicht 20 bis 30 Cntr. beträgt, nur ein geringer Theil zur lebendigen Kraftäußerung, vielleicht ist dieser aber ausreichend, wenn ihre Anordnung die rechte ist. i) Der Commutator, dessen Einrichtung sehr mannichfaltige Abänderungen erleiden kann, ist gar häufig ein schwacher Punkt jener Maschinen. Er soll prompt wirken, dem Strom keinen starken Widerstand bieten und der leichten Abnutzung nicht unterworfen seyn. Kupfer, Neusilber, Stahl bei gehöriger Metallstärke, Amalgamation besonders, leisten die besten Dienste. Von dem Vorzug der Amalgamation mag man sich überzeugen an einer Inductionsvorrichtung, wo die Unterbrechung des Stroms durch die Hammervorrichtung bewerkstelligt ist. Die Stärke der Induction kann ein Maaß abgeben für diejenige der primären galvanischen Stromeskraft. Wie metallisch sich Hammer und Amboß auch berühren mögen sey Platin oder Kupfer dazu verwendet, die Wirkung wird verdreifacht, sobald nur die Berührungspunkte amalgamirt werden. k) Die Theilung der galvanischen Ketten, indem man den Strom auf besondere Drahtleitungen mit separatem Commutator, die erzeugte Kraft aber auf solche Angriffspunkte wirken läßt, welche die Bewegung der Maschine unterstützen, wäre weniger aus mechanischen als vielmehr physikalischen Gründen (siehe c und d) gerechtfertigt. Gut eingerichtete Ketten sollen ja das Zink hauptsächlich nur auf volta'sche Weise consumiren, es würde demnach aus der angeführten Vermehrung der Ketten kein größerer Zeitverlust zu erwarten seyn, als mit der erhaltenen galvanischen Kraft im Einklänge steht. Ich schließe mit der Erwähnung, daß wenn, wie in diesen Blättern früher schon bemerkt wurde, einer gewissen Menge voltai'sch aufgelösten Zinks ein bestimmtes Maximum dynamischen, durch elektromagnetische Wirkung erzeugten Effects entspricht, der sich mit der von einem Quantum Steinkohlen in der Dampfmaschine erzielten Kraftleistung leicht vergleichen ließe, und eben, weil es das Maximum ist, durch kein Mittel keine andere Combination erhöht werden könnte, dennoch bisher Niemand im Stande gewesen ist, die absolute Größe desselben zu bestimmen.