Titel: Vergleichende Untersuchung einer in der Centralpflanzung von Algier im J. 1845 gewonnenen Cochenille und einer im Handel vorkommenden Zaccatilla-Cochenille; von Hrn. Chevreul.
Fundstelle: Band 108, Jahrgang 1848, Nr. LXXVIII., S. 368
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LXXVIII. Vergleichende Untersuchung einer in der Centralpflanzung von Algier im J. 1845 gewonnenen Cochenille und einer im Handel vorkommenden Zaccatilla-Cochenille; von Hrn. Chevreul. Aus den Comptes rendus, März 1848, Nr. 13. Chevreul, über Prüfung der Cochenillesorten. Um den Werth einer im J. 1845 in der Centralpflanzung von Algier gewonnenen Cochenille zu ermitteln, bestimmte ich ihr Vermögen das Wasser zu färben im Vergleich mit einer sogenannten Zaccatilla-Cochenille (aus Mexico); von letzterer, welche in der Gobelins-Manufactur (zu Paris) angewandt wird, kostet das Kilogramm 19 Fr. 50 Cent. Auch habe ich mit beiden Cochenillen Färbeversuche angestellt. Ueber das Vermögen beider Cochenillen das Wasser zu färben. Die Algier'sche Cochenille verliert bei einer Temperatur von 80° R. im Verhältniß von 0,098 zu 0,103, also in runder Zahl um 1/10 weniger Wasser als die Zaccatilla. Um das Färbevermögen beider Sorten zu bestimmen, brachte ich 1 Gramm von jeder, trocken vorausgesetzt, in weniger als 1 Liter kochendes Wasser und ergänzte nach dem Erkalten das Volum auf 1 Liter, worauf ich die klaren Flüssigkeiten decantirte. Das Wasser von der Algier'schen Cochenille war mehr orangeroth als von der Zaccatilla und sein Ton war weniger intensiv. Ich bestimmte nun den relativen Farbstoffgehalt beider Cochenille-Lösungen mittelst des Colorimeters von Houtou-Labillardière;Beschrieben im polytechn. Journal Bd. XXVII S. 54. dieses Instrument besteht bekanntlich aus zwei gleichen kalibrirten Glasröhren, welche in zwei gleiche Hälften, die zweite aber noch in 100 Volumtheile eingetheilt wird; man füllt in beide bis zur Hälfte, wo 0 steht, die zu vergleichende Flüssigkeit und setzt zur dunkleren so lange Wasser zu, bis beide in ihrer Intensität gleich geworden sind; es verhalten sich dann die ursprünglichen Intensitäten direct den Volumen der Flüssigkeit. Ich habe in meinen Leçons de Chimie appliqué à la Teinture darauf aufmerksam gemacht, daß man mit diesem Instrument nur dann genaue Resultate erhält, wenn die zu vergleichenden Flüssigkeiten bloß im Ton und nicht auch in der Tonleiter verschieden sind. Sollen z.B. zwei schwefelsaure Indiglösungen verglichen werden, so darf nicht die eine das Wasser grünlichblau und die andere veilchenblau färben, damit die Probe sicher und leicht angestellt werden kann; sondern die Farbe beider muß derselben Tonleiter angehören, also von jeder grünlichblau oder veilchenblau etc. seyn. Diese Bemerkung ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Aus diesem Grunde wurden die beiden Cochenille-Auflösungen nicht in dem Zustand, worin man sie erhielt, mit einander verglichen, sondern die wässerige Lösung der Algier'schen Cochenille wurde zuvor so alkalisirt, daß ihre Farbe mit derjenigen der Zaccatilla identisch war. 80 Maaße von der Lösung wurden in die Röhren des Colorimeters gebracht; um die Gleichheit des Tons herzustellen, mußte man der Zaccatilla 20 Maaß Wasser zusetzen: folglich verhält sich das Färbevermögen der letztem zum Färbevermögen der Algier'schen Cochenille wie 100 : 80 = 5 : 4. Dieses Verhältniß wurde durch folgende Versuche bestätigt: 50 Kubikcentimeter der Zaccatilla-Lösung erforderten 21 Kubikcent. Chlorkalk, um ihre rothe Farbe zu verlieren; 50 Kubikcent. von der Lösung der Algier'schen Cochenille erforderten hingegen nur 16,75 Kubikcentimeter Chlorkalk. Die Färbevermögen verhalten sich also zu einander wie 21 : 16,75 = 5 : 3,99. Ich habe schon anderswo bemerkt, daß diese Probe nur dann verläßlich ist, wenn die zu vergleichenden Farbmaterialien dieselben Substanzen und überdieß in einem nicht zu verschiedenartigen Verhältniß enthalten; die Farbstoffe werden zwar durch den Chlorkalk schnell verändert, aber es gibt auch farblose Substanzen, welche gleichzeitig durch ihn verändert werden können. Vergleichende Färbeversuche mit den zwei Cochenillen. Es wurden mit den zwei Cochenillen zwei Scharlachproben gefärbt, indem man folgende Verhältnisse anwandte: Wasser 1250 Gramme Weinstein       2      „ Zinncomposition       2      „ Cochenille       1      „ Wolle       6      „ Nachdem man die Wolle so hoch als möglich getrieben hatte, erschöpfte man jedes Bad an Farbstoff mittelst zweier Wollesträhne, deren jeder 6 Gramme wog, und die man nacheinander darin passirte. Die Resultate sind im Folgenden auf meinen ersten chromatischen Kreis bezogen, welcher 72 Tonleitern umfaßt, in deren jeder 20 Töne vom Weiß zum Schwarz begriffen sind.        Zaccatilla-Cochenille.            Algier'sche Cochenille. 1ste Passage, 3 1/2 roth, 15ter Ton.     4 roth, 14ter Ton, d.h. mehrorange, lebhafter. 2te  Passage,   deßgl. 11ter Ton.     deßgl. 10ter Ton, mehr rosenroth,mehr grau. 3te  Passage,   deßgl.   6ter Ton.     deßgl.   5ter Ton, mehr rosenroth,mehr grau. Es wurden dann Proben in Carmesinroth mit den zwei Cochenillen gefärbt, mit folgenden Substanzen: Wasser 1250 Gramme Weinstein       0,75      „ Alaun       1,50      „ Cochenille       1      „ Wolle       6      „ Als die Wollen in ihren respectiven Bädern nach halbstündigem Kochen nicht mehr weiter zogen, nahm man sie heraus und passirte in jedem Bad nacheinander zwei Wollesträhne, jede von 6 Grammen. Nach dieser Passage waren aber die Bäder nicht erschöpft, wie dieß für Scharlach stattfand. Folgendes sind die Resultate:        Zaccatilla-Cochenille.      Algier'sche Cochenille. 1ste Passage, 4 roth-violett des       1sten chromatischen Kreises,       16ter Ton.     2 roth-violett, 13ter Ton. 2te Passage,    deßgl.    deßgl.       12ter Ton.     3 roth-violett, 11ter Ton,    mehr grau 3te Passage,    deßgl.    deßgl.         8ter Ton.     3 roth-violett, 3ter Ton,    mehr grau. Resultat beider Proben. Die Algier'sche Cochenille gibt weniger Farbstoff ab, als die Zaccatilla; der Unterschied beträgt aber für Scharlach weniger als für Carmesinroth. Als Gegenprobe färbte man 2 Muster carmesinroth mit 4 Theilen Zaccatilla- und 5 Theilen Algier'scher Cochenille; sie waren einander so ähnlich, daß man sie ohne Irrthum als identisch betrachten konnte. Für diese Farbe ist also der Werth beider Cochenillen im Verhältniß von 5 : 4. Zwei Scharlachmuster, welche mit 4 Theilen Zaccatilla- und 5 Theilen Algier'scher Cochenille gefärbt wurden, waren nicht identisch: man hätte sich offenbar der Gleichheit mehr genähert, wenn man von letzterer Cochenille weniger als 5 Theile angewandt hätte. Dieses Resultat ist also ersteren Versuchen ganz conform. Da von der Zaccatilla das Kilogramm 19 1/2 Fr. kostet, so ist die Algier'sche Cochenille 15 Fr. 60 Cent. werth, um carmesinroth zu färben; hingegen 17 Fr. 15 Cent. um scharlachroth zu färben; 16 Fr. 35 Cent. wäre also ihr durchschnittlicher Preis per Kilogramm. Durch größere Sorgfalt in der Cultur der Nopalpflanzen und der Zucht der Cochenille wird es ohne Zweifel gelingen, in Algier noch ein besseres Product zu erzielen.