Titel: Ueber Gesundmachung der Sümpfe und stehenden Wässer; von Fleurian de Bellevue, correspondirendes Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften.
Fundstelle: Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LXVI., S. 314
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LXVI. Ueber Gesundmachung der Sümpfe und stehenden Wässer; von Fleurian de Bellevue, correspondirendes Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften. Aus dem Moniteur industriel, 1847, Nr. 1168. Fleurian, über Gesundmachung der Sümpfe und stehenden Wässer. Im verflossenen Monat Mai richtete Hr. Dollfuß an die (franz.) Akademie der Wissenschaften ein Schreiben, in welchem er die traurigen Wirkungen der stehenden Wässer auf die Bevölkerung in der Nähe der Straßburger Eisenbahn mittheilte, welche letztere viele Ausgrabungen nothwendig machte, worin sich das Regenwasser sammelt und die durch ihre miasmatischen Ausdünstungen beständig Krankheiten verursachen, namentlich zu Feldkirch.Polytechn. Journal Bd. CV S. 73. In ihrer letzten Sitzung erhielt die Akademie von Hrn. Fleurian de Bellevue eine sehr interessante Abhandlung über stehende Wässer. Der Verfasser studirte den Gesundheitszustand vieler Orte und leitet seil 45 Jahren die Trockenlegung von 6000 Hektaren, woran noch weitere 18,000 Hektaren Sümpfe von den Ufern der niortaisischen Sèvre und der Vendée stoßen, die noch vor kurzem bis in die Hälfte des Sommers hinein überschwemmt waren und nasse Moräste (marais mouillés) genannt werden. Der Verf. konnte so den Gesundheitszustand dieser Morastgegenden vergleichen und stellte, um dazu verläßlichere Grundlagen zu erhalten, eine allgemeine Erhebung der Sterblichkeit in 188 Gemeinden der untern Charente, und 15 Gemeinden der Vendée an, deren größter Theil Moräste enthält und sich in deren Nähe befindet. Er nahm hiezu dieselben 16 Jahre (von 1817 bis 1832), welche Hr. Mathieu gewählt hatte, um die mittlere Sterblichkeit in Frankreich zu bestimmen, welche damals 1 Todten auf 39,7 Individuen ergab. Nun zeigten die gesammelten Beobachtungen, daß sogar die im Sommer überschwemmten Moräste, wenn sie auf sehr nahe beisammenliegenden Dämmen mit Waldungen bepflanzt wurden, wenigstens ebenso gesund sind, als die besten, in voller Cultur befindlichen Trockenlegungen. Die Sterblichkeit betrug nur 1 Todten auf 42 bis 46 Köpfe; sie betrug dagegen 1 Todten auf 25, und sogar 20 Individuen bei einigen Trockenlegungen, wo der Boden aus bloßem Thon besteht, fest und horizontal, ohne alle Waldung ist, und wo man nur große, sehr trockne natürliche Wiesen sieht, auf welchen die Gewitterwässer mehrere Tage nach einander stehen bleiben. Die Sterblichkeit beträgt sogar 1 Todten auf 18, 17 und 16 Einwohner in fünf Gemeinden, wo alte aufgegebene Salzteiche tiefe Gruben (fonds de cuves) zurückließen, in welchen sich beständig stehende Wässer ansammelten; seit 15 bis 20 Jahren aber hat man durch Abzüge für das Wasser die Luft sehr verbessert. Man glaubt allgemein, sagt der Verf., daß die Ursache dieses schädlichen Einflusses von der Veränderung herrühre, welche das Wasser erleidet, wenn es in dünnen Schichten auf dem Boden ausgebreitet ist und von den Sonnenstrahlen erwärmt wird, namentlich wenn es auf Thonboden steht; es entwickelt sich dann im Schooße solchen Wassers eine Unzahl mikroskopischer und ephemerer organischer Wesen, deren Fäulniß verpestete Ausdünstungen erzeugt. Geringe Tiefe des stehenden Wassers und folglich dessen schnelle Erhitzung sind zwei Umstände, die man zu verhüten suchen muß. Es muß sonach ein Theil des Bodens aufgeopfert werden, um den andern zu erhöhen, auf diese Weise das kaum die Oberfläche bedeckende Wasser in dicken Schichten kesselförmig einzuschließen, und dasselbe dann vor der Einwirkung der Sonne durch Baumschatten zu beschützen. Die erste zu treffende Maaßregel besteht also darin, in einer hinlänglichen Anzahl sehr nahe beisammen befindlicher, tiefer Gräben alles Wasser anzusammeln, welches vor den ersten Frühlingstagen noch in dünnen Schichten vorhanden ist; der Abraum dieser Gräben ist auf dem dazwischen liegenden Boden aufzuhäufen, um Dämme zu bilden; diese müssen recht hoch seyn, damit das in dieser Jahreszeit anwachsende Wasser den Fuß der darauf zu pflanzenden Bäume nicht erreichen kann; denn die Bäume stehen bald ab, wenn das erwärmte Wasser den Boden bedeckt. Die zweite Operation besteht darin, diese Bäume sehr nahe an einander zu pflanzen, wozu man zweierlei Holzarten wählt, wovon die eine schnell in die Höhe wächst, keine lange Dauer hat, und mit ihrem Schatten die ersten Jahrgänge der andern beschützt, die nicht so schnell heranwächst, aber für immer den Boden einzunehmen bestimmt ist. So sieht man in den nassen Morästen des niortaisischen Sèvre-Thales auf einer 10 Meilen weiten Strecke und an den Ufern der Vendée, deren thoniger Boden größtentheils mit Torf bedeckt ist, Tausende von Dämmen von 6 bis 12 Fuß Breite, die durch breite Gräben getrennt sind und auf welchen abwechselnd Wasserholder und junge dreibis vierjährige Eschen nur 3 Fuß weit aus einander gepflanzt werden. Die Wasserholunderbäume gehen in 12 Jahren zu Grunde, die Eschen aber behaupten den Boden, welchen sie alsdann mit ihrem Schatten bedecken; es findet keine Verdunstung statt und das Wasser erhält sich beständig frisch. Doch sind es die Bäume nicht allein, welchen dieser Vortheil zu verdanken ist; in den großen Sümpfen wachsen Mitten im Wasser eine Menge Pflanzen, die es durch ihre Beschattung vor der sonst unvermeidlichen Veränderung schützen; sehr dichte Felder von Schilfrohr, Liesch- (oder Rohr-) kolben und andern Pflanzen tragen ebenfalls dazu bei. Nur an der Gränze dieser Sümpfe, an einigen höher als die übrigen liegenden Stellen, die aller Vegetation entbehren, deren Wässer sich während des Sommers langsam zurückzogen, werden zuweilen die traurigen Wirkungen dieser Entblößung des Bodens empfunden. Kurz, diese Beschattung ist es vorzüglich, welcher der Verf. den Gesundheitszustand zuschreiben zu müssen glaubt, dessen sich die Gemeinden in der Nähe der nassen Moräste der Sèvre zu Niort erfreuen.