Titel: Ueber ein neues Verfahren artesische Brunnen zu bohren; von Fauvelle zu Perpignan.
Fundstelle: Band 102, Jahrgang 1846, Nr. LXIX., S. 355
Download: XML
LXIX. Ueber ein neues Verfahren artesische Brunnen zu bohren; von Fauvelle zu Perpignan. Aus den Comptes rendus, Aug. 1846, Nr. 9. Fauvelle, über ein neues Verfahren artesische Brunnen zu bohren. Im Jahr 1833 wohnte ich der Bohrung eines artesischen Brunnens zu Rivehaltes bei; man war schon auf Wasser gekommen, welches in reichem Maaße emporsprudelte. Man ging nun an das Einsetzen der Röhre und erweiterte zu diesem Behufe das Bohrloch von oben nach unten; ich sah mit Ueberraschung, daß der Bohrer nicht mehr heraufgezogen zu werden brauchte, um die ausgebohrte Erde herausschaffen zu können, und daß das von unten heraufkommende Wasser alle Erde welche das Bohrinstrument von den Wänden losgemacht hatte, in ihm schwebend mit heraufbrachte. Diese merkwürdige Erscheinung dachte ich, ist sehr leicht nachzuahmen; man brauchte nur mittelst eines hohlen Erdbohrers in dem Maaße, als man tiefer hinab kömmt, Wasser in das Loch zu bringen, und das Wasser würde beim Aufsteigen alle ausgebohrte Erde mit Heraufziehen. Davon ausgehend ersann ich ein neues System des Brunnenbohrens. Der Apparat besteht aus einem hohlen Erdbohrer, der aus Röhren zusammengesetzt ist, die mit ihren Enden zusammengeschraubt sind; das untere Ende des Bohrers ist mit einem Bohrwerkzeug versehen, wie es für das anzugreifende Erdreich paßt. Der Durchmesser dieses Werkzeugs ist größer als derjenige der Röhren, um rings um letztere einen kreisförmigen Raum zu erhalten, durch welchen das Wasser und die ausgebohrte Erde in die Höhe steigen können. Das obere Ende desselben Bohrers steht mittelst gegliederter Röhren, welche der absteigenden Bewegung des Bohrers auf die Länge von einigen Metern folgen, mit einer Druckpumpe in Verbindung. Der Bohrer wird entweder mittelst eines Drehschlüssels in rotirende, oder durch eine Rammvorrichtung in schlagende Bewegung gesetzt. Das Hebezeug und die Winde zum Aufziehen, Herablassen und Halten des Bohrers bieten nichts Besonderes dar. Wenn der Bohrer in Wirksamkeit gesetzt werden soll, wird jederzeit vor allem die Pumpe in Bewegung gesetzt. Man schüttet bis auf den Grund des Bohrloches und durch das Innere des Bohrers eine Wassersäule, die, in dem ringförmigen Raum zwischen dem Bohrer und den Wänden des Lochs wieder aufsteigend, den aufsteigenden Strom bildet, der die ausgebohrte Erde mit heraufführt; man läßt den Bohrer wie einen gewöhnlichen wirken, und in dem Maaße, als Erde durch das Werkzeug losgemacht wird, wird sie augenblicklich in den aufwärtsgehenden Strom gerissen. Wegen des beständigen Heraufschaffens der Erde durch das Wasser braucht der Bohrer nicht mehr heraufgezogen zu werden, um dieselbe zu beseitigen, was eine große Zeitersparniß ist. Ein wenigstens eben so großer Vortheil ist es, daß das Bohrinstrument sich nie mit Erde verstopft, daß es immer ohne Hindernisse auf das zu durchbohrende Erdreich einwirkt, was die Schwierigkeit des Bohrens wieder um neun Zehntheile vermindert. Rechnet man noch hinzu, daß erfahrungsgemäß keine Einstürze im Erdreich stattfinden, wo der gewöhnliche Bohrer solche immer veranlaßt; daß ferner dieser Bohrer auf 100 Meter Tiefe eben so leicht wie auf 10 Meter einwirkt, überdieß der Torsion größern Widerstand leistet, als ein voller Bohrer von gleichem Umfang, und eben so gut dem Zerreißen widersteht – so sind damit seine Hauptvorzüge aufgezählt. Dieselben haben sich übrigens durch die Bohrung bestätigt, welche ich zu Perpignan am Place St.-Dominique ausführte. Diese Bohrung, am 1. Jul. angefangen, war am 23., wo man hervorspringendem Wasser in einer Tiefe von 170 Metern begegnete, beendigt. Rechnet man von diesen 23 Tagen (von 10 Arbeitsstunden) 3 Sonntage und 6 verlorne Tage ab, so bleiben 14 Tage oder 140 wirkliche Arbeitsstunden, was für die Stunde über 1 Meter Bohrung ergibt. Bei dem so eben beschriebenen System wird das Wasser durch das Innere des Bohrers eingegossen; die Erfahrung belehrte mich aber, daß wenn man auf Kiessand oder Steine von gewissem Volum stößt, es besser ist, das Wasser durch das Bohrloch einzugießen und durch den Bohrer wieder aufsteigen zu lassen. Die größere Geschwindigkeit, welche dadurch dem Wasser mitgetheilt wird, und die sich mehr gleichbleibende Weite des Innern der Röhre, lassen alle Körper aufsteigen, die sich auf dem Grund vorfinden, und deren man sich durch das gewöhnliche Verfahren nicht vortheilhaft bemächtigen könnte. Ich brachte auf diese Weise Kieselsteine von 6 Centimeter Länge und 3 Centimeter Dicke in die Höhe. Der Gedanke, das Wasser durch das Innere des Bohrers aufsteigen zu lassen, bietet ein leichtes Mittel dar, unter einem Spiegel sprudelnden Wassers (weiter) zu bohren, ohne einer Pumpe zu bedürfen; es braucht nur die Mündung des Brunnens hermetisch verschlossen zu werden, jedoch so, daß der Bohrer freies Spiel hat und das springende Wasser immer gezwungen ist, den Fuß der Röhre aufzusuchen, um einen Ausweg zu finden; es wird dann alle ausgebohrte Erde mit hin und zu Tag führen. Rechnet man zu dem allem noch die Möglichkeit, die hohle Bohrstange von Holz zu machen, und sie so ins Gleichgewicht zu setzen, daß sie nicht mehr wiegt als das Wasser, worin sie sich zu bewegen hat, so erscheint das Problem der Brunnenbohrung auf 1000 Meter Tiefe und darüber gelöst.