Titel: Verbrauch an Theilen des Oberbaues auf den belgischen Eisenbahnen, nach Belpaire.
Fundstelle: Band 110, Jahrgang 1848, Nr. LIX., S. 321
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LIX. Verbrauch an Theilen des Oberbaues auf den belgischen Eisenbahnen, nach Belpaire.Bearbeitet von Nepomuck Steinle, zunächst für sein technisches Handbuch des Eisenbahnwesens (Nördlingen, Verlag der C. H. Beck'schen Buchhandlung), welches eine Zusammenstellung der meisten bis jetzt bekannt gewordenen Erfahrungen im Eisenbahnwesen enthält und wovon die letzte Lieferung nächstens die Presse verläßt.A. d. R. Nachtrag zu der im polytechn. Journal Bd. CVII S. 81 enthaltenen Abhandlung. Belpaire, über den Verbrauch an Theilen des Oberbaues auf den belgischen Eisenbahnen. Man findet in den Rechenschaftsberichten einiger Eisenbahnen zwar die Zahl der Theile des Oberbaues angegeben, welche jährlich ausgewechselt wurden, aber außerdem nirgends alle jene Daten, welche nöthig sind, um den Abgang in Procenten zu berechnen, als in dem Werke des belgischen Ingenieurs Alph. Belpaire: Traité des Dépenses d'exploitation aux Chemins de fer belges. Er gibt darin den Abgang der Theile des Oberbaues, die Schienen ausgenommen, in Procenten folgendermaßen an: 1840. 1841. 1842. 1843. 1844. 1845. Querschwellen 1,7 Proc. 3,6 Proc. 5,9 Proc. 5,2 Proc. 6 Proc. 6 Pct. Chairs 0,71 0,91 0,78 0,74 1,16 1,00 Chairnägel und Keile 0,59 0,76 0,66 1,06 1,28 Länge des Geleises in Kilom.  470 513 708 723 853 921. Belpaire hat ganz im Widersprüche mit seiner sonstigen Genauigkeit die Zahl Chairnägel und Keile, welch letztere von Eisen sind, untereinander geworfen. Die Angaben für das Jahr 1845 sind den Angaben von Teißerence entnommen. Es ist bei Beurtheilung obiger Angaben nicht zu vergessen, daß sich die entwickelte Länge der Geleise stets vermehrte, daß also die Summe des Abganges sowohl neue als schon länger liegende Theile enthält. Belpaire gibt an, daß 1842 alle 1834 und 1835 gelegten Querschwellen, welche durchaus von weichem Holze, ersetzt waren. Daß bei weitem der größere Theil weicher Querschwellen schon in 5–6 Jahren ausgewechselt werden muß, ist durch andere zahlreiche Erfahrungen erwiesen. Hier folgen nun die Angaben Belpaire's über Abnützung und Bruch der Schienen: Nach den Untersuchungen Pambour's über Abnützung hält es Belpaire für unmöglich, daß selbst auf der Stockton-Darlington Bahn, welche zuerst und zwar 1825 gewalzte Schienen erhielt, solche durch Abnützung außer Dienst gekommen seyn könnten, sondern es gibt andere sehr zahlreiche und mitunter sehr stark wirkende Ursachen, welche die Schienen außer Dienst setzen. Manche Schienen blättern sich aus und das Eisen löst sich in dünnen Schichten ab; bei andern Schienen scheinen die Eisentheile allen Zusammenhang unter sich zu verlieren, sie zerfallen dann in zur Länge der Schienen parallele Streifen; andere Schienen endlich brechen durch Stöße. „Aber die unmerkliche Zerstörung, welche die ununterbrochene Einwirkung der Räder unabhängig von allen Veränderungen und Fehlern in der innern Textur des Eisens hervorbringt, hat bis jetzt noch nicht so weit um sich gegriffen, um die specielle Aufmerksamkeit auf ihre Wichtigkeit hinzulenken.“ Belpaire gibt als die Ursachen der Abnützung das senkrecht wirkende Gewicht und die Adhäsion an, was unbestreitbar ist. Er gibt als Resultat einer genauen theoretischen Untersuchung, über welche er sich nicht weiter herausläßt, folgendes an: „Setzt man die Einwirkung einer leergehenden Maschine mit Tender = 1000, so ist jene eines leeren im Train befindlichen Wagens = 125, jene einer Tonne Nettoladung = 40. Hiebei ist nicht allein die Einwirkung der Schwere, sondern auch jene der vermehrten Adhäsion eingerechnet.“ „Wir haben Versuche mit an verschiedenen Orten gelegten Schienen von Eisen verschiedener Qualität gemacht, wir haben ihren Verlust an Eisen gemessen, die Zahl Maschinen, Wägen und Tonnen Ladung verzeichnet, welche darüber gegangen, und haben hieraus mit Berücksichtigung der Wirkung der Bremsen im Mittel für Eisen verschiedener Qualität gefunden: Eine leer mit Tender über die Schienen gehende Maschine nimmt von beiden Schienensträngen eines Geleises von einem Myriameter Länge 100 Gramme Eisen weg, ein leerer Wagen 12,5, eine Tonne Ladung 4 Gramme.“ „Es bleibt uns nun noch übrig, diesen Verlust an Eisen in Geld auszudrücken, wozu wir folgenden Weg einschlagen:“ „Die Schienen des jetzt (1845) in Belgien angewendeten Modelles wiegen per Meter 27 Kil. Man kann annehmen, daß sie nicht eher dienstunfähig werden, bis sie auf 20 Kil. abgenützt sind, was einem Gewichtsverluste von 7 Kil. entspricht. Eine neue Schiene von 27 Kil. per Meter kostet, das Kil. zu 0,3 Fr. gerechnet, 8,10 Fr., eine abgegenützte von 20 Kil. hat, das Kil. zu 0,125 Fr. gerechnet, einen Werth von 2,5 Fr. Der Werthsverlust ist also 5,60 Fr. Hienach beträgt der Geldbetrag für die Abnützung der Schienen des ganzen Geleises für den durchlaufenen Kilometer für jede leere Maschine mit Tender 0,0080, für jeden leeren Wagen 0,0010, für jede Tonne Nettoladung 0,0003 Fr. etc.“ Belpaire berechnet nun die jährlichen Kosten von Schienen verschiedener Schwere und nimmt hiebei besonders auf die belgische Frequenz Rücksicht, welche er jährlich zu 3000 Trains mit 14 Wägen und 20 Ton. Nutzladung angibt. Er gibt folgendes Resultat seiner Berechnungen: „Man kann aus der Rechnung abnehmen, daß schwere Schienen für sehr frequente Bahnen vortheilhaft sind, daß aber Schienen von 35 Kil. per Meter nur bei einem Verkehre sich ökonomisch zeigen, welcher den angegebenen belgischen um mehr als das Zehnfache übersteigt. Wir können aus allem Vorhergehenden schließen, daß Schienen von 27 Kil. aus den zwei Gesichtspunkten der Solidität und der Oekonomie für gewöhnliche Frequenz das rechte Mittel des Gewichtes treffen.“ Er spricht sich bei dieser Gelegenheit auch gegen die I Schienen aus, deren Construction die Idee des Umkehrens nach Abnützung der Kopfplatte zu Grunde liegt, und sagt, daß durch das zu Unterstlegen der abgenützten Kopffläche die Stabilität der Schiene im Chair bedroht wird. Er will das Eisen der Fußplatte zur Verstärkung der Kopfplatte verwenden. Von breitbasigen Schienen spricht er gar nicht. Belpaire kommt nun auf den Bruch der Schienen. Er erwähnt als Ursachen: Fehler der Schienen, Stöße, Kälte etc. Sonderbarer Weise gibt er den Verbrauch an Schienen für das Jahr 1845 nicht an, sondern nur folgenden für die Jahre 1840 und 1841. Schienengewicht. Es lagen Kilom. Schienen. Es brachen Procente. 1840. 1841. 1840. 1841. 19 Kil. 206 204 0,83 1,00 22 Kil. 576 585 0,22 0,54 25 Kil. 272 293 0,03 0,08 27 Kil. 13,5 0,17 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Summen 1066 1095,5 0,29 0,50. Hiebei ist zu bemerken, daß die 19 Kil. schweren Schienen größtentheils schon 1834 und 1835 gelegt wurden. Den verhältnißmäßig großen Abgang an Schienen von 27 Kilogr. schreibt Belpaire der kleinen Zahl angewandter Kilometer Geleise zu, bei welcher ein verlässiges Mittel nicht herauskommt. Belpaire kommt auf Grund obiger Zusammenstellung auf den Schluß, daß die Schienen durch Bruch, nicht durch Abnützung unbrauchbar werden, nach der sich das Alter einer 27 Kil. schweren Schiene auf 150 Jahre berechnete. Auch macht er eine theoretische Rechnung, in welcher 105 Jahre alte Schienen vorkommen, und welche wir übergehen wollen, da die Schienen gewiß schon vor dieser Zeit durch Veränderungen in ihrer innern Textur zu Grunde gegangen sind. Das Kilogr. neuer Chairs kostet 0,21 Fr., jenes gebrochener 0,09, Verlust per Kil. 0,12 Fr. Das Kilogr. neuer Bolzen u. Keile 0,50 Fr., jenes gebrochener 0,15, Verlust per Kil. 0,35 Fr. Alles zusammengefaßt, berechnet Belpaire die Abnützungskosten per Kilometer Geleise, welche jährlich durch 3000 darüber gehende Trains von 11 Wägen mit 20 Tonnen Ladung veranlaßt werden, folgendermaßen: Schienen 12,265, Chairs 20,640, Bolzen und Keile 6,090, Summe 38,995 Fr. Hievon trifft per durchlaufenen Kilomet. 0,013 Fr. Belpaire macht folgende Repartition der Kosten: per durchlaufenen Kilometer und Für Bruch von Eisentheilen des Oberbaues. Für Abnützung der Schienen. Für Bruch und Abnützung. per Maschine 0,0041 0,0080 0,0121 per leeren Wagen 0,0005 0,0010 0,0015 Per Tonne Nettoladung 0,0002 0,0003 0,0005 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Summen 0,0048 0,0093 0,0141 Fr. Er suchte die Abnützung auch durch Versuche zu bestimmen, indem er Stücke sowohl aus der Kopffläche als aus dem Innern der Schiene heraus sägte und durch belastete Eisenflächen schleifen ließ. Er fand, daß die abgenützten Gewichte für eine dynamische Arbeit von 1000 Kilogrammeter bei sprödem Eisen 20–30 Gramme, bei weichem Eisen 55–60 betrugen; daß sie bei den Kopfplatten 30, bei dem Eisen aus dem Innern der Schiene aber 35 Gram. betrugen. Belpaire befestigte auch eine Locomotive auf dem Platze, ließ ihre Treibräder umgehen und dadurch Eisenplatten schleifen. Diese erhitzten sich aber trotz aller angewandten Mittel, nützten sich hiedurch ungewöhnlich ab, auch stießen die Treibräder, wenn sie sehr rasch gingen, größere Eisensplitter ab, aus welchen Gründen das Resultat dieser Versuche für die beabsichtigte Frage unbrauchbar ist. Teißerence, welcher durch seine Fachreisen sowie durch seine Kenntnisse, trotz seines Urtheiles über atmosphärische Bahnen, besondere Beachtung verdient, sagt über Abnützung und Dauer der Schienen folgendes: „Es gibt über die Dauer der Schienen zwei einander entgegengesetzte Meinungen. Die Einen behaupten, daß sich die Schienen in wenig Jahren abnützen, und daß in 15–20 Jahren eine allgemeine Auswechslung zu erwarten ist. Dieses ist das Urtheil von Männern, welche Bahnen mit schlecht fabricirten Schienen zu studiren Gelegenheit hatten, oder welche, wie es gewöhnlich der Fall ist, als Anhaltspunkt ihres Urtheils den Zustand der Schienen 3–400 Meter um eine Station wählten. Dieser leidet aber immer mehr als die andern Schienen. Durch die Bremsen, sowie durch die zur Wältigung des Trägheitsmomentes des Trains nöthige größere Adhäsion werden die Kopfflächen ruinirt. — Die andere Partei will den Schienen eine hundertjährige Dauer zuschreiben, gestützt auf Locke's Erfahrungen, der die Abnützung einer Schiene, über welche 10000 Trains gegangen waren, nur zu 1/268 ihres Gewichtes fand.“ Belpaire glaubt, daß die Wahrheit hier in der Mitte liegt, und die der Abnützung zuzuschreibenden Kosten bei einer Eisenbahn jedenfalls sehr gering sind, und daß die Abnützung vorzüglich nur um die Stationen und in scharfen Curven stattfinde. In Belgien wurde 1845 1/144 aller Schienen ausgewechselt. Teißerence glaubt nun, daß trotz dieses jährlichen successiven Ersatzes doch einmal — etwa nach 60 Dienstjahren — der Moment eintreten wird, in welchem alle ausgewechselt werden müssen. Hienach bestimmt er den jährlichen Amortisationsfond auf 2,5 Proc. des Ankaufscapitals, die jährlichen Auswechslungen einbegriffen. Für diese Rechnung muß aber vom Ankaufscapital der neuen Schienen — 250 Fr. per Tonne, 21500 per Kilometer — der Verkaufspreis der unbrauchbaren Schienen, also ⅓ des Preises der neuen Schienen, abgezogen werden. Das zu amortisirende Capital ist also per Kilom. 14300 Fr., welche mit 57 Fr. per Kilom. jährlich abbezahlt werden, eine Summe, welche keiner Beachtung werth ist. Teißerence gibt den jährlichen Abgang an Schienen auf den belgischen Bahnen folgendermaßen an: 1843 lauf. Kilom. Geleise 723, Abgang 9229 Met. oder 0,64 Proc. 1844 lauf. Kilom. Geleise 853 Abgang 11089 Met. oder 0,65 Proc. 1845 lauf. Kilom. Geleise 921 Abgang 11061 Met. Oder 0,60 Proc. Bemerkungen über die Angaben von Belpaire und Teißerence. Belpaire hat in seinem Bestreben, alle Kosten des Betriebes auf die einzelnen Betriebsobjecte zu repartiren, wohl den Dingen etwas Gewalt angethan, und er mag wohl selbst gefühlt haben, daß sich durch theoretische Betrachtungen und Zusammenstellungen weder die Abnützung im Ganzen, noch die Repartition derselben auf Maschinen, Wägen und Nettogewicht bestimmen läßt. Teißerence sieht die Sache offenbar vom praktischem Gesichtspunkte an, doch begründet er seine Meinung über die sechzigjährige Dauer der Schienen durchaus nicht. Beide haben aber in ihren Berechnungen den Arbeitslohn für Auswechseln der Schienen, die dabei vorkommenden Transporte etc. nicht berechnet. Unzweifelhaft ist aber Folgendes: 1) daß Belpaire und Teißerence für die Aufklärung dieser Frage sehr wenig gethan haben; 2) daß die gleichheitlich auf jedes einzelne Betriebsjahr vertheilten Kosten des Eisens des Oberbaues jedenfalls sehr gering sind, und unter der Masse nicht genau bestimmbarer Kostenpositionen verschwinden. Die Procentzahl der 1840 und 1841 ausgewechselten belgischen Schienen ist bei weitem nicht so groß als jene von 1843–45. Die Praxis zeigt also auch die theoretisch unbestreitbare Zunahme der Schienenbrüche. In Beziehung auf die Einwirkung von Maschinen und Wägen auf den Oberbau ist die Bemerkung des amerikanischen Ingenieurs Casey interessant, daß amerikanische Bahnen durch eine Woche Locomotivenbetrieb mehr litten, als durch 6 Monate Pferde betrieb. Es wäre zur kritischen Beleuchtung dieser Behauptung auch zu wissen nöthig, nach welchem Maaßstabe oder nach welchen Erscheinungen Casey den Grad der Beschädigungen des Oberbaues bemessen hat.