Titel: Ueber die Anwendung des Messings zu Dachbedeckungen; von Joseph Oellacher in Innsbruck.
Autor: Joseph Oellacher
Fundstelle: Band 113, Jahrgang 1849, Nr. LXVII., S. 287
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LXVII. Ueber die Anwendung des Messings zu Dachbedeckungen; von Joseph Oellacher in Innsbruck. Oellacher, über die Anwendung des Messings zu Dachbedeckungen. In Bezug des Messingbleches, welches ich im polytechn. Journal, Jahrgang 1844, Bd. XCIV S. 71 als vorzügliches Dachbedeckungsmittel, das in gewisser Hinsicht auch vor dem Kupfer den Vorzug verdiene, hinzustellen versuchte und hiefür nicht nur die theoretischen Gründe angab, sondern auch als praktischen Beleg auf ein mit Messingblech eingedecktes Salinen-Pfannhaus zu Hall in Tirol hinwies, welches damals nach mehreren Jahren ungeachtet aller denkbaren schädlichen Einflüsse von Wärme, Rauch und Qualm, sauren Dünsten und mechanisch fortgerissenen Salztheilchen keine merkbare Corrosion an der Oberfläche verrieth: erschien im Maiheft 1849 des Kunst- und Gewerbeblattes für Bayern eine hievon abweichende AnzeigeDie betreffende Notiz ist folgende:„Im 22sten Bande des Kunst- und Gewerbeblattes des polytechnischen Vereins für das Königreich Bayern findet sich S. 771 ein aus dem 94sten Bande des Dingler'schen polytechnischen Journales entnommener Aufsatz über verschiedene Bedachungsmaterialien, worin Dachungen aus Messingblech nachdrücklich empfohlen werden und als Beweis der Unveränderlichkeit des Messings an der Luft und seines Vorzuges in dieser Beziehung selbst vor dem Kupfer, das Messingblechdach auf einem Sudhause der k. k. österr. Saline in Hall (sogenanntes Lobkowitz-Sudhaus), welches sich nach Verlauf von 4 Jahren als vollkommen entsprechend erwiesen habe, angeführt ist.“„Wir sind nunmehr in den Stand gesetzt aus sicherer Quelle zu berichten, daß dieses Messingdach an der Saline Hall in Tirol sich keineswegs als zweckmäßig erwiesen hat, indem es schon nach Verlauf von 11 Jahren in allen Theilen durchlöchert und zerrissen war, so daß es ganz abgenommen und durch ein Dach aus anderem Materiale ersetzt werden mußte. Welchem Umstande dieses so ungünstige Resultat zuzuschreiben sey, ob nämlich das angewandte Messing zu spröde (es soll einen etwas zu großen Zinkzusatz gehabt haben), oder zu dünn war, ist nicht mit Sicherheit ermittelt worden. Jedenfalls dürfte hiedurch der Beweis (?) geliefert worden seyn, daß Kupfer zur Eindeckung von Salzsudhäusern ein bewährteres (?) Material ist als Messing. Wir glaubten unseren Lesern diese Mittheilung nicht vorenthalten zu dürfen, da wir es für unsere Pflicht halten, Irrthümern in der Technik allenthalben entgegenzutreten etc. Das erwähnte Sudhausdach wurde nach Entfernung des Messingdaches mit Asphalt eingedeckt etc.“Der Verfasser dieser Notiz zieht aus der berichteten Thatsache – ganz abgesehen von den Umständen, welche sie veranlaßt haben – hinsichtlich der Vorzüge des Kupfers vor dem Messing als Bedeckungsmaterial für Salzsudhäuser einen nicht gerechtfertigten Schluß; um diese Frage definitiv entscheiden zu können, müßte man ein Kupfer- und Messingdach unter gleichen Umständen den zerstörenden Einflüssen eines Salzsudhauses aussetzen, nämlich der Einwirkung von atmosphärischer Luft, unterstützt von Wärme, Feuchtigkeit, freier Salzsäure (entwickelt beim Verdunsten der Salzsoole durch Zersetzung der salzsauren Bittererde) und mechanisch fortgerissenem Kochsalz.Die erste Anwendung des Messingblechs als Bedachungsmaterial wurde unseres Wissens in Augsburg gemacht und zwar bei einem tempelartigen Gartengebäude, worüber der k. b. Kreisbauinspector Voit im polytechn. Journal, Jahrgang 1820, Bd. I S. 92 berichtet hat. „Die Theile des Messings, sagt Voit, haben (nach den Versuchen über die zum Zerreißen von Drähten erforderlichen Gewichte) einen stärkeren Zusammenhang unter einander als die des Kupfers; man kann sich also von dem als Deckungsmaterial angewendeten (reinen) Messing ein möglichst gutes Dach versprechen, und im Verhältniß zum Kupfer um so gewisser davon seyn, da die Einwirkung der Witterung auf beide gleich, das heißt auf beide von geringem Einfluß ist. Ein mit Messingblech belegtes Dach macht auf einem in schönem Styl aufgeführten Gebäude eine herrliche Wirkung und der ästhetische Baumeister wird es bei allen Bauwerken anzubringen wünschen, aus die er einen artistischen Werth legt.“ Die a. a. O. beschriebene Bedeckung des Kuppeldaches jenes Gartengebäudes, welche im J. 1818 ausgeführt wurde, hat sich, mit Ausnahme der oberflächlichen Oxydation des Messingblechs, bis jetzt vollkommen unverändert erhalten und noch keiner Ausbesserung bedurft.Anmerk. der Redact., wornach, da nach 11 Jahren obiges Dach abgenommen werden mußte und durch ein Asphaltdach ersetzt wurde, die Tauglichkeit des Messings zu Dacheindeckungen wesentlich in Zweifel gestellt wurde. Diese übrigens richtige Thatsache war mir so überraschend, daß ich mich bei der k. k. Pfannhaus-Verwaltung um alle näheren Umstände erkundigte. Denn Jedermann, dem die Eigenschaften des Messings und die zähe Beibehaltung seiner Metallität unter den ungünstigsten Einflüssen des Wassers und der Luft, worin es das reine Kupfer übertrifft, bekannt sind, wird, im Angesichte der allenthalben dafür sprechenden zahlreichen Belege, erstaunt seyn zu hören, daß dem nicht so sey; ja daß Messing sogar vom Eisen oder Zink überboten werden solle, indem Dächer, mit diesen Metallen eingedeckt und gehörig versorgt, doch jedenfalls länger wie 11 Jahre dauern werden. Dieser scheinbare Widerspruch wurde aber nach erhaltener amtlicher Aufklärung gehörig gelöst und ich glaube diese, zur Vermeidung jeder irrthümlichen oder vorgefaßten Meinung, den Technikern nicht vorenthalten zu dürfen. Bei genauer Untersuchung und Würdigung aller Verhältnisse hat sich mit Bestimmtheit ergeben, daß die Nothwendigkeit der Abtragung des Messingdaches auf dem Lobkowitz'schen Pfannhause in Hall nicht in den Eigenschaften des Messings überhaupt, soferne es von guter Qualität gedacht wird, sondern vollkommen außerhalb denselben, namentlich in einer schlechten Qualität, in Verbindung mit mechanischen Einflüssen, ihren eigentlichen Grund habe. Das herabgenommene Messingblech hatte übrigens seiner Masse nach nicht die mindeste Veränderung weder physisch noch chemisch erlitten; es war nicht corrodirt; wohl aber sah man daran äußere Verletzungen durch mechanischen Druck, die sich als Risse und Sprünge zu erkennen gaben. Frägt man nach den näheren Ursachen, weßhalb das Messingblech auf jenem Dache nicht entsprochen, so sind als solche anzuführen: 1) die Sprödigkeit des angewendeten Messingbleches; 2) die gleichzeitige Dünnheit desselben, da der Wiener-Quadratfuß dieses Bleches nicht mehr wie 3/4 Pfd. W. Gew. wiegt; 3) die eigenthümliche Construction des in Rede stehenden Dachstuhles, der kein Giebeldach, sondern ein äußerst flaches Grabdach bildet; 4) der mechanische Druck und die daraus hervorgegangene rein mechanische Verletzung. Daß diese vier Uebelstände, die bei unserm Dache eintraten, bei jedem andern Dache sehr leicht beseitigt werden können; daß ihre vereinte Wirkung auch ein anderes Metalldach, selbst ein Kupferdach, gleichfalls unbrauchbar machen würde; daß somit an dem üblen Resultate das Messing als solches durchaus keine Schuld trage, soll gleich gezeigt werden. Als einer der nachtheiligsten der vorangeführten Gründe muß die Sprödigkeit des in Hall angewendeten Messingbleches angegeben werden; sie entsprang a) aus der Zusammensetzung des Messings; b) aus dem amtlich erhobenen Umstande, daß das Blech nach dem Hämmern nicht ausgeglüht wurde, was allerdings ein grobes Versehen war. Was die Zusammensetzung anbelangt, so habe ich das vom Dache genommene Messing mit Sorgfalt untersucht.Der Redaction wurde von dem Verfasser dieses Aufsatzes ein Muster des vom Dache genommenen und von ihm analysirten Messingbleches eingesandt.Anm. d. Red. Die quantitative Analyse, deren Gang der Kürze wegen hier nicht weiter angeführt wird, hat als Resultat ergeben: Kupfer 63,66 Zink 33,02 Blei 2,52 Kiesel (Silicium) 0,61 Phosphor-Eisen 0,19 ––––– Messingblech 100,00 Daß ein Messing von dieser Zusammensetzung allerdings sehr spröde seyn müsse, ist nun leicht erklärlich; denn erstens enthält es die bedeutende Menge von 2,52 Proc. Blei, und es ist bekannt, daß dieses Metall vielen Compositionen, insbesondere dem Messing, einen hohen Grad von Sprödigkeit verleiht; zweitens enthält es Kiesel und Phosphor, zwei Bestandtheile, die, ob auch in geringer Menge, gleichfalls die Sprödigkeit einer Legirung vermehren, und endlich enthält dieses Messing auf 100 Theile Zink nur 192 8/10 Theile Kupfer, während ein gutes Messing auf 100 Theile Zink wenigstens 200 bis 250 Theile Kupfer enthalten sollte.Eine im Jahre 1837 auf amtlichen Auftrag von mir untersuchte gute Messingsorte von Wien, aus der Fabrik des Hrn. Rosthorn, hatte folgende Zusammensetzung:Kupfer  68,1Zink  31,9BleiSpuren––––––Messing100,0In diesem Messing sind auf 100 Theile Zink 213 5/10 Theile Kupfer enthalten. Hieraus folgt, daß wenn Messing als Dachbedeckungsmittel von mir in Vorschlag gebracht wurde und darunter doch jedenfalls nur eine gute reine Qualität verstanden war, dieser Vorschlag in Bezug des in Hall angewendeten Messingbleches gegenwärtig keine volle Geltung behaupten könne, da dessen mir damals völlig unbekannte nachtheilige Beschaffenheit keineswegs die gerechten Erwartungen zu befriedigen im Stande war, die ein gutes Messing in dieser Beziehung erfüllt haben würde. Daß das angewendete Messingblech dünne war, wurde schon oben erwähnt, und daß dieses sohin bei seiner eben nachgewiesenen Sprödigkeit um so leichter dem mechanischen Drucke nachgeben mußte und Rissen und Sprüngen durch seine Masse ausgesetzt war, bedarf keiner weitern Begründung. Auch wurde erwähnt, daß das Dach ein Grabdach ist, nämlich ein solches, wo vermöge der Neigung zweier Dachflächen zu einem einspringenden Winkel eine Senkung, ein Grab entsteht. Diese Construction hatte im gegebenen Falle die allernachtheiligste Wirkung zur Folge. Da die großen Dachflächen sich unter einem stumpfen Winkel von 172° gegeneinander neigen, folglich nur ein sehr geringes Gefälle haben, so sammelt sich eine geraume Zeit des Jahres hindurch, im Winter und Frühjahr, Eis und Schnee, und beim Thauwetter auch Wasser in der Mulde an, das durch die tiefer liegenden Schichten von Eis und Schnee am Abflusse gehemmt ist; regnet es, so wird dieser Uebelstand noch vermehrt. Abgesehen von dem hiedurch erzeugten schädlichen ungleichen Drucke auf die Dachflächen, wirkt das stagnirende Wasser auch nachhaltig auf die Pfälze der Blechverbindungen ein und durchdringt sie theilweise. Als Folge dieses Umstandes war alljährlich zu gewissen Zeiten die Nachhülfe von Arbeitern auf dem benannten Dache nöthig, theils um die Massen von Eis, Schnee und Wasser fortzuschaffen, theils um Reparaturen vorzunehmen. Wenn man nun erwägt, daß die Arbeiter auf dem sehr spröden und dünnen Metallbleche häufig hin und her traten, so sind die in Folge dieses mechanischen Druckes als zahlreiche Risse und Sprünge vorkommenden mechanischen Verletzungen des Daches und somit die vorzeitige Unbrauchbarkeit desselben nicht nur erklärlich, sondern man wird zugeben, daß sie vielmehr unter den angegebenen Verhältnissen unvermeidlich eintreten mußten. Als daher eine neue Dachbedeckung veranschlagt wurde, so stellte die k. k. Pfannhaus-Verwaltung an die k. k. Direction, welche letztere bereits ein Kupferdach in Berathung gezogen hatte, den wohlerwogenen, durch Erfahrung geläuterten Antrag, daß im Falle auch in Zukunft das Grabdach beibehalten werden müßte, jedenfalls von einer Kupfer Eindeckung desselben gänzlich abzugehen sey, da unter den vorhin angeführten höchst nachtheiligen Umständen der Eis-, Schnee- und Wasseranhäufung und dem steten Umhertreten der nöthigen mit Abräumungs-Instrumenten etc. versehenen Handlanger und Handwerker auf dem Dache, auch ein Kupferdach der mechanischen Beschädigung und Zerklüftung in nicht gar langer Zeit voraussichtlich ausgesetzt seyn und unterliegen würde. So geschah es nun, daß, nachdem wegen des bereits bestehenden Gesammtbaues von einem Grabdache nicht mehr abgegangen werden konnte, dasselbe im Verlaufe dieses Sommers mit Asphalt aus der Gewerkschaft Sr. königl. Hoheit des Erzherzogs Maximilian d'Este, nächst Seefeld, eingedeckt wurde. Dadurch, daß der Asphalt eine elastische nachgiebige Decke bildet, glaubte man einer späteren Beschädigung durch die Arbeiter, die übrigens, falls eine solche stattfände, ohne viele Mühe wieder zu repariren wäre, am wirksamsten vorbeugen zu können. Wäre das mehrbenannte Dach nach Art der italienischen flachen Dächer erbaut gewesen, wodurch dem abfließenden Wasser zu beiden Seiten ein freier Abzug gestattet worden wäre, so würde sich in Bezug der Eindeckung, selbst mit obigem schlechtem Messingbleche, kein derlei Hinderniß ergeben haben. Dieß bezeugen in der That zwei flache Dächer mit einseitiger Neigung, welche die beiden Seitenflügel eben jenes Lobkowitz'chen Pfannhauses in einem Flächenraum von 126 Quadrat-Klaftern überdecken, sowie ein drittes kleines flaches Dach mit einseitigem Abfall im Anbau des Wilczek'schen Pfannhauses; obschon nämlich diese drei Dächer gleichzeitig und mit demselben spröden und dünnen Messing-Bleche eingedeckt wurden, wie jenes große Grabdach, wovon dieses Blech abgenommen werden mußte, so sind dessenungeachtet eben diese drei Dächer bis zur Stunde noch ganz und wohlerhalten geblieben, wie jeder Anwesende durch den Augenschein sich leicht überzeugen kann. Ich glaube demnach bewiesen zu haben, daß die Ursachen, die das Abtragen des Messingblech-Daches in Hall herbeiführten, zu den Eigenschaften eines guten Messings in gar keiner Beziehung stehen, und daß diese so sehr nützliche und dauerhafte Metallcomposition auch fernerhin als vorzügliches Dachbedeckungsmittel in dem früher von mir angegebenen Sinne sich behaupten werde. Immerhin ist aber die angeführte Erfahrung von hoher Wichtigkeit, da sich die Vorsicht als nothwendig darstellt, das Messing stets vor dem Gebrauche auf seine Reinheit und Güte zu untersuchen und in Bezug des Dachstuhles ein Grabdach entweder ganz zu vermeiden, was jedenfalls bei weitem vorzuziehen wäre, oder wenigstens den einzelnen Dachflächen eine möglichst starke Neigung gegen die waagerechte Ebene zu geben. Innsbruck, den 26. August 1849.