Titel: Versuche über den Widerstand, welchen die Luft den Locomotiven und Eisenbahnwagen entgegensetzt.
Fundstelle: Band 108, Jahrgang 1848, Nr. L., S. 245
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L. Versuche über den Widerstand, welchen die Luft den Locomotiven und Eisenbahnwagen entgegensetzt. Aus dem Technologiste, Jan. 1848, S. 209. Versuche über den Widerstand, welchen die Luft den Locomotiven und Eisenbahnwagen entgegensetzt. Dr. Lardner, welcher sich mit diesem Gegenstand speciell beschäftigte, kam zu dem Schlusse, daß der Widerstand, welchen die Luft den Eisenbahnzügen entgegensetzt, die in der Stunde 30 engl. Meilen (48,14 Kilom.) zurücklegen, 6,75 Kilogr. per Tonne Bruttogewicht des Zugs beträgt oder das Anderthalbfache des Gesammt-Widerstands aller übrigen einen Theil der Zugkraft absorbirenden Ursachen. Allein man wird leicht einsehen, daß diese Berechnungsart keineswegs richtig seyn kann, weil der Widerstand nicht nach dem mehr oder weniger großen Gewicht des Trains variirt, sondern nach der Größe der dem directen atmosphärischen Widerstand ausgesetzten Oberfläche, sowie auch nach der Gestalt des an der Spitze des Trains befindlichen Wagens. Bei ihren Experimental-Untersuchungen über Locomotiv-Maschinen erhielten die HHrn. Gouin und Le Chatellier Polytechn. Journal Bd. XCVII S. 1. hinsichtlich des Widerstandes der Trains (gegen die Zugkraft) das Resultat, daß derselbe bei Geschwindigkeiten von 18 bis 54 Kilometer per Stunde bei ruhigem Wetter ungefähr 1/260 bis 1/125 der Last beträgt, wobei aber der Luftwiderstand nicht berücksichtigt wurde. Die theoretischen Betrachtungen des Hrn. Barlow über die Kraft, welche erforderlich ist um den Widerstand zu besiegen, den die Luft bei großen Geschwindigkeiten der Bewegung der Eisenbahnzüge entgegensetzt, führten ihn, jedoch nur hinsichtlich der atmosphärischen Eisenbahnen, dahin, diesen Widerstand durchschnittlich zu 4,534 Kilogr. per Tonne des Traingewichts anzunehmen. Auch in der von Hrn. S. Russell aufgestellten theoretischen Formel zur Berechnung des Totalwiderstandes auf Eisenbahnen ist das auf den Widerstand der Luft bezügliche Glied der Formel abhängig vom Gewicht des Zugs. Von Hrn. Bessemer erschien über diesen Gegenstand unlängst in London eine Broschüre unter dem Titel: Ueber den Widerstand der Atmosphäre gegen die Eisenbahnzüge, die Mittel ihn zu vermindern, und Verbesserung der Achsen für Eisenbahnwagen.“ Das Resultat, zu welchem er durch eine Reihe von Versuchen gelangte, scheint die heutzutage von vielen englischen Ingenieuren angenommene Regel zu bestätigen, daß bei einer Geschwindigkeit von 35 engl. Meilen (56 Kilomet.) per Stunde der Widerstand ungefähr 6 engl. Pfund auf den engl. Quadratfuß beträgt, was sehr nahe 30 Kilogr. auf den Quadratmeter der Luft ausgesetzter Oberfläche ausmacht. Wir entnehmen dieser Broschüre noch einige Details, welche zur Beleuchtung eines in diesem Betreff noch unsichern Punktes dienen können, nämlich des Einflusses der mit einander verbundenen Wägen. „Zu meinen Versuchen, sagt Hr. Bessemer, construirte ich mir einen Apparat, welcher aus einem horizontalen Rad an einer verticalen Welle bestand, die durch Winkelräder von einer Dampfmaschine aus in Bewegung gesetzt wurde. Dieses horizontale Rad wurde an die Welle fest gekeilt und auf dasselbe wurde ein zweites Rad von Schmiedeisen gebracht, welches sich um die Welle ganz frei bewegen konnte. Dieses zweite Rad, welches sich also in einer zum ersten parallelen Ebene befand, wurde über demselben von kleinen stählernen Rollen getragen, mit welchen es auf der Unterseite versehen war, so daß man das obere horizontale Rad auf dem untern mittelst einer sehr unbedeutenden Kraft umherrollen lassen konnte. Ein Salter'sches Dynamometer mit Indicator und Feder wurde mit seinen entgegengesetzten Enden an einer Speiche beider Räder befestigt, so daß wenn man die Räder zugleich in Bewegung setzte und der Fall eintrat, daß eine störend einwirkende Kraft sich der Bewegung des obern Rades widersetzte, das Feder-Dynamometer zum Messen des Widerstandes dienen konnte. Da es aber unter den gegebenen Umständen unmöglich war, das Instrument während der Versuche abzulesen, so befestigte ich an dem Index einen Reißstift und einen Pappendeckel, um nachdem der Apparat wieder zur Ruhe gebracht war, auf dem Pappendeckel den verzeichneten Widerstand ablesen zu können. Nachdem alles so vorgerichtet war, wurde ein Wagenmodell im sechsten Theil der natürlichen Größe ausgeführt, auf dem leichten eisernen Rad befestigt und der Apparat in Bewegung gesetzt. Alsdann wurde der Widerstand, welchen die Atmosphäre der Circulation des Wagens entgegensetzte, mittelst der relativen Bewegung dieses kleinen Rades auf seinen Röllchen und der Druck mittelst der Angaben des Dynamometers erhoben. In der Regel nahm die Geschwindigkeit in allen Versuchen von dem Augenblick der Abfahrt an zu, und nachdem die gewünschte Anzahl von Umdrehungen per Minute erreicht war, wo dann die Geschwindigkeit mit der vorausbestimmten Meilenzahl per Stunde übereinstimmte, ließ man die Geschwindigkeit allmählich wieder abnehmen, bis der Wagen wieder in den Zustand der Ruhe zurückkehrte; alsdann wurden die Angaben auf dem Pappendeckel abgelesen und der Versuch noch zweimal wiederholt, um allemal eine Mittelzahl aus drei Versuchen zu erhalten. Bei der ersten Versuchsreihe wurde ein Widerstand von 2,1 Pfd. auf den Quadratfuß (10,512 Kilogr. auf den Quadratmeter) der Vorderfläche des Waggons bei einer Geschwindigkeit von 20 engl. Meilen (circa 32 Kilometer) per Stunde gefunden. Ein Widerstand von 3,2 Pfd. per Quadratfuß (16,121 Kilogr. per Quadratmeter) bei einer Geschwindigkeit von 25 engl. Meilen (40 Kilom.). Ein Widerstand von 4,5 Pfd. per Quadratfuß (22,670 Kil. per Quadratmeter) bei einer Geschwindigkeit von 30 engl. Meilen (48 Kilom.). Ein Widerstand von 6,1 Pfd. per Quadratfuß (29,619 Kil. per Quadratmeter) bei einer Geschwindigkeit von 35 engl. Meilen (56 Kilom.). Endlich ein Widerstand von 10 Pfd. per Quadratfuß (50,400 Kil. per Quadratmeter) bei einer Geschwindigkeit von 45 engl. Meilen (72 Kilom.). Letztere Geschwindigkeit war die größte, welche der Apparat annehmen konnte, ohne daß eine Störung desselben zu befürchten war; da hiebei der Widerstand genau 10 Pfd. per Quadratfuß (sehr nahe 50 Kil. per Quadratmeter Oberfläche) betrug, so wählte ich diese Geschwindigkeit als Basis bei meinen späteren Versuchen, weil die verschiedenen Pressionen dabei in lauter runden Zahlen ausgedrückt werden und sich also dem Gedächtniß leichter einprägen. Nachdem ich auf diese Weise die Ziffer für den Druck ermittelt hatte, welchen der Widerstand der Luft gegen einen mit der oben angenommenen Geschwindigkeit laufenden Wagen verursacht, hing ich einen zweiten Wagen an den ersten, ließ aber den gehörigen Raum für die Buffers zwischen denselben frei. Als nun die beiden Wagen mit einer Geschwindigkeit von 45 engl. Meilen per Stunde in Bewegung gesetzt wurden, ergab sich im Mittel von drei Versuchen ein Widerstand von 14,1 Pfd. per Quadratfuß (71 Kilogr. per Quadratmeter), so daß der Widerstand durch das Anhängen eines zweiten Wagens ungefähr 4 Pfd. per Quadratfuß (20 Kilogr. per Quadratmeter) mehr betrug. „Ich hing hierauf eben so noch einen dritten Wagen an, wiederholte den Versuch auf dieselbe Weise und das Dynamometer ergab nun 18 Pfd. per Quadratfuß (90,658 Kil.), also eine Zunahme um 4 Pfd. per Quadratfuß (ungefähr 20 Kilogr. per Quadratmeter) für den durch den dritten Wagen verursachten Widerstand. Ich hing nun nacheinander drei weitere Wägen an die drei ersten und das Resultat war für jeden einzelnen ein Mehrbetrag des Widerstands um 4 Pfd. per Quadratfuß (circa 20 Kilogr. per Quadratmet.). So zeigte bei dem Zug von sechs aneinander gehängten Wagen das Dynamometer einen Druck von 30,5 per Quadratfuß (153,652 Kilogr. per Quadratmeter), was wirklich 10 Pfd. für den ersten Wagen, und ungefähr 4 Pfd. für jeden der fünf andern (50 Kilogr. für den ersten und 20–21 Kilogr. für jeden der fünf andern) ausmacht und beweist, daß der Widerstand für jeden weiters angehängten Wagen 4/10 von dem des ersten beträgt. Nachdem ich dieses wichtige Resultat erlangt hatte, ging ich an die zweite Reihe von Versuchen, auf welchen der Erfolg des von mir gefaßten Planes beruhte, den Widerstand gegen die Enden der Zwischenwägen zu vermindern. Hiezu ließ ich fünf Kästen (Mäntel) verfertigen, welche die Zwischenräume je zweier aufeinander folgenden Wägen ausfüllten. Ein solcher Kasten wurde zwischen den ersten und zweiten Wagen des Zugs (von sechs Wägen) gebracht, wodurch dieselben das äußere Ansehen eines Wagens von doppelter Länge ohne Zwischenraum erhielten, d.h. ohne daß der zweite Wagen der Luft eine Vorderfläche darbot, gegen welche sie einen Widerstand ausüben konnte. Der Train wurde nun auf die Geschwindigkeit von 45 engl. Meilen (ungefähr 72 Kilom.) gebracht und das Mittel dreier Versuche ergab eine Verminderung des Gesammtwiderstands um 4 Pfd. (circa 20 Kilogr. per Quadratmeter). Der zweite Kasten zwischen dem zweiten und dritten Wagen verminderte denselben abermals um 4 Pfd. und so fort bei allen Zwischenräumen. Der Train hatte nun das Ansehen eines einzigen Wagens von ungeheurer Länge ohne Unterbrechung und ohne eine Fläche, gegen welche die Luft perpendiculär drücken konnte; so vorgerichtet erlitt er einen Widerstand von nur 10 Pfd. per Quadratfuß (also gerade so wie ein einziger Wagen), woraus klar hervorgeht, daß bei einem Train von sechs Waggons zwei Drittheile des atmosphärischen Widerstands durch bloße Ausfüllung der Zwischenräume beseitigt werden können. Es war nun die Frage zu erledigen, wie weit diese 10 Pfd. noch reducirt werden können. Zu diesem Zweck ließ ich zwei andere Wägen bauen, deren vorderes Ende geformt war wie der Vordertheil eines Schiffes oder ein Keil, während die Seitenwände perpendiculär blieben. Ich ließ einen solchen Wagen an die Spitze und einen an das Ende des Zugs stellen undnnd setzte so den Train mit einer Geschwindigkeit von 45 engl. Meilen in Bewegung. Der Druck wurde dadurch von 10 Pfd. per Quadratfuß (50,400 Kilogr. per Quadratmeter) auf 6,3 Pfund (31,738 Kilogr. per Quadratmeter) vermindert, obgleich sieben Wägen zu den Versuchen verwendet wurden. Dieß war der erste von drei Versuchen, welche ich anzustellen beabsichtigte, um das Mittel daraus zu nehmen; leider machte sich aber durch die Centrifugalkraft im zweiten Versuch einer der sieben Wägen los und veranlaßte die Zerstörung der übrigen, was mich an der Fortsetzung dieser Versuche hinderte. Jedenfalls geht aus meinen Versuchen klar hervor, daß der Widerstand der Atmosphäre gegen die Eisenbahntrains auf das (vordere) Ende jedes Wagens derselben stattfindet und daß der Druck auf den zweiten und jeden folgenden Wagen 4/10 vom Widerstand der Luft gegen den ersten beträgt; ferner, daß durch Ausfüllung der leeren Räume zwischen den einzelnen Waggons der Druck auf dieselben bedeutend vermindert wird.“ Die Sorgfalt, mit welcher diese Versuche ausgeführt wurden, läßt über die Richtigkeit der Resultate kaum einen Zweifel übrig. Gewiß werden die Eisenbahn-Ingenieure wohl in Erwägung ziehen, welche Gestalt den Waggons am zweckmäßigsten gegeben wird, um den Aufwand an Triebkraft zu vermindern. Die Methode, den Raum zwischen den Waggons auszufüllen, führte zu wichtigern Resultaten als man bisher zu hoffen wagte; während drei Züge, welche aus 10,15 und 20 Waggons bestehen und sich mit einer Geschwindigkeit von 35 englischen Meilen per Stunde mit einem Bruttogewicht von 40, 60 und 80 Ton. bewegen, nach Dr. Lardner und Robert Stephenson mit Einrechnung aller Ursachen einen Widerstand von 544, 816 und 1088 Kil. erfahren, würden bei den von Bessemer modificirten Waggons mit keilförmigem Vordertheil und ausgefüllten Zwischenräumen die Gesammt-Widerstände unter denselben Verhältnissen durch 260, 354 und 447 Kil. ausgedrückt. Bei Estafette-Trains oder solchen von großer Geschwindigkeit, die in der Stunde 60 engl. Meilen (96 Kilom.) zurücklegen, würde der Totalwiderstand 1,270 Kil. betragen, während er sich durch Bessemer's Verfahren auf etwa 420 Kilogr. oder auf ungefähr das Drittel reducirt. Die Art, wie der Verf. die Räume zwischen je zwei Wägen auszufüllen vorschlägt, ist einfach und sinnreich. Der erwähnte Kasten wird von Leder oder Gutta-Percha auf dieselbe Weise verfertigt, wie die gewöhnlichen Dächer der Cabriolets etc. Das Gerippe dieses Kastens wird durch Scharniere mit den vorstehenden Bufferköpfen verbunden und innerlich durch gehörig angebrachte Haken befestigt. Das Ganze kann, wenn man es nicht braucht, durch gegliederte Sförmige Stangen, mittelst welchen man den Kasten herablassen kann, auf ein kleines Volum reducirt werden. Als weitern Vortheil dieser Kästen erwähnt der Verf., daß man für das Gepäck, statt es auf die Imperiale zu stapeln, wie dieß noch auf mehreren englischen Eisenbahnen geschieht, oder statt es in besondern Wägen unterzubringen, bei seiner Einrichtung zwischen den Wägen einen bedeckten Raum erhalte, welcher groß genug wäre, um dasselbe hinein zu packen, und in welchem es vor Regen und Staub geschützt wäre. Hr. Bessemer schlägt auch eine Verbesserung der Achsen für Eisenbahnwägen vor; sie hat vorzüglich den Zweck, dem nachtheiligen Einfluß der Torsion zu begegnen. Indem er in dieser Hinsicht die Achse eines Eisenbahnwaggons mit derjenigen eines Omnibus vergleicht, sagt er: „Die Eisenbahnachse hat an jedem Ende ein mittelst eines Schließkeils wohl befestigtes Rad; dieses Rad ist sehr rund gedreht, rollt auf einer ebenen langen Schiene fort, und erleidet nur ungefähr von 4 zu 4 Metern, wo die Schienen nicht auf das vollkommenste zusammenstoßen, einen Stoß. Die Achsen eines Omnibus hingegen tragen an jedem Ende ein freies Rad; diese Räder sind gut cylindrisch und laufen täglich 12–15 Stunden lang auf den unebenen und ungleichen Oberflächen des Pflasters, welche ungefähr von 2 zu 2 Decimetern einen heftigen Stoß veranlassen, was bei 16 Kilometer Geschwindigkeit per Stunde oder 266 Meter per Minute, 1330 Stöße per Minute ausmacht, deren jeder eine neue Reihe rascher und starker Schwingungen hervorbringt, ehe noch diejenigen vom vorhergegangenen Stoß aufgehört haben. Und doch verrichtet eine Omnibus-Achse, trotz aller dieser argen Störungen, ihren Dienst ununterbrochen mehrere Jahre lang, und man hört selten, daß das Eisen dieser Achsen seinen Nerv verloren habe, oder durch die erlittenen Erzitterungen, durch Elektricität, oder sonst eine der angeblichen Zerstörungs-Ursachen der Eisenbahnachsen krystallisirt sey.“ Um den nachtheiligen Einfluß der Torsion zu beseitigen, verfertigt Hr. Bessemer seine Achse aus zwei in der Mitte der Länge zusammengefügten Stücken. In jedes dieser Stücke ist eine Reihe Hohlkehlen eingedreht; wenn man sie nun Ende gegen Ende in eine Form legt, deren Höhlung den Durchmesser der Achse hat, und geschmolzenes Metall hineingießt, um über ihnen einen Muff zu bilden, so werden sie fest miteinander verbunden und können sich seitlich nicht mehr von einander trennen, obwohl jedes die Freiheit hat, sich zu drehen oder der Torsion nachzugeben. Wenn demnach die Torsion leichter die Krystallisation veranlaßt als die bloßen Stöße, so ist diese Anordnung vortheilhaft; jedenfalls verdient sie, daß Versuche darüber angestellt werden. Es braucht wohl nicht erst bemerkt zu werden, daß diese Verbesserung nur bei Achsen für Eisenbahnwagen, Postkutschen etc. anwendbar ist, die Nothwendigkeit eines starren Systems aber zwischen dem arbeitenden Apparrat jedes Cylinders der Locomotive ihre Einführung für letztere unmöglich macht.