Titel: Ueber den Einfluß des Stickstoffgehalts des Düngers auf den Stickstoffreichthum der Samen; von Prof. Dr. Schloßberger in Tübingen.
Fundstelle: Band 105, Jahrgang 1847, Nr. CV., S. 451
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CV. Ueber den Einfluß des Stickstoffgehalts des Düngers auf den Stickstoffreichthum der Samen; von Prof. Dr. Schloßberger in Tübingen. Aus Riecke's landwirthschaftlichem Wochenblatt, 1847, Nr. 35. Schloßberger, über den Einfluß des Stickstoffgehalts des Düngers auf den Stickstoffreichthum der Samen. Schon Thessier Boussingault, Écon. rurale. Uebersetzung. Bd. I S. 311. hatte darauf hingewiesen, daß der Klebergehalt bei einem und demselben Weizen je nach der Beschaffenheit und der Menge des in den Boden gebrachten Düngers zwischen 12 und 36 Proc. wechseln könne. Später hatte Hermbstädt Schweigger's Journal. 1826. S. 278. durch schätzbare vergleichende Versuche und mehr noch Andere auf Hermbstädt sich berufend diese Angabe dahin entschieden, daß der Stickstoffgestalt des Düngers einen höchst bedeutenden Einfluß ausübe, nicht allein auf den Ertrag an Körnern überhaupt, sondern namentlich auch auf die Klebermenge des Samens, in der Art, daß die Zahlen für den Procentgehalt an Kleber je nach dem Stickstoffgehalt des angewandten Düngers schwanken sollten zwischen 9 und 35! Man fühlte sich mit dieser Versuchsreihe in der vorliegenden, unzweifelhaft höchst wichtigen und praktischen Frage vollständig befriedigt; Hermbstädts Angaben gingen als entscheidender Beweis für jenen Einfluß in fast alle landwirthschaftlichen Werke über, ja es wurden allgemeine Schlüsse daraus gezogen, welche durch die angeführten Versuche selbst schon hätten widerlegt werden können, worauf ich alsbald zurückkommen werde. Niemand hielt es während langer Zeit für nothwendig, die besprochenen Versuche zu wiederholen und mit den jetzt unendlich verbesserten Mitteln der heutigen Wissenschaft zu prüfen; ja es konnte zum Ueberfluß gethan erscheinen, als Boussingault einen einzigen Versuch in dieser Beziehung mit Weizen anstellte,Annales de Chimie. 3me série, p. 225. der überdieß die früheren Angaben ganz zu bestätigen schien. Boussingault erhielt nämlich von demselben Weizen, der auf freiem Felde gezogen nur 14,3 Proc. Kleber und Eiweiß geliefert hatte, dann, wenn er ihn im stark gedüngten Gartenlande baute, 21,9 Proc. derselben stickstoffhaltigen Bestandtheile. Beim gründlichen Durchlesen der Hermbstädt'schen Versuche wurden mir schon vor einiger Zeit die daraus allgemein gefolgerten Schlüsse in mannichfacher Hinsicht zweifelhaft. Vor allem konnte ich aber die so sehr verbreitete Folgerung, die daraus abgeleitet wurde, nicht gerechtfertigt finden, daß nämlich der Stickstoffreichthum des Düngers in geradem Verhältnisse stehe mit dem Klebergehalt der Samen. Allerdings hat Hermbstädt bei der Düngung mit Ochsenblut und mit Harn, als den stickstoffreichsten Düngerarten, auch den größten Klebergehalt erzielt. Allein schon bei einer vergleichenden Würdigung des Effects von Taubenmist mit dem von menschlichen und thierischen festen Excrementen erhält die Sache ein ganz anderes Aussehen. Bei der Anwendung von Taubenmist wurden nämlich nur 12 Proc., dagegen bei den menschlichen Excrementen 33, bei den Ziegenexcrementen 32 Proc. Kleber in den Körnern erhalten; nun beträgt aber der Stickstoffgehalt des Taubenmistes nach der genauen Analyse von Boussingault und Payen Annales de Chimie. 3me série, p. 103. über 8 Proc., während die festen Excremente der Menschen oder der Ziegen kaum 2 bis 3 Proc. davon enthalten. Ferner hatte der Kuhmist ebenso kleberreiche Samen erzeugt wie der Taubenmist, und doch beträgt in letzterem die Stickstoffmenge wohl das Drei- bis Vierfache von der im Kuhmist. Ueberdieß hatte Hermbstädt, wie mit dem Weizen, so auch mit dem RoggenMöglin'sche Annalen. Bd. XXII 1828. S. 1. vergleichende Versuche angestellt und dabei weit abweichende Resultate erhalten. Hier nämlich standen die Differenzen im Klebergehalt, die sich als Folge verschiedener Düngerarten herausstellten, in Betreff ihrer Größe in durchaus keinem Vergleich zu denen, die sich beim Weizen ergeben hatten. So beträgt der Unterschied in der Klebermenge des Roggens bei der Düngung mit Ochsenblut und bei der mit Kuhmist nicht einmal 1 1/2 Proc. (beim Weizen angeblich 23 Proc.!), obgleich ersteres vielleicht siebenmal mehr Stickstoff enthält als der letztere. Was aber für Weizen in so hohem Grade gilt, sollte das für den ihm so nahe stehenden Roggen beinahe keine Geltung haben? Diese meine früheren Zweifel wurden bedeutend verstärkt durch die Ergebnisse einer ausgedehnten Arbeit, die Hr. Repetent John im verflossenen Winter in meinem Laboratorium ausführte. Da derselbe das Detail seiner Untersuchungen wohl selbst und im Zusammenhang mit andern Versuchen veröffentlichen wird, wenn ihm die Erfahrung mehrerer Jahre zur Seite steht, so kann ich hier nur als wichtigstes Resultat daraus für vorliegende Frage das mittheilen, daß bei den zu Hohenheim im Jahr 1846 auf demselben Felde vergleichend angestellten Düngversuchen sich durchaus keine bedeutende und irgend constante Beziehung zwischen dem Stickstoffreichthum des angewandten Düngers und der geernteten Früchte herausstellte. Völlig übereinstimmend mit diesem Resultate fielen ganz neue, in England angestellte Versuche aus, die soeben mir zugekommenen Mittheilungen zufolge Hr. Burnet, ein ausgezeichneter Landwirth in Gadgirth, ausgeführt hat. Er erhielt nämlich mit Weizen folgende Ergebnisse: Art des Düngers. Ertrag an  Bushels per Acre. Gehalt an Kleber  in 100 Theilen. Kein Dünger   31 1/2         9,4 Harn mit Schwefelsäure und Holzasche   40       10,5 Harn mit Schwefelsäure und Glaubersalz   49         9,7 Harn mit Schwefelsäure und Kochsalz   49         9,6 Harn mit Schwefelsäure und Natronsalpeter   48 1/2       10,0 Auch hier ist der Einfluß des stickstoffreichsten Düngers (Harn, dessen Ammoniak überdieß durch Schwefelsäure gebunden, also ganz erhalten war) auf den Klebergehalt des Weizens höchst unbedeutend, und Hermbstädts Angaben können hiernach keinen allgemeinen Werth behalten, so lange nicht sehr vervielfältigte, neue und umsichtige Versuche sie bestätigt haben. Zum Schlusse möchte ich nur noch darauf aufmerksam machen, wie sehr die Angaben alter und neuer Chemiker über den Klebergehalt des Weizens unter sich verschieden sind; sie schwanken bei Einhof und Hermbstädt, bei Boussingault, Johnston und Horsford zwischen 9 und 35 Proc.! Ein Theil dieser Differenzen mag in der Natur begründet seyn; sicher kommt aber ein anderer Theil derselben auf Rechnung der angewandten Methoden, der Schwierigkeit, den Kleber irgend rein darzustellen, und ebenso der Schwierigkeit, ihn ganz vollständig auszutrocknen. Seine Bestimmung aus dem Stickstoffgehalt läßt ihn zwar zusammenwerfen mit Eiweiß und ähnlichen stickstoffhaltigen Bestandtheilen, allein physiologisch ist hiebei kein Fehler, da alle diese Stoffe für die Blut- und Fleischbildung, mit einem Wort für die eigentliche Ernährung so ziemlich den gleichen Werth zu besitzen scheinen. Um Mißverständnissen vorzubeugen, will ich übrigens noch besonders hervorheben, daß im Obigen durchaus nur über den Einfluß des Stickstoffgehalts des Düngers auf den Stickstoffgehalt der einzelnen Körner gesprochen worden. Eine ganz andere Frage ist die, ob der Stickstoffreichthum des Düngers nicht einen entschiedenen Einfluß auf den Gesammtertrag (die Ernte) an Körnern hat; wird dieses zugegeben, so wird dadurch natürlich der Gesammtertrag an Stickstoff entsprechend erhöht. Burnet's Versuche, im Einklang mit sehr allgemeinen Erfahrungen, scheinen dieses zu bestätigen, so daß dann immer der stickstoffreiche Dünger seine unverkennbaren Vorzüge hätte.