Titel: Die Fuchs'sche Wandmalerei (Stereochromie).
Autor: Max Pettenkofer
Fundstelle: Band 113, Jahrgang 1849, Nr. LIV., S. 217
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LIV. Die Fuchs'sche Wandmalerei (Stereochromie). Ueber Fuchs' Wandmalerei. Im Atelier v. Kaulbach's sah ich jüngst das Brustbild eines Greisen, in eigenthümlicher Methode gemalt. Die Wirkung der Farbe entschieden und natürlich, die eigenthümlichen Mitteltinten der Haut in so sprechender Wahrheit wiedergegeben, wie sie in Oelgemälden nur mit größter Mühe erreicht wird. Es ist das Bildniß des berühmten Chemikers und Mineralogen Oberbergrath v. Fuchs in einer von ihm erfundenen Methode gemalt. Der Anblick dieses ebenso hochverdienten als bescheidenen Mannes hat in mir, dem nachsinnenden Betrachter, die lebendigste Vorstellung über den Anfang und die Ausbildung der für die ganze malende Kunst Epoche machenden Erfindung hervorgerufen, und ich glaube dem großen Publicum gegenüber eine Pflicht zu erfüllen, wenn ich dasjenige was ich darüber weiß und empfinde, ihm nicht vorenthalte: um so mehr, da ich erfahren habe, daß sehr verschiedene Gerüchte über die Größe des Antheils, den Fuchs an der Sache genommen, im Umlaufe sind. Die neue Methode zu malen hängt wesentlich mit der erfolgreichen Entdeckung des Wasserglases zusammen, welche Fuchs bereits vor 25 Jahren gemacht hat. Das Wasserglas ist nämlich das Bindemittel für die Farben. Schon vor 25 Jahren sprach der Entdecker mit Bestimmtheit die Ueberzeugung aus, daß sich der neue Stoff außer vielen andern nützlichen Verwendungen auch vorzüglich zur Bindung von Farben eignen werde (polytechn. Journal Bd. XVII. S. 478). Fuchs faßte gleich anfangs den Entschluß damit die Herstellung dauerhafterer Wandgemälde möglich zu machen, als in unserem Klima die Frescogemälde zu seyn pflegen. Als in München unter König Ludwig die Kunst so kräftig zu blühen begonnen hatte, als Fuchs von den Künstlern so viel Klagen über die Schwierigkeit und Unzulänglichkeit der Frescomalerei vernehmen mußte, trieb es ihn seine schon längst gehegte Idee zum Besten der Kunst zu realisiren. Da Fuchs nichts weniger als zu malen im Stande war, so bedurfte er eines Malers ebenso nothwendig, als Columbus eines Fahrzeuges mit Mannschaft, um der alten Welt die neue vor Augen zu führen. Anfangs war die Theilnahme so gering wie gewöhnlich an jeder bedeutenden Neuerung: der eine entschuldigte sich er habe keine Zeit zu Versuchen; der andere behauptete kurz und vornehm: „Es geht nicht.“ Endlich fand Fuchs einen willigen Helfer, der eine große Lust zu Versuchen an den Tag legte. Die erste Idee von Fuchs welche er zur Realisirung der nun fertigen und vollendeten Malmethode entwarf, zeichnete sich durch große Einfachheit aus, und war vorzüglich nur auf Wandmalerei gerichtet. Jede gesunde, mit gutem Mörtel überzogene Wand hielt er für tauglich um Farben mittelst Wasserglases darauf zu befestigen. Seine früheren meisterhaften Forschungen über Kalk und Mörtel, durch welche er theilweise seinen großen Ruf in der angewandten Chemie begründet hatte, seine genaue Bekanntschaft mit dem von ihm entdeckten Wasserglase und dessen Eigenschaften, befähigten ihn natürlich wie keinen Zweiten in der Welt zur Lösung der Aufgabe. Die Farbenscala erforderte gleichfalls noch sehr viele Hülfe von Seiten der Chemie, und was Fuchs hierin Bedeutendes geleistet, wird später berührt werden. Die Wahl des Malers, den Fuchs in seine Ideen einweihte, war insofern keine glückliche zu nennen, als dieser, wie alle minder begabten Geister, keinen Sinn für das wahrhaft Einfache, für jene Oekonomie der Mittel hatte, wodurch sich das Genie so sehr auszeichnet, und wodurch es allein seine Siege erringt. Im besten Willen glaubte der künstlerische Genosse von Fuchs jede Schwierigkeit die sich anfangs zeigte, mit einem speciellen Zusatze zum Ganzen bekämpfen zu müssen. Dadurch wurde Verwirrung anstatt der einfachen Entwicklung der Idee hervorgebracht. Die gewöhnliche Mauer wurde für untauglich als Grund des Gemäldes erklärt, neue Gründe mußten erfunden werden, deren Erfindung Fuchs gänzlich seinem künstlerischen Mitarbeiter überließ, welcher nach seiner Meinung am besten wissen sollte was ihm hinderlich und was ihm förderlich wäre. Es wurden neue Gründe sehr complicirter und oft sehr wunderlicher Art bereitet, bei denen vorzüglich auf ein gewisses Korn und glatte Oberfläche gesehen wurde. Auf diesen glatten Flächen wollten die Farben nach dem Austrocknen hie und da nicht haften – man verlangte einen mehr bindenden Zuschlag zu den Farben. Dieser Zuschlag schwächte natürlich sehr die Wirkung der reinen Farben, und machte alle Bilder staubig und trocken. Zugleich saugten diese complicirten Gründe an manchen Stellen das Bindemittel, das Wasserglas, ungleich ein, wodurch fast kein einziges Bild fleckenlos erhalten werden konnte. Um das nöthige Wasserglas in die Wand zu bringen, erschien als die beste Form die eines feinen Regens, zu welchem Behuf ein hiesiger Uhrmacher nach Angabe des Hrn. Prof. Schlotthauer eine Spritze construirte, welche diesem Zwecke vollkommen entsprach, und noch gegenwärtig entspricht. Als nun nach mehrjährigen, viel Mühe und Geld raubenden Versuchen einige ostensible Bilder zu Stande gebracht waren, an denen das merkwürdigste ihre Festigkeit und Dauerhaftigkeit, ihr wirklich staunenswerther Widerstand gegen Luft, Nässe und Frost war, nahm Fuchs aus Andringen seines künstlerischen Genossen ein Privilegium mit diesem für die neue Malerei, welche wegen ihrer Dauerhaftigkeit Stereochromie getauft wurde. Diese Eigenschaft verdankten die Bilder bloß den bekannten Eigenschaften des Wasserglases. In Folge des Privilegiums wurde von König Ludwig der Befehl ertheilt an einem königlichen Baue bei Aschaffenburg größere ornamentale Verzierungen in der neuen Malart auszuführen, womit als Künstler der Mitinhaber des Privilegiums beauftragt wurde. Dieser Versuch mißlang gänzlich, und dadurch, sowie auch noch durch andere nicht zum Vortheile ausgefallene Bilder verloren König und Publicum das Vertrauen zur Sache gänzlich. Ein wohl unterrichteter und erfahrner Architekt äußerte gegen eine technologische Celebrität des Auslandes: die Stereochromie scheine ihm eine Schwindelei zu seyn. Dieser Mißerfolg schmerzte Fuchs im Innersten seines Wesens. Er erkannte zu gut daß der Fehler nicht in seiner Idee, sondern nur in der Manipulation des Malers, in der Entstellung seiner Idee gelegen seyn konnte, und er entschloß sich von vorne und allein wieder zu beginnen. Es rührte mich tiefer als ich es hier beschreiben mag, als ich zu jener Zeit den greisen Gelehrten in seinem Laboratorium traf, wie er mit zitternder Hand den Pinsel führte um auf gewöhnliche Mauergründe farbige Striche zu machen. Er gestand mir in gedämpftem Tone, in welchem alle Wehmuth des getäuschten, müde gemachten Genius zitterte: er sey mit dem gegenwärtigen Zustande der Stereochromie höchst unzufrieden, ja er wünsche er hätte nie den unglückseligen Gedanken gefaßt. Da hielten es ein Paar seiner Schüler und Freunde für ihre Pflicht, mit aller Ueberredung in ihn zu dringen, seinen bisherigen künstlerischen Mitarbeiter aufzugeben, und es mit einem anderen Maler zu versuchen. Ihn hiezu zu bewegen war keine kleine Aufgabe; denn Fuchs hat eine Treue des Gemüthes, daß sie in unsern herzlosen Tagen für Schwäche gehalten werden könnte. Endlich fügte er sich. Er wünschte mit dem damaligen Hofmaler v. Kaulbach, dem gegenwärtigen Director der bayerischen Akademie der Künste, in nähere Verbindung zu treten, welcher die Sache mit der ihm eigenen Lebendigkeit und Schärfe aufnahm. Jetzt standen sich zwei Geister helfend gegenüber die einander begriffen, und mit Leichtigkeit ging es dem jahrelang ersehnten Ziele entgegen. Sie tauschten wenige, aber wichtige Beobachtungen gegen einander aus, sie verließen in Folge davon nach und nach die künstlichen glatten Gründe der früheren Stereochromie mehr und mehr, und warfen den Zuschlag zu den Farben gänzlich bei Seite. Auf eine sehr einfache Weise hat Fuchs nun auch dem großen Uebelstande der frühern Stereochromie, dem Fleckig- und Mattwerden der Bilder beim Fixiren vorgebeugt, so daß die Farben immer in ihrer größten Klarheit und Lebhaftigkeit erscheinen. Schon ein halbes Jahr später begann Kaulbach sein riesiges Wandgemälde: „Babel“ im neuen Museum zu Berlin nach dieser Methode zu malen, welchem noch fünf andere, ebenso große Darstellungen folgen werden. Den obern Theil des Bildes, die Luft u.s.w. malte er noch auf einen etwas glatten Grund, ähnlich den Gründen der früheren Stereochromie. Er beobachtete jedoch bald, als er so im Großen arbeitete, daß er sich dadurch nicht nur unnöthige Schwierigkeiten, sondern auch wirkliche Nachtheile verursache, und der untere Theil des Bildes (2/3 vom Ganzen) wurde deßhalb auf einen Grund gemalt, der das Korn der gewöhnlichen Mauer hatte, und so rauh wie Feile anzufühlen war. Die Gründe zu den nachfolgenden Bildern sind ganz und gar wie gewöhnlicher Wandverputz bereitet worden. Die Methode steht nun, die Gründe anlangend, vollendet in jener Einfachheit da, welche ihr Fuchs gleich anfangs zu geben strebte. Das Bild Babel wurde vergangenen Herbst vollendet. Jeder Beschauer ist überrascht von dieser bisher nie gesehenen Wirkung eines Wandgemäldes. Ich selbst bin vor nicht langer Zeit oft stundenlang davorgestanden, und habe mich geweidet weniger (ich gestehe es offen) an dem hohen Kunstwerthe des Bildes, als an der Helle und Klarheit seiner Farben und seiner technischen Makellosigkeit; denn mir standen noch in allzu lebhaftem Andenken die vom Zuschlage trüben und trockenen Bilder der früheren Stereochromie, in denen man kaum eine Fläche von einigen Quadratzollen ohne Flecken erblickte; mir klangen noch die Klagen von Fuchs in den Ohren über die frühere, nicht durch ihn verschuldete Erfolglosigkeit, und hier sah ich vor mir die Incarnation der Idee, welche Fuchs 25 Jahre lang in sich getragen hatte: ich hatte ein Gefühl wie beim Erwachen aus einem schweren, bangen Traume, den die glücklichste Wirklichkeit in allen seinen Theilen Lügen straft. Ich leistete vor diesem Bilde dem Genius von Fuchs Abbitte, der ich oft gedacht, und es auch geäußert hatte, diese Malmethode sey nicht werth, daß er so viel Geist und Zeit an sie verschwende. Beschämt erkannte ich, um wie viel sein Geist größer war als mein kurzsichtiges Auge reichte. Er hatte bereits vor 25 Jahren in seines Geistes Auge diese Vollendung als strahlende Glorie erblickt, und diese Vision hatte ihn so viele Jahre hindurch nicht muthlos werden lassen; sie war es die ihn stärkte, wie der Zuspruch eines Schutzengels. Kaulbachs großes Verdienst bei der Sache ist eine unmittelbare Folge seiner Individualität. Er hat die Aufgabe in ihrer Größe und Einfachheit in seinem Innersten empfunden, hat sich nur von der ursprünglichen Idee von Fuchs leiten lassen, und war eben dadurch fähig das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Principielle vom Accidentellen mit Schärfe zu unterscheiden, klare entschiedene Postulate zu stellen, und die ihm gebotenen Mittel mit Erfolg zu benützen: er urtheilte nur als Maler, aber nie als Erfinder; er vertauschte den Rang des Künstlers nicht mit der traurigen Rolle eines Afterchemikers. Man glaube ja nicht daß ich das Geheimniß der Fuchs'schen Methode verrathen habe, weil ich von der Anwendung des Wasserglases u.s.w. gesprochen. Ebensowenig als ich das Geheimniß einer Maschine verrathen würde, wenn ich angäbe, daß sie durch Dampf getrieben wird. Kühne Ideen zu haben ist noch kein Verdienst vor der Welt – denn dann wären die Schwindler die verdienstvollsten Männer – aber sie zu realisiren, das gewinnt Achtung der Mit- oder doch der Nachwelt. Die Realisirung hängt aber in der Regel von einer solchen Menge von Vorbedingungen ab, daß oft Jahrhunderte daran zu arbeiten haben um sie alle zu erfüllen. Die Expansivkraft des Wasserdampfes ist ein jedermann bekanntes Beispiel. Das Heer der sogenannten Kleinigkeiten in der Praxis ist es, gegen welches die großen Ideen am meisten zu kämpfen haben, gegen welches sie oft so lange Zeit nicht aufkommen können. Diese zu überwinden hat Fuchs soviel Zeit und Scharfsinn, ich möchte sagen die Kraft und die List seiner Wissenschaft aufbieten müssen. Einer der schwierigsten Theile des Ganzen war die Farbenscala. Als eine große Beschränkung muß betrachtet werden, daß sich für die Wasserglasmalerei kein einziger Farbstoff aus dem Pflanzen- oder Thierreiche eignet – nicht einmal der sonst so dauerhafte Krapp; es können nur anorganische farbige Stoffe angewendet werden. Auch unter diesen sind wieder sehr viele, welche zwar für andere Malmethoden ausgezeichnete Dienste leisten, aber für die Fuchs'sche Methode geradezu unanwendbar sind, weil sie sich nicht mit dem Bindemittel, dem Wasserglase, vertragen. Fast alle im Handel vorkommenden Farben aus dem anorganischen Naturreiche müssen erst durch eigenthümliche Proceduren der neuen Malmethode angepaßt werden. Die große und wichtige Reihe der Ockerfarben vom hellsten Gelbocker bis zum violetten Eisenoxyd herab ist nicht direct anwendbar, sondern unterliegt zuvor den verschiedenartigsten Behandlungen, wodurch die ursprünglichen Farbentöne jederzeit verändert werden. Jeder nur einigermaaßen mit dem Gegenstande Vertraute kann bemessen, wie viel chemische Gewandtheit unter diesen Umständen die Herstellung einer vollständigen, brillanten Farbenscala erforderte, besonders wenn man noch erwägt, daß der Kostenpunkt in der Praxis ein sehr wichtiger ist, und zu theure Farben die Methode für Wandmalerei geradezu unpraktisch machen würden. Mehrere Farben mußte Fuchs erst entdecken, wenn die Malerei möglich werden sollte. Die wichtigsten der neuen Farben sind: ein Weiß von den besten Eigenschaften; ein Schwarz von der kräftigsten, angenehmsten Tiefe; ein Grün, eine eigenthümliche Chromoxydverbindung, welche alle bisherigen Chromgrün weit übertrifft; ein (eisenfreies) Violettroth, welches bei vollkommener Unveränderlichkeit dem Krapplack an Schönheit wenig nachgibt u.s.w. Besonders das Weiß, diese dem Künstler wichtigste Farbe, von der er den meisten Gebrauch machen muß, wird von den Malern als die Perle der neuen Fuchs'schen Farben gepriesen. Es hat nicht nur die Eigenschaft vortrefflich zu decken, sondern ist auch absolut unveränderlich gegen die Einwirkung von Licht, Luft, Schwefelwasserstoff, und andere sonst schädliche atmosphärische Einflüsse, sowie gegen die Bindemittel: Wasserglas, Kalk und Oel. Das Bleiweiß in der Oelmalerei angewendet, verseift bekanntlich allmählich einen Theil des Oels, wodurch das Gelbwerden der Farbe bedingt wird. Streicht man das schönste Bleiweiß und das Fuchs'sche Weiß als Oelfarben, beide im frischen Zustande, nebeneinander, so übertrifft allerdings anfangs die Bleifarbe die andere etwas an Weiße, jedoch bereits nach einem halben Jahr hat das Fuchs'sche Weiß den Vorrang, weil dieses vollkommen unverändert geblieben, während das Bleiweiß bis zu einem gewissen Grade sich verändert hat. Das eigenthümliche Leuchten der neuen Wasserglasbilder ist großentheils Folge der Wirkung dieses Weiß. Einige Künstler haben die Farbe bereits auch in Fresco- und Oelgemälden benützt, und alle bedauerten sehr, daß sie dieselbe nicht früher hatten benützen können. Unschätzbar ist die Farbe zum Retouchiren alter Oelbilder, da es hiebei wesentlich darauf ankömmt, daß sich der gemischte Farbenton nicht mehr verändere. Welche entschiedenen Vorzüge die neue Methode der Wandmalerei vor der al fresco habe, wurde schon früher erwähnt (polytechn. Journal Bd. CI S. 162). Außer der ungleich kräftigern Farbenwirkung scheinen mir besonders zwei Vorzüge hervorgehoben werden zu müssen. Erstlich ist man beim Malen an keine Zeit gebunden. Der Künstler kann nach Laune und Muße arbeiten, nicht wie bei der Frescomalerei, wo er nur solange malen kann als der Grund noch feucht von frisch gelöschtem Kalke ist, weßhalb größere Frescobilder geduldspielartig Stück für Stück gefertigt werden müssen, und der Künstler nie früher die Gesammtwirkung seines Werkes beurtheilen kann als in jenem Augenblick, in dem es nicht mehr in seiner Gewalt steht etwas zu verbessern. Die Fuchs'sche deutsche Wandmalerei hingegen behindert die größte Vollendung im Einzelnen und im Ganzen ebensowenig, ja vielleicht noch weniger als die Oelmalerei, und hat vor dieser jedenfalls den Vorzug der gänzlichen Unveränderlichkeit der Farben. Der Künstler kann jenen Augenblick, in welchem ihm der ihn beherrschende Genius seine Befriedigung zu erkennen gegeben, jenen für ihn wichtigsten Augenblick der Nachwelt übergeben. Der zweite wesentliche Vorzug, und besonders wichtig für das nordische Klima, ist die Dauerhaftigkeit dieser Fuchs'schen Bilder, ihre völlige Unempfindlichkeit gegen alle atmosphärischen Einflüsse, als da sind: Licht, Luft, Nässe, Frost, Ammoniakdünste, Schwefelwasserstoff, verdünnte Säuren u.s.w. Diese Dauerhaftigkeit ist Folge theils der Farben, theils des Bindemittels. Es sind bezüglich der Haltbarkeit mit diesen Bildern Versuche angestellt worden, welche geradezu auf deren Vernichtung auszugeben schienen. Man ließ sie Winters wochenlang unter freiem Himmel im Schnee liegen, man wusch sodann Schnee und Eis mit siedendem Wasser ab, und setzte das Begießen mit heißem Wasser so lange fort bis der Grund heiß geworden war, ließ sodann wieder das Wasser daraus gefrieren, thaute die Eiskruste rasch an einem heißen Ofen auf; man wusch sie mit Aetzkalilauge, mit verdünnter Salpetersäure und mit Schwefelwasserstoffwasser ab: man tränkte sie mit Weingeist und ließ diesen darüber abbrennen u.s.w. – und nachdem alle diese Torturen vorüber waren, bemerkte man an den Bildern nicht die mindeste Veränderung, sie waren ebenso fest und farbenfrisch als sie unmittelbar nach ihrer Vollendung gewesen. Die neue Malmethode würde übrigens nichts von ihrem praktischen Werthe verloren haben, wenn auch durch den einen oder andern derartigen Versuch ein Bild gemartert worden wäre; denn wir können ja von einer Malerei nicht verlangen, daß sie Feuersbrünsten, siedendheißen Wassergüssen, dem Scheidewasser, oder einem vandalischen Publicum widerstehe: ein Bild ist ja nur bestimmt in den allmählichen und gelinden Einflüssen der Atmosphäre auszubauen:. Es besagen diese Tortur-Experimente nur, daß die Fuchs'sche Methode eine mehr als erforderliche Dauerhaftigkeit gewährt. Vermittelst eines geeigneten Grundes lassen sich derartige Gemälde auf Leinwand, Holz, Metall u.s.w. anbringen. Ihre Hauptanwendung dürfte jedoch die neue Methode auch in Zukunft bei Wandgemälden finden; sie ist nicht bestimmt die Oelmalerei, sondern nur die italienische Frescomalerei zu verdrängen. Wie sehr das Frescomalen Brust und Augen angreift, davon ließen sich viele traurige Beispiele erzählen. Die Vorzüge der neuen Methode vor der al fresco in Beziehung auf die Gesundheit zu beleuchten, überlasse ich dem Arzt. Fuchs hat aus den Tiefen der Wissenschaft eine Praxis zu Tage gefördert, zu welcher sich die Empirie nie und nimmermehr zu erheben vermocht hätte. Der Wahlspruch, den er schon lange auf seinem Schilde trägt, hat sich auch hier wieder glänzend bewährt: „Die Wissenschaft ist der Leitstern der Praktik.“ Nicht etwas Halbvollendetes, noch weiterer Cultur Bedürftiges – nein! – zum Gebrauche Fertiges, Vollkommenes hat er geleistet. Kaulbachs großes Wandbild in Berlin ist der vollgültigste Beleg hiefür. Die Kunst, das Vaterland, die ganze civilisirte Welt ist dem Erfinder zu großem Danke verpflichtet. Was hätte König Ludwig für eine solche Methode gegeben, als er seine großartigen artistischen Unternehmungen ausführen ließ! Ich hege das vollste Vertrauen auch zu König Max II, der die Wissenschaft ebenso verehrt als er die Kunst liebt: auch in München, dem Orte ihrer Geburt, wird die Fuchs'sche Methode gewürdigt und angewendet werden. Es ist ja ein uraltes Erbe des glorreichen Stammes der Wittelsbacher, Künste und Wissenschaften zu lieben, zu schützen, zu pflegen, ja selbst zu üben. Auch die andern deutschen Regierungen, welche sich für Kunst interessiren, werden nicht säumen die neue Methode für ihre Künstler zu acquiriren. Die deutsche Nation wird die neue Methode, die deutsche Wandmalerei, gewiß nicht weniger hochschätzen als die französische Nation die Erfindung Daguerre's belohnte. Möchte der Lebensabend des 75jährigen Greisen, dessen Namen die Nachwelt in noch vielen andern Dingen mit Ehrfurcht nennen wird, noch erheitert werden, damit er nicht das harte Gefühl über den Undank der Mitwelt hinübernehme. Dr. Max Pettenkofer.