Titel: Ueber die vortheilhafteste Bereitung des Salmiakgeistes; von Dr. Mohr.
Fundstelle: Band 113, Jahrgang 1849, Nr. LV., S. 225
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LV. Ueber die vortheilhafteste Bereitung des Salmiakgeistes; von Dr. Mohr. Aus dem Archiv der Pharmacie, Bd. CVIII. S. 129. Mohr, über die vortheilhafteste Bereitung des Salmiakgeistes. So viel auch bereits über die Darstellung dieses vielgebrauchten Präparates gearbeitet und geschrieben worden ist, so hat der Verf. doch die Ueberzeugung gewonnen, daß mehrere wesentliche Punkte über diesen Gegenstand noch nicht richtig aufgefaßt und allgemein bekannt sind. Derselbe stellte daher zur definitiven Beseitigung der noch vorkommenden Unsicherheiten mehrere Versuchsreihen an, deren Resultate wir im Nachstehenden mittheilen. 1) Nach Vorschrift der neuen preuß. Pharmakopöe sollen zur Bereitung des flüssigen Aetzammoniaks 3 Pfd. Aetzkalk mit 10 Pfd. Wasser gelöscht und dann mit 3 Pfd. Salmiak versetzt, der Destillation unterworfen werden. Der Verf. prüfte diese Methode, indem er die genannten Ingredienzien in einem sehr geräumigen Kolben im Sandbade mit der größten Vorsicht erwärmte. Die Gasentwickelung trat regelmäßig ein und wurde so lange bei gleichmäßigem Feuer fortgesetzt, als Absorption in der Vorlage stattfand. Als nichts mehr überging, wurde das Feuer vorsichtig verstärkt; es trat nun ein wirkliches Kochen ein, allein die Flüssigkeit kam auch ins Steigen und es war selbst bei der äußersten Sorgfalt nicht mehr möglich die Operation in Gang zu bringen, ohne daß dieses Steigen wieder eintrat. Setzte man nun auch die Erwärmung mit der äußersten Sorgfalt, das Uebersteigen zu verhüten, eine geraume Zeit fort, so war dadurch doch nichts gewonnen, denn es verminderte sich durch die Form des Kolbens und das sehr langsame Kochen doch die Menge der Flüssigkeit sehr wenig, und in der Vorlage, die 6 Pfd. Wasser enthielt, fand nur sehr geringe Absorption statt. Das Product hatte nur ein spec. Gewicht von 0,971 und war also zu schwach; es war einleuchtend, daß hier noch keine vollständige Zersetzung stattgefunden hatte. Nachdem der Kolben über Nacht gestanden, war die Flüssigkeit zu einer nadelförmig krystallinischen Masse gestanden, auf welcher nur wenig Flüssigkeit stand. Durch Umschütteln entstand ein krystallinischer Brei. Diese Nadeln sind das von H. Rose beschriebene und analysirte basische Chlorcalcium, welches auf 1 Atom Chlorcalcium 3 Atome Kalk und 16 Atome Wasser enthält. Die Bildung dieses Salzes veranlaßt, daß bei Gegenwart von viel Wasser der Salmiak von dem überschüssigen Kalke nicht mehr zersetzt wird. Bei einer höhern Temperatur und bei Verlust von Wasser tritt von neuem eine Wechselwirkung ein, und es wird nochmals Ammoniak entwickelt, im Verhältniß als das Wasser entweicht. Die genannte krystallinische Masse wurde durch Schütteln innig vermengt und ein Theil davon in eine Retorte gegeben. Es wurde absichtlich eine Retorte gewählt, damit das einmal verflüchtigte Wasser nicht wieder zurücklaufen konnte. Das Destillat hatte ein spec. Gewicht von 0,965, und war durch wirkliche Destillation ohne Absorption erhalten worden. Weil sich dabei aber noch Ammoniakgas zu entwickeln schien, so wurde eine neue Menge des Breies in einer Retorte der Destillation unterworfen, welche luftdicht mit einem tubulirten Kolben verbunden, der selbst mit einer zweimal gebogenen Glasröhre versehen war. Auf diese Art wurde Destillation und Absorption getrennt vorgenommen. Es wurde nur wenig Wasser vorgeschlagen. Beim Erwärmen entwickelte sich anfangs Ammoniakgas, bald aber kam Wasserdampf mit, wie man an der heiß werdenden Röhre erkennen konnte. In der Condensationsflasche war Ammoniak von 0,945 spec. Gewicht enthalten, im tubulirten Kolben aber nur sehr weniges übrig geblieben. Die Berechnung lehrte, daß bei der ersten Destillation nicht einmal die Hälfte des in dem Salmiak enthaltenen Ammoniaks ausgetrieben worden war. Aus diesen Versuchen geht hervor, daß in einer verdünnten Flüssigkeit basisches Chlorcalcium neben Salmiak unzersetzt bestehen kann, daß die Einwirkung mit dem Verluste des Wassers und der Eintrocknung des Gemenges und der dadurch erhöhten Temperatur des Gemenges wieder eintritt, ferner daß bei den oben angegebenen Verhältnissen nur ein Theil Ammoniak als wasserleeres Gas durch Absorption gewonnen werden kann und ein großer Theil in dem Gemenge zurückbleibt, oder mit Wasserdämpfen gemischt übergeht und so verdichtet werden muß. Da nun aber das Trockenkochen in einem gläsernen Kolben gar nicht möglich ist, auch ein lebhaftes Kochen überhaupt durch die Neigung der Flüssigkeit zum Uebersteigen verhindert wird, so folgt daraus, daß man nach den Verhältnissen der Pharmakopöe und in dem von ihr angegebenen Apparate vortheilhaft gar nicht Ammoniak bereiten könne. Nächst dem würde man beim Ueberziehen der ganzen Wassermenge und dann Trockenkochen der ganzen Masse auf die große Schwierigkeit stoßen, daß das bereits verdichtete Ammoniak durch die große Menge der Wasserdämpfe sehr erhitzt wird und schwierig kalt zu erhalten ist. Alle diese Uebelstände erklären sich daraus: es ist zu viel Wasser in dem Gemenge. Nimmt man weniger Wasser, so wird ein bedeutend größerer Theil des Ammoniaks als Gas entwickelt und durch Absorption erhalten. Hiebei ist jeder Verlust durch Erwärmung vermieden, weil die Destillation des Wassers von jener des Ammoniaks getrennt vorgenommen werden kann. Die Verdichtung von wasserleerem Ammoniak erzeugt sehr wenig Wärme, wogegen die Verdichtung von Wasserdämpfen viel Wärme frei macht. Man hat deßhalb sein Augenmerk vorzüglich darauf zu richten, die größte Menge des Ammoniaks in wasserleerem Zustande zu entwickeln und durch Absorption, nicht durch Destillation zu gewinnen. Dabei darf die Wassermenge nicht ohne Nachtheil unter dasjenige Quantum herabgedrückt werden, bei welchem eine vollständige Verflüchtigung und Durchdringung der Substanzen noch eben möglich ist. Die Bildung des basischen Chlorcalciums verwickelt den praktischen Theil der Ammoniakentwickelung ganz in derselben Art, wie die Bildung von doppelt-schwefelsaurem Kali und Natron die Destillation der Salpetersäure und Salzsäure. Auch hier ist es nothwendig geworden, 2 Atome Schwefelsäure auf 1 Atom des zu zersetzenden Salpeters und Kochsalzes zu nehmen, um trotz der Bildung eines sauren Salzes dennoch alle Säure auszutreiben. Um hierüber klar zu werden, mußte die Menge des von verschiedenen Quantitäten ätzenden Kalkes entwickelten Ammoniaks genau bestimmt werden. Die deßfallsigen Versuche wurden vom Verf. zwar nur in kleinem Maaßstabe angestellt, dafür aber die Gewichte mit desto größerer Schärfe bestimmt; sie wurden in der Weise ausgeführt, daß das in verschiedenen Verhältnissen zusammengesetzte Gemenge in einer tubulirten Retorte erhitzt und das entwickelte Gas in Salzsäure geleitet wurde. Aus der letztern erhielt man das erzeugte salzsaure Ammoniak durch Abdampfen bis zur Trockne im Wasserbade. Da der Salmiak als solcher wieder gewonnen wurde, so ließ sich daraus ohne weitere Beziehung auf einen andern chemischen Körper das Procentverhältniß des zersetzten Salmiaks ermitteln. Aus diesen Versuchen, die nachher in größerm Maaßstabe wiederholt wurden, ergaben sich folgende Resultate: 1) daß 5 Th. Aetzkalk auf 4 Th. Salmiak als das kleinste Verhältniß anzusehen sind, wobei noch der Salmiak vollständig zersetzt wird; 2) daß bei gleichen Gewichtstheilen Aetzkalk und Salmiak 10 Proc. des letztern unzersetzt bleiben; 3) daß bei 1/2 Aetzkalk auf 1 Salmiak 20 Proc. Salmiak unzersetzt bleiben; 4) daß vom Wasser die möglich kleinste Menge, die zur Erreichung des Zwecks nöthig ist, genommen werden muß; und daß diese dem Gewichte des angewendeten Salmiaks gleich zu setzen ist. Eine Verbesserung, die der Verf. an dem bekannten gußeisernen Apparate, dessen man sich zur Bereitung des Salmiakgeistes im Großen jetzt allgemein bedient, noch angebracht hat, besteht darin, daß man während der Zersetzung beständig umrühren kann. Es wird dadurch die Arbeit ungemein beschleunigt und die vollständige Durchdringung der Substanzen befördert. Man hat die Leitung der Arbeit dann vollkommen in seiner Hand, indem man beliebig neue Substanz in Wechselwirkung bringen kann und durch das Gefühl in der Hand gleichsam in das Innere des Apparats hineinschaut. Zuerst fühlt man, wie die Masse allmählich dünner wird, wie die letzten festen Stücke ganz verschwinden; dann, wie die Masse zäh und dickflüssig wird, und wie sie endlich zu Körnern und Klumpen erhärtet. Ein Vortheil besteht noch darin, daß der größte Theil des erhärteten Rückstandes lose ist und sich leicht aus dem Apparate entfernen läßt.