Titel: Zur Kenntniß der Kartoffelkrankheit; von Durand.
Fundstelle: Band 102, Jahrgang 1846, Nr. XLIX., S. 248
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XLIX. Zur Kenntniß der Kartoffelkrankheit; von Durand. Aus den Comptes rendus, Sept. 1846, Nr. 10. Durand, zur Kenntniß der Kartoffelkrankheit. Diese Krankheit ist keineswegs eine neue Erscheinung, wie Viele glauben. Was ist aber ihre Ursache? – Sie wurde einem Pilze von der Gattung Botrylis zugeschrieben, der zuerst die Blätter befällt und sie tödtet und dann, zu den Knollen hinabsteigend, die bekannte Veränderung in ihnen hervorbringt. Diejenigen, welche diese Theorie aufstellen, sagen, daß mittelst der Keimkörner (seminules) dieser Pilze diese Krankheit leicht fortgepflanzt werden könne. Ich stellte, um mich davon zu überzeugen, folgende Versuche an: 1) umgab ich in schönem Wachsthum begriffene Kartoffelknollen mit dem Marke kranker Kartoffeln; 2) düngte ich Kartoffeln mit inficirten Kartoffeln; 3) wurden in diesem Jahre Kartoffeln in einen Boden gelegt, aus welchem im vorigen Jahre gefaulte Kartoffeln herausgenommen worden waren; 4) bewarf ich die Blätter und Stengel der Kartoffeln zur Blüthezeit mit dem Pulver erkrankter Kartoffeln. Bei keinem dieser Versuche erhielt ich aber inficirte Kartoffeln. Uebrigens war ich auch einer der ersten, welche aus kranken Kartoffeln gesunde erhielten. Man kann daher nicht mehr an die Ansteckung der mikroskopischen Schmarotzerpflanze glauben und sie für die Ursache des Uebels halten. Schon im vorigen Jahr theilte ich die Meinung derjenigen, welche die Krankheit von meteorologischen Einflüssen in Verbindung mit der Beschaffenheit des Erdreichs herleiteten. Ich bin noch derselben Ansicht, wenn wir gleich in diesem Jahr weniger Regen und mehr Hitze hatten, als im vorigen Jahr. Es wurden (wenigstens in meiner Gegend) zur Zeit der Blüthe der nun erkrankten Kartoffeln sehr kühle Nächte und sogar Reifen beobachtet. Diese waren auf die stets empfindlichen Blätter und Stengel der Kartoffeln nicht ohne Einfluß; den Tag über sehr erwärmt, mußte das Kraut für den entgegengesetzten Einfluß des Reifes um so empfänglicher seyn. Ich hatte Gelegenheit, ähnliche Beobachtungen auch an andern Pflanzengattungen zu machen. Diejenigen, welche glauben, daß wenn das Kartoffelkraut braun oder verbrannt ist, die Knollen nothwendig krank seyn müssen, irren sich sehr oft; durch Beobachtungen auf vielen Feldern habe ich mich davon überzeugt; umgekehrt aber findet man kranke Knollen bei grünem, kräftigem Kraute. Man begegnet manchmal Kartoffeln, wobei die Krankheit an dem entgegengesetzten Punkt von jenem aufzutreten begann, der sie an die Achse bindet; diese Achse ist dabei sehr gesund und in kräftigem Wachsthum; man findet zuweilen an den beiden Enden eines unterirdischen Zweiges zwei kranke Kartoffeln, obwohl die beiden Enden des Zweiges, der sie am Einsetzungspunkt vereinigte, sehr gesund sind. Nach diesen Beobachtungen ist der von Einigen gegebene Rath, das Kraut abzuschneiden, sobald man es leidend sieht, zu verwerfen. Dieß wäre nicht nur unnütz, sondern widerstrebt sogar dem Interesse des Landwirths. Ich sah Kartoffeln, von welchen man das Kraut (und zwar wo es noch nicht ganz abgestorben war) abgeschnitten hatte, entweder damit die Krankheit nicht zu den Knollen gelangen könne, oder um die Kühe damit zu füttern – die Knollen dieser Pflanzen entwickelten ihre Schößlinge, zeigten eine sehr lebhafte Vegetation, kurz – keimten. Welche Veränderung aber die Kartoffeln beim Keimen erleiden, brauche ich nicht zu sagen. In den Umständen, unter welchen jener complicirte Proceß, den wir Vegetation nennen, stattfindet, müssen die Ursachen der Kartoffelkrankheit gesucht werden, und nicht in jenen mikroskopischen Geschöpfen, welche nur Folgen dieser Krankheit sind.