Titel: Ueber den Einfluß der in den Pflanzen sich absondernden Fettsubstanzen auf die Mästung der grasfressenden Thiere (Mästen der Ochsen und Hämmel mit Leinsamen); von Payen.
Fundstelle: Band 105, Jahrgang 1847, Nr. LXXVI., S. 307
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LXXVI. Ueber den Einfluß der in den Pflanzen sich absondernden Fettsubstanzen auf die Mästung der grasfressenden Thiere (Mästen der Ochsen und Hämmel mit Leinsamen); von Payen. Aus den Comptes rendus, Jun. 1847, Nr. 25. Payen, über das Mästen des Rindviehs und der Hämmel mit Leinsamen. Am Schlusse meiner Untersuchungen über die Mengen der in den Futtergewächsen und mehreren Nahrungsmitteln enthaltenen Fettsubstanzen berief ich mich auf Versuche im Großen, durch welche allein meine Schlußfolgerungen bestätigt oder aufgehoben werden können. Seitdem hatte ich vielfache Gelegenheit, sie durch Thatsachen bestätigt zu sehen; unter diesen ist vorzüglich zu erwähnen, was ich auf landwirthschaftlichen Excursionen im nördlichen Frankreich und in Belgien bei den HHrn. Crespel-Dellisse und Tiburce Crespel erfuhr. Diese Herren nämlich wandten, wie der größte Theil ihrer Standesgenossen, nachdem sie sich von dem günstigen Einfluß der Oelsamenkuchen auf die Beschleunigung der Mästung überzeugt hatten, dieses Futter im Verhältniß der beabsichtigten Wirkung an. Vermuthend, daß die Fettsubstanz bei der Anwendung dieser Kuchen die Hauptrolle spiele, machten sie nun seit zwei Jahren den Versuch, statt ihrer den Leinsamen selbst zu nehmen; der Erfolg stund genau im Verhältniß zur Fettsubstanz, von welcher sie bei Bestimmung der Quantitäten ausgingen, und zwar beim Mästen von Rindvieh sowohl als von Hämmeln. Der Vortheil der schnellern Mästung mittelst der reichlicher vorhandenen Fettsubstanz glich also nicht nur die geringere Quantität stickstoffhaltiger Substanzen, Schleim etc. bei diesem Futter aus, sondern auch den Unterschied von 2 zu 1 zwischen dem Preis der Oelkuchen und des Oelsamens. Aehnliche Versuche im Großen, welche in England angestellt wurden, führten endlich zur Einführung eines schon in vielen Landwirtschaften befolgten Verfahrens, welches allgemein bekannt zu werden verdient. Das neue Mästungs-Verfahren wird in England als dasjenige des Hrn. Warnes bezeichnet, welcher auf seinem Gute Trimingham es zuerst in Anwendung brachte. Derselbe lieferte den Beweis, daß der Anbau des Leins, welcher, seitdem die Leinengewebe im Preise gesunken sind, keinen großen Nutzen mehr abwirft, gewinnbringend wird, wenn man den Samen, statt ihn an die Oelfabrikanten zu verkaufen, direct zur Viehmästung und Dünger-Erzeugung anwendet; daß der Oelgehalt dieser neuen Futterart sogar zur Verbesserung der geringern Futterarten, der Abfälle von den Rüben, gewisser Stengel, Wurzeln und anderer Pflanzenüberreste, welche vor kurzem noch auf den Dünger geworfen wurden, benützt werden könne. Behufs der bessern Vermengung unter sich und mit Wasser werden diese Abfälle und trockenen Futterarten, nachdem man sie vorher zerhackte, mit Wasser gekocht, in welchem zuvor grob gemahlene Leinsamen gesotten wurden, deren auflösliche Bestandtheile es folglich enthält; dieses Futter wird noch lauwarm den Thieren gegeben, welche es mit Begierde fressen. Um Ochsen die volle Mastung zu geben, erhalten sie Rationen etwa zu Drittheilen von Leinsamen, und zwei andern Futtersubstanzen, wie Gerste und Bohnen oder weißen Bohnen, Bohnen und Kleien, Kleien und Gerste; jede dieser Rationen wird in ungefähr ihrem vierfachen Gewichte Wassers 15–20 Minuten lang gekocht. Hr. Warnes machte die Beobachtung, daß, wenn man mit den Rationen in diesen drei Formen wechselt, dieß der Gesundheit der Thiere zuträglicher ist. Jeder Ochs wird in einem engen Stand abgesondert gehalten, wo die Bedingungen der Reinlichkeit, einer gelinden Temperatur und der Ruhe vereinigt sind und zugleich dafür gesorgt ist, daß der Mist ohne allen Verlust aufgesammelt wird. Auf dieselbe Weise werden die Hämmel behandelt. Tabelle zur Vergleichung der Zusammensetzung des Leinsamens und der Leinkuchen. Textabbildung Bd. 105, S. 309 Nach dem Austrocknen analysirte Substanzen; Stickstoff im 100; Fettsubstanzen; Rückstand der Einäscherung; An organischer und anorganischer Materie repräsentirend; Stickstoffhaltige Substanz; Zellensubstanz und vegetabil. Materien; Fettsubstanz; Mineralische Salze; Leinsamen; Leinsamenkuchen Man ersieht aus dieser Tabelle, daß der Leinkuchen beinahe zweimal so viel stickstoffhaltige Materie enthält als der Leinsame; 0,25 mehr stickstofffreie Materie (Zellensubstanz, Schleim etc.) und 0,35 Proc. mehr Mineralsubstanzen, und daß bloß die Fettsubstanz in geringerm Verhältniß vorhanden ist. Da übrigens alle Bestandtheile in diesen beiden Futterarten dieselben sind, so unterscheiden sie sich offenbar nur durch das Mengenverhältniß eines Bestandtheils, der Fettsubstanz. Es bleibt sonach kein Zweifel, daß letztere die Ursache der bedeutenden Verschiedenheit in der Wirkung sey. Bedenkt man nun, daß es den erwähnten Landwirthen, indem sie auf den Einfluß des an Fettsubstanz reichen Futtermittels zählten, gelang, die an Fettsubstanzen zu armen Futterarten zum Mästen zu benutzen, daß ferner die Mästung schneller vor sich ging und wohlfeiler zu stehen kam, und zugleich der Leinbau mehr Nutzen abwarf, so muß man wohl zugestehen, daß die Wissenschaft einen Nutzen stiftete, indem sie die Aufmerksamkeit der Landwirthe auf die Rolle der Fettsubstanzen bei der Mästung des Viehes lenkte.