Titel: Ueber die Bereitung des Leuchtgases aus Wasser; von Jobard.
Fundstelle: Band 102, Jahrgang 1846, Nr. XXVI., S. 124
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XXVI. Ueber die Bereitung des Leuchtgases aus Wasser; von Jobard. Aus dem Bulletin du Musée de l'Industrie durch das London Journal of arts, Jul. 1846, S. 443. Jobard, über die Bereitung des Leuchtgases aus Wasser. Durch Destillation von Steinkohlen, Harz, Fettsubstanzen und Oelen kann eine gewisse Menge Kohlenwasserstoffgas erzeugt werden, welches zum Beleuchten tauglich ist; zu gleicher Zeit aber erzeugt sich eine bedeutende Quantität von Kohlenwasserstoff-Verbindungen mit größerem Kohlenstoffgehalt in Form von Theer, Naphthalin, Paraphin, brenzlichen Oelen etc., welche sich im Apparat in flüssiger oder fester Gestalt absetzen. Nun sind aber letztere für die Gasbereitung nutzlos und nachtheilig gewordenen Körper gerade diejenigen, welche die größte Leuchtkraft besitzen. Es wurde daher der Vorschlag gemacht, diese Kohlenwasserstoffe in Wasserstoffgas aufzulösen, welches keine Leuchtkraft besitzt, um letzteres dadurch leuchtfähig zu machen, weil der Kohlenstoff die Quelle der Leuchtkraft ist. Das ganze Jahr 1833 hindurch wurden hierüber Versuche angestellt, so wie zur Construction eines Apparats, um das mittelst der Döbereiner'schen Lampe erzeugte Wasserstoffgas mit Kohlenstoff zu vereinigen. Die Versuche gelangen über alle Erwartung und die Resultate wurden der königlichen Akademie zu Brüssel vorgelegt, von welcher eine Commission ernannt wurde, um sie näher zu prüfen, welche in der Sitzung vom 4. Jan. 1834 folgenden Bericht erstattete: „Die in der letzten Sitzung zur Prüfung der von Hrn. Jobard construirten Lampe ernannte Commission erstattet hiemit ihren Bericht, aus welchem hervorgeht, daß die Commissäre sich überzeugten, daß das Gas mit einer sehr weißen und glänzenden Flamme brannte, welche 36 Kerzen, deren 6 aufs Pfund gehen, gleich war, und daß sie bei Untersuchung seiner Leuchtkraft durch Vergleichung der Schatten fanden, daß das Licht dieses aus einem 12löcherigen Argand'schen Brenner austretenden Gases wenigstens zweimal so stark ist als das von der Brüsseler Gascompagnie gelieferte Steinkohlengas, wenn man es in einem 12 löcherigen Argand'schen Brenner verbrennt, dessen Löcher dreimal so groß sind, wie man sich deren in dieser Stadt in den meisten Kaufläden bedient. Diese Beobachtungen scheinen die von Hrn. Jobard an die königliche Akademie gestellten Fragen vollkommen zu beantworten.“ „Um seine Erfindung vollkommen würdigen zu können, müßte sie in großem Maaßstab ausgeführt und die dabei stattfindende Ersparung berücksichtigt werden, worüber er uns nicht aufklären konnte, ohne uns mit seinem Verfahren bekannt zu machen, welches er aber geheim zu halten wünscht.“ Da die Commission wünschte, die Erfindung in einem größern Maaßstab ausgeführt zu sehen, ließ ich einen Gasometer verfertigen und brachte in jedem Zimmer meines Hauses Brenner an; ein einziger Brenner reichte hin, um das größte Zimmer glänzend zu beleuchten, und für jeden Brenner wurden mehrere Centimes erspart, weil man als Nebenproduct Eisenvitriol erhielt. Das Gas wurde dadurch mit Kohlenstoffdämpfen beladen, daß man es durch einen Cylinder hindurchleitete, der zwei Quart Gastheeröl enthielt, welches nach Verlauf von 8 Tagen, während welcher der Versuch fortgesetzt wurde, noch nicht erschöpft war. Ich gehe in diese Details zum Nutzen jener ein, welche sich geneigt fühlen, sich dieser Erfindung, die nahe daran ist, allgemeines Eigenthum zu werden, zu bedienen. Es blieben noch einige Zweifel übrig, ob das Gas seine Leuchtkraft behalte, wenn es in Gasometer gesperrt und durch eine bedeutende Länge von Röhren hindurchgeleitet wird; ich hielt es für wahrscheinlich, daß zur Winterszeit der mit dem Gas nur mechanisch verbundene Kohlenstoff sich von ihm trennen und absetzen werde.Dieß war zur Winterszeit zu St. Ballier, bei St. Etienne, in der mit 240 Brennern beleuchteten Fabrik der HHrn. Charenton und Sohn der Fall. Der in Thénard's Lehrbuch der Chemie enthaltene Satz: die Gase verbinden sich im Augenblick ihres Freiwerdens, war hinreichend, um mich auf den rechten Weg zu leiten. Ich nahm in Belgien ein Patent für Erzeugung von Wassergas durch Zersetzung des Wasserdampfs in verticalstehenden, mit glühenden Kohks angefüllten Retorten und Vereinigung dieses Gases im Augenblick seiner Entbindung mit überkohlenstofftem Gase, welches durch Destillation fixer Oele oder anderer Kohlenwasserstoffe erzeugt wurde. Ich ging hierauf nach Paris, wo ich meine Erfindung den HHrn. Selligue und Tripier vertragsmäßig gegen die Summe von 10,000 Frcs. und ein Drittheil des Gewinns überließ, mit der Bedingung jedoch, daß Hr. Selligue als der Erfinder gelten solle, als welcher er auch die goldenen Medaillen der Société d'Encouragement und der Académie de l'Industrie erhielt. – Er sollte eben auch die goldene Medaille der Ausstellung von 1839, sowie auch das Kreuz der Ehrenlegion für diese, von Baron Thénard so benannte glänzende Erfindung erhalten, als ich vor eine Jury geladen wurde, um die Wahrheit zu erklären. Es wäre zwecklos gewesen, vor einer aus Männern, wie Baron Thénard, Gay-Lussac, Brongniart, d'Arcet, Dumas, Payen etc. zusammengesetzten Jury die Wahrheit verhehlen zu wollen. Ich zeigte nichts als mein belgisches Patent, unsern Vertrag und Hrn. Selligue's Empfangschein vor. Der Fall war bald entschieden; das Selligue-Gas, sowie auch das Selligue'sche System der Brunnenbohrung, welches ich ihm kraft desselben Vertrags überlassen hatte, wurden beide auf einmal ihres falschen Namens beraubt. Hr. Selligue hatte jedoch auch etwas zur Erfindung beigetragen, indem er nämlich einige horizontale Oefen construirte, welche aber den Dienst nicht verrichten wollten, ehe er meine verticale Vorrichtung annahm, welche zu Antwerpen mit gutem Erfolg angewandt wurde und deren Beschreibung ein andermal folgen wird. Die Städte Dijon und Straßburg und zwei Vorstädte von Lyon und Paris wurden eine Zeit lang mit diesem Gas beleuchtet, welches, nachdem es einige Zeit mit der Concurrenz mächtiger Gascompagnien des Continents zu kämpfen hatte, auf dem Punkt war, in Vergessenheit zu gerathen, als es in Dublin, und sogar in London Aufnahme fand.Das aus Wasser bereitete Gas wurde in Dublin von Hrn. Kelly, obere Gloucester-Straße; in London von Hrn. Stanes, Golden-Square, 25, und unter den Bögen der Waterloobrücke angewandt. Mit großer Freude sah ich es in diesem, an Steinkohlen so reichen Lande in Gebrauch kommen, weil ich glaubte, daß es nur in jenen Ländern werde angewandt werden, wo die Steinkohle selten und theuer ist; in Paris wurde alsdann ein von mir gemachter Vorschlag eingeführt, der darin bestund, das durch Zersetzung des Wassers erhaltene Gas mit den Kohlenwasserstoff-Verbindungen zu vereinigen, welche man bei der Destillation der Steinkohlen zur Gasbereitung als Nebenproducte erhält. Auf diese Weise konnte zwei- bis dreimal soviel Leuchtgas gewonnen werden als bei dem gewöhnlichen Verfahren. Auch die Leuchtkraft des gewöhnlichen Gases kann verdoppelt werden, wenn man es durch ein schwach erhitztes, mit flüssigen Kohlenwasserstoff-Verbindungen gefülltes Gefäß streichen läßt, wie dieß in meinem Patent beschrieben ist. Verbindet man das reine Wasserstoffgas im Augenblick seiner Bildung mit Steinkohlengas, welches Ueberschuß an Kohlenstoff hat, so fällt die Notwendigkeit weg, letzteres zu reinigen, indem das Ammoniak und die frei werdenden Schwefelwasserstoff-Verbindungen zerstreut werden und ihre Intensität verlieren; wendet man aber Schieferöl, Thran oder sonst ein Oel an, so wird jede Reinigung ohnedieß unnöthig. Nur um das Publicum mit den Vortheilen dieses neuen Systems bekannt zu machen, erachte ich es für gut, die Gründe anzuführen, welche bei Veröffentlichung des von Hrn. Arago in der Sitzung der französischen Akademie der Wissenschaften am 3. Dec. 1838 vorgelesenen Berichts gegen dieses System vorgebracht wurden. Auch auf den Bulletin de la Société d'Encouragement desselben Jahrs will ich mich hinsichtlich des Berichts der HHrn. Dumas und Payen beziehen, auf welchen hin einer der großen Preise dieser Gesellschaft dem Hrn. Selligue zuerkannt wurde.Man vergl. über dieses Gas polytechn. Journal Bd. LXVIII S. 198, Bd. LXXI S. 29, Bd. LXXII S. 141, Bd. LXXVII S. 141 und Bd. LXXXI S. 131. Im folgenden Jahr wurde in England auf den Namen des Hrn. de Val Marino ein Patent für dieses Verfahren genommen. Um dieselbe Zeit fand die Erfindung ihren Weg nach Oesterreich und kam daselbst in die Hände des Hrn. Offenheim, von welchem sie in Belgien dem Erfinder selbst, den Hr. Offenheim nicht kannte, zum Kauf angeboten wurde. Um auf die der Akademie der Wissenschaften gegebenen Erklärungen zurückzukommen, so sind dieß folgende: Wasserstoffgas wird mit Kohlenstoff beladen, indem man es durch einen, zum Rothglühen erhitzten hohlen Cylinder streichen läßt, wo es mit Oelen von großem Kohlenstoffgehalt zusammenkömmt. Es findet hiebei eine chemische Verbindung, und nicht bloß eine Vermischung statt, wie eine Analyse des Hrn. Prof. Peligot beweist, die folgende Resultate gab: Kohlenwasserstoffe   57 Kohlenoxyd   28 Freier Wasserstoff   15 –––– 100 Die theoretische Frage der Beleuchtung stellt sich sonach wie folgt: Welches Verfahren liefert von 1 Pfd. irgend eines Oels, harziger Materie, Schieferöls oder Steinkohlentheers, die größte Lichtmenge? „Ein Pfd. Harz- oder Schieferöl gibt in dem neuen Apparat 35 Kubikfuß eines Gases, von welchem in einem Brenner, der ein Licht gleich dem von zehn Kerzen gibt (was gleich ist 23 Stunden Licht) in einer Stunde 3 Kubikfuß verbrennen. Nun war aber zu Belleville, Antwerpen, Frankfurt und überall wo Gas aus Harzöl und aus reinem Harz bereitet wurde, die durchschnittliche Quantität, welche man aus jedem Pfund Oel erhielt, 7–9 Fuß, die sich dann in 3 bis 4 Tagen auf 6–8 Fuß reducirte. Besondere Versuche mit neuen Retorten mögen wohl 12–13 Fuß liefern und die Erzeugung dieser Quantität wurde von Hrn. Tailleberg für eine große Entdeckung ausgegeben. Nehmen wir nun diese Quantität an, obwohl sie beinahe das Doppelte der durchschnittlichen beträgt; 2 1/2 Fuß dieses Gases müssen in der Stunde verbrannt werden, um ein Licht gleich dem von zehn Kerzen zu erhalten, wie ein Bericht über die Beleuchtung der Stadt Antwerpen im October 1837 mit Harzgas und im October 1838 mit aus Wasser bereitetem Gas sagt. Wir wollen aber nur 2 1/3 Fuß rechnen; 1 Pfd. Oel liefert sonach für 6 1/2 Stunden Licht, und nehmen wir 17 Fuß als das Product jedes Pfundes an – was aber ohne Zusatz von Wasser nicht erhalten werden kann – so gäbe es auch dann nur 15 Stunden Licht, während das Wassergas 23 solches Stunden liefert.“ Es sind aber noch andere Thatsachen da, die ohne weitere Erörterungen bewiesen werden können. Die Gaserzeugung aus Wasser bleibt bei 35 Fuß per Pfund nicht stehen. Vermehrt man die Quantität des Wassers, im Verhältniß zum Oel im Apparat, so wird das Gas immer schwächer und schwächer, bis seine Dichtigkeit derjenigen des Steinkohlengases nahe kömmt. Bei Versuchen, welche mit 1500 Kubikfußen angestellt und mehrere Stunden nach einander sorgfältig überwacht wurden, war die erzeugte Menge 111 Fuß von jedem Pfund Fischthran. (Schieferöl gab genau dasselbe Resultat.) Man brauchte nur 6 Fuß von diesem Gas zu verbrennen, um ein demjenigen von zehn Kerzen gleichkommendes Licht zu erhalten, welches nicht viel weniger glänzend war als Steinkohlengas. Von einem in dem Verhältniß von 55 Fuß per Pfd. Schieferöl erzeugten Gas wurden in demselben Brenner 4 Fuß consumirt. Nimmt man also das Wassergas zu 80 Fuß per Pfd. erzeugt an, so kömmt es an Stärke dem Steinkohlengas gleich und es verbrennen davon nur 5 Fuß in der Stunde. Ein Pfund Oel gibt daher 20 Stunden Licht. Die Beleuchtungskosten mit Schieferöl sind sehr gering, weil 100 Pfd. von diesem Oel nur 2 Shilling kosten und der Verbrauch an Brennmaterial im Verhältniß des erzeugten Gases und der Größe des Apparats kleiner wird; dagegen sind beim Harzgas, weil Zersetzung des Gases auf der Oberfläche des Metalls stattfindet, die kleinen Retorten die vortheilhaftesten; dabei wird aber die Masse des erzeugten Gases nicht größer, sondern nur sein Volum, indem ein Theil Kohlenwasserstoffgas bei hoher Temperatur Kohlenstoff verliert. Die Vermehrung des mit Wassergas erhaltenen Lichts ins Unbestimmte, je nachdem es schwächer oder stärker erzeugt wird, scheint zu beweisen, daß die Gegenwart von Kohlenoxyd die Leuchtkraft des Gases erhöht, ohne Zweifel aber zugleich die während der Verbrennung erzeugte Wärmemenge vermehrt. Ich kann daher nicht der Uebertreibung beschuldigt werden, wenn ich einem Verfahren einigen Werth beilege, dessen Princip darin besteht, Wasser, also einen Körper ohne Werth, mittelst Kohks, deren Werth sehr gering ist, zu zersetzen, indem dabei ein Pfd. Schieferöl, welches 1/2 Penny (1 1/2 kr.) kostet, einen Brenner speist, der 20 Stunden lang ein zehn Kerzen gleichkommendes Licht gibt.