Titel: Ueber das Verhältniß, welches zwischen den Leistungen einer Maschine und ihres Modells stattfindet; von J. Bertrand.
Fundstelle: Band 106, Jahrgang 1847, Nr. XXXVI., S. 171
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XXXVI. Ueber das Verhältniß, welches zwischen den Leistungen einer Maschine und ihres Modells stattfindet; von J. Bertrand. Im Auszug aus den Comptes rendus. Ueber das Verhältniß der Leistungen einer Maschine und ihres Modells. Galileo behandelt in einem seiner Dialoge die Frage: woher kommt es, daß viele Maschinen, welche in kleinem Maaßstab ausgeführt, ihre Leistung vollbringen, in größerem Maaßstab construirt dieses nicht mehr thun? Wenn es wahr ist, daß die Geometrie die Basis der Mechanik ist, so muß man natürlich schließen, daß, sowie die Eigenschaften von Dreiecken, Kreisen, Kegeln oder anderen geometrischen Figuren, durch Veränderung ihrer Dimensionen nicht geändert werden., so auch eine große Maschine, welche in denselben relativen Verhältnissen wie eine kleinere construirt ist, unter denselben Umständen einen proportionalen Effect hervorbringen und denselben zerstörenden Einflüssen widerstehen sollte. Galileo behandelt diese Frage in Bezug auf das Gleichgewicht und den Widerstand der Materialien und weist durch zahlreiche Beispiele nach, daß der Widerstand eines festen Systems nicht im Verhältniß mit seinen Dimensionen ist. Newton ging in seinen Principia viel weiter und beweist den Satz, daß zwei Systeme, welche in geometrischer Hinsicht ähnlich sind, es auch in mechanischer sind, d.h. nicht nur die Linien eines Systems, sondern die Geschwindigkeit, die Kräfte und die Massen können constant in Relation mit den homologen Elementen des anderen Systems seyn. Dieser Lehrsatz Newton's, welcher einer der nützlichsten und zugleich einfachsten der reinen Mechanik ist, lautet: – Wenn zwei ähnliche Systeme von Körpern aus einer gleichen Anzahl von Theilchen bestehen, und die entsprechenden Theilchen in den zwei Systemen respectiv ähnlich und proportional sind – wenn sie in denselben Entfernungen angeordnet und von einer gegebenen Dichtigkeit sind – wenn sie sich ähnlich in proportionalen Zeiten zu bewegen anfangen – und endlich, wenn die correspondirenden beschleunigenden Kräfte sich umgekehrt wie der Durchmesser der Theilchen und gerade wie das Quadrat der Geschwindigkeiten verhalten, so werden sich die Theilchen in derselben Weise in proportionalen Zeiten fortbewegen. Mit diesem Lehrsatz haben wir die Theorie der Aehnlichkeit in der Mechanik. Wenn irgend ein System gegeben ist, so ist eine unendliche Anzahl von Systemen möglich, die man als demselben ähnlich betrachten kann; anstatt einer einzigen Art von Aehnlichkeit, wie in der Geometrie, müssen wir aber vier annehmen, nämlich diejenigen der Länge, Zeit, Kräfte und Massen; jede derselben ist nach Newton's Lehrsatz eine Folge der andern drei. Allerdings kann man aus diesem Lehrsatz nur proportionale Resultate ableiten und folglich damit eine Frage nur lösen, wenn eine andere von analoger Natur und äquivalenter analytischer Schwierigkeit bereits gelöst ist. Es kann aber in manchen Fällen sehr nützlich seyn, die Analogie zwischen den Bewegungen von zwei Systemen zu bestimmen, wenn auch nicht bei jedem derselben eine strenge theoretische Bestimmung möglich ist. Dieses Princip sollte z.B. immer angewandt werden, wenn man durch Versuche in kleinem Maaßstab den Werth einer mechanischen Erfindung zu ermitteln beabsichtigt, deren Ausführung in großem Maaßstab mit bedeutenden Kosten verbunden wäre. Angenommen z.B. man wolle die Leistung einer Locomotivmaschine mittelst eines Modells derselben ermitteln, dessen geometrische Dimensionen a Mal kleiner sind als diejenigen der auszuführenden Maschine: – so ist einleuchtend, daß die Aehnlichkeit der Massen und der Kräfte zwischen beiden a³ seyn muß und folglich diejenige der Zeit gleich √a; so daß sich die Geschwindigkeiten wie a/√a zur Einheit verhalten werden, nämlich proportional der Quadratwurzel der Dimensionen. Die Schwerkraft ist aber nicht die einzige, welche bei den zwei Systemen in Anwendung kommt und die anderen Kräfte müssen nothwendig ebenfalls in dem Verhältniß von a³ zu 1 stehen; es muß folglich der Druck, welchen der Dampf auf die homologen Flächen ausübt, diesem Verhältniß entsprechen und deßhalb seine Spannung, die Flächen als gleich vorausgesetzt, im Verhältniß von a zu 1 seyn. Da die gleitende Reibung dem Druck proportional ist, so gibt sie ein richtiges Verhältniß; die rollende Reibung aber, welche im umgekehrten Verhältniß zum Durchmesser der Räder steht, würde bei dem kleinen Modell zu groß seyn; dadurch entstünde ein Irrthum, welchen zu vermeiden unmöglich ist, den man aber nothwendig kennen muß; der Widerstand der Luft, den Oberflächen und den Quadraten der Geschwindigkeit proportional angenommen, würde in jedem Falle modificirt werden, daher durch ihn die Aehnlichkeit zwischen dem Modell und der Maschine nicht aufgehoben wird. Wenn man z.B. ein Modell im vierten Theil der wirklichen Größe ausführen wollte, so müßte man dasselbe, um seine Aehnlichkeit mit der Locomotive herzustellen, nur mit der halben Geschwindigkeit treiben, also den Dampf nur auf die Hälfte des erforderlichen Drucks bringen; die Räder müßten aus einem Material verfertigt werden, dessen Reibungs-Coefficient ein Viertel von demjenigen der großen Maschine ist; auch müßte ein geeignetes Verhältniß zwischen den Federn der kleinen und ähnlichen der großen Maschine ermittelt werden. Meines Wissens hat man bei Versuchen mit kleinen Modellen diese Vorsichtsmaßregeln bisher nicht beobachtet.Auf die Nothwendigkeit derselben hat schon im J. 1833 der Mathematiker Sang in einer populär geschriebenen Abhandlung (polytechn. Journal Bd. XLVIII S. 263) aufmerksam gemacht.