Titel: Verfahren baumwollene und leinene Garne und Gewebe mittelst kalter und lauwarmer Flüssigkeiten zu bleichen, welches sich Hector Sandeman in Tullochfield bei Perth, am 31. Jul. 1847 für England patentiren ließ.
Fundstelle: Band 109, Jahrgang 1848, Nr. XXIX., S. 145
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XXIX. Verfahren baumwollene und leinene Garne und Gewebe mittelst kalter und lauwarmer Flüssigkeiten zu bleichen, welches sich Hector Sandeman in Tullochfield bei Perth, am 31. Jul. 1847 für England patentiren ließ. Aus dem Mechanics' Magazine, 1848, Nr. 1279. Sandeman's neues Bleichverfahren. Kaltes Verfahren zum Laugen und Bleichen der Garne und Gewebe. Gegenwärtig pflegt man die baumwollenen und leinenen Garne und Gewebe mit Potasche oder Soda, oder mit Aetzkalk, ferner mit harter und weicher Seife auf die Art zu reinigen (laugen), daß man diese Substanzen in Wasser aufgelöst bei der Siedhitze oder doch einer dem Kochen sich nähernden Temperatur anwendet. Ich wende aber dieselben im kalten Zustande, d. h. bei der gewöhnlichen Lufttemperatur an, indem ich folgendermaßen verfahre (cold process): wenn die zu behandelnde Waare aus Geweben besteht, weiche ich sie zuerst in warmem Wasser ein, um ihre Fasern zu erweichen und auszudehnen, damit sie von der alkalischen Flüssigkeit besser durchdrungen werden können; besteht die Waare hingegen aus Gespinnsten, so kann man dieses vorläufige Einweichen unterlassen. Zum Laugen benutzt man kalte Kalkmilch, in welche man die Waare zwölf Stunden lang, nach Bedarf mehr oder weniger, einweicht; der Kalk ist zu diesem Zweck den anderen alkalischen Flüssigkeiten vorzuziehen, nicht nur weil er wohlfeiler ist, sondern auch weil er sich in kaltem Wasser in größerer Menge auflöst als in kochendem. Um das Kalkhydrat zu bereiten, lösche ich gebrannten Kalk zu Pulver ab, welches ich durch ein sehr feines Sieb schlage und dann einige Stunden in Wasser einweiche. Beim nachherigen Verdünnen mit kaltem Wasser, um die Flüssigkeit zum Laugen zu erhalten, muß man mehr Kalk zusetzen als das angewandte Wasser aufzulösen vermag, weil die in der Waare gewöhnlich enthaltenen Oele und Fette sich mit dem im Wasser aufgelösten Kalk chemisch verbinden und folglich das Wasser bald alle Wirksamkeit verlieren müßte, wenn es nicht überschüssigen Kalk vorfände, mit welchem es sich immer wieder vollständig sättigen kann. Nach dem kalten Laugen mit Kalk wird die Waare auf gewöhnliche Weise mittelst kalter Auflösungen von Chlorkalk oder Chlorkali und Schwefelsäure gebleicht. In vielen, wo nicht in den meisten Fällen, erhält man die Waare durch das kalte Verfahren allein schon rein und weiß genug. Wenn jedoch eine größere Weiße verlangt wird, als sich auf diesem Wege erzielen läßt, lauge ich die Waare zuletzt noch in einer schwachen Auflösung von Potasche oder Soda oder von Seife bei der Siedhitze oder einer derselben sich nähernden Temperatur. Beim kalten Verfahren verbraucht man nicht mehr Kalk, als bisher beim heißen oder kochenden Laugen mit solchem angewandt wurde. Jedenfalls erspart man also bei meinem Verfahren im Vergleich mit dem gewöhnlichen viel Handarbeit und Brennmaterial. Ueberdieß behält die Waare viel mehr von ihrer ursprünglichen Stärke, Festigkeit, Elasticität und Gewicht, als wenn sie mittelst heißen oder kochenden Laugens gebleicht wurde. Bleichen mittelst lauwarmer Laugen. Mein zweites Verfahren unterscheidet sich ebensosehr von dem beschriebenen kalten Proceß als von dem gewöhnlichen Bleichverfahren mittelst kochender Laugen; es besteht in der Anwendung lauwarmer Laugen (thermal process). Ich benutze dabei vorzugsweise Kalkmilch bei Temperaturen zwischen 18° und 61° Réaumur. Wenn man Potasche oder Soda anwendet, gewährt es durchaus keinen Vortheil, die Temperatur höher als auf 52° R. zu treiben. Composition um das Laugen und Bleichen gleichzeitig zu bewirken. Um diese Composition zu bereiten, versetzt man Kalkmilch mit einer klaren Auflösung von Chlorkalk und rührt beide Substanzen gut unter einander; man nimmt so ziemlich ebensoviel Kalk, als man gegenwärtig beim kochenden Laugen anwendet und soviel Chlorkalk, als man dabei zum Bleichen nöthig hat; von letzterm aber mehr oder weniger, je nach der Schnelligkeit womit der Bleichproceß durchgemacht werden soll. Ich wende diese Composition vorzugsweise im kalten Zustande an, indem ich die Waare 12 bis 24 Stunden lang darin einweiche; man kann diese Composition jedoch bei jedem Temperaturgrad anwenden, wobei sie die Waare nicht beschädigt. In der Regel wird die Waare durch die Behandlung mit dieser Composition, also in einer einzigen Operation, eben so gut gebleicht, als wenn man sie wie gewöhnlich zuerst mit Kalk kochend laugt und dann mit Chlorkalk weiß macht, so daß man also viel Handarbeit für Waschen etc., Brennmaterial und Zeit ersparen kann. Bemerkungen. Dieses patentirte Bleichverfahren, welches unter den Bleichern in Großbritannien viel Aufsehen erregte, beruht, wie der Erfinder bemerkt, auf der Eigenthümlichkeit des gelöschten Kalks, sich in kaltem Wasser in größerer Menge aufzulösen, als in heißem oder kochendem Wasser. 1 Theil Kalk löst sich (nach Phillips) in 656 Theilen Wasser von 0°, in 752 von 12½° R. und in 1280 von 80°R. auf. Wenn man daher 2000 Theile in der Kälte gesättigtes Kalkwasser, mit 1000 Theilen Wasser mischt, so setzt es bei der Siedhitze (nach Graham) 1 Theil Kalkhydrat ab. In vielen Fällen muß folglich eine kalte, d. h. gesättigtere Kalklösung, die heiße und weniger gesättigte Lösung des Kalks zum Laugen der Zeuge ersetzen können, z. B. wenn Baumwollenzeuge, welche für den Krappfarben-Druck bestimmt sind, nach dem kalten Kalk- und Säurebad noch heiß mit Soda gelaugt werden. Dieß haben auch einige im Großen angestellte Versuche bestätigt. Für Baumwollenzeuge, welche sehr unrein sind und sogenannte Schalen (Samenreste) enthalten, wird eine kalte Kalklauge, welche noch zum Kochen gebracht und darin bloß 2 Stunden lang unterhalten wird, die bisherigen heißen Kalklaugen von 12–18 Stunden Dauer ebenfalls ersetzen können, wobei man gegen früher noch immer bedeutend an Brennmaterial ersparen würde. Die Behauptung des Patentträgers, daß die Potasche- und Sodalaugen durch eine Erhöhung der Temperatur über 52° R. nicht mehr wirksamer werden, verdient die sorgfältigste Prüfung. Wahrscheinlich hat die Lauge in den großen Circulations-Apparaten der Kattundruckereien, worin eine bedeutende Anzahl von Stücken gemeinschaftlich gelaugt wird, durchschnittlich keine viel höhere Temperatur. Für die Behauptung des Patentträgers spricht auch der Umstand, daß man in neuerer Zeit in englischen und anderen Bleichanstalten ohne viel günstigeren Erfolg die Laugen mittelst Hochdruckdampf durch die im Kessel zusammengedrängten Gewebe und Gespinnste hindurchtrieb. E. D.