Titel: Ueber das Destilliren der concentrirten Schwefelsäure, um sie in reinem Zustand zu erhalten; von Hrn. Lembert.
Fundstelle: Band 106, Jahrgang 1847, Nr. XLV., S. 203
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XLV. Ueber das Destilliren der concentrirten Schwefelsäure, um sie in reinem Zustand zu erhalten; von Hrn. Lembert. Aus dem Journal de Pharmacie, Sept. 1847, S. 166. Lembert, über das Destilliren der concentrirten Schwefelsäure, um sie in reinem Zustand zu erhalten. Die Schwefelsäure ist dasjenige Reagens, welches am häufigsten in den Laboratorien angewandt wird; gerade dieses hat man aber nur selten in reinem Zustande, weil seine Reinigung, besonders in größerer Quantität, schwierig und sogar gefährlich ist; die käufliche Säure ist aber immer sehr unrein. Es ist in der That sehr schwer eines oder zwei Kilogramme concentrirte Schwefelsäure zu destilliren, ohne daß die Retorte zerspringt, entweder durch die entstandenen Stöße, oder weil sich die Dämpfe in glatten Gefäßen in der Regel schwieriger bilden, oder wegen der Dichtigkeit der Flüssigkeit, oder endlich wegen der hohen Temperatur, wobei sie ins Sieden kommt und auch weil diese Flüssigkeit ein schlechter Wärmeleiter ist. Man hat vorgeschlagen Glasstücke, gewundenen Platindraht etc. in die Säure zu bringen; man hat auch vorgeschlagen die Retorte nur am oberen Theil der Flüssigkeit zu erhitzen; aber alle diese Mittel, welche ich hundertmal versuchte, fand ich nie dem Zweck entsprechend. Ich suchte nun ein Verfahren aufzufinden, welches die Erzeugung und Entbindung des Dampfs begünstigt; folgende gelangen mir am besten: A. Ich bringe in die Retorte Stücke von Quarzit, einem Konglomerat von Quarzkörnern; nur diese Varietät des Quarzes liefert die genügendsten Resultate. Die Form der Stücke ist auch nicht gleichgültig für den Erfolg der Operation; ich habe bei vielen Destillationen beobachtet, daß die Schuppen, welche beim Schlagen auf den frischen Bruch eines Quarzstücks abfallen, die Destillation mehr erleichtern als sehr dicke Stücke; auch muß man die Anzahl und Größe der in die Retorte kommenden Stücke berücksichtigen. Wenn die Stücke zu klein und in zu geringer Menge vorhanden sind, können ebenfalls Stöße in der Retorte entstehen, weil dieselben durch den sich entwickelnden Dampf leicht gehoben werden, wo dann der Boden der Retorte nicht mehr mit Quarzit versehen ist, sondern ein glattes Gefäß repräsentirt und der Dampf nur schwer sich bildet. Wenn kleine Stücke in zu großer Anzahl vorhanden sind, ist das Sieden ein unregelmäßiges; es kommt dann den Stößen nahe, ohne daß solche entstehen; es bilden sich aber zeitweise Dampfblasen, die Flüssigkeit steigt in der Retorte und wenn letztere ziemlich voll ist, kann die Flüssigkeit in den Hals übergehen. Damit die Operation gut von statten geht, müssen die Schuppen wenigstens einen Centimeter Breite haben; ich wende sie gewöhnlich so breit an als es der Hals der Retorte gestattet. Man braucht daher in den Hals der Retorte nur zehn oder zwölf Schuppen von Quarzit zu bringen, um leicht mehrere Kilogramme Schwefelsäure zu destilliren. Die Retorte wird am besten in einen kleinen Reverberirofen gesetzt, welcher mit seinem Aufsatz und Dom versehen ist; ohne diese Vorsichtsmaaßregel würde selbst bei lebhaftem Kochen die Destillation nur sehr langsam stattfinden, denn der Schwefelsäure-Dampf, welcher sehr schwer ist und sich nur bei hoher Temperatur bildet, würde sich verdichten, bevor er noch in den Hals der Retorte gelangen konnte. Dieses sehr einfache Verfahren erleichtert auch die Destillation vieler anderen Flüssigkeiten. B. Bei dem beschriebenen Verfahren wirkt der Quarzit durch seine zahlreichen Rauhigkeiten, welche die Bildung des Dampfs begünstigen; nach der Theorie müßte derselbe Zweck, nämlich die Destillation ohne Stöße, auch erreicht werden, wenn man diese Säure zu einem guten oder doch zu einem besseren Wärmeleiter machen könnte; auf folgende Weise glaube ich dieß erzielt zu haben: entwässertes schwefelsaures Kali und schwefelsaures Natron lösen sich sehr gut in Schwefelsäure auf, besonders bei gelinder Wärme. Diese Auflösung scheint ein ziemlich guter Wärmeleiter zu seyn, und kocht ohne Stöße, wenn nicht zu viel Schwefelsäure im Verhältniß zum schwefelsauren Salz vorhanden ist. Auf folgende Weise bediene ich mich dieses Verfahrens; ich bringe die zu destillirende Schwefelsäure in eine Retorte, setze auf jedes Kilogramm Säure 150 bis 200 Gramme schwefelsaures Kali oder Natron zu und destillire dann wie oben angegeben wurde; ich lasse zwei Drittel oder höchstens drei Viertel der Säure übergehen; wenn ich mehr davon brauche, gebe ich neuerdings Säure in die Retorte und wiederhole die Destillation. Nach beendigter Operation lasse ich die Retorte erkalten und verpfropfe sie, um sie bei Bedarf anzuwenden. Daß ich nur drei Viertel der anfangs in die Retorte gebrachten Säure überdestillire, hat folgenden Grund: die Mischung kocht nur bei einer Temperatur über dem Siedepunkt der Schwefelsäure, und ihre Temperatur erhöht sich also in dem Maaße als die Auflösung concentrirter wird. Würde man sie zu weit concentriren, also zu viel Säure überdestilliren, so bliebe nur doppelt-schwefelsaures Kali zurück und das Glas könnte erweichen.Es begegnete mir einmal, als ich bei sehr lebhaftem Feuer Schwefelsäure in einer gläsernen Retorte destillirte, welche unmittelbar auf einen eisernen Dreifuß gesetzt war, daß letzterer rothglühend wurde und die Retorte nach dem Abkühlen an denselben angeschweißt war, so daß ich sie nicht davon trennen konnte, ohne sie zu zerbrechen. Ich gebe am Schluß der Abhandlung ein Mittel an, um diesen Umstand zu verhüten. Ferner wird diese Auflösung von schwefelsaurem oder vielmehr doppelt-schwefelsaurem Kali in Schwefelsäure um so strengflüssiger, je weniger Säure sie enthält, und bei wiederholter Anwendung der Retorte wäre man also der Gefahr ausgesetzt, daß sie beim Schmelzen der festen Masse zerbricht. C. Von diesen beiden Verfahrungsarten ziehe ich die erstere vor; am besten ist es aber, wenn man sie miteinander verbindet, nämlich in die Retorte sowohl schwefelsaures Alkali als Quarzit bringt; abgesehen von der Temperatur-Erhöhung, siedet dann die Schwefelsäure so leicht und so regelmäßig wie Wasser. Man sollte nie zu viel Schwefelsäure über denselben Quarzit destilliren, denn seine Rauhigkeiten stumpfen sich ab und es sondert sich ein sehr feiner Staub von ihm ab, welcher in der Flüssigkeit schwimmt; nach Verlauf einer gewissen Zeit erfüllt daher der Quarzit seinen Zweck nicht mehr; man darf folglich bei Anwendung der dritten Methode nicht warten, bis der Rückstand der Destillation ganz erkaltet ist, um neue Säure zuzusetzen, weil man sonst die Quarzitstücke in der festen Masse nicht mehr wechseln könnte. Wenn man sie wechseln will, muß man also die Säure vor dem vollständigen Erkalten zusetzen, die Flüssigkeit ausgießen, den Quarzit herausschaffen und die Flüssigkeit dann wieder in die Retorte bringen, um die Operation bei gelegener Zeit wieder zu beginnen, nachdem man neue Stücke von Quarzit zugesetzt hat. Man darf auch die Retorte nie zu voll machen und muß sie so stellen, daß die untere Seite ihres Halses nicht weit vom Anfang des letztern eine Convexität darbietet. Der Grund ist folgender. Wenn eine Flüssigkeit im Sieden ist und man sieht horizontal im Niveau ihrer Oberfläche hindurch, so bemerkt man bisweilen Tröpfchen, welche über diese Oberfläche hinaufgeschleudert werden und im oberen Raum mehr oder weniger weite Curven beschreiben. Nicht alle Flüssigkeiten zeigen diese Erscheinung; da sie aber bei der Schwefelsäure stattfindet, so müssen nothwendig während ihrer Destillation, besonders wenn die Retorte zu voll ist, viele solche Tröpfchen in denjenigen Theil des Halses geschleudert werden, an welchem der Bauch beginnt; dieser Theil des Halses muß also so geneigt seyn, daß er das Zurückfließen dieser Tröpfchen in die Retorte begünstigt, weil sich dieselben sonst mit der destillirten Flüssigkeit vermischen und sie verunreinigen würden. Bei der gewöhnlichen Form der Retorten ist dieß leicht ausführbar. Hauptsächlich hat man auch darauf zu sehen, daß den Hals der (im Ofen eingesetzten) Retorte keine kalten Luftströme treffen, wobei er sehr leicht bricht; man kann sich darüber bei dem großen Unterschied zwischen der Temperatur der Luft, besonders im Winter, und derjenigen des Retortenhalses nicht wundern. So oft mir die Retorten beim Destilliren von Schwefelsäure zerbrachen, geschah es aus diesem Grunde; der Sprung pflanzte sich aber nie bis zur Flüssigkeit fort, so daß ich mehrmals die Destillation noch beendigen konnte. Beim Destilliren von Flüssigkeiten über Holzkohlenfeuer in einer gläsernen Retorte, setzt man letztere gewöhnlich auf einen eisernen Dreifuß, welcher bisweilen das Springen derselben verursacht. Ich pflege die Stellen des Dreifußes, welche die Retorte berührt, mit Amianth zu umgeben, welcher ein weiches Polster für das Glas bildet.Als man in der Augsburger Schwefelsäure-Fabrik die in den Bleipfannen abgedampfte Schwefelsäure noch in gläsernen Retorten concentrirte, welche mit Lehm beschlagen in einem Galeerenofen über freiem Feuer erhitzt wurden, bereitete man rectificirte Schwefelsäure für Apotheker etc. ohne Schwierigkeiten auf die Art, daß man die Vorlagen wechselte, sobald die concentrirte Säure überdestillirte und die Operation hierauf fortsetzte. Das einfachste Verfahren ohne Gefahr rectificirte Schwefelsäure zu bereiten, dürfte also darin bestehen, daß man die käufliche Schwefelsäure, mit Wasser auf 60° Baumé verdünnt, in einer gläsernen Retorte in einem Capellenofen mit bedeckter Capelle destillirt bis concentrirte Säure übergeht, worauf man die Vorlage wechselt und die Destillation fortsetzt, bis der größte Theil der Säure überdestillirt ist.E. D.