Titel: Anwendung des mit Schwefelsäure behandelten Rhamninextracts in der Schafwollenfärberei; von Dr. W. H. v. Kurrer.
Autor: Dr. Wilhelm Heinrich Kurrer [GND]
Fundstelle: Band 102, Jahrgang 1846, Nr. LXXXVIII., S. 436
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LXXXVIII. Anwendung des mit Schwefelsäure behandelten Rhamninextracts in der Schafwollenfärberei; von Dr. W. H. v. Kurrer. v. Kurrer, über Anwendung des Rhamninextracts. Ich habe im zweiten Augustheft dieses Journals (Bd. CI S. 300) die Anwendung des Rhamninextracts für gelbe und grüne Dampffarben beim Zeugdruck, und im zweiten Octoberheft (Bd. CII S. 164) die ökonomisch vortheilhaftere Verwendung gegen Gelbholz- und Quercitronextract auseinandergesetzt. Um nun auch die nützliche Verwendung dieses neuen vielversprechenden Farbmaterials in der Schafwollenfärberei näher kennen zu lernen, habe ich eine Reihe von Versuchen angestellt, deren Resultate zu den schönsten Erwartungen berechtigen, weßwegen ich mich beeile sie der Oeffentlichkeit zu übergeben. In der Schafwollenfärberei bietet das Pigment des Rhamninextracts für sich ohne Mithülfe anderer gelben Pigmente ein vortreffliches Mittel an die Hand, ausgezeichnet schöne und dauerhafte gelbe Farbenabstufungen der mannichfaltigsten Art darzustellen, welche von Hellem Canariengelb bis ins höchste Goldgelb übergeführt werden können, und sich auch mit den bekannten blauen Pigmenten (der Waid-, Potasche- oder Sodaküpe, und der schwefelsauren Indigoauflösung), wenn die gewöhnlichen Verfahrungsarten dabei verwendet werden, in verschiedene Abstufungen von Grün umändern lassen, wodurch grüne Farbenerscheinungen von lebhaftem Sächsischgrün bis in das tiefste Russischgrün erzeugt werden können. Das Ansieden der Schafwolle, der Wollengespinnste oder des Wollentuchs für die Bindung des gelben Pigments und Befestigung der Farbe mit der Faser, geschieht auf folgende Art. A. Ansieden mit bloßem Alaun. Auf einen Gewichtstheil Schafwolle oder Wollentuch wird 1/4 Theil ganz eisenfreier Alaun zum Ansieden verwandelt. Man bringt den gestoßenen Alaun zum Wasser bei 55° R. Erwärmung, geht, wenn der Alaun gelöst ist, mit der Waare bei derselben Temperatur in das Bad ein, erhöht dasselbe stufenweise bis zur Kochhitze, wonach eine halbe Stunde lang gelinde gekocht wird. Gelbfärben der Waare. Die mit Alaun angesottene Waare wird bei 45° R. Wärme in das Rhamninextractbad eingebracht und die Wärme nach und nach bis zur Siedhitze gesteigert, in welcher der Stoff bei gelindem Sieden so lange erhalten wird, bis der zu wünschende Ton der Farbe erreicht ist. Auf diese Weise mit Alaun angesotten, wird eine volle canariengelbe Farbe erhalten, die dem Licht und der Luft ausgesetzt, große Beständigkeit zeigt. B. Ansieden mit essigsaurer Thonerde und Färben im Rhamninextractbade. Man bereitet eine alaunhaltige essigsaure Thonerde, indem ein Theil eisenfreier Alaun durch 1/2 Theil Bleizucker oder 3/4 Theile essigsauren Kalk zersetzt wird, wodurch eine essigsaure Thonerde mit noch unzersetztem Alaun erhalten wird. Das Ansieden der Schafwollwaare wird mit 2° Baumé starker essigsaurer Thonerde ganz nach derselben Weise wie mit Alaun verrichtet und das Färben eben so vorgenommen, wodurch eine im Ton höhere, sich mehr ins Goldgelbe neigende Farbe, von derselben Beständigkeit erhalten wird, wie durch Alaun. Nach dem Ansieden mit den thonerdigen Verbindungen A) und B), die als Bindemittel zur Fixirung des Pigments dienen, wird die Waare gut gelüftet und nach einigen Stunden im Rhamninextractbade gelb gefärbt. C. Ansieden mit essigsaurer Thonerde und Doppelt-Chlorzinn (Scharlachcomposition). In das 2° Baumé starke essigsaure Thonerdebad gibt man 1/8 des Gewichts der Schafwollwaare Scharlachcomposition und siedet wie bei A) an. Die angesottene Waare wird, wenn die Flüssigkeit zum größten Theil abgelaufen ist, ausgepreßt, in ein Tuch eingeschlagen und wenigstens 48 Stunden lang liegen gelassen, ehe zum Färben im Rhamninextractbade geschritten werden darf, weil, wenn man das Färben früher vornimmt, nur eine stulpenstiefelgelbe Lederfarbe erreicht wird, welche jedoch in ein reines Goldgelb übergeführt werden kann, wenn die Waare nach dem Färben und Auswaschen im Fluß, in einem ganz schwachen, 20 bis 24° R. warmen salzsauren Zinnbade so lange durchgenommen wird, bis die Farbe schön lebhaft und glänzend goldgelb erscheint, wonach im Fluß gut gewaschen wird. D. Ansieden mit Alaun, Weinstein und Doppelt-Chlorzinn (Scharlachcomposition). Man reicht dem Wasserbad zum Ansieden auf 1 Gewichtstheil Schafwolle oder Wollentuch 1/16 gereinigten Weinstein (Cremor tartari), 1/8 Alaun und 1/4 Scharlachcomposition, siedet bei derselben Temperatur und derselben Länge der Zeit wie bei A) an. Es findet bei dem Ansieden mit diesen Materialien derselbe Fall statt, der bei C) in Beziehung auf die Farbe angegeben ist. E. Ansieden mit Weinstein und Doppelt-Chlorzinn (Scharlachcomposition.) Man setzt das Ansiedebad mit 1/16 gereinigtem Weinstein (Cremor tartari) und 1/4 Scharlachcomposition dem Gewicht des Schafwollenzeuges entsprechend an und manipulirt wie bei A). Auch hier gilt dasselbe in allem in Beziehung auf das Färben wie bei C) und D), nämlich wenn die angesottene Waare bald nach dem Ansieden im Rhamninextractbade gefärbt wird, daß die reine goldgelbe Farbe durch ein schwaches salzsaures Zinnbad entwickelt werden muß. Trocknet man nach dem Ansieden C), D) und E) in einem nicht geheizten Local unter Zutritt atmosphärischer Luft ab und färbt, nachdem die Waare 24 Stunden lang im abgetrockneten Zustande gehangen hat, im Rhamninextractbade, so erhält man eine überaus lebhafte und glänzend goldgelbe Farbe, welche man heller oder tiefer darstellen kann, je nachdem man kürzere oder längere Zeit in dem Färbebade verweilt, und weniger oder mehr Wärme beim Färben in Anwendung bringt. Maceriren der Schafwolle oder des Wollentuchs im Zinnsalzbade und nachheriges Färben im Rhamninextractbade. Die Schafwolle oder das Wollentuch werden ihrem Gewichte nach mit 1/4 krystallisirtem Zinnsalz (Zinnchlorür) auf nachstehende Weise behandelt. Man gibt das zuvor in Wasser gelöste Zinnsalz dem 24° R. warmen Wasserbade zu und tröpfelt unter unausgesetztem Umrühren so lange Salpetersäure hinzu, bis die entstandene milchartige weiße Flüssigkeit (basisches Zinnchlorür) verschwindet und ganz wasserklar geworden ist. In solcher Beschaffenheit wird das zuvor mit Wasser ganz durchnetzte Tuch einigemal in der Flüssigkeit hin und her gezogen, hernach eine halbe Stunde lang darin liegen gelassen, sodann herausgenommen, zum Abtropfen gebracht und gleich darnach im Rhamninextractbade bei 45° R. Wärme anfangend bis zur Kochhitze gefärbt. Je höher die Temperatur beim Färben gegeben wird, um so intensiver erscheint die goldgelbe Farbe. Diese Farbe besitzt einen überaus großen Lüster und prächtigen Glanz. Färben ohne Ansieden oder Maceriren. Wenn man dem Rhamninextractbade auf einen Gewichtstheil Schafwolle oder Wollentuch 1/4 Gewichtstheil Zinnsalz (krystallisirtes salzsaures Zinnoxydul, Zinnchlorür) zusetzt, bei 55° R. Wärme zu färben anfängt und bis zur Kochhitze steigt, wird eine äußerst lebhafte und glänzende canariengelbe Farbe erhalten, die durch mindere oder größere Wärme beim Färben, so wie durch kürzeres oder längeres Verweilen im Farbbade, Heller oder dunkler erscheint. Grüne Farben mit Rhamninextractgelb. Die grünen Farben werden erhalten, wenn Schafwolle, Wollengarn oder Wollentuch in der Waid-, Potasche- oder Sodaküpe Blau gefärbt, hernach die Waare angesotten und im Rhamninextractbade gefärbt wird, oder mit Rhamninextract gelb gefärbte Waare mit schwefelsaurer Indigoauflösung nach den gewöhnlichen Verfahren Sächsischgrün gefärbt wird. Der Rhamninextract kann auch zum Gilben der Scharlachfarbe dienen, wenn man beim Ansieden für Scharlach etwas davon zusetzt. Vorzüge des Rhamninextractgelb vor andern gelben Farben. Die gelben Farbenabstufungen mit dem Rhamninextract nach den angegebenen Verfahrungsarten hergestellt, zeichnen sich durch folgende charakteristische Eigenschaften vor andern gelben Farben vortheilhaft aus. 1) Sie widerstehen, der Einwirkung des Lichts und der Luft ausgesetzt, viel länger als die durch Quercitron, Gelbholz und Visetholz erzeugten, und sind daher dauerhafter als diese. In dieser Hinsicht erscheinen sie dem Waugelb analog. 2) Da der Rhamninextract sehr reich an gelbem Farbstoff ist, so kommen die damit hergestellten Farben wohlfeil im Preis zu stehen, auch erspart man dabei das Auskochen, welches die gelben Hölzer zum Ausziehen ihres Farbstoffs bedingen. Gegen Gelbholz- und Quercitronextract stellt sich der Preis des Rhanminextracts in Beziehung auf seinen werthvolleren Gehalt an gelbfärbendem Pigment entschieden vortheilhafter dar. Nachtrag zur Abhandlung in Bd. CI S. 300 dieses Journals. Im Verfolge meiner weitern Versuche mit durch Schwefelsäure behandeltem Rhamninextract gelbe und grüne Dampffarben für den Baumwollendruck darzustellen, habe ich gefunden, daß eine sehr lebhafte goldgelbe Farbe noch dadurch erhalten wird, wenn Rhamninextract von 4° und Gelbbeerabsud von 2° Baumé stark in Anwendung kommen und die Druckfarbe folgendermaßen zusammengesetzt wird:   1 Maaß mit Schwefelsäure behandelter Rhamninextract von 4° Baumé, 1/2 Maaß Gelbbeerabsud von 2° Baumé werden mit 20 Loth Stärke angerührt, dann   8 Loth Alaun in 1/8 Maaß heißem Wasser gelöst, die freie Säure des Alauns mit 1/2 Loth essigsaurem Natron neutralisirt, hinzugegeben, verkocht, kalt gerührt, hernach die Farbe mit 2 Loth in wenig Wasser gelöstem Zinnsalz, in welchem die freie Säure mit 1/4 Loth essigsaurem Natron abgestumpft wird, geschärft. Eine im Ton etwas hellere, jedoch ebenfalls sehr lebhafte und saftige grasgrüne Dampffarbe wird erhalten, wenn der Rhamninextract nur 4° und der Gelbbeerabsud 3° Baumé stark in Anwendung kommen und dabei statt 10 Loth nur 8 Loth eisenblausaures Kali verwendet, in allem übrigen aber, wie am angeführten Orte gezeigt, die Druckfarbe zusammengesetzt wird.