Titel: Untersuchung des Steinkohlentheers und über die technische Anwendbarkeit des Benzols; von C. B. Mansfield.
Fundstelle: Band 112, Jahrgang 1849, Nr. LXVIII., S. 309
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LXVIII. Untersuchung des Steinkohlentheers und über die technische Anwendbarkeit des Benzols; von C. B. Mansfield. Im Auszug aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Febr. 1849, S. 162. Mansfield's Untersuchung des Steinkohlentheers. Mit dem Namen Steinkohlentheer bezeichnet man gewöhnlich die schwarze ölartige Substanz, welche bei der Destillation verschiedener bituminöser Kohlen, in der Rothglühhitze, gelegentlich der Darstellung des Leuchtgases in den gewöhnlichen Gasfabriken gewonnen wird. Dieser Steinkohlentheer besteht aus einer großen Anzahl öliger Bestandtheile von neutraler, saurer oder basischer Natur; die neutralen Stoffe bilden die überwiegende Masse, haben aber noch nicht die Aufmerksamkeit so viel auf sich gezogen als sie verdienen. Es ist indessen bemerkenswerth, daß von jeder dieser drei Classen ein Repräsentant eine Hauptrolle bei der Entwicklung der interessantesten Thatsachen der neuern Chemie gespielt hat (Naphthalin, Anilin, Phenol). Unter den Säuren des Theers sind die Essigsäure, einige der Säuren aus der Cyanreihe und Schwefelwasserstoffsäure zu erwähnen, die jedoch mehr zu dem wässerigen Theil der Destillationsproducte der Steinkohlen gehören. Die öligen Säuren (Carbol-, Rosol- und Brunolsäure) sind noch ziemlich unbekannt, die beiden letzteren sogar noch zweifelhaft. Von basischen Körpern ist Ammoniak reichlich vorhanden, außerdem die von Runge aufgefundenen eigenthümlichen Stoffe: Kyanol (Anilin), Leukol und Pyrrol. Neuerdings ist hiezu noch das merkwürdige Picolin getreten, dessen eigenthümlicher Geruch in den flüchtigeren Theilen des Theeröles vorwaltet. Von den neutralen Substanzen ist der Kohlenwasserstoff Naphthalin allgemein bekannt und dadurch bemerkenswerth, daß er in so großen Mengen in manchem Theer vorkommt, daß er fast ein Viertel der ganzen Masse ausmacht, während in anderen Sorten so wenig davon vorhanden ist, daß seine Darstellung daraus selbst eine schwierige Sache ist. Wahrscheinlich enthält der jetzige Steinkohlentheer aus den Gasfabriken in London mehr Naphthalin als in früheren Zeiten. In dem Theer von Schottland oder dem nördlichen England, wo hauptsächlich Cannelkohle angewendet wird, ist das Naphthalin noch ein seltener Artikel. Diese interessante Substanz kann man sich in sehr großer Menge aus manchen Theerfabriken verschaffen, in denen sie sich mit Paranaphthalin, einem ebenfalls festen, schönen Körper, vermengt und körnig krystallinische Massen aus dem destillirten Oel abscheidet, von den Arbeitern salts genannt. Nächstdem sind noch zwei neue Stoffe, Chrysen und Pyren entdeckt worden, welche sich in dem am wenigsten flüchtigen Theile des Theers finden und wahrscheinlich die Hauptbestandtheile des Kohlenpechs bilden, indem sie die Stelle vertreten, welche das Paraffin in dem Holztheer einnimmt. Die flüssigen neutralen Oele des Steinkohlentheers, welche gewöhnlich etwa die halbe Masse des Theers ausmachen, sind noch wenig bekannt, und sie sind es insbesondere, welche ich einer nähern Prüfung unterworfen habe. Das spec. Gewicht des Steinkohlentheers schwankt zwischen 1,120 bis 1,150; die leichtesten Sorten enthalten am meisten flüssiges Oel. Er übertrifft die meisten übrigen Theerarten an Dichtigkeit, denn der aus Buchenholz oder Eichenholz gewonnene Theer hat etwa 1,110 spec. Gewicht, der aus harzreichem Holze dargestellte nur 1,040. Die Destillation des Steinkohlentheers ist in England ein Gegenstand eines regelmäßigen Fabrikbetriebes und geschieht gewöhnlich in großen eisernen Retorten, welche viele hundert Gallons fassen. Die zuerst übergehenden Stoffe sind Ammoniak und wahrscheinlich permanente Gase; bei steigender Temperatur geht Wasser, beladen mit verschiedenen Ammoniakverbindungen über, begleitet von einem gelben oder braunen Oel, das auf der Oberfläche des Wassers schwimmt. Dieses ölartige Destillat nimmt allmählich an Menge und Schwere zu, während das Wasser abnimmt; nach einiger Zeit destillirt ein Oel über, das im Wasser untersinkt, worauf gewöhnlich die Vorlage gewechselt wird. Das bis dahin übergegangene Oel wird unter der Bezeichnung light oil oder rohe Naphtha crude naphtha bei Seite gestellt. Man erhält gewöhnlich aus dem Theer 1–10 Proc. davon. Enthält der Theer viel Naphthalin, so wird ein großer Theil des bei weiterer Destillation übergehenden schweren Oels beim Erkalten fest; häufig aber bemerkt man kein Zeichen von Festwerden, bis etwa 30 Proc. des Theers übergegangen sind. Die Destillation beginnt bei diesem Zeitpunkte immer abzunehmen und gewöhnlich läßt man die Operation hiemit aufhören. Der in der Retorte bleibende schwarze Rückstand, der zu einer harten glasartigen Masse beim Erkalten gesteht, ist Pech pitch und wird zur Darstellung von Asphalt benutzt, oder man löst ihn in einem Theile des destillirten Oeles auf und gewinnt so einen schwarzen, für Eisen häufig gebrauchten Firniß. Das schwere Oel, das in der zweiten Periode der Destillation übergeht, wird dead oil genannt. Soll die Destillation noch weiter fortgesetzt werden, so ist eine weit höhere Temperatur erforderlich und es wird daher nothwendig, das Pech in kleinere Retorten zu bringen. Das zunächst erhaltene Product ist nach dem Erkalten eine fettige Substanz von Butterconsistenz, hauptsächlich Paranaphthalin; je weiter die Operation fortschreitet, um so mehr wird das Aussehen des Destillats harzartig und die Farbe gelblich. Wenn endlich die Hitze der Retorte sich der Rothgluth nähert, so verdichten sich die entweichenden Dämpfe in der Form eines glänzenden, orangefarbenen Pulvers, das geruchlos ist und zwischen den Fingern sich kneten läßt. Der nun in der Retorte bleibende Rückstand ist sehr schöner Kohks, der mehr oder weniger porös, ausgezeichnet hart und schwer verbrennlich ist. Das schwere Steinkohlentheeröl wird selten rectificirt, sondern gewöhnlich zur Darstellung von Lampenschwarz, zum Brennen in geringen Lampen, oder endlich zur Conservirung von Bauholz, das damit getränkt wird, verwendet. Seine fäulnißwidrigen Wirkungen sind auffallend und mögen theilweise den Kohlenwasserstoffen, woraus es hauptsächlich besteht, theils der Carbolsäure oder dem Kreosot zugeschrieben werden. Das rohe leichte Theeröl wird entweder durch Erhitzen in Retorten oder durch Einleiten von Dampf rectificirt; in beiden Fällen bleibt ein Rückstand von schwerem Oel. Das rectificirte leichte Oel besitzt noch immer einen unangenehmen Geruch und nimmt beim Aufbewahren allmählich eine braune Farbe an. Für den Handel wird es durch Behandlung mit einigen Substanzen gereinigt, welche den übeln Geruch desselben mehr oder weniger wegnehmen und zugleich die Umwandlung des Farbstoffs vollenden. Das gewöhnlich hiezu verwendete Mittel ist Vitriolöl, welches durch Schütteln mit dem Destillate eine tiefrothe Farbe annimmt und die überstehende Flüssigkeit mehr oder weniger entfärbt. Nach abermaliger Destillation muß das Oel beständig farblos, frei von Naphthalin und ohne widrigen Geruch seyn. Untersuchung des leichten rohen Theeröls. Dieses ist eine gelbe oder braune, leicht bewegliche Flüssigkeit von 0,9–0,95 spec. Gewicht, ziemlich stark nach Ammoniak, Picolin und andern unangenehmen Substanzen riechend. Gewöhnlich fängt es bei 100° C. zu sieden an und die Temperatur steigt hierauf bis 200° oder 220°. Die letzten Portionen gestehen, im Fall viel Naphthalin vorhanden ist, gewöhnlich beim Erkalten, und der Rückstand in der Retorte ist eine braune, pechartige Substanz, die jedoch von dem bei der ersten Destillation bleibenden Pech verschieden ist und hauptsächlich aus Oxydationsproducten der flüchtigen Substanzen des Theeröls besteht. Erhitzt man daher stärker, so tritt Zersetzung ein und es destillirt ein rothes Oel über, das einen ganz andern Geruch besitzt als alle Substanzen des Theeröls. Zur Trennung der verschiedenen Bestandtheile des rohen leichten Theeröls diente eine fractionirte Destillation und Rectification, bei denen man die Vorlagen wechselte, wenn der Siedepunkt um 5° gestiegen war. Nach zehn Destillationen erhielt man so eine Reihe von Flüssigkeiten, deren Siedepunkte zwischen 60 und 190° lagen. Mit der Destillation wurde immer aufgehört, sobald das Destillat in der Vorlage anfing fest zu werden, so daß von den letzten Antheilen einer jeden Reihe eine gewisse Menge von Naphthalin entfernt wurde, bei jeder folgenden Rectification weniger, bis zuletzt alle unter 190° siedenden Flüssigkeiten davon frei waren. Die Producte waren sämmtlich farblos; die über 140° übergegangenen nahmen aber beim Aufbewahren in Glasgefäßen eine schwache Färbung an und schieden eine braune Haut an dem Glase ab. Das spec. Gewicht der Flüssigkeiten war fast ganz dasselbe, nämlich zwischen 0,86 und 0,88; die flüchtigsten davon besaßen immer das größte spec. Gewicht. Als bestimmt charakterisirte Flüssigkeiten sind folgende fünf zu bezeichnen: 1) Oel, dessen Siedepunkt zwischen 60–70° C. liegt. Dieses ist durch einen lauchartigen Geruch charakterisirt, welcher dem des Schwefelkohlenstoffs etwas ähnlich ist. 18 Pfd. des rohen leichten Theeröls gaben nur 2 Loth dieser Flüssigkeit, weßhalb die nähere Untersuchung noch verschoben wurde. 2) Oel, dessen Siedepunkt zwischen 80–85° C. liegt. 18 Pfd. rohes leichtes Theeröl gaben nicht ganz 1 Pfd. Dieses Oel gehört zu den Doppelt-Kohlenwasserstoffen, besitzt einen starken spirituösen Geruch, dem Benzol ähnlich; bis – 5° und darunter erkältet, wird es fest. Preßt man es in diesem Zustande, so erhält man daraus eine kampherähnliche Masse, wirkliches Benzol, die über 0° flüssig wird und bei 80° siedet. Das Benzol ist äußerst leicht entzündlich und der aus der Flüssigkeit aufsteigende Dampf fängt an einer in die Nähe der Flüssigkeit gehaltenen Flamme schnell Feuer; bei dem Verbrennen setzt sich eine enorme Menge von Kohle ab. Ein durch die Flüssigkeit geleiteter Strom von Wasserstoffgas brennt mit intensiv weißer Flamme. Die Leichtigkeit, mit der der Dampf des Benzols von atmosphärischer Luft aufgenommen und bei gewöhnlicher Temperatur zurückgehalten wird, wurde schon mit dem besten Erfolge zur Beleuchtung benutzt, indem ein Luftstrom durch ein Gefäß mit dem flüchtigen Kohlenwasserstoff mittelst Röhren zu dem Brenner geleitet wurde, woraus es nach dem Anzünden wie Leuchtgas mit ausgezeichnetem Glanze und großer Weiße verbrannte. Eine Mischung von 1 Volum Benzol und 2 Volum Weingeist von 0,84 spec. Gew. bietet ein vortreffliches Material für tragbare Gaslampen dar und läßt sich mit Vortheil an der Stelle der gewöhnlichen Mischungen von Terpenthinöl und Weingeist benutzen, vor denen es noch den Vortheil hat, daß man einen weit mehr Wasser enthaltenden Weingeist benutzen kann. Sauerstoff bildet mit dem Dampf des Benzols bei gewöhnlicher Temperatur ein äußerst explosives Gasgemenge. Das specifische Gewicht des Benzols beträgt 0,85; es ist äußerst beweglich und die Blasen, die sich beim Schütteln bilden, verschwinden bevor die Flüssigkeit ruhig geworden ist; hierdurch unterscheidet es sich leicht von den Kohlenwasserstoffen von höherem Siedepunkt, welche um so mehr die Blasen zurückhalten, je weniger sie flüchtig sind. Benzol löst manche Substanzen mit großer Leichtigkeit und in großer Menge auf; so z.B. manche Harze, Mastix, Campher, Wachs, fette und ätherische Oele, Kautschuk und Gutta-percha. Seine große Flüchtigkeit gibt den Lösungen der beiden letzten Substanzen die gute Eigenschaft, schnell und vollkommen zu trocknen, so daß beim Ausbreiten der Lösung auf ein Glas eine Haut von Gummi zurückbleibt, welche sich leicht als dünne Membrane ablösen läßt und die alle Eigenschaften des ursprünglichen Materials besitzt. Streicht man dieselben Lösungen auf die Haut, so entsteht ein Ueberzug, der bei Wunden oder Verbrennungen sich sehr nützlich gezeigt hat und sich wohl bei manchen Krankheiten der Haut sehr wohlthätig erweisen wird. Copal und Anime werden nur wenig von dieser Flüssigkeit angegriffen, doch löst ihr Dampf während des Verdichtens beide Harze reichlich auf. Eingeathmet wirken die Dämpfe wie die von Aether und Chloroform. Die vielen Aussichten, durch welche das Benzol nützlich zu werden verspricht, unterstützen die Meinung, daß es später einen besondern Gegenstand der Fabrication und des Handels bilden wird. Es läßt sich in außerordentlichen Mengen aus dem Theer gewinnen, und im Fall nicht absolute Reinheit erforderlich ist, mit sehr geringen Kosten und ohne große Mühe. Da der Siedepunkt des Benzols mit dem des Alkohols übereinkommt, so ist klar daß alle in den Branntweinbrennereien angewendeten Destillationsverfahren sich auch zur Trennung des Benzols von den weniger flüssigen Oelen benutzen lassen. Durch die folgende Methode läßt sich fast die ganze Menge dieses Kohlenwasserstoffs bei geringem Zeitaufwand gewinnen. Das leichte Steinkohlenöl (am besten das zuerst bei der Theerdestillation übergegangene) wird in eine Metallretorte gebracht, über welcher sich ein offenes, mit Wasser gefülltes Gefäß befindet, das eine Kammer enthält, in welche der Dampf unmittelbar eingeleitet wird, und zwar in der Art, daß die weniger flüchtigen, sich condensirenden Flüssigkeiten in die Retorte zurückfließen, während die leichter als Wasser flüchtigen Körper in Dampfform in einen andern Condensator abgehen, der so kalt wie möglich gehalten wird. Das die erste Vorlage umgebende Wasser wird allmählich wärmer werden und zuletzt sieden, und sobald dieses stattfindet, so wird die Destillation aufhören, indem nun in der Retorte keine Flüssigkeit mehr ist, deren Dampf bei der Temperatur des Helmes, die niemals 100° C. übersteigen kann, nicht condensirt würde. Das Destillat wird zum zweitenmal in einem solchen Apparate rectificirt, wobei nun die Temperatur des ersten Condensators bei oder etwas unter 80° C. erhalten wird, und wobei der Theil zurückgehalten wird, welcher übergeht, bevor die Temperatur der Retorte 90° überstiegen hat. Es wird hierdurch ein sehr flüchtiges Oel erhalten, das beim Erkalten auf – 20° C. ganz oder wenigstens zur Hälfte fest wird. Dieses Product müßte mit etwa 1/4 seines Volums Vitriolöl bewegt werden, oder besser noch mit etwa 1/10 starker Salpetersäure und nach Entfernung derselben mit Vitriolöl, um alle vorhandenen basischen Substanzen zu entfernen, den braunen Farbstoff zu oxydiren und diejenigen neutralen Oele zu entfernen, welche sich mit Schwefelsäure verbinden. Das Benzol widersteht der Einwirkung der Schwefelsäure selbst beim Kochen. Die Salpetersäure unterstützt die Entfernung der oxydirbaren Substanzen und macht durch Bildung von Nitrobenzol zugleich den Geruch angenehmer. Nach der Trennung von der Säure würde das Oel noch einmal zu destilliren seyn, wobei wieder die unter 90° C. übergehende Flüssigkeit zurückbehalten wird. Das Destillat muß hierauf, mit Vitriolöl versetzt, vollkommen farblos bleiben und die Säure darf keine dunklere Farbe als strohgelb annehmen; sollte die Farbe dunkler seyn, so muß der Proceß wiederholt werden. Das Oel wird hierauf mit Wasser und zuletzt mit einer alkalischen Lösung gut gewaschen. Zur weitern Reinigung benutzt man am besten das Gefrieren desselben. Man kann es einer Temperatur von – 20° aussetzen (welche man leicht durch eine Mischung von Eis und Salz erhält), den festen Theil abfiltriren und auspressen, worauf derselbe nach der Behandlung mit Chlorcalcium zur Anwendung geeignet ist. 3) Oel, dessen Siedepunkt zwischen 100 und 115° C. liegt. Von diesem Oel enthält das leichte Theeröl eine reichliche Menge; bei den Rectificationen schien der Siedepunkt immer mehr sich gegen 113° C. zu neigen. Sie ist sehr reich an Toluol. 4) Oel, dessen Siedepunkt zwischen 140 und 145° C. liegt. Die größte Menge des Destillates ging zwischen 143 und 145° C. über. Dieses Oel zeigte alle Eigenschaften des Lymols. 5) Oel, dessen Siedepunkt zwischen 170 und 175° C. liegt. Das leichte Theeröl enthält nur eine geringe Menge von diesem Oel, welches im Geruch und andern Eigenschaften große Aehnlichkeit mit Lymol hat, dagegen findet es sich reichlich im schweren Steinkohlentheeröl.